Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

Bereits wenige Wochen nach seiner Abreise aus Augsburg und der Ankunft in Innsbruck Anfang August 1510 wurde der Kaiser durch Meldungen beunruhigt, wonach die Eidgenossen Papst Julius II. gemäß dem einige Monate zuvor mit ihm abgeschlossenen Bündnisvertrag Truppen zuschickten, vermutlich in der Absicht, damit Mailand und Genua zu erobern. Maximilian erließ deshalb ein Aufgebot ins Reich und befahl, ihm auf weiteres Ersuchen hin gerüstet zuzuziehen (Nr. 692). Außerdem lud er eine Reihe vorwiegend im Südwesten des Reiches ansässiger Stände für den 21. September zu einer Art Regionalkonferenz nach Ravensburg ein, um mit ihnen das weitere Vorgehen zu besprechen (Nr. 693). Als bekannt wurde, daß die Eidgenossen ihre Knechte wieder heimgerufen hatten, kündigte er an, das geplante Treffen nunmehr in Überlingen oder Konstanz abhalten zu wollen (Nr. 704). Grund für die veränderte Ortswahl waren die gleichzeitigen engen Kontakte der Eidgenossen zu einflußreichen Mitgliedern der Konstanzer Stadtführung, die mutmaßlich darauf abzielten, die Stadt am Bodensee dem Reich zu entfremden (Nr. 700).

Bei den in der ersten Oktoberhälfte in Überlingen und Konstanz stattfindenden Beratungen ließ Maximilian die beiden oben angesprochenen Themen vortragen und die Anwesenden – fast ausschließlich Gesandtschaften – um ihre Stellungnahme dazu ersuchen (Nr. 712, 713). Diese erklärten jedoch, als mindermächtige Stände zu derartig schwierigen Problemen keine substantielle Meinung äußern zu können. Daher möge deren weitere Erörterung auf den nächsten allgemeinen Reichstag verschoben werden (Nr. 712, 714). Daraufhin setzte der Kaiser nunmehr alles daran, die ihm seit jeher sehr am Herzen liegende Stadt Konstanz dem drohenden Zugriff der Eidgenossen zu entziehen. So verzieh er ihr nicht nur offiziell die Kontakte zu den Schweizern, sondern schloß auch einen Schirmvertrag mit den Konstanzern, in dem er ihnen seinen unbefristeten Schutz, die jährliche Zahlung eines Geldbetrags, die Befreiung von Reichsanschlägen und eine Reihe weiterer Hilfen und Fördermaßnahmen zusicherte. Im Gegenzug räumte ihm Konstanz das uneingeschränkte Öffnungs-, Aufenthalts- und Durchzugsrecht ein (Nr. 717). Um darüber hinaus die Stabilität der politischen Machtverhältnisse in der Stadt dauerhaft zu sichern und eine stetige Kontrolle über sie ausüben zu können, erstellte er eine neue Ratsordnung, in der die Zusammensetzung des Großen und des Kleinen Rates sowie die Beteiligung der alten Geschlechter und der Zünfte am Stadtregiment genau geregelt wurden (Nr. 720).

Wie schon erwähnt, war im Abschied des Augsburger Reichstags für den 2. Februar 1511 eine weitere Reichsversammlung nach Augsburg anberaumt worden, auf der über eine ganze Reihe in Augsburg nicht zum Abschluß gebrachter oder gar nicht erst in Angriff genommener Themen beraten werden sollte. Diese projektierte Zusammenkunft erfuhr in der Folgezeit ein überaus wechselhaftes Schicksal, wurde doch sowohl ihr Schauplatz als auch ihr Beginn aufgrund der eigenwilligen Kriegspläne Kaiser Maximilians gegen Venedig mehrfach verlegt bzw. verschoben, bevor sie erneut nach Augsburg anberaumt, schließlich aber, mit über einjähriger Verspätung, in Trier durchgeführt wurde. Zunächst umriß Kaiser Maximilian in zwei ausführlichen Ausschreiben an die Reichsstände vom 9. und 15. September 1510 die gegenwärtige Situation im Krieg gegen Venedig sowie den aus seiner Sicht wenig befriedigenden Stand der Einsammlung des Augsburger Reichsanschlags. Aufgrund dessen müsse der geplante neue Reichstag vorverlegt werden und solle nunmehr ab dem 25. November in Straßburg abgehalten werden (Nr. 732, 733). Knapp zwei Wochen vor diesem Termin teilte er dann mit, die Zusammenkunft könne wegen zahlreicher in Straßburg aufgetretener Sterbefälle dort nicht stattfinden, vielmehr sollten die Reichsstände zu ihm nach Freiburg im Breisgau kommen. In einer handschriftlich hinzugefügten Nachschrift widerrief er allerdings auch diese Aufforderung ohne nähere Begründung (Nr. 747). Er selbst hielt sich zwar in der Folgezeit – von einigen Unterbrechungen abgesehen – bis ca. Ende Februar 1511 in Freiburg auf, Verhandlungen mit Ständen im Rahmen eines Reichstags fanden dort aber nicht statt.

