Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Textvorlage: Augsburg, fol. 5’–7’.

Reihenfolge der Beratungspunkte: Möglichst parallele Beratung des 1. HA (Religionsvergleich) und des 2. HA (Türkenhilfe) in interkurialen Ausschüssen. Straßburger Initiative gegen den Städteartikel im Religionsfrieden und für das ius reformandi der Reichsstädte. Anmahnung der Beschickung des Städtetags und des RT durch die abwesenden Städte.

/5’/ Städterat (Straßburg, Augsburg, Nürnberg, Regensburg). Aufgrund des Beschlusses im RR am 22. 9., die Verhandlungen nunmehr aufzunehmen, berät SR zur Abfolge der HAA.

Straßburg: Haben vertraulich erfahren, dass im FR die Mehrheit für die Voranstellung der Religionsfrage votiert hat2 , und vermuten, KR werde ebenso entscheiden. Auch sie, die Straßburger, haben Weisung, ausdrücklich für diese Abfolge einzutreten. Wollen den Gesandten der Städte darneben nicht verhalten, das sie bevelch heten, wa von der religion solte gehanndlt werden, das si die sachen bei den erbarn steten, auch den höhern stenden, als bei den chur- unnd furstlichen gesanndten, /6/ so der augspurgischen confession zugethon, dahin zubefurdern unnd antzuhalten, damit der articl der freystellung, wie derselb inn jungst zu Augspurg ergangnem abschied fur die chur- unnd fursten unnd also die höhern stende erlangt3, das derselb jetzo auch den erbarn frey- unnd Reichs stetten zugelassen unnd fur sie verabschiedet werden solte. Unnd damit solchs desto fuegclicher beschehen unnd zuwegen pracht werden möchte, sehe si fur gut an, das der erbarn frei- und Reichs stett gesanndten ad partem unnd innsonderhait mit den höhern stennden, den chur- unnd furstlichen räten, handlen unnd die sachen mit inen sollicitirn solten etc.

Augsburg: Da Straßburg vermutet, KR und FR hätten die vorrangige Beratung der Religionsfrage einhellig beschlossen, steht dem Herkommen nach fest, das sich inn dem die erbarn frei- unnd Reichs stett mit den höhern stennden vergleichen muesten, ob sie schon ain annder bedennckhen heten. Da es aber inn beden räten diß puncten halben nit also ainhelligclichen verglichen wurde, so hetten seine4 gebietennde hern unnd obern der statt Augspurg fur ratsam unnd gut [erachtet], das bede puncten, die religion unnd turckhenhilf, zugleich mit einannder inn zwaien unnderschiedlichen ausschussen solten tractirt und gehandlt werden. Welches er vermög seines empfanngnen bevelchs von meiner5 herrn wegen /6’/vermelt haben wolte. Zum weiteren Vorbringen Straßburgs: Erinnert sich, das sie auff jungstgehaltnem reichstag zu Augspurg deß puncten der freystellung halber offenntlichen inn gemainer reichsversamlung protestirt heten6 unnd darein nicht willigen wöllen. Dhweil er aber nit annderst weste, dann das meine herrn datzumal darwider khain einrede gehabt, sonnder denselben, wie er verabschiedet worden, gutwillig heten passirn lassen, unnd er noch khain bevelch hete, sich dises articls der freystellung zubeschweren oder deßhalb bei den höhern stennden umb erleuterung antzuhalten, so wolt ime nicht geburn, sich deßhalben eintzulassen, sonnder was die herrn von Straßburg oder anndere deßhalben fur beschwer heten, das wurden si fur ir person wol wissen antzubringen.

