Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XI. Band. Der Reichstag zu Regensburg 1541 bearbeitet von Albrecht P. Luttenberger, für den Druck vorbereitet von Christiane Neerfeld

Druck: Lenz, Briefwechsel, Bd. III, Kap. I, G, Nr. 16 , S. 119–1242.

Ich hab bei ainer vertrauten person, wölliche täglich im furstenrat alhie ire sachen und handlungen schließen hört, in geheim verstanden: als derselb, der furstenrat, uf die relation der colloquenten vermerkt und daruf beratschlagung furgenomen worden sei, daß sich die weltlichen fursten, und sonderlich Baiern, als herzog Wilhalm, ganz hitzig und freventlicher dann die geistlichen fursten selbst erzaigt hab, und söllicher scharpfer gestalt, daß seiner meinung umb der scherpf willen nimant kain zufalh geben wöllen. Und ist der Inhalt söllicher scharpfen schrift [Nr. 122] uf dem gestanden, daß ain edict zu Wormbs ausgangen, wöllichs volgends in dem augspurgischen schlus und abschid confirmiert und bestetet worden sei; von wölliches edicts wegen seiderher vill und ain merkliche anzall personen lands verjagt, auch an leib und leben hart gestraft worden, als von wegen ubertretner puncten in demselben edict begriffen. Weil nu das buch, darus die colloquenten disputiert und sich zum tail verglichen hetten, dasselb edict und augspurgischen abschid allenthalben ufhueb, so wurd darus nichtzit anders mogen volgen und geschlossen werden, dann das sy den leuten, die sie also gestraft, unrecht gethon und sie mit verschulden gestraft hetten: wöllichs ein söllich schimpflich, spottlich ding sein würd, dergleichen im reich nie mer erhört worden – mit ernstlichem, scharfen anzug, daß die colloquenten ires tails nicht als biderleut gehandelt hetten; dadurch dann ervolgt sein soll, das Julius Pflug nicht mer hat wollen zu rat geen3.

Aber er hat doch us der schärpf seiner schrift nicht volg erlangt. Und wie ich hör, so soll Meinz, Herzog Wilhalm und herzog Hainrich von Braunschweig vor den andern allen zu dem hitzigsten sein. Und wann schon der kaiser wollt friden geben, so sollt man darumben von sollichem edict und dem augspurgischen abschid nicht abston oder weichen.

Es soll sich aber herzog Otthainrich, auch die bischof Augspurg und Constanz rechtgeschaffen gehalten, und sonderlich herzog Otthainrich angezaigt haben, das er das buch noch nit gehört, mög wol vil guts darinnen sein; und derhalben uf den usschus gedrungen. Constanz soll gesagt haben: sie sehen all, je mer man diß sachen gedruckt, je weiter es sich ausgespraitet, darumb so muß man nach einer reformation trachten.

Und seint also sie in dem furstenrath zertrennt, und haben gleichwol nit geschlossen. Was sie nu beratschlagen und schließen, soll E. f. g. furderlich zukommen etc.

Nachschrift. Gnediger furst und herr. Ich hab allen fleis gethon und nichtzit underlassen, dodurch ich zu der hitzigen, scharpfen schrift, die herzog Wilhalm im rat der fürsten hat lassen lesen, komen und abschrift erlangen mögen, dann ich waiß mit grund und der warhait, das herzog Otthainrich einem seinem vertrautsten diener gesagt: herzog Wilhalm sollt nit zwanzig tausend gulden nemen, daß dise schrift fur die protestirenden keme. Das hat mich nu bewegt, darnach zu fragen, als ich dann noch fleis brauchen will, dieselben zu erlangen.

Doneben und damit ich allen grund vernemen möcht, was in dem furstenrat derhalben gehandelt, hab ich mich zu demselben herzog Otthainrichs pfaltzgraven gehaimesten und vertrautesten, dem er auch nichtzit verpirgt4, verfuegt und im sovil bewegung gemacht, das er mir eröfnet, was im sein g. herr herzog Ottheinrich von disen dingen angezaigt, doch mich zu dem höchsten gepeten, das alles zu verschweigen, dann darus würd seinem g. herrn us nachgemelten ursachen vil unradt volgen.

