Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Beilegung des bewaffneten Konflikts der Gff. Johann von Rietberg und Bernhard zur Lippe. An Kg. und Reichsstände.

Supplikation an Kg. und Reichsstände ([Dortmund], 5. 12. 1556; gemäß kgl. Dekret präs. im RR am 4. 1. 1557, kopiert am 5. 1., die Beilagen am 7. 1.)1 , unterzeichnet von den in Dortmund beim Zugeordnetentag des Niederrheinisch-Westfälischen Kreises versammelten Gesandten; mit 7 Belegdokumenten2  (Korrespondenz beider Gff. und des Johann Balcke, Drost Gf. Johanns in Rietberg, zur Entwicklung des Konflikts): Bringen gemäß Vorgaben der EO und der RKGO für das Vorgehen bei Landfriedensbruch vor: Gf. Bernhard zur Lippe bat kürzlich Hg. Wilhelm von Jülich als Kreisoberst unter Berufung auf die EO und die Kreisordnung um Hilfe gegen den Landfriedensbruch Gf. Johanns von Rietberg, gerichtet gegen Gf. Bernhard, dessen Land und Untertanen. Hg. Wilhelm schrieb deshalb einen Zugeordnetentag nach Dortmund aus. Sie, die unterzeichnenden Gesandten, haben beschlossen3 , beide Gff. durch Gesandte aufzufordern, die Auseinandersetzungen sofort einzustellen, den Konflikt gütlich oder rechtlich vor Kg. und Reichsständen auf dem RT oder vor den Kreisständen zu klären und sich einer ersten Vermittlung der Kreisgesandtschaft zu stellen. Andernfalls werde der Kreis gemäß EO verfahren. Bitten namens des Kreises, beim RT Maßnahmen einzuleiten, um den Konflikt beizulegen, den Landfriedensbruch zu bestrafen, den Frieden im Kreis zu sichern und eine Ausweitung zum Schaden des Reichs zu vermeiden sowie beim RKG einen Landfriedensprozess gegen den Täter zu veranlassen.

Beschluss im RR am 10. 1. 1557: Baldige Beratung der Supplikation in den Kurien4.

Beschluss im SR am 12. 1.5 : Anschluss an KR und FR, da die Angelegenheit die Reichsstädte nicht wesentlich betrifft.

Beschluss im KR am 14. 1.6 : Kg. möge dem Kreisoberst auftragen, gemäß EO vorzugehen, falls die Parteien sich nicht gütlich einigen.

Beschluss im FR am 15. 1.7 : Auftrag an den Kreisoberst, den Konflikt gemäß EO beizulegen, auch um so den Vollzug der EO zu demonstrieren und andere Friedbrecher abzuschrecken.

Beratung im SR am 14. 1., veranlasst von einer Aufforderung der Mainzer Kanzlei8 : Bestätigung des Beschlusses vom 12. 1.

KR/FR am 16. 1.9 : KR referiert seinen Beschluss. FR: 1) Auftrag des Kgs. an den Kreisoberst, den Konflikt gemäß EO beizulegen. 2) Beauftragung von Köln und Hessen als Lehnsherrn der beiden Gff. mit der gütlichen Vermittlung. 3) Einleitung eines Prozesses am RKG gegen beide Gff. 4) Beauftragung der benachbarten Kreise durch den Kg., den Westfälischen Kreis bei der Exekution zu unterstützen. Sodann Anschluss FR an KR. Referat des Beschlusses vor SR, der sich ebenfalls anschließt10.

Dekret der Reichsstände, im RR gebilligt am 20. 1. 1557, dem Kg. übergeben am 22. 1., kopiert am 23. 1.11 : Kg. möge dem Kreisoberst und den Zugeordneten des Westfälischen Kreises auftragen, sich im Konflikt beider Gff. gemäß EO zu verhalten und diese zu vollziehen.

