Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Kurfürstentag zu Regensburg 1575 bearbeitet von Christiane Neerfeld

Textvorlage: Kurpfalz A, fol. 1–3'.

Beratung der Supplikationen der protestantischen Bürger von Köln und Biberach sowie der Brüder Konrad und Paul Vöhlin von Ungerhausen.

/1/ (Vormittag) Kfl. Räte von Pfalz, Sachsen und Brandenburg.

Pfalz proponiert: Es wurd den hern rethen unverborgen sein, weß man sich diser abordnung halb verglichen. Also het stathalter sie abgeordnet. Was nun fur schriften einkomen, wolt man verleßen, und nemlich heten die burger zu Cölln, so sich zur augspurgischen confession bekennen, geclagt, das inen das exercitium des orts nit wolt gestattet werden, mit bit, dieweil sie in gfar stunden, also wenn sie sich nit werden zur catholischen religion bekennen etc., uf mitl zudenken, wie sie das exercitium mochten haben, gwissens halben frey sein und sonst der gefahr ubrig sein mochten.

Verlesung der Supplikation der protestantischen Bürger der Stadt Köln1.

Sachsen: Nachdem man sich diser zusamensezung entschlossen, als weren sie darzu verordnet. Und het Sachsen nit anderst gemeint, es solt gestern geschehenen sein, wie sie dann neben Brandenburg erschinen und etlich supplication verlesen. Was nun di von Colln anlangt, do man darvon will reden, wollen sie sich vernemen laßen.

Brandenburg: Idem.

/1'/ Pfalz: Es wer mit den colonienses mitleiden zehaben, das sie das exercitium nit haben und darzu in gfar steen sollen, dan wenn sie sich haben zesammen gethan, seind sie zum theil gefangen, eins theils sonst in gfar des ausschaffens steen. Kondt gleichwol nit finden, wie inen zehelffen, dan der religion frid im weg, welchen der landsfurstlicher oder stetlichen obrigkeit fur sich hat. Aber wie den, wer cesar durch furschrift zuersuchen, damit inen ein kirchen, dern vil zu Colln, eingethon werden mocht. So sehen sie, das man sich irer angenommen. Will doch di hern auch horen.

Sachsen: Het dise supplication horen verleßen und verstanden, was ir beschwerden. Und trug mit inen mitleiden; wolt sich auch gern ersprießlich erzeigen. Es wer aber nit ohne; der religion frid leg in weg. Also das man nichts anders kont thun, dann sie apud cesarem zu vorbitten, wie Pfalz fur gut ansihet, dann andere abschaffung nit geschehen kan.

Brandenburg: Nachdem ir her diser supplication bericht, haben s.kfl.Gn. ein gnedig mitleiden mit inen. Wolt nichts liebers, dann das inen zehelffen sein mocht. Dieweil aber aus gehorten bedenken des religionfridens nichts darzu zethun und sie versteen, das andere uf di furschrift votirn, so thun sie sich mit inen vergleichen.

/2/ Pfalz: Schleust: Allein liegt inen im weg, das die supplication bloß weder verpetschirt noch die supplicanten specificirt etc.2

Verlesung der Supplikation der protestantischen Bürger der Stadt Biberach an Kf. Friedrich III. von der Pfalz3 .

Umfrage. Pfalz: Hetens erwogen und befinden, do die sachen also geschaffen, das sie hart betrangt, derwegen sie nit hilfloß zulassen. Haltens aber mher fur ein politisch werck und erinnern sich, das hiebevor bei Ferdinando dergleichen beschwerden auch furgeloffen4, und wist sonderlich Haller5, das damaln vil oberlendische stet angesucht. Aber helt darfur, sie solten an keiser zu weisen sein, ob cesar wolt commissarien verordnen, wiewol sie nach Carln von Schwendi6 begern. Oder, do sie nit simpliciter an cesarem solten gwißen werden, wern sie per electores zu furbiten, ex officio zuverschaffen, dieweil es im weltlichen regiment ubel zugeht, einsehens zethun etc.; ungezweivelt cesar werd einsehens haben.

/2'/ Sachsen: Heten gehort, was Bibrach an Pfalz gelangen lassen. Vernemmen, das die religionsach bei keiser Carln angesponnen7, auch bei Ferdinando ansuchens beschehen. Vernemmen gleichwol nit, das die supplicanten namhafft gemacht. Versehen sich aber, ir her werd sich mit andern leichtlich vergleichen. Fur ir person halten sie es darfur, weil es hievor angefangen und seithero gebliben, auch politisch hendel mit underlauffen und di supplicanten nit specificirt, es werd apud cesarem wenig fruchten.

