Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth
Nr. 1 Instruktion des venezianischen Dogen Leonardo Loredan für Giovanni Corner und Alvise Mocenigo zu einer Werbung bei Ks. Maximilian
Venedig, 14. Dezember 1509
Venedig, Archivio di Stato, Consiglio dei Dieci, Deliberazioni miste, registri Nr. 32 (1508-1509), fol. 223a-224b, Kop. (ital.).
Kurzregest: Albéri, Relazioni, Nr. 20.
Giovanni Corner soll sich sofort auf den Weg nach Feltre machen, wo er auf Alvise Mocenigo treffen wird. Dieser erwartet dort die ksl. Gesandten, die das vom Dogen ausgestellte freie Geleit mitbringen müßten. Nach deren Ankunft sollen Corner und Mocenigo auf eine Audienz beim Ks. dringen. Wenn ihnen dies gelingt, sollen sie mit dem freien Geleit, das ihnen der Ks. schicken wird, zu diesem aufbrechen. Falls sie keine Audienz erhalten, sollen sie den ksl. Gesandten sagen, daß Venedig Ks. Maximilian und seinen Vorfahren immer ergeben war und wünscht, mit ihm verbündet zu sein. Zweifellos wird der Ks. sich erinnern, wie oft der Kg. von Frankreich die Treue gebrochen hat, durch seine glänzenden Siege übermütig geworden ist und nur danach trachtet, sich nach der Besetzung ganz Italiens zum Ks. der Christenheit zu machen und (den EB von) Rouen (George d’Amboise) zum Papst zu ernennen. Eingedenk dessen müßte der Ks. bereit sein, sich mit Venedig zu verbünden, das seinerseits mit einem Abkommen sehr einverstanden wäre. Der Kg. von Frankreich soll aus dem Hgt. Mailand vertrieben und ein Sohn Ludovico (Sforzas) oder jemand anderer, der Ks. Maximilian geeignet erscheint, eingesetzt werden. Von Seiten Venedigs soll es dabei weder an Geld noch an Truppen fehlen. Venedig will auch jene Gebiete, die es innehat bzw. verloren hat, Ks. Maximilian zuerkennen.
Um sich beim Ks. Gehör zu verschaffen, ist es wichtig, sich mit den Leuten, die Einfluß bei ihm haben, gut zu stellen. Dies sind vor allem Zyprian von Serntein, Paul von Liechtenstein und Matthäus Lang. Letzterer neigt noch zu Frankreich. Der Doge vertraut darauf, daß die Gesandten alle Mittel einsetzen werden, die ihnen angemessen erscheinen, und gewährt ihnen völlige Handlungsfreiheit. Sie dürfen die Summe von 12 000 rh. fl. denen anbieten, die sich um einen Frieden bemühen. Darüber hinaus dürfen sie dort, wo es ihnen gut erscheint, 4 000 Dukaten oder venezianische Benefizien mit entsprechendem Ertrag versprechen. Das Hauptanliegen Venedigs ist die Vertreibung der Franzosen aus Italien. Dabei soll es Ks. Maximilian nicht an Geld und Knechten, also letztlich am ganzen venezianischen Heer fehlen. Bevor über Einzelheiten gesprochen wird, soll der Ks. seine Meinung äußern, damit Venedig antworten kann. Falls der Ks. nur die Absichten Venedigs erfahren, aber nichts unternehmen will, wird Venedig ihn nicht weiter behelligen. Es hat schon mehrere Angebote gemacht: das erste durch Luca de Renaldis über 200 000 fl., das zweite durch Dr. Antonio Giustinian, den Venedig zum Ks. geschickt hat, der aber nie vorgelassen worden ist. Daher hat der Ks. nichts vom Angebot über 50 000 fl. jährlich für 10 Jahre hören können, falls er mit den 200 000 fl. nicht zufrieden gewesen wäre. Die Gesandten sollen deshalb zunächst nochmals 200 000 fl. anbieten; wenn das nicht genügt, 50 000 fl. jährlich für 10 Jahre. Sofort nach einem Friedensschluß sollen dem Ks. 100 000 fl., also das Geld für zwei Jahre, ausgehändigt werden. Darüber hinaus soll er jederzeit über das venezianische Heer verfügen können, als ob es seine eigenen Knechte wären. Das sind die Punkte, die Ks. Maximilian nach Meinung Venedigs nicht zurückweisen kann, sondern begeistert annehmen wird. Die Gesandten sollen ihn mit allen ihren Kräften zur Abkehr von den Franzosen bewegen. Dabei sollen sie ihm auch alle früheren Untaten des Kg. von Frankreich in Erinnerung rufen und vor allem darauf hinweisen, daß der Kg. die Ursache für den Tod von Ks. Maximilians Sohn (Philipp) gewesen ist. Der frz. Kg. muß aus Italien vertrieben werden. Falls alle Angebote den Ks. nicht zufrieden stellen und er einen anderen Vorschlag macht, sollen die Gesandten Venedig unverzüglich benachrichtigen, damit es sofort antworten kann, doch zweifelt der Doge nicht daran, daß es zu einer Verbindung mit dem Ks. kommen wird.
Außerdem sollen die Gesandten, jedoch mit Vorsicht, versuchen, die weiteren Pläne des Ks. und vor allem den Grund für den geplanten Reichstag herauszufinden.
Am ksl. Hof werden die Gesandten sicherlich Kardinal Adriano (Castellesi) treffen, der sich in allen seinen Handlungen als sehr nützlich für Venedig erwiesen hat. Sie sollen ihn mit dem beigefügten (nicht vorliegenden) Kredenzbrief aufsuchen und alles daransetzen, seine Gunst im Hinblick auf die Verhandlungen mit Ks. Maximilian zu gewinnen.
Nr. 2 Giovanni Corner und Alvise Mocenigo (venezianische Gesandte) an Venedig
Ospedaletto, 30. Dezember 1509
Inhaltsangabe: Fulin, I Diarii di Marino Sanuto 9, Sp. 429 (ital.).
