Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Textvorlage: HHStA Wien, MEA RTA 43/II, fol. 345–348 (Kop.)1.

1. HA (Religionsvergleich): Fortsetzung der Verhandlungen zur Gestaltung des Kolloquiums trotz der beiderseitigen Vorbehalte. Vorschläge für Veranstaltungsort und Termin sowie für die personelle Besetzung seitens der katholischen Stände. Zusammenfassung der katholischen Glaubensartikel als eigene Verhandlungsgrundlage.

/345/ Ausschuss der geistlichen Reichsstände (Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Salzburg, Straßburg, Augsburg).

Beschluss der Beratung2: Rathschlag Meintz, Trier, Colln, Saltzpurg, Straspurg und Augspurg, den 7. Februarii 1557, wes weiter uf der kgl. Mt. zweit resolutions schrifft3 den catholischen zethun, seintemall dye reservations- oder repetitions schrifft der erregten qualitaten des concilii nit begebung etc.4 gesterigs tags der kgl. Mt. furpracht.

/345 f./ Da aufgrund dieser Erklärung [vom 6. 2.] an den Kg. feststeht, dass die katholischen Stände auf ihren beiden Vorbehalten für das Kolloquium beharren, soll man sich darüber mit den CA-Ständen in der nächsten Sitzung des Religionsausschusses auf keine weitere Debatte einlassen, sondern votieren: Man hat aus der Triplik vernommen, dass der Kg. sich dem unstrittigen Teil der Duplik der Reichsstände5  anschließt und die jeweiligen Vorbehalte der CA- sowie der katholischen Stände in Bedacht nehmen wird, /345’/ das auch ire Mt. allergnst. gesynnen, man wolte die sachen ferner nit uffhallten. Wo fer dan der ander theill auch ferner procediren wollte, das sie6 als dan ires theils darin kein bedenckens trugen und auch also in namen des hern weiter auf die formalia des colloquii mit furgeen wolten etc.

Falls die Gegenseite sich dem anschließt, sind als Formalia zu beraten: Ort, Termin, Teilnehmer und Thematik des Kolloquiums. Besteht über dieses Vorgehen Einvernehmen, sollen vor einer weiteren Sitzung des Religionsausschusses die katholischen Stände nochmals vorausgehend dazu beraten7.

Gleichwoll ist in dieser berathschlagung8 auch darvon geredt worden, und furnemblich durch Straspurg und Augspurg9.

Veranstaltungsort: Bevorzugt wird eine Stadt am Rhein, entweder Speyer, Worms oder Mainz. Der Ausschuss präferiert Worms, weil daselbst auch episcopalis sedes und die burger /346/ daselbst gegen dem clero sich noch bescheidenlichen hallten etc.

Am andern der zeit halben: Nachdem dieser reichstag sich verweilet und von noten, das gleichwoll die theologi zum gesprech sich gefast machen, were dieselbig uf Trinitatis oder aber Michaelis10 schiristkunfftig zustellen.

Teilnehmer: Zu einem Kolloquium gehören 1) Präsidenten, 2) Kolloquenten, 3) Auditoren, 4) Exzeptoren oder Notare.

Präsidentenamt: Were der kgl. Mt. unter irem namen die presidentz heimbzustellen. Und dha ire Mt. (wie den zuvermuten) auß furfallenden verhinderungen personlich den sachen nit beywonen konte, das ire Mt. an dero statt ein ansehenliche, stattliche und erfarne person hierzu als commissarien [verordne], das auch demselbigen die stendt, unser allten catholischen religion verwanndt, noch ein person auß den churfursten, fursten oder furstmessigen zuzuordnen, wie dan ungezweiffellt der gegentheill auch ein geben werde, also das uf diesem wege drei presidenten weren; [dies] fur ein bedencken. Oder aber, welches doch am rhatsambisten und sicheristen sein mochte, bevorab uf das es nit nachmals calumnirt werden moge, als hetten catholici dem gegentheill eynige presidentz eingeraumbt, das der kgl. Mt. die verordnung solcher dreier presidenten gentzlich heimbzustellen; doch dabeneben zupitten, dartzu zum wenigisten /346’/ einen bischoff oder aber der allten religion weltlichen fursten mit zuvermogen. Wie es dan vermutlich, das ire Mt. zu dem haupt commissario ein catholische person nemen werden.