In einem Mandat vom 27. Januar 1511 entwickelte Maximilian dann wieder einen völlig anderen Plan. Eine Reihe von Gründen, darunter die aktuelle Entwicklung in Italien, lasse es geboten erscheinen, bis auf weiteres keinen Reichstag durchzuführen, da dieser nur Nachteile mit sich brächte. Statt dessen sollten die Stände bis zum 1. April für sechs Monate gerüstet nach Trient kommen, dort über die für den Augsburger Reichstag vorgesehenen Themen beratschlagen und anschließend zusammen mit ihm gegen die Venezianer und weiter zur Erlangung der Kaiserkrone ziehen (Nr. 754). Diese eigenmächtige Stornierung der gemeinsam mit den Ständen beschlossenen und im Augsburger Abschied fixierten neuen Reichsversammlung in Verbindung mit dem Rückgriff auf das herkömmliche Mittel des Reichsaufgebots ist charakteristisch für das ebenso selbstherrliche wie sprunghafte Handeln Maximilians in dieser Phase zwischen den beiden Reichstagen von 1510 und 1512.

In den folgenden Monaten bemühte er sich nach Kräften, unter anderem durch mehrere Sondergesandtschaften, die Reichsstände zur Stellung ihrer Truppenkontingente zu bewegen (Nr. 755, 757, 762), stieß damit aber zu seiner großen Verärgerung nur auf geringe Resonanz. Einzelne Angesprochene verwiesen in ihren Antworten explizit auf das alleinige Bewilligungsrecht des Reichstags für eine Kriegshilfe (Nr. 759). Nachdem Maximilian in einem Mandat vom 20. Mai der Durchführung eines weiteren, aus seiner Sicht langwierigen und fruchtlosen Reichstags nochmals eine klare Absage erteilt hatte (Nr. 763 [8.]), war es dann offensichtlich auf die dringende Empfehlung einiger seiner führenden Berater (Nr. 770 [2.]) zurückzuführen, daß er am 20. Juli schließlich doch eine neue Versammlung ausschrieb, die ab dem 16. Oktober in Augsburg stattfinden sollte (Nr. 771 [4.]). Da der Kaiser sein persönliches Kommen fest zugesichert hatte, erschienen tatsächlich verschiedene Stände und Gesandtschaften am vorgesehenen Tagungsort, wo sie zusammen mit einigen kaiserlichen Räten längere Zeit ungeduldig auf ihn warteten (Nr. 786-790). Maximilian zögerte jedoch sein Eintreffen immer wieder hinaus (Nr. 775, 790, 791), begab sich statt dessen in seine Erbländer, um von den dortigen Landständen finanzielle Unterstützung zu bekommen, die, wie er sagte, als Zehrgeld für den Reichstag dienen sollte (Nr. 796, 797). Erst Anfang Januar 1512 brach er in Wels auf und reiste donauaufwärts. Spätestens während seines Aufenthalts in Regensburg Ende Januar/Anfang Februar faßte er dann den Entschluß, den nunmehr schon so lange hinausgeschobenen Reichstag nicht in Augsburg, sondern an einem anderen Ort abzuhalten.