Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 10. Der Reichstag zu Worms 1509 bearbeitet von Dietmar Heil
Nr. 66 Der Schwäbische Bundeshauptmann Matthäus Neithart an Bürgermeister und Rat der Stadt Augsburg – [Ulm], 2. Januar 1509
Augsburg, StdA, Lit. 1509, Fasz. Januar, unfol. (Or. m. Siegelspuren, aftermontags nach dem hailigen neuen jars tag).
Druck: Simonsfeld, Fondaco I, Nr. 664, S. 369.
Bedankt sich für ihr Schreiben in der Angelegenheit zwischen den Hh. von Verona (Bern)[Johann d. Ä. und Johann d. J. von der Leiter] und dem Dogen von Venedig [Leonardo Loredan].1Er wird den Ulmer Magistrat darüber informieren. Da die Angelegenheit auch für andere Städte wichtig ist, empfiehlt er Beratungen darüber auf dem bevorstehenden Bundestag.2
Nr. 67 Schwäbische Bundesversammlung an Kammerrichter und Beisitzer des Reichskammergerichts – Augsburg, 10. Januar 1509
Wien, HHStA, Maximiliana 20, Konv. 2, fol. 23–23’ (Kop., mitwoch nach trium regum) = Textvorlage A. Augsburg, StdA, Lit. 1509, Fasz. Januar 1509, unfol. (Kop.) = B.
Druck: Simonsfeld, Fondaco I, Nr. 665, S. 369f.
Wie ihnen mitgeteilt wurde, ließ das Reichskammergericht auf Antrag der Hh. von Verona (Bern)dem Dogen von Venedig am 8. oder 10. Oktober 1508 ein Zitationsmandat zustellen1, wonach er oder sein Rechtsvertreter innerhalb von zwei Monaten vor dem Gericht in Regensburg erscheinen und beweisen sollte, dass die mit einer Achtandrohung versehenen Exekutorialmandate und das zugunsten der Hh. von Verona ergangene Urteil umgesetzt wurden – andernfalls würde er der Acht verfallen –, oder Gründe geltend zu machen, warum er diese Erklärung nicht leisten muss.
Zweifellos ist das Gericht ordnungsgemäß verfahren. Doch weisen sie darauf hin, dass nicht nur im Schwäbischen Bund, sondern im ganzen Reich viele Kaufleute und Händler beheimatet sind, die sich mit ihren Gütern im venezianischen Herrschaftsbereich aufhalten und so rasch nicht in das Reich zurückkehren können. In dieser Angelegenheit droht also nur dem Reich und seinen Untertanen Schaden, die Venezianer hingegen hätten davon großen Nutzen.
Bitten deshalb, aufgrund der ausgegangenen Ladung nicht weiter vorzugehen, sondern dem Dogen vorbehaltlich des Rechtsanspruches der Hh. von Verona einen Aufschub zu gewähren. Inzwischen wird der Ks. voraussichtlich aus den Niederlanden zurückkehren und kann auf dem bevorstehenden Reichstag mit den Ständen über diese Angelegenheit beraten.2
Nr. 68 Weisung der Nürnberger Hh. Älteren an Erasmus Topler – Nürnberg, 10. Januar 1509
Verhandlungen mit Ks. Maximilian über die drohende Reichsacht gegen Venedig.
Nürnberg, StA, Rst. Nürnberg, Briefbücher des Inneren Rates, Nr. 63, fol. 47–50’, 50’–54 (mitwoch nach Erhardi).
Teilabdruck: Simonsfeld, Fondaco I, Nr. 666, S. 370–372.
