Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XI. Band. Der Reichstag zu Regensburg 1541 bearbeitet von Albrecht P. Luttenberger, für den Druck vorbereitet von Christiane Neerfeld

Weimar HStA, EGA, Reg. H pag. 329 Nr. 133 Bd. 2, fol. 253r–255r (Reinkonz., Luther eighd.); AS v. 2 versch. Händen fol. 253r: D. Luthers bedencken von dem buch der religion, [da]von zu Regenspurg gehandelt, und von personlicher besuchung des reichstags [...?], 1541 Regenspurg.

Druck: D. Martin Luthers Werke, Briefwechsel, Bd. 9, Nr. 3629 A, S. 437–440.

Wie ich gestern von eueren fstl. Gn. gehort die werbung an mich von wegen meiner gnedigsten und gnedigen herrn, H. Joachim Kf. und Georgen, Mgff. zu Brandenburg etc., und darauf mündlich mein schleunige antwort gegeben, also hab ichs euerer fstl. Gn. beger nach dieser gestalt schrieftlich gefasset, soviel ichs behalten.

Erstlich, das ich gern und mit freuden gehort, das ksl. Mt., unser allergnedigster herr, so hertzlich meinet beide mit der vergleichung yn der religion und frieden ym reich. Gott der herr regire seiner ksl. Mt. hertz zu seinem lob und ehre und zu des reichs wolfart. Amen.

So weis ich auch zu rhumen fur Gott und yn meinem gewissen, das ich ja auch in solchen beiden stucken aufs hohest geneigt und teglich dahin mein ernsts, arms gebete richte, kan auch nicht zweiveln, das dieses teils fursten und stende des gleichen gesynnet sind, wie sie dasselb nicht mit worten, sondern mit der that reichlich bewisen, denn sie druber viel zusetzen und noch viel mehr dulden und leiden, zuletzt auch den mordbrand, und doch stille sitzen, sich nicht rechen.

Zum andern. Das die vier artickel verglichen sollen sein, horete ich auch gerne, denn ich habe der formülen keine gesehen, on die eine von der justification, on was ich des also hore geschehen. Aber ich habe gestern eueren fstl. Gn. gesagt, das unmuglich sey, jhenes teil mit uns zu vertragen, und stehet auch nicht yn ksl. Mt. vermügen. Denn obs gleich ksl. Mt. aufs allerhohest und gnedigst ernst und gut meinet, so ists doch jhenem teils nicht ernst, wollen aber villeicht ksl. Mt. also eine nasen drehen. Denn wo es ernst were, so wurden sie die ander zehen artickel nicht lassen unverglichen sein, als die wol wissen und verstehen, das sie alle zehen gewaltiglich und in bona consequentia aus den vier verglichenen verdampt sind. Sie aber haben aus allen die zehen, so am heftigsten wider die verglichenen vier artickel streiten und verdammen, behalten. So hette ich fur mich im artickel der justification den feyl, das lib[erum] arb[itrium] drinnen stund und der spruch S. Pauli eingefuret war: ‚Fides per dilectionem efficax est‘, der sich daher gar nichts reymet, denn S. Paulus spricht nicht: ‚Fides per charitatem justificat‘, das sie doch (als ich sorgen mus) meinen, weil ihr meinung falsch ist, sondern so spricht er: ‚Fides per charitatem operatur vel efficax est‘a.

Zum dritten. Weil nu mein gnedigster und gnedige herrn von Brandenburg durch euere fstl. Gn. von mir begeren, das ich eine rat geben wolt, wie doch mit solchen zehen articken [sic!] eine mas mocht getroffen werden, damit der reichstag nicht on frucht abgieng, hab ich also mein gutduncken gesagt, wo ksl. Mt. jhenes teil nicht zu rechter, ernstlicher vergleichung bringen kan, so ists mit yhnen umbsonst geerbeitet. Wo aber ksl. Mt. (on jhener willen) eine ernste vergleichung haben wil yn den vier artickeln fur sich selbs oder wers mit yhrer Mt. halten wolte, were das meins dünckens der beste rat, das ksl. Mt. ausschriebe, diese vier verglichene artickel zu halten fur die reine, christliche lere, aber die andern zehen die weil anstehen liesse, also das wir sie fur unser teil umb der schwachen und unverstendigen willen, so die ersten vier artickel annemen ernstlich, ein zeit lang bis sie es auch predigen horeten und lereten, wie sie yrrig und zu lassen oder zu meiden weren. Denn wo die ersten vier artickel rein gehen, da were den zehen die gift genomen und muste die schwachen als die unreinen kinder nicht wegwerfen, wie S. Paulus sagt: ‚Infirmum in fide suscipite‘, sondern durch die vier artickel als ein bad teglich ubet, sie darin zu waschen. Denn kinder konnen wol unrein sein, aber das bad mus reine sein und bleiben und nicht durch zehen aussetzigen artickel verünreinigt werden, gleich wie Christus die apostel duldet yn viel stucken, die verdamlich weren gewest, wo sie nicht an yhm feste blieben, sich teglich hetten lassen reinigen und leren. Und die apostel auch lidden das opfer und gesetz Mose, so doch aufgehaben und nü mehr schedlich, wo man allein hielt an der justification fidei.

Doch rate ich nicht, sondern widerrates hart, das ksl. Mt. solt solch tolerantien als ein dogma oder decret lassen ausgehen yn seiner ksl. Mt. ausschreiben, sondern solte lassen ein frey opus bleiben, wo man zu schwachen keme oder sie funde. Denn wo es ein dogma wurde, so wolten sich die halstarrigen b geistlichen tyrannen–b desselben halten und solche artickel verteydigen als recht durch ein ewige tolerantia c und weder zu den starcken noch zu den schwachen lassen komen, wie ich der etliche auch yn der nehe kenne–c. Denn ich gestern gesagt, das wir die wollen verdampt haben, die es wol wissen und dennoch halten und verteidigen wolten und wurde hieraus der krieg erger denn züvor. Sondern das solte gnug sein, wie gesagt, das die vier artickel ausgeschrieben worden fur christlich zu halten, die andern zehen hette seine ksl. Mt. dismal nicht konnen zur vergleichung bringen.

Anmerkungen

a
 Danach gestr.: Aber wo yhr hertz recht were und so ernst were wie ksl. Mt., muste solcher feyl die vergleichung nicht hindern, sondern fides solte solches per charitatem thettlich und stattlich wol zugut halten umb der lieben einickeit und friedens willen, wie man yn den vetern solchs gleichen wol zugut helt. Dazu marg. Notiz v. a. Hd.: Auch wie Mag. Philippus und die andern herren, die im zugeordent gewesen, im gespreche protestirt haben, das sy den artickel nit anders, denn wie man uff dissem teil alwegen davon gelert, wolten gemeynt haben.
b
–b Nachgetr.
c
–c Nachgetr.