Brandenburg: Habens auch gehort. Sei aber irem hern zuvor nichts einkommen. Doch do es will an keiser gelangt werden, wird sich ir her nit absondern, des versehens, cesar als ordinarius loci werde di gebur verfügen.

Pfalz proponiert, das von den Vhelin zu Ungerßhausen, gebruedern, ein supplication einkommen, das sie di religion 40 jar gehabt und jederzeit evangelische prediger gehabt und also das exercitium herbracht. Aber izo het erzherzog Ferdinand als inhaber des herzogthumbs Schwaben inen dasselb verboten etc. Dieweil sie dann dem Reich ohn mitl zugethon und also des religion fridens zugeniessen haben, biten sie umb hilff etc.

/3/ Verlesung der Supplikation von Konrad und Paul Vöhlin von Ungerhausen an die protestantischen Kff.8 Nota: Ist das herzogthumb Schwaben Ferdinandi pfandschilling.

Umfrage. Pfalz: Es wurde uf dem beruhen, das di Vehlin ausfurn, dasa sie dem Reich ohn mitel underworfen und Ferdinando mit der landsesserei nit underworffen. Do dem also und sie gleichwol das exercitium 40 jar herbracht, heten sie des religionfridens zu getrosten. Und weren sie apud cesarem zufurbiten, mit irem bruder zuverschaffen, das sie darbei gelassen und Ferdinandi vorhaben eingestelt werden mocht, dieweil keiner sine causae cognitione molestirt werden soll, des versehens, andere Kff. werden mit Pfalz einig sein.

Sachsen: Haben der Vehlin supplication horen verlesen. Nun wer irem hern hievon nichts einkommen, haltens aber darfur, dieweil sie der churfursten vorbit zugeniessen verhoffen, ir her werd sich mit andern vergleichen. Sie fur ir person besorgen, es werd auch beim keiser wenig fruchten, sonder die sach ans cammergericht gehoren.

Brandenburg: Ob wol dise supplication irem hern nit vorkommen, so halten sie doch darfur, ir herr werd der vorschrift halben kein bedenken haben, sonderlich dieweil im religionfriden versehen, das die freye riterschaft auch darunder gemeint, fiat cum clausula etc.

/3'/ Sachsen: Es weren irem hern und churfursten zu Brandenburg auch etliche dergleichen supplicationes einkommen, kontens aber izo nit abwarten.