Und als die frag nach gehörter relation, des buchs halb beschehen, an den romischen könig komen, haben sich sein mt. oder die räth von irer mt. wegen (dann ich hab darnach nicht sonderlich gefragt, ob die rät oder ir mt. zugegen gewest) vernemen lassen, daß zu sehen sein wöll uf die wollfart der teutschen nation, und das die stende dannocht der protestirenden uberflüssig erpieten ansehen, weil sie sich allwegen hörn lassen hetten, sie wolten sich weisen lassen etc., und daruf nach langer einfurung geschlossen, das ir mt. gern zu der vergleichung helfen und in dem verglichnen mit ainig sein wöl.

Do aber die frag an herzog Wilhalm komen, hat derselb die obgemelte sein scharpfe schrift eingelegt, wölliche in namen aller reichsstende verfaßt; und ist uf di weis gestellt, als ob die andern stend alle solcher mainung weren. Was inhalt dieselb schrift gewest, haben E. f. g. oben gehört. Daruf hat er ain lateinischen schrift, von dem theologen Ecken an in, herzog Wilhalmen, begriffen5, eingelegt, wölliche under anderm vermag, daß er Eck mit den andern colloquenten in keinem artickel verglichen sei. Derhalben dann Gröper sich diser Dr. Ecken geschwindigkeit verwundert, hart beschwert und sich erpoten, das er solichs, und das er mit den verglichnen artickeln mit inen ainig gewest, uber seinen hals weisen wöl.

Nach dem allen hat h. Wilhalm selbst vor allen stenden geredt, sie söllen bedenken, was inen an dem allem gelegen sein wöl. Ime und seiner person sei ganz nichtzit daran gelegen, aber die bischof und die gaistlichen söllen zu inen selbst sehen, wie es inen darüber ergeen werd; fur sein person wöll er haut und har daran setzen. Und ist mit disen und andern worten ob disem handel gantz hart bewegt geweßen.

Herzog Hainrich von Brunschwig und der bischof von Salzburg, auch der schantlich munch von Weingarten [Gerwig Blaurer], und sonst nymant under den andern hat herzog Wilhalms schrift zugefalhen. Und soll sich h. Hainrich noch spitziger daruber gemacht, und der apt von Wingart auch nit gefeirt haben.

Wie mir auch dise person nit allain, sonder andere anzaigen, so sol in sölicher baierischen antwurt der kaiser, papst, herzog Friderich und all colloquenten hart angetast sein, und sonderlich das mit solicher handlung unerlich, (also ist mir dis wort genennt worden) und unverantwortlich gehandelt, und wo sie die einreumen und bewilligen sollten, wurden ire lobliche voreltern under der erden geschmecht und geschennt sein. So wurd ich auch bericht, Weißenfelder hab es gedicht und Lienhart Eck und andere gepessert. Dann derselb Weißenfelder soll uf unser religion gantz verpitert sein.

Herzog Otthainrich, als den man von dißer schrift gantz und gar nichtzit hat wissen lassen, bis er in rat komen, dan es ist allain mit etlichen andern practicirt worden, hat geantwurt: weil der kaißer und andere personen, die ir mt. den sachen zur furderung verordnet, darinnen so hart angetast, und es sonst gantz und gar nicht der weg sei zur antwurt, so wiß er kainswegs in diße schrift zu bewilligen. So söll man auch des kaißers ausschreiben zu disem tag und die beschehen irer mt. proposition ansehen, so werd man finden, was ir mt. intent. Dem sei nun diße schrift nit gemeß. Zudem soll man bedenken irn gemainen man, was derselb darzu sagen werd; und nemblich: sie ligen hie mit großem costen, den sie, die armen leut, mit irn schatzungen und steurn raichen mueßten; so werden sie sonst auch taglich beschwert; solt es dann allain dohin dienen, das sy darunder ratschlaget, wie man sy an leib und leben beschedigen und verderben wolt, das were inen nicht zu erleiden. Mit dißer weitern ermanung: sie solten sehen, weil ir gemainer man das evangelion begert und jetzt täglich daruf wartet, das nicht ain soliche empörung wurd, das dadurch inen der gemain man abfiele etc. – mit langer erzelung des unrats.

Der bischof von Lunden hat sich uber alle mas woll gehalten und frei bekennt, das er umb der warhait willen sagen mueß, das vil mißbreuch under inen, das ainer reformation von hohen nöten – mit einfürung, wie oben gemains mans halben gehört –, und daruf geschlossen: diße sachen lassen sie [sic!] nicht trucken, dann je mer es beschehen, je größer unser hauf worden.