[…]. [Wie Nr. 67 – Wie ihnen … leisten muss.]. Weiter wurde ihnen gegenüber die Vermutung geäußert, dass Venedig in Anbetracht seines bisherigen Ungehorsams voraussichtlich auch dieses Mandat ignorieren werde. Falls es sich so verhält und das Kammergericht das Verfahren nach Verstreichen der Frist, was in ungefähr dreizehn Tagen sein wird, auf Antrag der Hh. von Verona (Bern)[Johann d. Ä. und Johann d. J. von der Leiter] fortsetzt, wird es nicht lange dauern, bis allen Reichsuntertanen der Umgang mit den Venezianern untersagt wird. Dies hätte angesichts seiner intensiven Handelsbeziehungen für das ohnehin von seinen Feinden bedrohte Nürnberg mehr als für das übrige Reich erhebliche negative Konsequenzen. Es bestünde die Gefahr, dass die Kaufleute in Venedig sich selbst und ihre Waren nicht mehr rechtzeitig vor der Verkündigung der Acht in Sicherheit bringen und ihre Schuldforderungen eintreiben könnten und darüber hinaus wegen ihres Umgangs mit den Venezianern durch die Hh. von Verona und ihre Helfer geschädigt würden. Die Hh. von Verona verfolgen anscheinend ohnehin die Absicht, sich weniger an den Venezianern selbst als vor allem an deren Handelspartnern schadlos zu halten. Ihnen, den Hh. Älteren, obliegt es, die Nürnberger vor Schaden zu bewahren, doch sind sie in dieser auch viele andere Reichsstände und -städte betreffenden Angelegenheit unschlüssig. Die Ratskonsulenten empfehlen Verhandlungen mit dem Ks., die aber möglicherweise wenig bewirken werden. Dessen Einschaltung könnte als Verstoß gegen die Reichsordnung aufgefasst werden, wonach der Ks. verpflichtet ist, nicht in Verfahren des Kammergerichts einzugreifen.1Nach ihrem Dafürhalten ist der Ks. in dieser wichtigen, das ganze Reich betreffenden Angelegenheit allerdings sehr wohl berechtigt einzuschreiten. Die Sache ist eilig, wenngleich sie hoffen, dass der Kammerrichter den Prozess nicht sofort fortsetzen, sondern eine gewisse Zeit für die Beratungen beanspruchen wird. Inzwischen könnte beim Ks. die Sistierung des Achtverfahrens erlangt werden, um den Kaufleuten Gelegenheit zu geben, ihre Angelegenheiten in Venedig abzuschließen.
Bitten ihn, sich zu unverzüglich zum Ks. zu verfügen, diesen über den Stand der Dinge zu informieren und ihm ausführlich die voraussichtlichen Konsequenzen für sie und andere Reichsuntertanen und insbesondere auch für die ksl. Erblande und die Gft. Tirol aufgrund der zu erwartenden Verluste bei den ksl. Maut- und Zolleinnahmen auseinanderzusetzen, verbunden mit der Bitte, Schaden zu verhüten. Falls der Ks. der Auffassung sein sollte, dass den Hh. von Verona aufgrund ihres Rechtsanspruchs und angesichts des Ungehorsams der Venezianer Gerechtigkeit widerfahren muss und das Verfahren fortgesetzt werden soll, so könnte er dennoch wenigstens ein Moratorium veranlassen oder eine Verfügung zum Schutz der Kaufleute erlassen. Der Ks. könnte zu diesem Zweck ein Mandat folgenden Inhalts an das Kammergericht ergehen lassen: [Entsprechend Nr. 75 (ohne Termine oder Erwähnung des Reichstages)].
Nr. 69 Bürgermeister und Rat der Stadt Augsburg an den Kammergerichtsadvokaten Dr. Johann Rehlinger – Augsburg, 11. Januar 1509
Augsburg, StdA, Lit. 1509, Fasz. Von der Leiter, unfol. (Konz. Hd. K. Peutinger, donirstag nach epiphania Domini).