Supplikation der Gesandten Hg. Wilhelms von Jülich an den Kg. (der Mainzer Kanzlei übergeben am 31. 1. 1557, in KR/FR zusammen mit dem folgenden kgl. Dekret verlesen sowie SR übergeben am 1. 2., kopiert am 3. 2.)12 , unterzeichnet von den Gesandten des Hg.: Die in der Supplikation des Kreises angesprochene Gesandtschaft zu den Konfliktparteien wurde durchgeführt. Gf. Johann von Rietberg verwehrte den Gesandten das Geleit und lehnte das Vermittlungsangebot strikt ab, während Gf. Bernhard zur Lippe darauf eingehen wollte. Deshalb wird der Beschluss des Zugeordnetentages vollzogen und gemäß EO gegen den Friedbrecher verfahren. Für die Durchführung der Exekution gegen Rietberg hat der Kreis 4 Fähnlein Fußknechte und 150 Reiter in Bestallung genommen, für die monatliche Kosten von 12 000 fl. anfallen. Da die Kosten für den Kreis allein nicht tragbar sind, werden benachbarte Kreise daran beteiligt, was sich unter Umständen negativ auf die Erlegung der neuen Türkenhilfe für den Kg. auswirken wird. Bitten den Kg. um die Veranlassung von Maßnahmen, damit im Kreis Ruhe und Frieden hergestellt werden; um Befehl an RKG und Fiskal, unverzüglich einen Landfriedensprozess gegen den Täter einzuleiten; um ein Mandat, das Söldnern im Dienst des Gf. von Rietberg den Abzug befiehlt und anderen den Zuzug verbietet. Gf. Rietberg beruft sich für seinen Angriff auf Verstöße des Gf. zur Lippe gegen Artikel des Landfriedens [1548] unter der Rubrik „Von Peen des Landfriedbrechers“13 , während der Gf. zur Lippe sich seinerseits auf den Landfrieden unter der Rubrik: „Wie gegen denen, die des Friedbruchs oder das sie den Friedbrechern heimlich Zuschub getan, verdacht sein, gehandelt und ad purgandum prozediert werden solle“14 , stützt, ebenso auf den Artikel des RAb 1555, fol. 30, „Auf das auch desto weniger in Zweifel zu stellen, in was Sachen die Hilf eines oder mehr Craiß einem Stand oder Craiß auf sein suchen zu leisten“15 . Deshalb Bitte an den Kg., auf dem RT eine Erläuterung zu veranlassen, damit jetzt und künftig klar ist, wie man zu verfahren hat, wenn ein Stand gegen den anderen unter Vorwänden tätlich vorgeht. Dies dient dem korrekten Vollzug der EO und damit dem Erhalt des Reichsfriedens.

Dekret Kg. Ferdinands I. (28. 1. 1557, zusammen mit der Supplikation übergeben, verlesen und kopiert)16 : Beabsichtigte Maßnahmen: Abordnung eines Gesandten zum Gf. von Rietberg, um ihm weitere Tätlichkeiten zu untersagen und ihn zur Annahme der gütlichen Vermittlung oder des rechtlichen Austrags aufzufordern; Bitte an Kg. Philipp von Spanien, dessen Untertan der Gf. mit seinen Gütern in Friesland ist, den Gf. zur Gütlichkeit oder an den rechtlichen Austrag zu weisen; Befehl an den RKG-Fiskal, Prozess wegen Landfriedensbruchs einzuleiten; Mandate an die Söldner gemäß Bitte in der Supplikation. Kg. fordert dazu Stellungnahme der Reichsstände. Die erbetene Erläuterung des Landfriedens und der EO sollen die Reichsstände zu gegebener Zeit beraten.

Beschluss im Ausschuss des SR am 5. 2., anschließend im Plenum gebilligt17 : Anschluss an KR /FR bzw. Befürwortung des kgl. Dekrets. Daneben wird ein Gutachten von anwesenden Rechtsgelehrten der Reichsstädte zur Frage beauftragt, ob ein Kreis die Exekutionskosten bei größeren Landfriedensbrüchen allein tragen muss (Erläuterung der EO).

Beratungen von KR, FR, KR/FR und im RR 18  am 5. 2. führten zum Dekret der Reichsstände (dem Kg. mündlich vorgetragen am 5. 2.19 , schriftlich übergeben am 7. 2., kopiert am 11. 2.)20 : Bekräftigen den Beschluss im ersten Dekret, den Konflikt unter Vollzug der EO beizulegen. Zum Dekret des Kgs.: Befürworten die Gesandtschaft an die Konfliktparteien; stellen die Einbeziehung Kg. Philipps von Spanien dem Kg. anheim; lehnen es ab, von ihrer Seite aus beim RKG-Fiskal den Prozess wegen Landfriedensbruchs zu veranlassen, doch kann Kg. dies nach eigenem Ermessen tun; stellen das Mandat an die Söldner Rietbergs ebenfalls dem Kg. anheim. Die Deklaration des Landfriedens und der EO wird im Zusammenhang mit dem 3. HA (Landfrieden) erörtert21.

Resolution des Kgs. vom 9. 2. 1557 (kopiert am 10. 2.)22 : Da die Reichsstände auf ihrem ersten Beschluss beharren, will Kg. den Niederrheinisch-Westfälischen Kreis nochmals auf den Vollzug der EO im Konflikt verweisen. Will daneben die im kgl. Dekret angesprochenen Maßnahmen durchführen: Gesandtschaft zum Gf. von Rietberg, Bitte an Kg. Philipp von Spanien um Intervention, Einleitung eines Prozesses am RKG, Mandat an die Söldner.