Kolloquenten: Wenngleich am Religionsgespräch in Worms [1540/41], das weitgehend in der Form organisiert worden ist, wie Augustinus in Epistula 152 ein Kolloquium beschreibt11 , für jede Seite elf, also insgesamt 22 Kolloquenten teilgenommen haben12 , so weren, weittleufftigkeit zuvermeiden, itzmals von jedem theill allein vier colloquenten zuverordnen, deren uf unser seitten man sich alhie in gemein zuvergleichen. Welche ungeferlich sein mochten, wofer sie zuvermogen: Der bischoff zu Morsenburg13, der bischoff zu Naumburg, her Julius14, Gropperus15 zu Collen und dan Johannes Delphius, so mit dem von Trier auf dem concilio zu Trient gewesen16.

Adjunkten: Ebenfalls jeweils vier für jede Seite. Bei der Besetzung für die katholischen Stände ist darauf zu achten, dass sie nit weniger tauglich als die colloquenten selbs, und furnemblich einer in linguis, der ander in sacra scriptura, canonibus et patribus, der drit in dialectica et scolastica theologia, der virt in eloquentia et disputatio- /347/ nibus wol geubt seien, also das alles, was an dem einen manglen mochte, durch den andern ersetzt werde. Und mochten zu solchen adjuncten nit untuglich geacht werden: Wicelius17, Canisius18, Staffilus19, der beyrische predicant, so ein prediger monch20, oder andere etc.

Auditoren: Es liegt bei den Ständen, wie vill sie deren hincinde verordnen wollen, qui sint quasi colloquutionum testes etc. Gleichwoll sollte auch nit unrathsam sein, das die kgl. Mt. dartzu auch ettliche irer theologen ordnete, so auch im nothfall mochten den andern berathsam sein.

Notare: Da in der Vergangenheit darunter auch nit wenig unrichtigkeit furgangen, das ettwo die acta nit uf eine meinung edirt, mochten itzmals darzu drei verordnet werden, dergestallt das die presidenten einen, die catholische stende einen und der augspurgischen confessions verwanndte stende auch einen darstellten. Und achtung zugeben, das dieselbige taugliche personen seien. Die dan auch mit pflichten zubeladen, die acta und handlungen treulich uffzuschreiben, die in geheim zubehallten und nymands ante relationem zu communiciren noch zupubliciren. Wie dan den colloquutoribus auch bei iren pflichten eintzupinden, das sie nichts hin und wider zuruck schreiben. Und solten die notarii jedes mals, wen man /347’/ colloquirt, ire acta noch in anwesen der colloquenten fleissig collationiren und conferiren, und wenn ein articel abgehandlet, desselbigen beschluß hinder die custodes actorum, so die presidenten sein mogen oder andere, erlegen etc. Wegen des Eids der Notare ist die Fassung des Wormser Kolloquiums [1540/41] einzusehen21 . Es werden keine namentlichen Vorschläge für die Notare gemacht.

Gegenstand und Verhandlungsgrundlage des Kolloquiums: Wird sich im Verhandlungsgang mit der Gegenseite ergeben. Yedoch diweill der annder theill hievor allwegen die augspurgische confession und derselbigen apologi22 furgelegt und solche ein amphibolischen verstandt und vilerhandt interpretationes hatt, so sollte der sachen nit undinstlich sein, das die catholische irer religion confession tam in articulis fidei, observantiis ceremonialibus atque in politia ecclesiastica und anderm, in massen solchs alles bei der christlichen kirchen von der apostell zeitten an biß uf uns herkommen und wie ein jedes christlich gelert worden, articels weiß in ein buch zusamen prechten und solch puch ad discutiendum furlegten23. Darauf dan die theologi ex nostra parte eynen articel nach dem andern den gegentheiln freundlich, christlichen und mit guter bescheidenheit furzuhallten, auch /348/ die zuprobirn und den anndern theill, wes sie dagegen einreden wolten, zuhoren. Und wurdet hiermit auch bewogen, dha solch buch von unserm theill und irer confession also herfliesse, das desto mer gegen der oberkeit und menigklich die colloquution veranndtwortlich und anderst nit unserm theill furzuwerffen, dan das sie urputig gewesen, ihrer lehr und bekanndtnus bestendige rechnung zugeben.

Cetera wurdet die fernere tractation geben. Allein diß zu behalt verzaichnet.