Trafen nach dem Empfang des Schreibens aus Venedig (wohl Nr. 1) mit den ksl. Gesandten zusammen und boten auftragsgemäß dem Ks. die Reichshoheit über die strittigen Gebiete an, was vor zwei Jahren noch eine große Sache gewesen wäre. Jetzt aber ist Venedig zur Rückgabe bereit, weil es sich um eine Forderung des Ks. handelt. Die ksl. Gesandten wollen nach Pergine (Persen) gehen, dem Ks. nach Bozen schreiben und sich nach Erhalt seiner Antwort mit ihnen (Corner und Mocenigo) verständigen, die in Feltre warten werden. Sie beide gingen ausführlich auf die Gründe ein, die Venedig veranlassen, den Ausgleich und Frieden mit Ks. Maximilian zu suchen, indem es ihm die Reichshoheit über die strittigen Gebiete anbietet. Inzwischen traf ein Abgesandter des Ks. ein mit dem Auftrag, die venezianischen Gesandten anzuhören. Am nächsten Tag wollen sie wieder miteinander sprechen. 1
Nr. 3 Giovanni Corner und Alvise Mocenigo an Venedig
Ospedaletto, 8. Januar 1510
Inhaltsangabe: Fulin, I Diarii di Marino Sanuto 9, Sp. 452f. (ital.).
Haben freundlichen Umgang und Vergnügungen mit den ksl. Gesandten, die großen Eifer für einen Friedensschluß bekunden und Venedig gleichsam privat empfehlen, Ks. Maximilian als capitanio general und difensor zu gewinnen. Venedig soll Gerichts- und Zivilhoheit in Treviso erhalten, aber einen Vertreter des Ks. in die Mauern aufnehmen. Außerdem soll der Ks. die Schlösser innehaben und das Land soll ihm huldigen, aber den Venezianern soll ihr Besitz verbleiben und sie sollen jährlich eine Anerkennungszahlung leisten. Die venezianischen Gesandten boten daraufhin 100 000 rh. fl. für die Investitur und 10 000 rh. fl. jährliche Zahlung. Die ksl. Gesandten spotteten über dieses Angebot und sagten, es sei ein Hohn und keiner weiteren Verhandlung wert. Man wolle nicht wie Kaufleute über mehr oder weniger Geld verhandeln. Sie setzten für die Annahme ihrer Vorschläge einen Termin bis zum 11. Januar. Einer der ksl. Gesandten fragte auch, welche Sicherheiten Venedig für die Einhaltung seiner Versprechungen biete.1
Nr. 4 Giovanni Corner und Alvise Mocenigo an Venedig
Ospedaletto, 11. Januar 1510
Inhaltsangabe: Fulin, I Diarii di Marino Sanuto 9, Sp. 460 (ital.).
Trafen am 11. Januar wieder mit den ksl. Gesandten zusammen, die sich über das neue Angebot sehr erbost zeigten, es als Hohn bezeichneten und mit dem Abbruch der Verhandlungen drohten. Sie verlangten für die separat aufgezählten Gebiete näher bezeichnete hohe Summen sowie Garantien für die Versprechungen, andernfalls würden die Verhandlungen abgebrochen.1
Nr. 5 Die venezianischen Gesandten an der Kurie an Venedig
Rom, 23. Januar 1510
Inhaltsangabe: Fulin, I Diarii di Marino Sanuto 9, Sp. 492f. (ital.).
Der Papst ist guten Willens und erwartet die Antwort Venedigs bzgl. der freien Seefahrt in der Adria. Er spricht von großen Kriegsvorbereitungen des Kg. von Frankreich. Es scheint, daß der Papst einen Ausgleich zwischen Ks. Maximilian und Venedig vermitteln will und deswegen einen Bf. (Achilles de Grassis) zum Reichstag (nach Augsburg) und einen anderen Bf. (Matthäus Schiner von Sitten) zu den Eidgenossen geschickt hat.1 Der Kg. von Spanien hat angeblich mitgeteilt, daß er sich nicht mehr als Mitglied der Liga (von Cambrai) betrachtet. Er bleibt aber im Bündnis mit Hg. (Karl) von Burgund und Ehg.in Margarethe. Die Gesandten übersenden die Bestimmungen der Liga nach Venedig, in deren Besitz sie per bona via gelangten. Darin ist die Rede von der Unterstützung des Ks. durch den Papst gegen Venedig. Sie selbst hatten ein Gespräch mit Konstantin Arianiti, der (für den Ks.) in Rom beim Papst gewesen ist und dort zugunsten Venedigs gearbeitet hat.
Nr. 6 Giovanni Corner und Alvise Mocenigo an Venedig
[Feltre], 31. Januar 1510
Inhaltsangabe: Fulin, I Diarii di Marino Sanuto 9, Sp. 505 (ital.).
Trafen sich nochmals mit den ksl. Gesandten und unterbreiteten ihre Angebote. Ks. Maximilian will die Gebiete haben, die er vor dem Krieg besessen hat, außerdem 150 000 fl. für die Investitur und jährlich eine ungenannte Summe. Wurden von den ksl. Gesandten gefragt, ob sie nichts weiter anzubieten hätten. Der Ks. hat befohlen, alle Gebiete zu fordern, die ihm aufgrund der Liga von Cambrai zustehen.1
Nr. 7 Beschluß Venedigs zur Kontaktaufnahme mit Kf. Friedrich III. von Sachsen
Venedig, 2. Februar 1510
Inhaltsangabe: Fulin, I Diarii di Marino Sanuto 9, Sp. 509 (ital.).
Regest: Valentinelli, Regesta, S. 248 Nr. 741.