Nürnberg: Voranstellung der Religionsfrage wäre nicht unbillich. Damit aber die Türkenhilfe von wegen der grossen vorsteenden not nit verhindert, so liessen si inen das augspurgisch bedennckhen von wegen irer herrn unnd obern auch wol gefallen, das bede puncten, die religion unnd turckhenhilf, miteinandern tractirt werden solten. Unnd das Straßburg deß punctens der freystellung bey den höhern stenden anhalten unnd bei inen ad partem furdernuß unnd rath suchen wolten, das liessen si inen auch gefallen. Versehen sich auch, was ire herrn unnd obern dartzu räthlichs unnd nutzlichs thun /7/ khundten, das si fur ire personen neben anndern frey- unnd Reichs stetten an inen nichts wurden erwinden lassen.

Regensburg: Verglich sich inn allem durchaus mit Straßburg etc.

Als hernacher [wohl Beratung am 24. 9.] der erbarn stett gesandten inn erfarung khommen, das die im chur- unnd furstlichen rath deß proceß halben zwaierlai mainung sein sollen, nemlich das etliche wöllen, das der punct religionis alain ausser der turckhenhilf inn ainem gemainen ausschuß vermög deß passauischen abschiedts solte beratschlagt, etliche aber, das dise bede puncten mit einanndern zugleich inn ainem ausschuß oder inn abgesonnderten räten solten tractirt werden, deß dann auch das merer sein soll etc.7, haben sich der erbarn stett gesanndten unangesehen, das dise zwayerlai mainungen bei inen auch auff der pan gewesen, dahin verglichen, das bede puncten inn ainem gemainen ausschuß solten gehanndlt werden.

/7 f./ Daneben Beschluss im Hinblick auf den gemäß Städtetagsabschied von 15558  neben dem RT zu veranstaltenden Städtetag, in Anbetracht der bisher nur wenigen anwesenden Gesandten die vier ausschreibenden Städte aufzufordern, bei den Städten in ihrem Bezirk die Beschickung des Tages anzumahnen9.