Schreiben Kg. Ferdinands I. an die Stände des Niederrheinisch-Westfälischen Kreises (Regensburg, 21. 2. 1557)23 : Beauftragt den Kreis im Konflikt beider Gff. in Absprache mit den Reichsständen mit Gegenmaßnahmen unter Vollzug der EO 1555.

Schreiben Kg. Ferdinands I. an Kg. Philipp II. von Spanien (Regensburg, 21. 2. 1557)24 : Information über den Konflikt und das Scheitern der vom Westfälischen Kreis angestrebten Vermittlung. Bittet den Kg., den Gf. von Rietberg zur Beachtung des Landfriedens und zur Annahme der gütlichen Vermittlung zu ermahnen.

Schreiben Kg. Ferdinands I. an den RKG-Prokurator Fiskal (Regensburg, 21. 2. 1557)25 : Befehl, gegen Rietberg Prozess auf den Landfrieden einzuleiten.

Mandat Kg. Ferdinands I. (Regensburg, 23. 2. 1557)26 : Bruch des Landfriedens durch den Gf. von Rietberg. Verbot, Söldner für ihn anwerben zu lassen. Untertanen, die bereits in seinem Dienst stehen, sind abzuziehen.

Schreiben Kg. Philipps II. von Spanien an Kg. Ferdinand I. (Brüssel, 3. 2. 1557; gemäß kgl. Dekret vom 17. 2. präs. im RR am 20. 2., kopiert am 21./22. 2.)27 : Kg. hat den Niederrheinisch-Westfälischen Kreis gebeten, im Konflikt seines Untertanen Gf. Johann von Rietberg mit Gf. Bernhard zur Lippe zu vermitteln oder zumindest einen Waffenstillstand durchzusetzen. Wider Erwarten hat der Kreis jedoch die Exekution gegen Gf. Johann beschlossen und vollzogen. Dagegen stellt Kg. fest, dass der Gf. den rechtlichen Austrag und Kautionsleistung angeboten hat. Dabei ist er als Reichsmitglied zu belassen, die Gegenpartei ist dahin zu weisen. Bitte an Kg. Ferdinand, die gütliche Vermittlung oder, falls diese scheitert, gemäß dem Erbieten Gf. Johanns den rechtlichen Austrag zu veranlassen.

Beratungen in den Kurien am 13. 3. und 15. 3.28  mit Beschluss des Ständedekrets (gebilligt am 15. 3.)29 : Bitte an Kg. Philipp von Spanien, Rietberg als seinen Landsassen zur Einstellung der Gewalttätigkeiten und zum Austrag gemäß Reichsrecht anzuweisen.

Schreiben und Supplikation der Stände des Niederrheinisch-Westfälischen Kreises an Kg. und Reichsstände (o. O. [Dortmund], 12. 3. 1557; auf dem RT nicht mehr beraten; nicht kopiert)30 : Unterrichten unter Verweis auf die Supplikation vom 5. 12. 1556 über den Verlauf des Konflikts und die Kosten des Kreises für die Exekution gegen Rietberg. Bitten um die Umlegung der dafür bisher bewilligten sechs Römermonate gemäß EO auf alle Reichskreise.