Die Savi beantragten einstimmig, einen Brief an Kf. Friedrich von Sachsen zu schreiben, der erwartet, röm. Kg. zu werden, wenn Ks. Maximilian zum Ks. gekrönt wird, ihm das Angebot Venedigs an den Ks. mitzuteilen und ihn zu bitten, diese Sache, die ja in seinem Interesse ist, zu betreiben. Der Antrag wurde angenommen.1
Nr. 8 Informationen Venedigs über EB Uriel von Mainz und Ks. Maximilian
Venedig, 9. Februar 1510
Inhaltsangabe: Fulin, I Diarii di Marino Sanuto 9, Sp. 522 (ital.).
Hieronimo da Castelfranco kam ins Kollegium. Er war in Deutschland beim EB von Mainz gewesen und hatte ihm einen Brief Venedigs überbracht. Der EB läßt dafür danken und wird Venedig gute Dienste leisten. In Augsburg scheint kein Reichstag stattzufinden. Ks. Maximilian weilt in Innsbruck, geht auf die Jagd und wartet auf die Ks.in (Bianca Maria), um mit ihr Faßnacht zu feiern. Allgemein wurde erwartet, Castelfranco werde als gute Neuigkeit ein Schreiben der Rstt. mitbringen.
Nr. 9 Giovanni Corner und Alvise Mocenigo an Venedig
Feltre, 16. Februar 1510
Inhaltsangabe: Fulin, I Diarii di Marino Sanuto 9, Sp. 542f. (ital.).
Die ksl. Gesandten in Trient ließen durch einen Boten mitteilen, sie hätten Briefe Ks. Maximilians erhalten mit dem Auftrag, Venedig zu bitten, es möge ihm zuliebe drei seiner gefangenen Leute gegen Leistung eines Eides für drei Monate freilassen.1
Nr. 10 Ks. Maximilian an Mgf.in Isabella d’Este von Mantua
Augsburg, 10. März 1510
Mantua, Archivio di Stato, E/LXI/1: Corrispondenza colla Marchesa Isabella d’Este, Lettere di provenienze diverse, busta 1893, Nr. 391, Orig. Pap. m. S. ( p.r.p.s.; a.m.c.m.p.; Gegenzeichnung: Jacob de Banissis; ital.).
Hat ihren bei ihm weilenden Gesandten (Donato de Preti und Francesco Peschiera) einige wichtige Mitteilungen gemacht, die das Wohl der Mgf.in und ihres Landes betreffen. Hierzu soll sie ihre Meinung äußern gemäß ihren Interessen. Vertraut auf sie.
Nr. 11 Beschlüsse Venedigs bzgl. einer Vermittlung Papst Julius’ II. im Konflikt mit Ks. Maximilian
Venedig, 15. März 1510
Druck: Fulin, I Diarii di Marino Sanuto 10, Sp. 42 (ital.).
Venedig wird gemäß dem Wunsch des Papstes seine Attacken gegen Ferrara einstellen. Der Papst möge einen Ausgleich zwischen Ks. Maximilian und Venedig vermitteln. Er soll alles über die Verhandlungen mit den ksl. Gesandten und die Angebote Venedigs erfahren, auch, daß die ksl. Gesandten abgereist sind. Das Kollegium schrieb an Corner und Mocenigo, sie sollten in Feltre auf Antwort warten, hauptsächlich wegen des Reichstags in Augsburg.
Nr. 12 Dr. Hieronimo Donado, Orator Venedigs an der Kurie, an Venedig
Civitavecchia, 18. März 1510
Inhaltsangabe: Fulin, I Diarii di Marino Sanuto 10, Sp. 87f. (ital.).
Regest: Brewer/Brodie, Letters, Nr. 408 (engl.).
Der Papst zeigte den Gesandten im Rahmen einer Audienz Briefe seines Gesandten Bf. (Achilles) de Grassis aus Deutschland vom 3. und 5. März. Darin wird berichtet, daß der Reichstag versammelt ist und ihm drei Punkte vorgetragen worden sind: erstens Venedig schädigt die Kirche, und zwar Ferrara, zweitens Venedig ruft die Türken zu Hilfe, drittens der Papst wird Venedig nicht absolvieren. Er (Donado) erklärte dazu, Venedig sei nur gegen Padua vorgegangen, von den Türken sei ihm nichts bekannt. Die Kff. von Sachsen, Trier, Köln und Mainz haben dem päpstlichen Gesandten (Achilles de Grassis) versprochen, darauf hinzuwirken, daß ein Ausgleich mit Venedig zustande kommt. Der Papst ließ ihm (Donado) durch den spanischen Orator ausrichten, es wäre gut, wenn Venedig dem Ks. seine Länder zurückgäbe.
Nr. 13 (Der päpstliche Nuntius Achilles de Grassis an Papst Julius II.)
Augsburg, 29. März 1510
Inhaltsangabe: Fulin, I Diarii di Marino Sanuto 10, Sp. 160f. (ital.).1
Informiert über Verhandlungen des Reichstags. Ein Rat, der dabei war, berichtete, die Ff. blieben bei ihrer Haltung, Ks. Maximilian 350 000 rh. fl. für den Krönungszug nach Rom und den Krieg gegen Venedig geben zu wollen, wenn ihm die Signorie nicht ehrenvolle Bedingungen anbiete. Außerdem wollten sie die Gesandten Venedigs anhören. Als der Ks. dies hörte, erregte er sich sehr und sagte, es sei eine Schande für das Reich, zuerst über den Frieden zu verhandeln. Wenn er erst einmal im Besitz der Waffen sei, dann könne man die venezianischen Gesandten und ihre Angebote mit größerer Würde für das Reich anhören. Die Stände sollten ihm das Geld für den Krieg geben, bevor die Gesandten auf den Reichstag kämen. Dieser wurde über Ostern (31. März) hinaus verlängert. Der Ks. beklagte sich auch über die Befreiung Venedigs vom Kirchenbann2 und über das Bündnis des Papstes mit den Eidgenossen.
Nr. 14 (Der päpstliche Nuntius Achilles de Grassis an Papst Julius II.)