Anmerkungen

1
 Es handelt sich um ein Beschlussprotokoll außerhalb der sonstigen Mainzer Protokollierung, das Kf. Daniel als Beilage zum Bericht vom 8. 2. 1557 geschickt wurde. Bericht: HHStA Wien, MEA RTA 43/II, fol. 328–330’ (Or.). Kf. Daniel befürwortete in der Antwort vom 14. 2. (Aschaffenburg) die Beschlüsse; insbesondere sollten seine Gesandten die darin vorgeschlagenen Kolloquiumsteilnehmer in den folgenden Beratungen nach Möglichkeit durchsetzen (Weisung vom 14. 2. 1557: Ebd., fol. 353–354. Konz. Vgl. Bundschuh, Religionsgespräch, 216, Anm. 146).
2
 Referat mit wörtlichen Auszügen bei Bundschuh, Religionsgespräch, 215–217. Bei Laubach, Ferdinand I., 186, bezeichnet als „Strategiepapier“ der „Vertreter der fünf einflußreichsten Bischöfe“.
3
 Triplik zum 1. HA (Religionsvergleich) [Nr. 430].
4
 Erklärung der katholischen Stände an den Kg. mit den Vorbehalten für das Kolloquium [Nr. 461].
5
 Nr. 429.
6
 = die katholischen Stände.
7
 Diese Beratung vor den folgenden Sitzungen des Religionsausschusses am 8. 2. und 10. 2. fand nicht mehr statt.
8
 = in der hier protokollierten Ausschusssitzung am 7. 2.
9
  Bundschuh, Religionsgespräch, 216, Anm. 143, folgert daraus, der „Rathschlag“ basiere auf Vorüberlegungen von Welsinger (Straßburg) und Braun (Augsburg). 
10
 13. 6. oder 29. 9. 1557.
11
 Mit Epistula 152 ist nach heutiger Zählung Epistula 141 gemeint: CSEL  44, 235–246, zur Zahl der Teilnehmer bes. Kap. 2 (236 f.).
12
  Ks. Karl V. besetzte im Abschied des Hagenauer Religionsgesprächs vom 28. 7. 1540 das folgende Wormser Religionsgespräch mit je 11 Delegationen (und Stimmen) für katholische und protestantische Seite (Abschied:  Ganzer/zur Mühlen, ADRG I, Nr. 37 S. 146–155, hier 154; bestätigt im Ausschreiben für Worms vom 15. 8. 1540:  Ganzer/zur Mühlen, ADRG II, Nr. 1 S. 14–19).
13
  Bf. Michael Helding (vgl. Anm.9 bei Nr. 433).
14
  Bf. Julius Pflug (vgl. Anm.8 bei Nr. 433).
15
 Johannes Gropper (vgl. Anm.11 bei Nr. 433).
16
 Johannes Delphius, zusammen mit Ebf. Johann V. von Trier Teilnehmer an der zweiten Periode des Tridentinums (vgl. Anm.10 bei Nr. 433).
17
 Georg Witzel (vgl. Anm.18 bei Nr. 433).
18
 Petrus Canisius (vgl. Anm.13 bei Nr. 433). Canisius teilte Generalvikar Laynez am 11. 2. 1557 (Regensburg) leicht abweichend mit, neben Pflug, Helding und Gropper sei nach dem damaligen Verhandlungsstand er selbst als vierter Hauptteilnehmer vorgesehen gewesen. Er habe zwar um die Benennung eines geeigneteren Kandidaten gebeten, doch habe ihm Kardinal Otto von Augsburg versichert, er, Canisius, könne viel zur Verteidigung des Heiligen Stuhls beitragen und mit seiner Teilnahme zugleich weniger sichere und verdächtige Theologen ausschließen ( Braunsberger II, Nr. 234 S. 62–70, hier 63 f. Vgl. Hofmann, Canisius, 122, 128). Am 13. 3. 1557 berichtete Canisius an Laynez, Kg. Ferdinand müsse seine Freistellung für die Teilnahme am Kolloquium beim Orden beantragen. Er hoffte, dass ihn ein Veto des Papstes und die Gnade Gottes davor bewahrten ( Braunsberger II, Nr. 238 S. 79–82, hier 81. Vgl. Riess, Canisius, 197).
19
 Friedrich Staphylus (vgl. Anm.19 bei Nr. 433).
20
 Johannes Gressenicus (vgl. Anm.17 bei Nr. 433).
21
 Vgl. die Eidesformel für die Notare (vor 11. 12. 1540):  Ganzer/zur Mühlen, ADRG II, Nr. 42 S. 83 f. (dt.); Nr. 44 S. 85 (lat.).
22
  CA (1530) und Apologie der CA: Bekenntnisschriften, 31–137 (CA); 139–404 (Apologie).
23
 Vgl. dazu und zur Ablehnung durch die kgl. Räte auch die Schilderung in der Zusammenfassung der Verhandlungen zum Kolloquium [Nr. 453], hier fol. 520 f.