Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Textvorlage: Bericht der kursächsischen Gesandten an Kf. August vom 6. 12. 15562.

Besetzung des Religionsausschusses seitens der CA-Stände des FR. Geschäftsordnung für die Ausschussverhandlungen.

/229 f./ Versammlung der CA-Stände, einberufen durch Eberhard von der Tann für Kurpfalz (Kurpfalz, Kursachsen, Kurbrandenburg, Pfalz-Zweibrücken, Brandenburg-Küstrin, Brandenburg-Ansbach, Württemberg, Pommern, Hessen).

/229’/ Kurpfalz (von der Tann) proponiert: Nochmalige Beratung zur Besetzung des Religionsausschusses seitens der CA-Stände des FR 3 , an der, wiewohl sie nur die Ff. betrifft, auch die Gesandten der weltlichen Kff. teilnehmen. Kurpfalz votiert für die Abordnung folgender Stände: Pfalz-Zweibrücken, Haus Brandenburg, Württemberg sowie Pommern oder Hessen.

Kursachsen: Beharren auf der Teilnahme der Hgg. von Sachsen am Ausschuss, da in deren Landen die neue lehr widerumb erstlich herfurbracht, auch ihre f. Gnn. dieselbigen leut hetten, so hiebevorn viel bei disen und dergleichen tractationen gewesen; zudem, das es auch sonst ihren f. Gnn. allerlei nachdencken geben mocht.

Dagegen wendet von der Tann ein: Die Hgg. von Sachsen haben ihn mit ihrer Vertretung beim RT beauftragt, obwohl er ihnen rechtzeitig mitgeteilt hat, er könne dies nicht übernehmen, da er als Kurpfälzer Deputierter am KR mitwirkt. Seine Empfehlung, andere Gesandte abzuordnen, haben die Hgg. unbestimmt beantwortet4. Und weil dan von ihren f. Gnn. wegen niemandts alhie, so muste derhalben das werck nicht verzogen werden noch verbleiben.

/232/ Gegeneinwand Kursachsen: Es mochte bedencklich sein, solches mißvorstandts halben gleichwol ihre f. Gnn. gentzlichen zuubergehen oder auszuschliessen5.

Kurpfalz (von der Tann): Die Hgg. würden ohnehin nicht am Ausschuss teilnehmen, da der bisherige Gesandte, Dr. Schneidewein, beauftragt war, er solle sich des Reichs rats und aller desselbigen hendel enthalten, falls Pfalz-Zweibrücken die Session vor Sachsen beanspruchen würde.

Kursachsen: Der Sessionsstreit ist zu umgehen, indem Sachsen am Religionsausschuss mitwirkt und Pfalz-Zweibrücken am FR teilnimmt.

Kurbrandenburg: Besteht auf der Abordnung von Sachsen und Hessen in den Ausschuss, dan sie vormals alleweg bei disen tractaten leut gehabt.

Pfalz-Zweibrücken, Brandenburg-Küstrin, Brandenburg-Ansbach, Württemberg, Pommern, Hessen: Verordnung von Sachsen in den Ausschuss. Falls die Hgg. dies ablehnen, soll Pfalz-Zweibrücken teilnehmen.

/232 f./ Zunächst keine Einigung, ob Hessen oder Pommern verordnet werden soll.

/232’/ Württemberg: Wollen sich selbst nicht benennen und schlagen Pommern vor.

Kurpfalz (von der Tann): Votiert gegen Pommern6  und für Hessen.

Kursachsen: Haben sich darein nicht gemenget und derselbigen keinen expresse benant, sondern die ding mit vleis unvermerckt ubergangen.

Beschluss bezüglich Sachsens7 : Falls die Hgg. vor Beginn der Ausschusssitzungen einen Gesandten schicken, soll dieser mitwirken, ansonsten wird Pfalz-Zweibrücken verordnet8.