[Augsburg], 30. März 1510
Inhaltsangabe: Fulin, I Diarii di Marino Sanuto 10, Sp. 152 (ital.).1
Ks. Maximilian wollte eine Reichshilfe für drei Jahre in Höhe von 1000 000 rh. fl., es wurden ihm aber nur 350 000 rh. fl. bewilligt, und selbst diese sind noch nicht eingehoben. Er forderte einige Reichsfürsten auf, mit ihm (nach Italien) zu ziehen, doch diese wollten nicht. Der Reichstag wünscht, auch die venezianischen Gesandten zu hören. Der Ks. sträubt sich allerdings dagegen und sagt, es sei ehrenvoller, sie erst dann zu hören, wenn er gerüstet sei.
Nr. 15 Dr. Hieronimo Donado an Venedig
Rom, 2. April 1510
Inhaltsangabe: Fulin, I Diarii di Marino Sanuto 10, Sp. 153 (ital.).
War am 1. April beim Papst. Dieser sagte, er habe einen Brief von (Achilles de) Grassis, seinem Nuntius in Deutschland, aus Augsburg vom 21. März erhalten. Der Reichstag sei eröffnet. De Grassis habe Ks. Maximilian zuerst das Absolutionsbreve (für Venedig) übergeben. Der Ks. habe dieses sehr übel aufgenommen, es auf den Boden geworfen und nicht lesen wollen und sich über den Papst beklagt. So großen Groll hege er gegen Venedig. De Grassis habe mit den Kff. von Sachsen, Mainz, Köln und Trier verhandelt, um einen Ausgleich zwischen Ks. Maximilian und Venedig zustandezubringen. Auf dem Reichstag seien die Angebote Venedigs vorgelesen worden, allerdings in sehr reduzierter Form. Man habe beschlossen, einen Ausgleich mit Venedig anzunehmen, wenn es ehrenvolle Angebote unterbreite, außerdem, den Ks. bei seinen Eroberungen für das Reich zu unterstützen, nicht aber bei denen für das Haus Österreich. Der Reichstag sei verlängert worden, weil man auch die Gesandten von Venedig hören wolle, bevor man einen Beschluß fasse. De Grassis schreibe, daß der Ks. sich sehr über den Papst beklage und ihm nicht mehr vertraue. Er hege den Verdacht, daß der Papst auch keinen Ausgleich mit Venedig wünsche. Der Papst sagte dazu, die Signorie sehe, was er für sie tue. Sie habe drei Kgg. gegen sich und sei daher in großer Gefahr. Sie müsse wenigstens Vicenza abtreten und zusehen, Padua zu behalten. Mit der Zeit werde man weitersehen. Binnen eines Jahres sei es mit der Eintracht zwischen Ks. Maximilian und dem Kg. von Frankreich vorbei. Dann könne man mit England und Spanien eine neue Liga eingehen. Die genannten Abtretungen seien für Venedig nur für die Zeit der Gefahr nötig. Er (Donado) rühmt die Fürsorge des Papstes für das von Gefahren bedrohte Italien.
Nr. 16 Dr. Hieronimo Donado an Venedig
Rom, 8./10. April 1510
Inhaltsangabe: Fulin, I Diarii di Marino Sanuto 10, Sp. 158f. (ital.); Brown, Calendar, Nr. 56 (engl. Übersetzung).
Regest: Brewer/Brodie, Letters, Nr. 432.
Der Papst teilte mit, er habe Briefe vom 26. und 30. März aus Augsburg erhalten. Der Reichstag habe beschlossen, Ks. Maximilian 350 000 rh. fl. für den Italienzug zu geben. Der päpstliche Gesandte Bf. (Achilles) de Grassis sei vom Ks. nicht zum Reichstag zugelassen worden, wohl aber die Gesandten Frankreichs und Spaniens. Der Papst gebrauchte deswegen heftige Worte. Er sieht Schwierigkeiten kommen und empfiehlt Venedig, sich mit dem Ks. zu verständigen. Die Mitglieder der Liga (von Cambrai) ersuchten den Papst, Kg. (Wladislaw) von Ungarn zum Eintritt in die Liga und zur Eroberung von Dalmatien aufzufordern. Der Papst erklärte dazu, er werde für einen derartigen Kriegszug weder geistliche noch weltliche Hilfe, weder Geld noch Kriegsvolk zur Verfügung stellen, aber Venedig müsse sich vorsehen. De Grassis habe die Erlaubnis zur Heimkehr erbeten, weil sein weiteres Verbleiben in Augsburg dem Papst nicht zur Ehre gereiche. Dieser habe ihm befohlen zu warten, bis er entlassen werde, erst dann solle er abreisen1. Es wird berichtet, der Ausgleich zwischen dem Kg. von Frankreich und dem Kg. von England richte sich gegen Venedig.
Nr. 17 Ks. Maximilian an den Adel und das Volk von Venedig
Augsburg, 15. April 1510
Orig. Druck m. S. (ital.; a.m.d.i.p.; Gegenzeichnung: Müller): Venedig, Archivio di Stato, Miscellanea atti diplomatici et privati, busta 49, Nr. 1601; Ebd., Miscellanea atti diversi manoscritti, busta 105b, 12 Exemplare.
Druck: Alberi, Relazioni, S. 61-65; Bonardi, Venezia, S. 138-141.
Kurzregest: Valentinelli, Regesta, Nr. 745.
Inhaltsangabe: Lutter, Propaganda, S. 244f.