Demselben hat der Bischof von Augspurg zugefalhen. Desgleichen auch der apt von kempten als ain fromer, gelerter, geschickter und beredter mensch. Und ist sein einfuerung so beschaidenlich gewest, das sich dero die andern verwundert. Hat auch damit die andern bewegt. Und sagt man mir von disem apt, daß er sich ganz wol hierin gehalten, als ich dann auch sein frombkeit und schicklichait wol waiß.

Do sie nu mitainander gezwaiet gewest, hat herzog Wilhalm uf ain andern weg gedacht und sich erpoten, ain andere schrift zu stellen, als dan auch beschehen. Dieselb schrift ist etwas kurzer gewest und doch scherpfer und verbitterter. Und hat h. Wilhalm ain zedel als fur ain memorial in der hand gehapt und aus demselben zedel geredt und den vorigen puncten wider daran gehengt, die geistlichen, als denen das ir wider recht genomen, sollen darzu sehen; er wöl wol beleiben; wann aber ainer oder mer gaistlicher uberzuckt oder beschwert werde[n], söllen sie es im nit klagen, dann er werde es im nit laid sein lassen, und ist daruber abermaln seer zornig worden. Und ehe er dieselben schrift ubergeben, hat er partim heftig bei den andern practicirt.

Herzog Otthainrich, Lunden, Kempten, auch zuvor Augspurg sein uf irer meinung hart bestanden, mit einfuerung, das, wo es fur die protestirenden komen oder do sie furter mit den armen leuten dermaßen handeln sollten, so wurd darus nichtzit dann unrue. Wöllten sie aber sölliche schrift in irer, der stend namen gemainlich an die stend usgeen lassen, so wollten sie inen jetzt angezaigt haben, das sie wollten zusamen treten, dem kaißer anzaigen, das es ir will, gemuet und mainung mit nichten, wurden auch kainswegs bewilligen. Sie wurden auch us irer unvermeidlichen notturft geursacht, sollichs uf den falh den protestirenden anzuzaigen und sich des bei inen zu entschuldigen, uf das, wo unfrid und unrue solt ervolgen, das sie nicht mit inen, den andern, wollten eingezogen sein. Dann sie sehen woll, welichermaßen die protestirenden gefaßt seien.

Daruf herzog Hainrich von Brunschwig nach bestetigung der andern schrift, so h. Wilhalm ubergeben, mit vilen bösen scharpfen worten gesagt: sie seßen also ubel beiainander im rat, wißt kainer, was er dem andern vertrauen sollt; er sehe auch wol, das etliche under inen weren, wöliche den protestirenden zufielen; und er wißt also nit, hinder wem er seß. Möcht deshalben leiden, das dieselbigen herfur treten, sich zuainander samelten und gar aus dem rat giengen, damit sich ain jeder auch zu halten wißt.

Das hat im nu herzog Otthainrich mit rauhen worten verantworten wöllen, hat es aber us vilen ursachen underlassen.

Und sein also abermals in irem rat under inen selbst zertailt. Und practicirt aber herzog Wilhalm fur und fur weiter, ob er die ander schrift erhalten möcht.

Nach dem rat und wie die stend ufgestanden, haim zu gehen, hat herzog Wilhalm den bischof von Lunden zu im gefordert und heftig mit im expostulirt, und gesagt: er, der bischof, verfuer im die andern, und er wiß schier nicht, fur was glauben er in halten soll – mit vilen heftigen, ernstlichen worten. Daruf im der bischof nach notturft geantwurt, und sonderlich gesagt: er wiß baß, was er glaub dann er, herzog Wilhalm; und wann er in fur den kaißer vordere, so wöll er im rechenschaft seins glauben unverscheucht geben.

Das alles ist gehorter maßen im rat gehandelt und ergangen. Und söllen es E. f. g. fur glaublich und war halten, darzu auch nit zweifeln, es hab dann herzog Otthainrich die sachen anderst behalten, von wellichem her ich dis ding hab.

Anmerkungen

1
 Das Aktenstück ist in der archivalischen Überlieferung stark verderbt und nicht rekonstruierbar. Deshalb wird der Text des Drucks unverändert übernommen.
2
 Der Brief ging laut Praesentatvermerk am 11. Juli 1541 in Kassel ein.
3
 Zur bayerischen Vorlage vgl. auch Martin Bucer an Lgf. Philipp von Hessen, o. Ort, o. Datum, Lenz, Briefwechsel, Bd. II, Nr. 123, S. 25–26.
4
 Gabriel Arnold?
5
 Erklärung Dr. Johann Ecks zum Regensburger Buch, Pfeilschifter, Acta reformationis catholicae, Bd. III, Nr. 120, Beilage, S. 387.