Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 10. Der Reichstag zu Worms 1509 bearbeitet von Dietmar Heil
[1.] Anmeldung der bayerischen Reichstagsgesandtschaft beim Ks.; [2.] Reise Hg. Wilhelms an den Kaiserhof; [3.] Supplikation an den Ks. wegen des Klosters Niederaltaich; [4.] Lehnsindult für Hg. Wilhelm, Belehnung der Vormünder mit dem Blutbann; [5.] Befreiung Hg. Wolfgangs von Reichssteuern.
München, HStA, KÄA 3136, fol. 433, 434–438 (Kop., Aufschr.: Instruction gen Wurmbs anno etc. 9no . Überschr.: Was und wie von unser, herzog Wolfgangs und anderer unser mitvormunder wegen anstat unsers pflegsons herzog Wilhelms etc. bey der ksl. Mt. anzebringen und zu erlangen sein wil etc.).
[1.] Dem Ks. soll nach Vorlage des Kredenzbriefs [Nr. 191] Glück für seine Unternehmungen gewünscht und er des Gehorsams der Vormünder und Hg. Wilhelms versichert werden. Dessen Fernbleiben vom Reichstag soll entschuldigt werden. Weiterhin ist anzuzeigen, dass er, Dr. Plieningen, vorausgeschickt worden sei; drei weitere Gesandte, die so rasch nicht aufbrechen hätten können, würden in Kürze nachkommen, um ebenfalls am Reichstag teilzunehmen.1Plieningen werde bis dahin an den Beratungen über die Reichssachen mitwirken. Anschließend soll, wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt, dem Ks. eine Supplikation wegen des Klosters Niederaltaich vorgetragen werden.
[2.] Falls der Ks. nachfragt, ob und wann Hg. Wilhelm zu ihm kommen wird2, soll darauf verwiesen werden, dass Kaspar von Winzer ihn darüber unterrichten werde. Dieser sei deshalb zum Hg. und zu den bei ihm weilenden Vormündern gereist3, die sich derzeit nicht in München, sondern in Straubing aufhielten. Er, Plieningen, hingegen sei kurz nach dem Eintreffen Winzers von München aus nach Worms aufgebrochen und könne dazu keine Auskunft geben.4
[3.] Erinnern an die Verhandlungen zwischen dem Ks. und Hg. Albrecht wegen des Reichsklosters Niederaltaich5sowie die ksl. Mandate an Pfgf. Friedrich zur Übergabe des gewaltsam eingenommenen Klosters an den ksl. Kommissar Christoph Jörger.6Der Pfgf. hat diese Aufforderung bislang ignoriert. Er hält das Kloster zu dessen großen Schaden wie auch zum Nachteil der geflohenen kaisertreuen Konventualen und des Abtes [Kilian Weybeck] bis zum heutigen Tag besetzt. Darüber hinaus hat der Pfgf. gemeinsam mit den verbliebenen kaiserfeindlichen Mönchen unter falschen Angaben eine päpstliche Kommission gegen den Abt und seine Mitbrüder erwirkt. Kraft dieser Kommission, jedoch in einem unrechtmäßigen Verfahren verhängte der Propst zu Spalt, Johann [von der] Capell, ein Anhänger des Pfgf. und Feind des Ks. wie auch des Abtes, den Bann über die geflohenen Konventualen. Es heißt, er plane auch die weltliche Gewalt einzuschalten, um den Abt und seine Mitbrüder zur Rückkehr zu zwingen und das Kloster zum Nachteil von Ks. und Reich der Herrschaft Pfgf. Friedrichs zu unterwerfen. Im Übrigen werden dem Abt und seinen Mitbrüdern die ihnen zustehenden Einkünfte entzogen. Aufgrund einer in Rom vorgebrachten Appellation wurde der Bann zwar wieder aufgehoben, die Gegenpartei legte indessen eine Gegenappellation ein und erwirkte eine Vorladung an den Abt und seine Anhänger. Diese benötigen dringend die Hilfe des Ks.