Betont, daß es nicht sein Ziel ist, Herrschaften oder Signorien zu besetzen, denn jeder soll gemäß seinem Rang und Stand und nicht durch Tyrannen unterdrückt leben. In dieser Situation befinden sich jedoch die Väter des alten venezianischen Adels. Sie haben den Staat Venedig gegründet, vergrößert und bewahrt und werden nunmehr von einem jungen, neuen Adel unterdrückt, der die gesamte Regierung der Republik in der Hand hat. Dieses Unrecht hat ihn veranlaßt, einen gerechten Krieg gegen den Hochmut der gegenwärtigen Signorie zu führen. Deren Mitglieder waren in der Vergangenheit trotz freundschaftlicher Aufforderungen königlicher Gesandter und des Ersuchens von Kff. und Kardinälen nicht zu bewegen gewesen, sich mit ihrem bisherigen Status zu bescheiden und die Kirche, die Kurie und den Papst zu respektieren. Auch wollten sie ihre Privilegien, Ämter und sonstigen Ehren nicht mit den Angehörigen des alten Adels teilen, obwohl sie dazu wegen deren Verdiensten um die Republik eigentlich verpflichtet wären. Hinzu kommt, daß sie ihn am Empfang der Kaiserkrone gehindert haben, trotz der über 400 Jahre lang bestehenden freundschaftlichen Beziehungen des Hauses Österreich zu den Vätern der Republik Venedig, die auch er selbst im Andenken an seinen Vater Ks. Friedrich III. und an Ehg. Sigmund von Tirol immer gepflegt hat. Die Venezianer haben nicht nur seinen Krönungszug vereitelt, sondern auch Reichsbesitzungen und die ksl. Erbländer überfallen, obwohl er zu einem Waffenstillstand bereit gewesen ist. Aufgrund dessen hat er sich an den Papst gewandt, der daraufhin die Venezianer gebannt hat, und ihn ersucht, gemeinsam mit den Kgg. von Frankreich und Spanien gegen die Signorie vorzugehen. Hierzu hat er sich als Schirmherr der Kirche veranlaßt gesehen. Die früher dem Reich unterworfenen Städte Italiens haben sich ihm als ihrem legitimen Herrscher unterworfen und wurden in seinen Schutz genommen. Dennoch wurde der Krieg von den habgierigen Venezianern weiter fortgesetzt. In Anbetracht dessen hat er sich daher entschlossen, die Unterdrückten von ihren schlechten Regenten zu befreien und den guten, alten venezianischen Adel wieder zu seinem Recht zu verhelfen, auf daß sie wieder in Gleichheit und Frieden leben können. Wenn sich die Venezianer aus freien Stücken der tyrannischen Herrschaft der Signorie entziehen wollen, sollen sie sich zusammen mit ihrem alten Adel dem Reich unterstellen. Sie erhalten dann den gleichen Status und dieselben Freiheiten und Privilegien wie die anderen deutschen Rstt. Kraft dieses Schreibens verleiht er der Stadt, dem Volk, allen Bewohnern und dem alten Adel von Venedig die Vollmacht, selbst Regierende und Verwalter zu wählen sowie in Deutschland und darüber hinaus zu Land und zu Wasser freien Handel zu treiben. Versichert nochmals, daß die Republik Venedig die Privilegien einer Rst. erhalten, von allen ihr durch die Signorie auferlegten Verpflichtungen und Abgaben befreit und vor allem Übel bewahrt werden wird.1
Nr. 18 Dr. Hieronimo Donado an Venedig
Rom, 16./17. April 1510
Inhaltsangabe: Fulin, I Diarii di Marino Sanuto 10, Sp. 170f. (ital.).
Versicherte dem Papst den guten Willen Venedigs und bat ihn, einen Ausgleich mit Ks. Maximilian zu vermitteln. Der Papst berichtete unter Berufung auf Briefe de Grassis’ aus Augsburg, daß der Ks. diesen nicht empfangen habe, Grassis bleiben solle, bis er entlassen werde, daß die deutschen Ff. zu einem Ausgleich geneigt wären und Bf. Matthäus von Gurk dazu gute Dienste leiste. Er (Donado) schlug vor, dem Ks. 200 000 rh. fl. für ein Unternehmen gegen Mailand zu versprechen. Der Papst lobte diesen Vorschlag und meinte, man solle Paul von Liechtenstein nach Verona einladen und ihn veranlassen, den Ks. zur Annahme des Angebots zu bewegen. Dabei solle man mit Geschenken für Liechtenstein nicht sparen. Der Papst sagte, er wisse, daß der Reichstag beschlossen habe, dem Ks. 300 000 rh. fl1 zu geben, was ihm (dem Papst) nicht gefalle. In Deutschland sind zweimal Konzilsforderungen gegen den Papst laut geworden. Dieser fürchtet sich, trifft aber keine Vorkehrungen. Alle erwarten seinen baldigen Zusammenbruch und den des armen Italiens.
Nr. 19 Dr. Hieronimo Donado an Venedig
Rom, 21. April 1510
Inhaltsangabe: Fulin, I Diarii di Marino Sanuto 10, Sp. 193f. (ital.).
Der Papst sagte nichts über neue Nachrichten aus Deutschland, offenbar, um Venedig zu einem schnellen Ausgleich mit Ks. Maximilian zu bewegen. Durch den päpstlichen Zeremonienmeister Paris (de Grassis), Bruder des Legaten (Achilles) de Grassis, der beim Ks. in Augsburg ist, erfuhr man aus Briefen vom 9. April aus Augsburg, daß der Reichstag entschlossen ist, das Angebot der venezianischen Gesandten an Ks. Maximilian anzuhören, und die deutschen Ff. zum Frieden geneigt sind. (Achilles) de Grassis wurde von den Kff. empfangen. Diese werden Venedig ihre Forderungen bzgl. eines Ausgleichs vortragen. Vielleicht wird Kf. (Friedrich) von Sachsen, der keinen Krieg wünscht und genügend Mut hat, den Ks. davon abzubringen, nach Venedig kommen. Der Ks. möchte vom Papst 26 000 Dukaten und ihm dafür Verona und Valeggio verpfänden, um nicht auf die Franzosen angewiesen zu sein, aber der Papst will nicht. Laut Paris de Grassis hat der Papst Matthäus Lang schriftlich die Kardinalserhebung zugesagt.1 Lang leistet gute Dienste für den Frieden.