Anmerkungen

1
 Datierung (fehlt in der Textvorlage) gemäß Aufzeichnung der Sitzung im Bericht der Württemberger Gesandten Massenbach und Eislinger an Hg. Christoph vom 2. 12. 1556: HStA Stuttgart, A 262 Bü. 51, fol. 292–298’, hier 293–295’. Or.; präs. 6. 12. Regest: Ernst IV, Nr. 185 S. 219–221, hier 219 f.
2
  HStA Dresden, Loc. 10192/5, fol. 229–234’, hier 229 f., 232 f. [Foliierungsfehler] Or.; präs. Dresden, 9. 12. Verhandlungsreferat: Wolf, Geschichte, 43; Bundschuh, Religionsgespräch, 165.
3
 Vgl. die Beratungen der CA-Stände am 14. 11. und 17. 11. 1556 [Nrr. 360, 361] sowie im FR am 25. 11. und 1. 12. (Österreich B, fol. 452–453’; fol. 466’–467’ [Nr. 138, Nr. 142]).
4
 Von der Tann hatte die Hgg. am 9. 11. 1556 gebeten, andere Räte abzuordnen, da er für Kurpfalz am RT teilnehme und deshalb ihre Session nicht übernehmen könne (HStA Weimar, Reg. E Nr. 180, fol. 203–204a’, hier 203’ f. Or.). Dagegen beriefen sich die Hgg. in der Weisung vom 18. 11. (Jagdhaus „Fröhliche Wiederkunft“) darauf, sie hätten seinen Wechsel in den Kurpfälzer Dienst abgelehnt und darauf bestanden, er solle für sie /210’/ die session im furstenradt und andern zusamenkunfften halten. Sie forderten ihn auf, die Session für Kurpfalz aufzugeben und ihre Vertretung wahrzunehmen (ebd., fol. 209–213’, hier 210–211. Konz.). Von der Tann reagierte im Bericht vom 25. 11. befremdet, da die Hgg. wüssten, dass er die Annahme des neuen Dienstes gewissenns halbenn nicht habe umbgehenn mogenn. Er sei ebenso wie Kf. Ottheinrich davon überzeugt, im KR der Religion, den Reichs- und auch den hgl. Privatbelangen mehr zu nützen als im FR. Für die dortige Vertretung könne ein anderer Gesandter geschickt werden, falls die Hgg. die Session wegen des Streits mit Pfalz-Zweibrücken wahrnehmen wollten (ebd., fol. 214–220’, hier 215’–217. Or.). Dennoch beharrten die Hgg. in der Weisung vom 6. 12. (Weimar) entschieden, aber vergeblich auf seiner Teilnahme am FR (ebd., fol. 221–227’, hier 223–224’. Konz.). Sie ordneten deshalb Anfang 1557 Kanzler Brück und L. Tangel an den RT ab. Vgl. zu dem „in höchst ungewöhnlicher Weise“ vollzogenen Dienstwechsel: Press, Calvinismus, 208. Daneben: Ott, Präzedenz, 329, Anm. 157; Körner, Tann, 136; Slenczka, Schisma, 73.
5
 Vgl. den späteren Bericht der sächsischen Deputierten Brück und Tangel (Ankunft beim RT am 17. 1.) an die Hgg. vom 18. 1. 1557: Teilnahme am Religionsausschuss ist nicht mehr möglich, obwohl Kursachsen versucht hatte, dessen Zusammentritt bis zur Ankunft von Gesandten der Hgg. zu verzögern. Hingegen wurde Pfalz-Zweibrücken nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft in den Ausschuss berufen, da die Verordneten Pfgf. Wolfgangs /238’/ aus rathe unnd angebung des vonn der Thann nur unter dieser Bedingung mitwirken wollten (HStA Weimar, Reg. E Nr. 180, fol. 237–240a’, hier 238 f. Or.).
6
 Vgl. zur Benennung den Bericht des pommerischen Gesandten Wolde an Hg. Philipp vom 17./ 18. 1. 1557: Zunächst wurden Sachsen und Hessen, weil /54/ sie unsers theils die relligion hiebevorn im Reich am meisten getrieben und vormutlich in iren hoefen aller handlung mher nachrichtung und leute, denen standt und gelegenheit dießer sachen bekant und kundigk seie, noch haben, nominiert. /54’/ Dazu Brandenburg als kfl. Haus und Württemberg wegen der Nähe zu Regensburg. Diese Besetzung musste wegen des Sessionsstreits zwischen Pfalz und Sachsen korrigiert werden, da die sächsischen Gesandten ohne Vorrang vor Pfalz-Zweibrücken nicht am RT teilnehmen dürfen. Deshalb wurde Pfgf. Wolfgang verordnet. Für das Haus Brandenburg wurde Georg Friedrich benannt, da Johann von Küstrin mit nur einem Deputierten vertreten und die Anforderung von Weisung wegen der großen Entfernung zeitaufwendig ist. Aus dem gleichen Grund wurde Pommern nicht nominiert (AP Stettin, AKW 36, fol. 53–63’, hier 54 f. Or.).
7
 Beschluss deutlicher im Württemberger Bericht vom 2. 12. (wie Anm. 1, hier fol. 293’ f.): Sachsen bzw. Pfalz-Zweibrücken wie oben. Daneben wurden verordnet: Brandenburg-Ansbach, Württemberg, Hessen.
8
 Im Bericht der Württemberger Gesandten vom 2. 12. (wie Anm. 1, hier fol. 294–295’) zusätzlich: /294 f./ Von der Tann regte an, wegen der erwarteten einheitlichen Voten der katholischen und der CA-Stände im Religionsausschuss /294’/ schrifftlichen unnd nit mundtlichen zuhanndlen, dann in mundtlicher hanndlung sich gewenlichen allerhand argumenta, weitleuffigkeiten unnd hitzige altercationes dermaßen ereugen, das dardurch mehr widerwillen dann schidliche vergleichungen ervolgen, insonderheit auch der pfaffen hauff weder zu schleunigkait noch pillichait, sonnder üppiger weiß in /295/ religions sachen zu aller verhinderung geneigt; zudem unsers theils argumenta unnd bericht mehr zu mißverstand, ungleicheit unnd verbitterung dann zu richtigkait uffzwackhen. Dannenher die kgl. Mt. unnd ire selbst hern verfalschten unnd verkerten bericht oder infidelem relationem allemahln einnehmen. Demnach befürwortete Kurpfalz, dass die CA-Stände ein gemeinsames Votum schriftlich abgeben. /295 f./ Die Beschlussfassung wurde vertagt.