Bestätigen den Empfang seines Gutachtens [Nr. 66, Anm. 2]. Während des Bundestages hier in Augsburg wollen sie mit Gesandten anderer Bundesstädte beraten und gemeinsame Anstrengungen unternehmen, damit niemand aufgrund der Acht geschädigt wird. Zur Zeit ihres letzten Schreibens an ihn [Nr. 66, Anm. 2] haben sie auch Paul von Liechtenstein über das Verfahren gegen Venedig informiert [Nr. 75, Anm. 2], der wie das gesamte Innsbrucker Regiment ab der handlung gar kein gefallen tregt. Dessen durch Eilboten überbrachtes Schreiben an das Kammergericht [Nr. 75, Anm. 2] liegt in Abschrift bei. Sie selbst wollen sich darum bemühen, dass sich die Gesandten sämtlicher Bundesstände im gleichen Sinne an das Gericht wenden. a–Die Bundesstände haben sich auf ein solches Schreiben geeinigt [Nr. 67], es soll durch den Überbringer dieses Schreibens zugestellt werden–a. Kammerrichter und Beisitzer sollen veranlasst werden, mit der Verhängung der Reichsacht bis zum Wormser Reichstag zu warten. Bitten ihn, sich in diesem Sinne beim Gericht einzusetzen oder es wenigstens davon zu überzeugen, dass das Verfahren eine Zeit lang suspendiert werden muss, um den vielen Venedighändlern Gelegenheit zu geben, sich und ihre Waren in Sicherheit zu bringen. Ansonsten hätten diese Kaufleute den Schaden, während die Venezianer von den deutschen Waren profitieren würden. Außerdem sind die Bedrohung und weitere negative Konsequenzen für die benachbarten ksl. Erblande zu bedenken. Fordern ihn auf, über die Ergebnisse seiner Verhandlungen zu berichten und sie in der Angelegenheit weiterhin zu beraten. […].
[PS] Matthäus Neithart und der Augsburger Altbürgermeister [Ulrich Artzt] haben Anweisung, gelegentlich der Trauerfeierlichkeiten für Hg. Albrecht von Bayern in München bei den Vormündern Hg. Wilhelms vorstellig zu werden, um das Einverständnis der Hh. von der Leiter zu einem Aufschub zu erlangen.
[PPS Konrad Peutingers] Die Entscheidung, ob das Schreiben der Bundesstände direkt dem Kammerrichter übergeben oder wie im Falle seiner Abwesenheit damit verfahren werden soll, bleibt ihm, Rehlinger, überlassen. […].
Nr. 70 Dr. Johann Rehlinger an Bürgermeister und Rat der Stadt Augsburg – Regensburg, 18. Januar 1509
Augsburg, StdA, Lit. 1509, Fasz. Januar, unfol. (Or. m. S., donrstag vor Sebastiani).
Bestätigt den Empfang ihres Schreibens [Nr. 69]. Um nichts zu versäumen, hat der Augsburger Bote, ungeachtet der Abwesenheit des Kammerrichters Bf. Wiguläus in Passau und anschließend bei den Trauerfeierlichkeiten für Hg. Albrecht von Bayern in München, das Schreiben des Schwäbischen Bundes [Nr. 67] an dessen Stellvertreter Gf. Adam von Beichlingen und die Beisitzer übergeben und darauf die ebenfalls beigefügte vorläufige Antwort [Nr. 67, Anm. 2] erhalten. Das avisierte Schreiben des Innsbrucker Regiments [Nr. 75, Anm. 2] ist seines Wissens noch nicht hier eingetroffen. Sowie dies geschehen ist, wird er sie über die Reaktion des Kammerrichters und der Beisitzer informieren. Einstweilen wird er sich, insbesondere nach der Ankunft des Kammerrichters, mit Unterstützung der vom Kaiser und anderer Seite zu erwartenden Schreiben weiterhin um eine Verzögerung des Achtverfahrens bemühen.