Nr. 20 Dr. Hieronimo Donado an Venedig
[Rom], 2. Mai 1510
Inhaltsangabe: Fulin, I Diarii di Marino Sanuto 10, Sp. 276f. (ital.).
Kf. (Friedrich) von Sachsen sollte nach Venedig kommen, wird dies aber nicht tun, weil Ks. Maximilian nicht halten wird, was er verspricht.
Nr. 21 Dr. Hieronimo Donado an Venedig
Rom, 6. Mai 1510
Inhaltsangabe: Fulin, I Diarii di Marino Sanuto 10, Sp. 297 (ital.).
Der Papst teilte unter Berufung auf (nicht vorliegende) Briefe Achilles’ de Grassis vom 24. und 25. April aus Deutschland mit, der EB von Köln habe ihn über den Beschluß des Reichstags informiert, Ks. Maximilian 300 000 fl. und bei Bedarf Truppen zu bewilligen.
Nr. 22 Dr. Hieronimo Donado an Venedig
[Rom], 7. Mai 1510
Inhaltsangabe: Fulin, I Diarii di Marino Sanuto 10, Sp. 297f. (ital.).
Luca de Renaldis teilte ihm mit, der Reichstag habe Ks. Maximilian 300 000 fl. bewilligt. Im Verlauf des Reichstags seien auch Stimmen laut geworden, die „Friede! Friede!“ gerufen hätten.
Nr. 23 Zyprian von Serntein (ksl. Kanzler) an Kf. Friedrich III. von Sachsen
[1.] Krieg in Italien; [2.] Baldige Abreise des Ks.; [3.] Mutmaßliche Auswirkungen des Todes von George d’Amboise auf die frz. Politik.
Augsburg, 7. Juni 1510
Weimar, HStA, EGA, Reg. E Nr. 57, fol. 55, Orig. Pap. m. S.
[1.] Informiert über Kriegsereignisse in Italien.
[2.] Die ksl. Mt. richt sich auch hie zu dem aufbruch, und versich mich, daz ir Mt. in vier oder fünf tagen hie aufsein und auf München zu ziehen und furter auf Insprugg.
[3.] Der cardinal von Roan [George d’Amboise], legat in Frankreich, ist am 25. tag May von disem zeit geschaiden. Deshalben ich wol dafur acht, das seins tods halben grosse endrung in Frankreich beschehen werde, dann euer ftl. Gn. waiß, das er all sachen regiert hat.1
Nr. 24 Ks. Maximilian an Mgf. Francesco II. Gonzaga von Mantua
Augsburg, 20. Juni 1510
Mantua, Archivio di Stato, Archivio Gonzaga E/II/2: Lettere imperiali, busta 429, Nr. 55, Orig. Pap. m. S. (lat.).
Hat durch (den mantuanischen Gesandten) Donato de Preti von der Ergebenheit Mgf. Francescos gegenüber Ks. und Reich erfahren (vgl. Abschnitt I.15.6.). Fordert ihn auf, darin fortzufahren und seine Treue durch Taten zu bestätigen. Wird dies durch besondere Gnade anerkennen.
Nr. 25 Veit von Fürst (ksl. Gesandter an der Kurie) an Ks. Maximilian
Rom, 25. Juni 1510
Wien, HHStA, RK, Maximiliana 22 (alt 15b) 1510 Juni, fol. 79-81a, Orig. Pap. m. S. (lat., teilweise chiffriert mit interlinearer Dechiffrierung).
Hat auf Weisung Ks. Maximilians dessen Meinung dem Papst folgendermaßen dargelegt: Der Ks. ist als Sohn und oberster Vogt der Kirche bereit, gemäß den Wünschen des Papstes zu handeln, wie dieser an seinem Verhalten gesehen hat. Wenn der Papst genauso handelt, wird dies ihnen beiden viele Vorteile bringen. Der Papst weiß, wieviel Ehre und welcher Nutzen der Christenheit aus der Verbindung beider Oberhäupter stets erwachsen sind bzw. in welche Gefahr die Kirche im umgekehrten Fall geraten ist. Gott hat beide Oberhäupter und beide Schwerter so ausgegeben, daß sie aufeinander angewiesen sind, mit dem Auftrag, die ganze Welt zu erhellen und zu regieren. Ks. Maximilian wünscht daher zu wissen, was er vom Papst erwarten kann. Er will sich nicht mehr mit allgemeinen, guten Worten, die ihm bisher wenig Nutzen gebracht haben, zufriedengeben.