Das Kloster Niederaltaich untersteht unmittelbar Ks. und Reich, wovon der Ks. sich anhand der auf dem Konstanzer Reichstag vorgelegten Urkunden7selbst überzeugen konnte. Daraufhin ergingen die erwähnten ksl. Mandate an Pfgf. Friedrich. Bitten ihn, Pfgf. Friedrich und seine Anhänger dazu zu veranlassen, vom geistlichen Prozess zurücktreten und ihre Ansprüche vor dem Ks. und dem ksl. Kammergericht als den zuständigen Instanzen zu vertreten.8Dort soll der Pfgf. beweisen, dass das Kloster tatsächlich seiner weltlichen Obrigkeit und nicht der des Reiches untersteht und er es somit nicht etwa mithilfe des geistlichen Prozesses unzulässigerweise dem Reich entzieht. Sollte sich herausstellen, dass das Kloster dem Pfgf. untersteht, wäre das Vorgehen gegen den Abt und seine Mitbrüder ohnehin unnötig. Denn diese würden freiwillig in das Kloster zurückkehren, da es ihnen ausschließlich darum geht, im Gehorsam gegen den Ks. die Rechte und Reichsfreiheit des Klosters gegen die Usurpation des Pfgf. zu verteidigen. Dem Ks. obliegt der Schutz des Klosters, des Abtes und seiner Anhänger. Er sollte den Papst auffordern, den Prozess an der Rota einzustellen oder wenigstens zu sistieren. Er könnte damit argumentieren, dass er sich als Vogt der Kirche des Falles annehmen wolle, um die Rechte des Reiches und die Freiheiten und Interessen des Klosters zu schützen.
Der Ks. wäre, falls er nicht selbst gegen den Pfgf. vorgehen will, berechtigt, ihn durch seinen Fiskal an das ksl. Kammergericht vorladen und dort die Reichsunmittelbarkeit des Klosters feststellen zu lassen. Anschließend könnte er es – gemäß der seinerzeit Hg. Albrecht gemachten und vom Tiroler Marschall Paul von Liechtenstein aufbewahrten schriftlichen Zusage – der Schirmherrschaft Hg. Wilhelms bzw. seiner Vormünder unterstellen. Diese von ihnen favorisierte Vorgehensweise wäre durch die Konstanzer Deklaration9 gedeckt. Alternativ könnte der Ks. den von Liechtenstein verwahrten Schutzbrief und beglaubigte Abschriften der ksl. Mandate an Pfgf. Friedrich zur Übergabe des Klosters an die Vormundschaftsregierung aushändigen, die den Fall dann selbst vor das Kammergericht bringen könnte. Daneben sollte der Ks. allerdings Pfgf. Friedrich und seine Parteigänger unter den Mönchen auffordern, für die einstweilige Aufhebung des Banns zu sorgen. Die betrübliche Lage des Abtes und seiner Mitbrüder geht aus deren Schreiben an Hg. Wilhelm10 hervor, das dem Ks. vorgetragen werden soll.
[4.] Die Gesandten sollen, sowie ihnen die Gelegenheit günstig erscheint, den Ks. um einen Aufschub für den Empfang der Reichslehen seines Neffen Hg. Wilhelm bis zum Erreichen der Volljährigkeit sowie um eine entsprechend verlängerte Genehmigung für die Vormünder zur Ausübung des Blutbanns ersuchen.11
[5.] Die Gesandten sollen außerdem verhindern, dass Hg. Wolfgang separat zu einer Reichshilfe herangezogen wird. Dem Fm. Bayern darf darüber hinaus keine höhere Steuer als den Kff. auferlegt werden. Die Begründung hierfür ist der Abschrift eines Schreibens an den Ks.12zu entnehmen. Plieningen führt Abschriften der Konstanzer Reichsanschläge und des Reichsabschieds13mit sich, falls diese für die Verhandlungen benötigt werden sollten. Über den Verlauf der Verhandlungen sollen die Gesandten nach eigenem Ermessen berichten.