Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Koadjutorfehde in Livland: Resolutionen von KR und FR bezüglich der Friedensvermittlung. 2. HA (Türkenhilfe): Vorrangige Einbeziehung auswärtiger Potentaten.

/399/ (Vormittag) Verhandlungen im Religionsausschuss1.

(Nachmittaga ) Kurfürstenrat. /399 f./ b– Fortsetzung der Beratung zur Koadjutorfehde in Livland2 . Beschluss gemäß folgendem Referat vor FR –b.

/400/ Kurfürstenrat und Fürstenrat. Mainzer Kanzler referiert diesen Beschluss des KR: Bezüglich des Konflikts in Livland ist nach gelegenhait dißmolß anderst nit wol furzunemen, dan das konig zu melden, das von wegen kaisers oder irer Mt. mandata außgehen solten und das etliche auß den stenden zu deputieren, so den sachen gesessen, schickung an die partheyen zethun. Und solt das ein mandat gestelt werden an Lifflandt3 deß inhalts, das ime auferlegt, den ertzbischof zu Riga und Mecklenburg, hertzoch Christoffen, irer verstrickung ledig zugeben und an ire sichere gewarsam komen zu lassen; doch das Riga /401/ und hertzoch Christof zu Mecklenburg sich verpinden gegen den meister und orden, den friden fur sich und ire anhenger, als hertzoch Johanß Albrecht4 und andere, zu halten und ire krigßrustung abzuschaffen; das auch meister sein rustung abschaffe und sein forderung an die deputierte zur gutlicheit stelle oder aber sich des rechtens am cammergericht geprauchen. Entgegen solte Riga und Mecklenburg gepotten werden, solche verspruchniß zethun, und das sie auch ire kriegß rustung abschaffen und das krigß volck abziehen lassen on schaden, das auch sie irer forderung halben gutlicheit von deputierten gewarten oder rechtens vorm cammergericht. Den deputierten zu committieren, sich eins platz zu vergleichen, die partheyen furzubeschaiden, zu verhoren, und gutlicheit furzunemen und die kriegßrustung abzuschaffen suchen sollen; und wo /402/ gutlicheit entstunde, partheyen an das cammergericht zu weisen, item zu verschaffen, das es, kriegß folck, on schaden stendt oder underthanen abziege.

FR c , 5 : Haben uf den weg des ordenlichen rechtens gedacht, und das den kriegenden partheyen zumandieren sein mocht, von den waffen zu stehen. Dweil aber die partheyen alle sich nit werden bekennen, des Reichs jurisdiction underwurffig zu sein, und nit parieren, auch villeucht meher zu ungehorsam bewegen, derhalb solte konig zu erpitten [sein], uff ein ernstlich schreiben verdacht zu sein in namen konigs und stendt an die krigende partheyen aller theils, darin inen zu erkennen geben, wie man vorhabens, statliche verord- /403/ nung zethun, das gutliche underhandlung solte gepflogen werden, und daruf zuersuchen, das partheyen inmittelst wolten sich in ein anstandt begeben und der gutlicheit erwarten; das auch die zu ersuchen, so dem Reich nit underworffen, von waffen abzustehen. Wie dan gutlicheit furzunemen: Were konig zupitten, bedacht zu sein, ire commissarien darzu zuverordnen, und das dabeneben per regem et status etliche stendt und potentaten, so der sachen gesessen, zuersuchen, neben commissarien solche gutlicheit furzunemen. Und dweil dan von Riga hievor vorgeschlagen Brandenburg und Pomern, und Lifflandt6 Pomern nit sich zuwider sein lassen, und auch Gulich und stat Lubeck per Lifflandt ernennet7, weren dieselbigen zuerpitten; dabeneben auch konig Denmarck zu schreiben, sich mit in gutlicheit einzulassen. Item /404/ dweil Polen sich auch theilhafftig gmacht disses kriegs8, so solte konig zupitten sein, Polen als irem lieben sone9 zuschreiben, von waffen zulassen. Wie die deputierten abzufertigen, davon hetten sie sonderst noch nit geret. Wen man der verordnung verglichen, konte instruction verfertigt werden. Es hat der mecklenburgisch gesandter10 angesucht umb abschrifft des lifflendischen gegenberichts11, auf sein werbung einpracht.

KR d : Übergabe des Gegenberichts wird genehmigt, allerdings mit der Maßgabe an beide Seiten, das sie sich schmehe wort gegen einander enthielten und die stendt domit verschoneten.

FR: Übergabe ist abzulehnen, libellieren12 zuverkomen13.

/405/ FR lässt es zur Anmahnung des Kgs., simul et semel in ordinari rethen und ausschuß zu procedieren14, [...] bei vorigem beschluß, das alternatis vicibus15 furzugehen, bewenden16. Gleichwol wolten sie die kfl. rethe vermanet haben, desto fleisiger furzugehen. Furstenrathe zeigte an, wie sie die sachen yetztbeschehener relation biß auf den morgigen nachmittag eingestelt.

KR belässt es dabei. Bezüglich der Anmahnung verhofften kfl. rethe, dermassen gespurt sein, das sie die sachen befurdert; wie sie dan one das also urpietig, sich zuerweisen dergestelt, das es anmanung des furstenrathes nit bedurfftig. Zeigten weiter an, wie sie gefast mit eim bedencken der turckenhilffe.