Ihm ist bekannt, dass der Konstanzer Reichsanschlag und die Kanzleigefälle nicht ausgereicht haben, um dem Kammerrichter und den Beisitzern ihren Sold für das erste Jahr vollständig zu bezahlen. Diese bezweifeln auch, dass der Anschlag für das zweite Jahr1dafür ausreichen wird, nachdem viele Ff., Gff. und Hh. bereits die Zahlung des ersten Anschlags verweigert haben. Er wird das Gericht darauf hinweisen, dass es hauptsächlich von den Städten und Schwäbischen Bundesständen finanziert wird. Sollte das Kammergericht deren triftigen Gründe für einen Aufschub der Acht ignorieren, sondern wegen der Hh. von Verona (Bern)gegen die Interessen der deutschen Nation und zum Vorteil der Venezianer entscheiden, könnte dies ein Anlass sein, künftig den Anschlag zu verweigern. Außerdem sollten die Richter bedenken, wem dann voraussichtlich die Schuld für den Stillstand des Gerichts angelastet werden wird. Er ist zuversichtlich, dass schon ihr Eigeninteresse Kammerrichter und Beisitzer zur Verzögerung des Achtverfahrens veranlassen wird. Falls es ihm selbst nicht gelingen sollte, einen Aufschub oder die Einstellung des Verfahrens bis zum Reichstag zu erwirken, könnten sich der Schwäbische Bund oder einzelne Persönlichkeiten mit diesen Argumenten an das Gericht wenden. Doch stellt er ihnen die Entscheidung darüber anheim. Über weitere Schritte der Hh. von Verona (Bern)und seine Verhandlungen wird er auch künftig Bericht erstatten.
Nr. 71 Johann d. Ä. von der Leiter an [Hgg. Wolfgang und Wilhelm von Bayern sowie die übrigen Vormundschaftsräte] – [München, 1. Februar 1509 oder kurz davor]
Augsburg, StdA, Lit. 1509, Fasz. Von der Leiter, unfol. (undat. Kop.).1
Die Schwäbischen Bundesstädte haben gebeten, das Achtverfahren gegen Venedig eine Zeitlang zu suspendieren, damit ihre dorthin handelnden Kaufleute gewarnt werden können. Sie, die Hgg., haben ihn gebeten, dies zu bewilligen. Ein Aufschub birgt für ihn die Gefahr großer Nachteile. Ihm und seinem Bruder [Johann d. J. von der Leiter] sind durch das Verfahren am ksl. Kammergericht große Kosten entstanden. Falls das Gericht nach Verstreichen der erbetenen Frist nicht mehr zusammentreten sollte oder andere unvorhersehbare Hindernisse auftreten sollten, hätten sie davon den Schaden. Doch will er auch vermeiden, dass der Ks. und die Städte durch das Verfahren geschädigt werden. So wird sein Anwalt [Dr. Peter Kirsser] zwar zum nächsten Gerichtstermin den Prozess ordnungsgemäß fortsetzen, doch werden Kammerrichter und Beisitzer daraufhin zweifellos Zeit für ihre Beratungen in Anspruch nehmen. Er und sein Anwalt werden bis zum 15. April (sontag quasimodogeniti)darauf verzichten, die Eröffnung des Urteils zu beantragen. Nach diesem Termin gilt diese Zusage jedoch nicht mehr. Er geht davon aus, dass die Kaufleute bis dahin gewarnt werden und sich und ihre Waren in Sicherheit bringen können. Die Schwäbischen Bundesstände sollen sich danach auch nicht mehr um einen weiteren Aufschub bemühen, sondern vielmehr die Exekution gegen Venedig unterstützen. Zugleich soll sich das Kammergericht verpflichten, das Verfahren im Zeitraum zwischen dem 15. und 23. April (sant Jorigen tag) abzuschließen.2
Nr. 72 Der Schwäbische Bundeshauptmann Dr. Matthäus Neithart an Bürgermeister und Rat der Stadt Augsburg – [Ulm], 2. Februar 1509
Augsburg, StdA, Lit. 1509, Fasz. Februar, unfol. (unser lieben Frouen liechtmess tag).
Druck: Simonsfeld, Fondaco I, Nr. 668, S. 373f.