Er (Fürst) nannte dem Papst viele Argumente, um ihn zu veranlassen, aufrichtig gemeinsam mit Ks. Maximilian vorzugehen. Der Papst legte daraufhin alle Zurückhaltung ab, sprach sehr freundlich mit ihm und erläuterte ihm seine Absichten. Fast drei Stunden lang sprach er über seine Pläne in bezug auf den Ks. Er las auch einige Schriftstücke vor, die er am Vortag vom frz. Königshof und von einem Höfling, der der vertrauteste Ratgeber Kg. (Ludwigs) von Frankreich sein soll, erhalten hatte. Gibt hiervon aus dem Gedächtnis Folgendes wieder:
Der frz. Kg. hat beschlossen, die Ks. Maximilian zustehenden Städte unter dem Titel des Kaufes oder Pfandes an sich zu bringen. Die früher bestimmten Reichsfürsten gegebenen Provisionen will er erneut gewähren. Außerdem kennt er Räte am Hof des Ks., die er bestechen kann, damit sie dessen Pläne verhindern. Der so geschwächte Ks. wird ohne seine Hilfe nichts erreichen können. Zu fürchten hat der frz. Kg. allerdings Kg. (Heinrich) von England, weil dieser jung, ehrgeizig und reich ist und zudem über Truppen verfügt. Da das englische Volk seiner Natur nach den Franzosen feindlich gesinnt ist, steht zu befürchten, daß der Kg. von England durch Ks. Maximilian aufgestachelt wird, Krieg gegen ihn (den Kg. von Frankreich) zu führen. Außerdem könnte sich der Papst mit dem Ks. und Venedig gegen ihn verbünden, um ihn aus Italien zu vertreiben. Deshalb benötigt er die Hilfe des Reiches. Durch seine Praktiken will er die Reichsfürsten vom Ks. abbringen. Außerdem möchte er eidgenössische Knechte anwerben, um so Eidgenossen und Papst zu trennen. Des weiteren bemüht sich der Kg. von Frankreich um ein Separatbündnis mit dem Papst. Beide konnten sich aber bisher nicht einigen, weil der Papst verlangt, daß der Kg. den Schutz des Hg. von Ferrara aufgibt und mit seinem Heer den Po nicht überschreitet. Der frz. Kg. ist sehr darum bemüht, daß der Papst mit ihm und nicht mit dem Ks. ein Bündnis eingeht. Er argumentiert, er habe die Macht, den Papst nicht nur zu verteidigen, sondern diesen und die Kirche zu erhöhen. Wann immer er wolle, könne er die Reichsstände veranlassen, dem Ks. die Hilfe des Reiches zu verweigern. Schlösse der Papst ein Bündnis mit dem Ks., ginge ihn dieser nur ständig um Geld an, aber sonst geschähe nichts.
Er (Fürst) bat den Papst, solchen Einflüsterungen nicht zu erliegen, hätten doch die Reichsfürsten den Ks. mehr unterstützt als früher. Auf dem Augsburger Reichstag hätten sie beschlossen, diesem 50 000 Fußknechte und Berittene zur Verfügung zu stellen. Sie seien bereit, dem Ks. mit allen Kräften zu dienen und wünschten nichts mehr, als durch ihn ihren Widersacher, den Kg. von Frankreich, zu bekämpfen, der in den vergangenen Jahren nichts eingehalten habe und nur auf seinen Nutzen schaue. Der Papst möge bedenken, daß jener nach Abschluß des Bündnisses danach streben werde, ganz Italien zu unterjochen und den apostolischen Stuhl nach Avignon zu verlegen. Daher solle der Papst mit ihm (Fürst) verhandeln. Es wäre für ihn vorteilhaft, mit Ks. Maximilian ein Sonderbündnis zu schließen.
Der Papst antwortete, er sei dazu bereit und wolle dem Ks. mit allen seinen Kräften helfen, ganz Italien, soweit es diesem von alters her rechtlich gehört, zu erlangen. Anschließend solle der Ks. gemeinsam mit ihm den Türkenzug vorbereiten und durchführen.
Er (Fürst) antwortete, auch ihm sei es sehr recht, daß dem Ks. die Gelegenheit zum Türkenzug geboten werde. Dieser kämpfe nämlich viel lieber gegen die Ungläubigen als gegen Christen.
Da der Papst dem Hg. von Ferrara die Stadt Comacchio streitig macht, wollte er (Fürst) die entsprechenden päpstlichen Rechtsansprüche in Erfahrung bringen, um Ks. Maximilian zu informieren. Der Papst erklärte, diese Stadt sei von Ks. Maximilians Vorgängern zusammen mit Ravenna, Bologna, der Mark Ancona und anderen Städten dem Hl. Stuhl übertragen worden. In der Engelsburg sah er (Fürst) ca. 20 Bullen von Ludwig dem Frommen, den Ottonen, Heinrich III., Heinrich IV., Heinrich V., Heinrich VI., Friedrich II., Rudolf von Habsburg und Friedrich III., aus denen hervorgeht, daß die genannten Lande und Städte dem Hl. Stuhl geschenkt worden sind. Die Bulle Kg. Rudolfs besagt, dieser habe zunächst seinen Kanzler nach Italien geschickt, um den Treueeid der dortigen Städte entgegenzunehmen. Den damals von einigen dem Hl. Stuhl gehörenden Städten geleisteten Eid habe er später kassiert, weil er der Kirche nicht die ihr übertragenen Städte wegnehmen wolle. Er (Fürst) fand die Bullen unversehrt und darin keinen Hinweis auf ein Recht des Hg. von Ferrara. Sollte Ks. Maximilian den Hg. gegen die päpstlichen Rechtstitel unterstützen, würde er dadurch seine Pläne mit dem Papst zunichtemachen und es wäre zu befürchten, daß der Papst sich mit jenen verbündet, die Ks. Maximilians Erhöhung (zum Ks.) beargwöhnen.
Nr. 26 Veit von Fürst an Ks. Maximilian
Rom, 30. Juni 1510
Wien, HHStA, RK, Maximiliana 22 (alt 15b) 1510 Juni, fol. 93-96, Orig. Pap. m. S. (lat.; teilweise chiffriert mit interlinearer Dechiffrierung).
Hat dem Ks. kürzlich über die überaus günstige Haltung des Papstes berichtet (Nr. 25). Nunmehr sprach er mit diesem über die Lage in Italien, von dem der Papst sagte, er wünsche, daß es Ks. Maximilian untertan sei. Er (Fürst) sagte, damit der durch die langen Kriege finanziell erschöpfte Ks. die Zuneigung des Papstes wirksam spüre, möge dieser ihn finanziell unterstützen, damit er das, was an den Kg. von Frankreich verpfändet sei, auslösen und anschließend dem Papst umso freier dienen könne. Wenn früher von Geldanleihen die Rede war, zeigte sich der Papst immer sehr ungehalten. Nicht so jetzt. Zwar wies er erneut darauf hin, was er dem Ks. in diesem Krieg schon gegeben habe, womit dieser eigentlich zufrieden sein müßte, erklärte aber auch, er wolle dem Ks. eine ansehnliche Summe geben, wenn dieser ihn mit Modena belehne. Auf die Frage, wie dies geschehen könne, nachdem doch eben erst der Hg. von Ferrara mit Modena belehnt worden sei, erwiderte der Papst, zwischen Ks. Maximilian und dem Hg. bestünden Vereinbarungen, die bisher kaum Wirksamkeit erlangt hätten. Es läge daher am Ks., wen er belehnen wolle.