/406/ Referat des Beschlusses des KR zum 2. HA (Türkenhilfe): Haben erwogen, obe teutsche nation dem werck genugsam, und das nit etwo sie der sachen zu gering. Daruf erwogen, obe nit kayser und andere potentaten der christenhait zuersuchen, sich mit in disse hilff einzulassen, dan da turck den fuß weiter setzen würden, dieselbig kristliche potentaten auch gleiches uberfals zugewarten. Ideo per konig solche christliche potentatenf zuersuchen, und wen sie sich einliessen, hatte man desto statlicher die hilff zuverharren. Dabeneben gegen konig erpietung zethun, das man gleich seher in den beratschlagungen furgehen wolte, wie konig hilff zulaisten. Und daruf zu pitten, das konig versehung thun wolte, das man sich der innerlichen krieg nit zubefharen /407/ und gemeine sicherheit gepflantzt. Und dweil gegenwurtiger zeit Mgf. Albrecht contra frenckischen in controversia stehen, item zwischen Hessen und Nassau17, zu deme die lifflendische irrung noch schweben, das per konig nachdenckens zuhaben, wie die partheyen, innerliche krig zuverhuten, zu rugen pracht werden mochten.

FR: Haben bisher erst beschlossen, dass Kg. die hilffleistung gegen turcken nit zu waigern, sonder zu bewilligen; welcher maß aber, hetten sie in vernere bedencken gestelt.

/408/ Vertagung bis morgen.

Anmerkungen

1
 Vgl. Nr. 320.
a
 Nachmittag] Kursachsen (fol. 204’) differenzierter: 2 Uhr.
b–
 Fortsetzung ... FR] Kursachsen (fol. 204’–206) und Kurpfalz A (fol. 599’–600’) differenzierter: Mainzer Kanzler verliest das Konzept für die Mandate an den Landmeister des Deutschen Ordens in Livland und an den Ebf. von Riga. /204’–206/ 2 Umfragen. Billigung mit dem Zusatz, auch den Koadjutor, Hg. Christoph von Mecklenburg, sowie die Unterstützer beider Parteien einzubeziehen.
2
 Anknüpfung an die Beratung am 9. 12.: Kurmainz, pag. 367–378 [Nr. 43].
3
 = an den Landmeister des Deutschen Ordens in Livland.
4
  Hg. Johann Albrecht von Mecklenburg, Bruder des Koadjutors (Hg. Christoph).
c
  FR] Kursachsen (fol. 207) differenzierter: Vortrag durch Zasius (Österreich).
5
 Vgl. die Beschlussfassung im FR am 10. 12.: Würzburg, fol. 108’ f. [Nr. 149, Anm. b].
6
 = der Landmeister des Deutschen Ordens in Livland, Heinrich von Galen.
7
 Bezugnahme auf die im Rahmen der pommerischen Schlichtung in Livland (August 1556) von beiden Parteien benannten möglichen Vermittler. Vgl. Anm.5 bei Nr. 514.
8
 Vgl. Anm.9 bei Nr. 515.
9
 Gemeint: Kg. Sigismund II. August als Schwiegersohn Kg. Ferdinands I. (vgl. Anm.12 bei Nr. 44).
10
  Dr. Karl Drachstedt.
11
 Nr. 515.
d
  KR] Kursachsen (fol. 208’) differenzierter: Vortrag durch Mainz.
12
 = Vorlage weiterer Klagschriften bzw. Schmähungen.
13
 Vgl. dazu den Bericht des Mecklenburger Deputierten Drachstedt an Hg. Johann Albrecht vom 23. 12. 1556: Hat vom Gegenbericht des Ordens erst 4 Tage nach dessen Vorlage von den pommerischen Gesandten Kenntnis erhalten, da er dem hgl. Befehl gemäß wegen des Sessionsstreits mit Jülich zu dieser Zeit nicht am FR teilnahm (vgl. Nr. 136, Anm. a). Seiner Bitte um Abschrift des Gegenberichts wollte der Mainzer Kanzler ohne Zutun der Reichsstände nicht nachkommen. Der Kanzler teilte ihm sodann mit, die Reichsstände würden die Übergabe ablehnen, um durch Wechselschriften den Konflikt nicht weiter zu verhärten. Nur falls Drachstedt im Interesse des Hg. auf der Übergabe bestehe, könne sie mit der Bedingung erfolgen, dass er in der Replik alles unterlasse, was /66’/ verweiterung und verbitterung verursachen würde (LHA Schwerin, RTA I SchwR 50 Fasz. 3, fol. 66–73’, hier 66 f. Or.). Vgl. die Replik Drachstedts: Nr. 516.
14
 Anmahnung vom 8. 12.: Kurmainz, pag. 365 [Nr. 42].
15
 = täglich alternierend Verhandlungen im Ausschuss und in den Kurien.
16
 Vgl. dagegen die anders lautende Beschlussfassung im FR am 10. 12. (Österreich B, fol. 488’ [Nr. 149]) und die entsprechend abweichende Protokollierung obiger Sitzung (ebd., fol. 492 [Nr. 150]).
e
 turckenhilff] Kursachsen (fol. 209) zusätzlich: Replik FR durch Zasius: Solich anmanen were allein uf der kgl. Mt. /209’/ anmanen und anhalten beschehen. Sind ebenfalls zum Vortrag ihres Beschlusses zur Türkenhilfe bereit.
f
 solche christliche potentaten] Kurpfalz (fol. 365) differenzierter: nämlich die Kgg. von Spanien und Portugal, den Papst, Venedig, Dänemark, Schweden, Polen und andere.
17
 Vgl. Anm.4 bei Nr. 125.