Bestätigt den Eingang ihres Schreibens bezüglich der Acht gegen Venedig.1Der [Kammerrichter] Bf. [Wiguläus] von Passau hat ihm und seinen Mithauptleuten [Wilhelm Güss von Güssenberg und Adam von Frundsberg] gegenüber erklärt, dass ungeachtet eines Antrags der Hh. von Verona (Bern)das Achtverfahren bis zum 15. April (quasimodogeniti)ruhen werde. Er hat deshalb den Rechnungstag [des Schwäbischen Bundes] zum frühest möglichen Termin, dem 1. März (donrstag nach invocavit), einberufen.2In Anbetracht der Wichtigkeit der Sache bittet er darum, ihm ein vom Augsburger Bürgermeister Ulrich Artzt zu siegelndes Schreiben aufzusetzen, das den Ks. in seinem Namen und im Namen der übrigen städtischen Bundesräte ausführlich informiert. Außerdem sollte Augsburg den Bf. von Gurk [Matthäus Lang] und Serntein sowie andere geeignete Persönlichkeiten bitten, sich für ein Mandat an die Hh. von Verona einzusetzen, das ihnen weitere Schritte untersagt, bis der Ks. sich persönlich um die Angelegenheit kümmern kann.3Er selbst wird sich durch Eilboten an verschiedene Personen am Kaiserhof wenden und hofft, damit ebenso viel erreichen zu können wie durch eine Gesandtschaft, die wegen der Entfernung und der Unsicherheit der Straßen zwangsläufig langsamer wäre. Außerdem sollten sie Paul4von Liechtenstein bitten, im Namen des [Innsbrucker] Regiments an den Ks. zu schreiben. Ungeachtet dieser Schritte soll auch auf dem bevorstehenden Rechnungstag über diese Angelegenheit beraten werden.
Nr. 73 Kammerrichter Bf. Wiguläus von Passau an Ks. Maximilian – [Regensburg, wahrscheinlich 3. Februar 1509]
Augsburg, StdA, Lit. 1508, Fasz. Stadt, unfol. (undat. Kop.).
[Ablösung Bf. Wiguläus’ als Kammerrichter; Nr. 64]. In dem seit langer Zeit anhängigen Verfahren zwischen den Hh. von der Leiter und der Republik (herschaft)Venedig droht der beklagten Partei nach ergangenem Urteil und Ausfolgung der entsprechenden Mandate aufgrund ihres Ungehorsams gemäß der Sachlage und der Reichskammergerichtsordnung1die Reichsacht. Die in Augsburg versammelten Schwäbischen Bundesstände haben sich deshalb gemäß beiliegender Abschrift an das Kammergericht gewandt [Nr. 67], Vertreter des Bundes und anderer Parteien verhandelten mit den Klägern über einen Aufschub. Hg. Wolfgang von Bayern hat ihm die ebenfalls in Abschrift beiliegende Antwort der Hh. von der Leiter [Nr. 71] übermittelt. Die Angelegenheit will wohlerwogen sein. Der Auftrag des Gerichts lautet, jedermann Recht angedeihen zu lassen. Um in diesem schwierigen Fall zu gewährleisten, dass ordnungsgemäß verfahren und zugleich großer Schaden verhütet wird, bittet er um seine Stellungnahme.
Nr. 74 Hauptmann [Matthäus Neithart] und Räte der Schwäbischen Bundesstädte an Ks. Maximilian – [Ulm], 8. Februar 1509
Augsburg, StdA, Lit. 1509, Fasz. Februar, Stück-Nr. 21 (Reinkonz. mit Nachweis über die Siegelung des Or. durch M. Neithart und U. Artzt1).
Druck: Simonsfeld, Fondaco I, Nr. 669, S. 374–376.
[1.] Ihm ist vermutlich bekannt, dass die Hh. von der Leiter wegen des Vikariats und der Städte Verona (Beren)und Vicenza am ksl. Kammergericht eine Klage gegen den Dogen von Venedig anhängig gemacht und aufgrund seines Ungehorsams gegenüber der Vorladung ein Endurteil und ein mit der Androhung der Reichsacht versehenes Exekutorialmandat erlangt haben. Der Anwalt der Kläger [Dr. Peter Kirsser] machte am 19. Januar (freytag vor conversionis Pauli)vor Gericht geltend, dass der Doge das Mandat missachtet habe und auch nicht innerhalb der gesetzten Frist vor Gericht erschienen sei, weshalb er in die Reichsacht erklärt werden müsse.2Das Gericht berät noch über den Antrag.