Anmerkungen

1
  HHStA Wien, MEA RTA 43/II, fol. 168–170. HStA München, KÄA 3178, fol. 13–16’. Kopp. Vorlage im RR gemäß Mainzer Einlaufprotokoll (HHStA Wien, MEA RTA 42, fol. 5) und Kursachsen, fol. 272’.
2
  HHStA Wien, MEA RTA 43/II, fol. 170’–182. HStA München, KÄA 3178, fol. 17–34’. Kopp.
3
 Zu weiteren Maßnahmen des Kreises vgl. den Abschied des Zugeordnetentags vom 6. 12. 1556: HStA Düsseldorf, NWKA IX Nr. 16, fol. 77–79’. Or.; Beilagen: fol. 80–95’ (dabei auch obige Supplikation). StA Münster, FB Münster LA 468 Nr. 7–17, fol. 163–166. Or. ohne Beilagen. Dazu und zur Entwicklung des Konflikts: Schneider, Kreis, 90–94; Behr, Exekution, 44–61.
4
  Österreich B, fol. 686.
5
  NÜRNBERG, fol. 232’–233’.
6
  HHStA Wien, MEA RTA 42, fol. 10–11 (Protokoll); Kurpfalz, fol. 434 f.
7
  Österreich B, fol. 688’ f. Vgl. auch das folgende Korreferat am 16. 1.
8
  NÜRNBERG, fol. 237’.
9
  HHStA Wien, MEA RTA 42, fol. 12’ f. (Protokoll); detaillierter: Kurpfalz, fol. 435’–436’.
10
  NÜRNBERG, fol. 247 f.
11
  HHStA Wien, MEA RTA 43/II, fol. 262–263’. Kop. HStA München, KÄA 3178, fol. 35–35’, 40’. Kop. Kursachsen, fol. 313 (Billigung im RR), fol. 317 (Übergabe an Kg.).
12
  HHStA Wien, RK RTA 40, unfol. HHStA Wien, MEA Zollsachen 1 Fasz. 3, fol. 80–83’. HStA München, KÄA 3178, fol. 41–44’. Kopp. Vorlage durch Kg. gemäß Mainzer Einlaufprotokoll (HHStA Wien, MEA RTA 42, fol. 6’); Vorlage in KR/FR: Österreich B, fol. 714’. Übergabe an SR: Nürnberg, fol. 268.
13
 Reichslandfrieden 1548, Art. 4 ( Machoczek, RTA JR XVIII, Nr. 75 S. 970 f.). Vgl. zu diesen Artikeln auch die Resolution des SR zum 3. HA (Landfrieden) [Nr. 494].
14
 Reichslandfrieden 1548, Art. 15 ( Machoczek, RTA JR XVIII, Nr. 75 S. 977–981).
15
  EO im RAb 1555, § 94 ( Aulinger/Eltz/Machoczek, RTA JR XX, Nr. 390 S. 3134).
16
  HHStA Wien, MEA Zollsachen 1 Fasz. 3, fol. 84–85. Or. HStA München, KÄA 3178, fol. 45–46. Kop.
17
 KÖLN, fol. 27’ f. (Ausschuss); Nürnberg, fol. 281–282 (Plenum).
18
  Kurpfalz, fol. 501’–503 (KR und KR/FR); Österreich B, fol. 731’ f. (summarisch KR und FR).
19
  Kurpfalz, fol. 504 f.; Würzburg, fol. 212’–213’. HHStA Wien, MEA RTA 42, fol. 19–20 (Protokoll).
20
 Ebd., unfol. Kop. mit Vermerk zum mündlichen Vortrag am 5. 2. und zur schriftlichen Vorlage am 7. 2. HStA München, KÄA 3178, fol. 9–11, hier 9’–10’. Kop.
21
 Vgl. Kurmainz, pag. 813 [Nr. 102] (nur Anmahnung durch Kursachsen), fol. 819–822 passim [Nr. 103] (Korreferat KR/FR). Für SR vgl. dessen Resolution zum 3. HA [Nr. 494].
22
  HHStA Wien, MEA RTA 42, unfol. HStA München, KÄA 3178, fol. 5–8, hier 6–7. Kopp.
23
  HASt Köln, K+R NWRK 1, fol. 122’–124. Kop.
24
  HHStA Wien, Belgische Korrespondenz 1, fol. 26–27’, 48’. Or.
25
 Ebd., fol. 32’–33’. HASt Köln, K+R NWRK 1, fol. 124–125´. Kopp.
26
  StA Marburg, Best. 3 Nr. 1245, fol. 276, 276’. StA Stade, Rep. 5b Nr. 15, unfol. Besiegelte handschr. Orr. LHA Schwerin, RTA I SchwR 50 Fasz. 9, fol. 245. Druck.
27
  HHStA Wien, RK RTA 40, unfol. HStA München, KÄA 3178, fol. 36–38’. Kopp. Kgl. Dekret als Aktenvermerk auf mehreren Kopp. (u. a. HStA Düsseldorf, JB II 2297, fol. 272–274’, hier fol. 274’). Vorlage im RR gemäß Mainzer Einlaufprotokoll (HHStA Wien, MEA RTA 42, fol. 7’) und Kurpfalz, fol. 527. Die Angaben zur Abschrift differieren: Kop. am 21. 2. und/oder 22. 2.
28
  HHStA Wien, MEA RTA 42, fol. 41’ (Protokoll KR). Hessen, fol. 159 (FR). Kurpfalz, fol. 574), Augsburg, fol. 142 (RR).
29
  HHStA Wien, MEA RTA 42, unfol. HHStA Wien, RK RTA 39, fol. 301, 302’. Kopp. Druck: Gross/Lacroix II, Nr. 537 S. 112 f.
30
  HHStA Wien, Belgische Korrespondenz 1, fol. 34–35’. HASt Köln, K+R NWRK 1, fol. 125’–127’. Kopp. Vgl. den KAb vom 12. 3. 1557: Ebd., fol. 112–120. HStA Düsseldorf, NWKA IX Nr. 4, fol. 132’–137. Kopp.