Anmerkungen

1
 Das Datum der Sitzungen wird in der Textvorlage nicht genannt. Es heißt lediglich, im Anschluss an die Vereinbarung vom 22. 9. zur Aufnahme der Verhandlungen seien die Kurien etliche tag embsig zu rath gangen, um die Beratungsabfolge der HAA festzulegen (Augsburg, fol. 5’). Demnach wurden wohl 2 Verhandlungstage in obigem Protokollabschnitt zusammengefasst (Nürnberg protokolliert diese Sitzung nicht). Die Beratung am 23. 9. belegt ein den Inhalt aufgreifender Bericht der Nürnberger Gesandten, der am späten Abend dieses Tages verfasst wurde (StA Nürnberg, NRTA 23, unfol. Konz.). Andererseits wurden die Verhandlungen in KR und FR zur Beratungsabfolge der HAA, auf die der zweite Teil obigen Protokolls verweist, erst am 24. 9. geführt. Deshalb ist davon auszugehen, dass das Protokoll hier beide Tage zusammenfasst.
2
 Am 22./23. 9. erfolgte im FR keine diesbezügliche Beschlussfassung [Nrr. 116, 117]. Am 24. 9. dagegen beschloss FR, den 2. HA (Türkenhilfe) sofort in den Kurien vorzulegen und den 1. HA (Religionsvergleich) parallel im Ausschuss zu beraten (Österreich B, fol. 374’–381 [Nr. 118]).
3
 Hier trotz des Terminus „Freistellung“ nicht Bezugnahme auf den Geistlichen Vorbehalt, sondern auf den Städteartikel des Religionsfriedens (RAb 1555, § 27: Aulinger/Eltz/Machoczek, RTA JR XX, Nr. 390 S. 3112 f.). Die Bezugnahme wird deutlicher im Nürnberger Bericht vom 23. 9. (wie Anm. 1): Im Religionsfrieden sei in einem sondern articl der freystellung halben ein anhang deren stet, so bißhero bede religionen gehabt, begriffen, darinnen denselben aufferlegt, dz sie ein yeden bei seiner religion unnd allem dem seinen ruigklich unnd fridlich pleiben lassen sollten [letzter Halbsatz wörtlich wie in § 27 des RAb]. Dagegen aber den chur- unnd fursten zugelassen worden, dz sie macht haben sollen, die iren frey zestellen. Dieweil aber solches sonderlich inen, auch ettlichen andern steten beschwerlich, unnd hierynnen pillich die gleichheit gehalten unnd die chur- unnd f. rethe die stet hierynnen auch bedacht haben solten, haben sie gepetten unnd bedacht, dz die anndern stet bey den hoheren stenden, mit den sie in guter verwanntnus, ad partem handln wolten, ob man dz jhenig, so uff jungstem reichstag versaumbt, yetzt widerumb herein pringen, dz die erbarn stet die iren auch frey stellen mochten. Vgl. auch die Debatte um die beabsichtigte Straßburger Supplikation: Nr. 364 mit Anm. 3 .
4
 = der Augsburger Gesandte Dr. Marx Zimmermann.
5
 = David Linß, Sekretär der Stadt Augsburg und Verfasser dieses Protokolls.
6
 Vgl. zum Straßburger Protest: Anm.2 bei Nr. 364.
7
 Vgl. die Verhandlungen in KR und FR am 24. 9.: Kurmainz, pag. 79–86 [Nr. 12]; Österreich B, fol. 374’–381 [Nr. 118].
8
 Vgl. die Zusammenfassung der Beschlüsse der Städteverhandlungen 1555 bei Fels, Zweyter Beytrag, 224 f.
9
 Gemäß Nürnberger Bericht vom 23. 9. (wie Anm. 1) ging es weniger um die Präsenz beim Städtetag als um die Repräsentation am RT: Die in obiger Sitzung anwesenden Gesandten von nur 4 Städten stellten fest, dass die Städte in der Landvogtei Hagenau sowie Schwäbisch Gmünd an Regensburg und Lindau an Straßburg die Bitte gerichtet hatten, sie anhand der RTA über die Verhandlungen zu informieren. Käme man dem nach, würden nur sehr wenige weitere Städte den RT beschicken. Dies wäre ganntz hochbeschwerlich, weil die Reichsstädte durch solche hinlassigkeit und unfleis bißhero vil versaumbt und dardurch umb ir stym unnd session kommen. Deshalb beschloss man, den RT-Besuch über die 4 ausschreibenden Städte anmahnen zu lassen, und dies desto mer, dieweil auch sie, die stet, allerlei hanndlungen, die sie allein betreffen, haben werden [Städtetag]. Im Bericht vom 27. 9. 1556 (StA Nürnberg, NRTA 23, unfol. Konz.) gingen die Nürnberger Deputierten davon aus, das Schreiben würde noch am selben Tag verschickt. Es datiert allerdings erst vom 30. 9. 1556 und ist als Schreiben der am RT versammelten Städtegesandten gerichtet an die ausschreibenden Städte Straßburg, Frankfurt, Nürnberg, Ulm: Die gemäß Vereinbarung von 1555 durchzuführende Sammlung der Akten zu Stand, Stimme und Session der Reichsstädte fand bisher nicht statt. Auch deshalb hat man erwartet, die Städte würden ihre Gesandten gleich zu Beginn des RT vorrangig wegen des Städtetags abordnen. Da aber sowohl dazu wie auch wegen annderer des Reichs tags hochwichtigen geschefften bisher nur wenige Städte vertreten sind, ergeht die Aufforderung, die Abordnung der Gesandten im Ausschreibebezirk anzumahnen. Nachweise: ISG Frankfurt, RS II 1128, fol. 15–16’ (Or. an Frankfurt; im Rat verlesen am 8. 10.). AVCU Strasbourg, AA 622, fol. 48–49’ (Or.; präs. 7. 10.). StadtA Augsburg, RTA 15, unfol. StA Nürnberg, NRTA 26, unfol. StA Würzburg, SSTTA 2, unfol. StA Darmstadt, E 1 A 23 Nr. 2, unfol. (Kopp.). Zur Reaktion vgl. SR am 23. 10. [Nr. 228].