[2.] Die Sache ist von großer Bedeutung. Bereits vor dem Antrag der Kläger hatte das Innsbrucker Regiment das Kammergericht um einen Aufschub bis zur Beratung und Beschlussfassung über die Angelegenheit auf dem bevorstehenden Reichstag ersucht [Nr. 75, Anm. 2]. Im gleichen Sinne haben sich auch Hauptmann und Räte der Schwäbischen Bundesstädte an das Kammergericht gewandt [Nr. 67]. Doch lehnten es die Beisitzer in Abwesenheit des an der Leichenfeier für Hg. Albrecht von Bayern in München teilnehmenden Kammerrichters [Bf. Wiguläus von Passau] ab, einen Aufschub zu gewähren. Dieser wiederum soll lediglich erklärt haben, dass der Antrag der Kläger erst am 15. April (sonntag quasimodogeniti)beschieden werden solle. Diese Frist ist allerdings sehr kurz.
[3.] Er, der Ks. weiß, dass Kaufleute nicht nur aus den Bundesstädten, sondern aus der ganzen deutschen Nation, aus den Städten der Erblande und denen anderer Ff. seit Menschengedenken Handel mit Venedig treiben. Sollte die Reichsacht zu dem angegebenen Termin erklärt werden, würden den Kaufleuten, denen das Kammergericht bislang keinerlei Warnung zukommen ließ, zum Vorteil Venedigs große Verluste an Waren und Ausständen entstehen. Die Möglichkeit zu Hilfen und Diensten für Ks. und Reich wäre beeinträchtigt oder ganz in Frage gestellt. Selbst wenn es den Kaufleuten wider Erwarten gestattet würde, ihre Güter aus Venedig abzuziehen, wäre dies nur unter beträchtlichen Verlusten möglich. Sollte die Reichsacht zum genannten Termin und ohne eine Entscheidung von Ks. und Reichsständen ergehen und Venedig daraufhin angegriffen werden, stünde zu befürchten, dass dieser Angriff nicht nur für die Kaufleute, sondern auch für die benachbarten Territorien und andere Betroffene mit schwerwiegenden Folgen verbunden wäre. Diese Aspekte hat auch das Innsbrucker Regiment gegenüber dem Kammergericht geltend gemacht.
[4.] Die Schwäbischen Bundesstädte haben dem Ks. oft und treu gedient. Bitten ihn, wie auch bisher die Interessen der Kaufleute und somit des Hl. Reiches deutscher Nation zu bedenken und entsprechend dem Schreiben des Innsbrucker Regiments das ksl. Kammergericht dazu zu veranlassen, die Erklärung der Reichsacht gegen Venedig mit einer Klausel über deren Aussetzung für ein Jahr zu versehen, damit den deutschen Kaufleute Zeit bleibt, ihre Waren in Venedig zu veräußern und ihre Ausstände einzutreiben. Diese werden auch keine weiteren Waren mehr nach Venedig liefern.
Nr. 75 Inhibitionsmandat Ks. Maximilians an Kammerrichter und Beisitzer des Reichskammergerichts in Regensburg – Gent, 1. März 15091
Nürnberg, StA, Rst. Nürnberg, Ratskanzlei, A-Laden Akten, A 118, Nr. 6 (alt S I L 61, Nr. 3), fol. 60’–61’ (Kop.) = Textvorlage A. Augsburg, StdA, Lit. Personenselekt Ks. Maximilian I., Fasz. 1. fol. 140–141 (Kop. mit imit. Vermm. prps./amdip. und Gegenz. Serntein; irrtümlich datiert auf den 3.3.) = B. Wien, HHStA, Maximiliana 20, Konv. 2, fol. 1–2 (Konz.) = C. Augsburg, StdA, Lit. 1509, Fasz. März, Stück-Nr. 25 (Kop.). Heidelberg, UB, Cod. Pal. germ. 492, fol. 403’–405 (Kop., um 1530; irrtümlich datiert auf den 3.3.). Straßburg, AV, AA 353, fol. 44–45’ (Kop.).
Druck: Simonsfeld, Fondaco I, Nr. 671, S. 377f.