Anmerkungen

1
Die protestantischen Kölner Bürger klagten darüber, dass sie vom Rat der Stadt an der freien Ausübung ihrer Religion gehindert und ihnen harte Strafen auferlegt würden. Sie baten daher die Kff., sich beim Kölner Rat dafür einzusetzen, dass man ihnen eine nicht anderweitig genutzte Kirche zur Ausübung ihrer Religion überlassen und die Missstände abstellen möge. Ihre Supplikation, die in den Akten zum Regensburger Kurfürstentag nicht ermittelt werden konnte, ist referiert bei Lehmann, De pace II, Nr. 13 S. 269 f., sowie bei Häberlin, Reichs-Geschichte IX, 387 f., und Moritz, Wahl, 152 (beide nach Lehmann). In HStA München, K. blau 110/5, fol. 11–12', Kop., o. O., o. D., ist eine ähnliche Bittschrift der protestantischen Kölner Bürger an die zu Hg. Wilhelm V. von Jülich-Kleve-Berg abgesandten kurpfälzischen, braunschweigischen und hessischen Räte überliefert (übersandt als Beilage zur Bittschrift der protestantischen Kölner Bürger an Kf. August von Sachsen, Kop., o. O., o. D.: Ebd., fol. 10 f.); Teildruck: Keller, Gegenreformation I, Nr. 199 S. 233 f., präs. Köln, Mai 1575; vgl. Moritz, Wahl, 152, Anm. 1.
2
In den Bittschriften an Kf. August von Sachsen und an die kurpfälzischen, braunschweigischen und hessischen Räte (vgl. letzte Anm.) sind die Kölner Bürger nicht namentlich genannt. Die Unterschrift lautet: Ettliche zue der auspurgischer confession in der stadt Colln sich bekhennende burger.
3
HStA München, K. blau 110/5, fol. 64–67 (o. O., o. D., ohne Nennung der Autoren. Hd. Eggelspach. Überschr.: Kurtzer und warhafftiger bericht, wie es mit der regierung der statt Biberach im Schwaben beschaffen; Dorsv.: Ist uff dem whaltag anno 75 zu Regenspurg neben anderm der ksl.Mt. copeylich übergeben worden): Erinnerung an die Änderung der Verfassungsordnung durch den von Ks. Karl V. eingesetzten Kommissar Dr. Haß und an die Beschwerden, die die protestantischen Biberacher Bürger Ks. Ferdinand I. vorgebracht haben. Klagen über die Amtsführung des katholisch dominierten Stadtrats: Vetternwirtschaft, Vergeudung der städtischen Einkünfte, Unterdrückung der mehrheitlich protestantischen Bevölkerung. Bitte an den Kf. von der Pfalz, sich für die Ernennung einer Kommission einzusetzen, die die Rechtsverletzungen untersuchen soll und der Karl von Schwendi angehören möge. Bitte um Abstellung der Missstände und Wiederherstellung der freien Ratswahl. Druck mit Abweichungen: Lehmann, De pace II, Nr. 12 S. 266–269. Referiert bei Häberlin, Reichs-Geschichte IX, 382–387, und Moritz, Wahl, 153 (beide nach Lehmann); Pfeiffer, Ringen, 19 f.; Warmbrunn, Konfessionen, 159. – Weitere in HStA München, K. blau 110/5, überlieferte Dokumente betreffend Biberach: fol. 61–62 (Johann Eggelspach, Amtmann zu Wolfstein, an Philipp Wambold von Umstadt in Regensburg abweßendt andern churfurstlichen Pfaltz rathen daselbst zuerbrechen; Lützelstein, 2.10.1575. Or.), fol. 63 (Johann Eggelspach an Philipp Wambold von Umstadt in Heidelberg; Speyer, 8.[Monat unleserlich].1575. Or.Hd. Eggelspach), fol. 68–71 (Entwurf einer Ratswahlordnung für Biberach, 17./18.1.1574), und fol. 72–77 (Wahlordnung von 1551; vgl. Anm. 7).
4
Bezug auf die Supplikation der protestantischen Bürger von Biberach an Ks. Ferdinand I. beim Wahltag 1562 (Druck: Naujoks, Kaiser Karl V., Nr. 64 S. 330 f.).
5
= Wolf Haller; vgl. Anm.9 bei Nr. 2.
6
Karl von Schwendi, RHR (Gschließer, Reichshofrat, 127; Nicklas, Macht, 18, Anm. 70).
7
Bezug auf die Verfassungsänderung in Biberach im November 1551, durch die der neugläubig-zünftische Rat entmachtet und die kleine katholische Minderheit bei der Besetzung der Räte, der Gerichte und der städtischen Ämter bevorzugt wurde; vgl. Naujoks, Kaiser Karl V., 207–212; Warmbrunn, Konfessionen, 116–118. Eine Kopie der von Ks. Karl V. erlassenen Wahlordnung ist überliefert in HStA München, K. blau 110/5, fol. 72–77 (Kop.; o. O., o. D.Dorsv.: Instructio Imperialis Caroli Quinti de creando magistratu bibracensi).
8
HStA München, K. blau 110/5, fol. 82–85' (o. O., o. D.; Kop.): Verstöße gegen den Religionsfrieden. Reichsunmittelbarkeit des in der Landvogtei Schwaben gelegenen adligen Guts Ungerhausen. Klage der Brüder Konrad und Paul Vöhlin von Ungerhausen über Ehg. Ferdinand II., der als Pfandbesitzer der Landvogtei die Oberhoheit über Ungerhausen beansprucht und ihnen und ihren Untertanen die Ausübung ihrer seit 40 Jahren praktizierten Religion nicht erlauben will. Bitte an die protestantischen Kff., sich für die Einhaltung des Religionsfriedens und den Schutz der CA-Anhänger einzusetzen. Referiert bei Lehmann, De pace II, Nr. 13 S. 270 f.; Häberlin, Reichs-Geschichte IX, 388 f., und Moritz, Wahl, 153 (beide nach Lehmann). In der Akte HStA München, K. blau 110/5, fol. 86–87, folgt ein Schreiben des Paul von Appetzhofen, Verwalter der Landvogtei in Ober- und Niederschwaben, an Konrad Vöhlin (Altdorf, 21.9.1575; Kop., beglaubigt Augsburg, 27.9.1575).
a
 das] Korr. aus: ob.