Der Papst hält an seinem Plan, den Hg. von Ferrara zu vernichten, fest und hat dafür schon 100 000 Dukaten ausgegeben. Er setzt große Hoffnungen auf die Eidgenossen, von denen er 10 000 Knechte angefordert hat. Zwar befürchtet er, daß der Kg. von Frankreich ihnen den Weg versperren wird, doch vertraut er auf ihre Tapferkeit.
Der Gesandte des frz. Kg. (an der Kurie) teilte mit, daß dieser den Eidgenossen den Durchzug verwehren wolle, da er den Hg. von Ferrara nicht im Stich lassen könne. Er bat ihn (Fürst), sich für die Einhaltung der Liga von Cambrai einzusetzen. Wenn Ks. Maximilian und der Kg. von Frankreich vereint seien, habe keiner von ihnen etwas zu befürchten, seien sie aber getrennt, erwüchse ihnen beiden große Gefahr, denn der Papst wünsche nichts mehr als die Spaltung beider Monarchen, um die Herrschaft über ganz Italien zu erlangen.
Nr. 27 Die ksl. Gesandten Gf. Leonhard zum Haag und Johann Mrakeš von Noskau an Ks. Maximilian
[1.] Bereitschaft Kg. Wladislaws von Böhmen und Ungarn zu einem Kriegsbündnis mit dem Ks. gegen Venedig; [2.] Verhinderung eines sofortigen Bündnisabschlusses durch den Gesandten des Kg. von Frankreich; [3.] Wunsch Kg. Wladislaws nach Vollmacht für die frz. Gesandten; [4.] Weiteres Vorgehen; [5.] Behinderung der Bündniswerbung durch den Vertreter Venedigs.
Totis, 13. Juli 1510
Wien, HHStA, RK, Maximiliana 22 (alt 15b) 1510 Juli, fol. 53-54, Orig. Pap. m. S.
[1.] Heute hat Kg. Wladislaw von Ungarn und Böhmen auf ihre Werbung geantwortet, er sei bereit, alle sach anzunemen laut unser handlung, auch dy entlich zu schliessen. Dyweil sich aber der franzosisch orator [Louis Hélian] nicht neben unser anstat seinem H. [Kg. Ludwig von Frankreich] verpinden welle, sey seiner kgl. wierd dy sach und handlung nicht also zu peschliessen, welle aber deshalben seiner kgl. wierd aigen orator mit volmechtigem gebalt zum vuderlichesten zu eur ksl. Mt. schiken, derhalb alle sachen tracktiern und schliessen, sich auch mitler zeit mit allen sein undertan zum krieg mit allen dingen schiken wider dy Venediger gegen Dalmazia. Kunnen auch nicht anders versten, dan alle sachen stend recht, dan es nicht allain durch kgl. wird und großmechtige Hh., sunder durch gemainen adel entlich weschlossen ist, den krieg anzunemen und Dalmacie zu haben.
[2.] Mit solichem urseck wier in gemain und ad partem unsers vleis treflich gehandelt, wiebol wier nicht wenig, sünder allen mangel des mandats halben gehabt. Jedoch mugen wier eur ksl. Mt. mit guetem gelauben pis zu pesser underriecht anzaigen, das wier auf dis zeit alle ding weschlossen heten, auch der krieg zu stünd angenomen wer worden, wo uns unser mitgesell, der franzosisch orator, nicht ierung getan het. Ab des handlung der Kg. und all Hh. ierung und grossen vertries empfangen haben, wie eur ksl. Mt. klerlich von Wien aus vernemen werden.
[3.] Auch wegert dy kgl. wierd, das eur ksl. Mt. mit der zeit, ee ier kgl. wierd oratores zu eur ksl. Mt. kemen, pey kristenlichem Kg. von Frankreich zum vuderlichesten handeln, damit eur ksl. Mt. von dem alle gebalt oder durch sein volmechtigen orator habe, alle ding zu weschliessen, auch das eur ksl. Mt. durch die post vuderlich verkind und anzaig gen Wien dem reigement, damit der kgl. wierd orator[en] der ende weschaid und wohin sy zu eur ksl. Mt. kumen sullen.
[4.] Demnach ist unser underdenigist pit an eur ksl. Mt., sy sachen selbst zu vudern, dan wier in warhait an den enden unsers verstanz kain mangel vinden. Wier wellen disen tag aus trefenlichen ursachen all hie ferharn und mit allen Hh., dy wier eur ksl. Mt. hilflich gemerkt haben, unsers vleis eur ksl. Mt. zu guet handeln, sy in guetem willen zu wehalten und, was verer not will sein, von Wien aus eur ksl. Mt. klerlich alle ding werichten.
[5.] [...] Und piten, eur ksl. Mt. welle uns gnediklich entschuldigt haben, das wier eur ksl. Mt. nicht lengst geschriben, dan dy sachen sich hin und wider gedailt, das wier nichtz gebis haben schreiben noch anzaigen mugen. So haben wier eur ksl. Mt. auch nichtz ungebis schreiben wellen, dan der Venediger orator [Pietro Pasqualio] auch sein vleis mit grosser iebung und ain zeit ain guet partey an im gehabt, dy uns ierung getan haben, wie eur ksl. Mt. auch mit der zeit zu vernemen habe. Das haben wir eur ksl. Mt. in eil underteniger, treuer mainung nicht verhalten wellen, der wier uns hiemit aller underdenikait wefelhen duend. Datum zu Dotes, da der rekisch [= ungarischer Reichstag] gebest ist, den 13. dag July Ao. 10.1