Er hat glaubwürdige Nachricht erhalten, dass sie ungeachtet der Bitte des Innsbrucker Regiments2das Verfahren zur Exekution des von den Hh. von Verona (Bern)[Johann d. Ä. und Johann d. J. von der Leiter] erlangten Urteils gegen Venedig fortgesetzt haben. Inzwischen haben die Städte des Schwäbischen Bundes ihn darauf hingewiesen [Nr. 74], dass viele ihrer Bürger Handelsvertreter mit Waren und anderen Gütern wie auch ausstehende Forderungen in Venedig selbst und im übrigen venezianischen Herrschaftsbereich hätten. Derzeit sei eine Evakuierung unmöglich. Falls Venedig in die Reichsacht erklärt und daraufhin angegriffen würde, wären diese Güter unzweifelhaft verloren, woraus ihm als Ks. und der deutschen Nation großer Spott und den Städten nicht wiedergutzumachender Schaden entstünde. Die Verhandlungen auf dem bevorstehenden Wormser Reichstag über die Obliegenheiten von Ks. und Reich könnten deutlich erschwert und insbesondere der bestehende Waffenstillstand mit Venedig gefährdet werden, falls das Reichskammergericht auf der Exekution des Urteils beharrt.
Fordert sie deshalb auf, in Erwägung dieser Aspekte bezüglich der Erklärung der Acht und deren Exekution bis zum 24. Juni (St. Johanns tag zu sunnwenden)nichts zu unternehmen und seine Entscheidung in dieser Angelegenheit abzuwarten. Er wird auf dem Reichstag mit den Ständen darüber verhandeln und dem Kammergericht anschließend seinen Entschluss mitteilen. a–Er hätte im Übrigen erwartet, über einen so wichtigen Vorgang, der für seine an die Hft. Venedig grenzenden Erblande und das Reich Aufruhr und Krieg zur Folge haben kann, vorab informiert zu werden–a.3
Nr. 76 Kammerrichter Bf. Wiguläus von Passau und Beisitzer des Reichskammergerichts an Ks. Maximilian – Regensburg, 19. März 1509
Augsburg, StdA, Lit. 1508, Fasz. März, Stück-Nr. 29 (Kop.) = Textvorlage A. Straßburg, AV, AA 353, fol. 46–46’ (Kop.) = B. UB Heidelberg, Cod. Pal. germ. 492, fol. 474–474’ (Abschrift, um 1530).
Druck: Simonsfeld, Fondaco I, Nr. 672, S. 379.
Bestätigen den Empfang seines Mandats [Nr. 75] am 19. März. Weisen darauf hin, dass sie ihn schon vor geraumer Zeit, auch bereits vor Eintreffen des Schreibens des Innsbrucker Regiments schriftlich um Rat in dieser Angelegenheit gebeten [Nr. 73] und seither nichts mehr unternommen hätten. Bekunden ihre Bereitschaft zum Gehorsam. Empfehlen jedoch und bitten ihn jedoch unter Hinweis auf die in Konstanz erneuerte Wormser Ordnung, wonach in den Betrieb des Kammergerichts nicht eingegriffen werden darf1, stattdessen die Hh. von Verona (Bern)zur vorläufigen Einstellung des Prozesses zu veranlassen. Bitten ihn, ihr bisheriges Vorgehen gnädig zu vermerken.
Nr. 77 Paul von Liechtenstein an Bürgermeister und Rat der Stadt Augsburg – Rattenberg, 20. März 1509
Augsburg, StdA, Lit. 1509, Fasz. März, Stück-Nr. 30 (Or. m. Siegelspuren).
Druck: Simonsfeld, Fondaco I, Nr. 673, S. 379f.
Bestätigt den Eingang einer ksl. Weisung sowie ihres Schreibens an ihn1wegen der Acht gegen Venedig. Teilt ihnen vertraulich mit, dass der Ks. die Achterklärung wegen der Hh. von der Leiter (Bern)nicht lange verzögern kann – aus der ursach und dieweil sich die leuf ytz sonst allenthalben sorglich und seltzam erzaigen. Warnt sie davor, derzeit weitere Güter nach Venedig zu liefern. Dort bereits befindliche Waren sollten so rasch wie möglich verkauft und die Ausstände eingetrieben zu werden. Regt an, andere Bundesstädte ebenfalls insgeheim zu warnen.2