Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb
Die im Dezember 1555 geplante erste Reichstagswerbung König Ferdinands verfolgte im Wesentlichen drei Absichten: Die Ankündigung der Türkenfrage als weiteres Kernthema des Reichstags neben den im Reichsabschied 1555 vertagten Artikeln, die Bekanntgabe des Aufschubs der Eröffnung bis 1. 4. 1556 und die Anmahnung der persönlichen Teilnahme, um die ebenfalls im Reichsabschied 1555 vereinbarte Durchführung in Anwesenheit des Kaisers oder des Königs sowie möglichst der Kurfürsten und Fürsten vorzubereiten.
In letzterem Punkt wurde Ferdinand von Kaiser Karl V. unterstützt, der Anfang Januar parallel zur Aktion und veranlasst von der Bitte seines Bruders10 ein Ladungsschreiben an die Kurfürsten und viele Reichsfürsten richtete11, mit dem er sie unter Berufung auf die wichtigen Beratungsgegenstände nachdrücklich zum persönlichen Besuch des Reichstags aufforderte, dem auch König Ferdinand beiwohnen werde. Das Schreiben ging hierbei noch vom Eröffnungstermin 1. 3. 1556 aus.
Die erste Reichstagswerbung König Ferdinands richtete sich ebenfalls an die Kurfürsten und ausgewählte Reichsfürsten. Sie wurde regional aufgeteilt vier Gesandten übertragen12: Johann Ulrich Zasius bei den rheinischen Kurfürsten, Jülich, Württemberg und Baden-Durlach; Erasmus Heidenreich bei Salzburg, Bayern und Pfalz-Neuburg; Damian Pflug bei Kursachsen, den Herzögen von Sachsen, Hessen sowie als Sonderfall bei den Bischöfen von Naumburg und Merseburg13; Paul Briesmann bei Kurbrandenburg, Brandenburg-Küstrin, Magdeburg und Herzog Heinrich II. von Braunschweig. Die Instruktionen für die Gesandten14 und damit die vorgetragenen Werbungen stimmen inhaltlich abgesehen von leichten Modifikationen überein: Der König verwies auf die mehrheitlich positiven Antworten zu seiner Vorsprache bei den Kurfürsten und einigen Fürsten während des Reichstags 1555 auch im Hinblick auf den Besuch einer vertagten Reichsversammlung und forderte unter Berufung darauf die Versicherung der persönlichen Teilnahme. Lediglich bei den Kurfürsten von Trier und von der Pfalz wollte er sich wegen deren schlechten Gesundheitszustands mit Vertretungen zufriedengeben. Im zweiten Punkt nutzte Ferdinand die Werbung, um die Türkenfrage neben den 1555 prorogierten Artikeln als weiteres Hauptthema anzukündigen15: Trotz aller Friedensbemühungen seit 1553 fordere der Sultan die Abtretung des von ihm eroberten und an Johann II. Sigismund Szapolyai als Sancak übergebenen Siebenbürgen innerhalb von sechs Monaten, andernfalls drohe er mit Krieg16. Der König bat deshalb im Hinblick auf den Reichstag, der sich damit zu befassen habe, um Gutachten, ob er der Forderung nachgeben solle, was freilich den türkischen Zugriff auf Österreich erleichtern würde. Zum Dritten gab Ferdinand bekannt, dass aufgrund der Entwicklung in Ungarn und der deshalb erforderlichen Landtage in den Erblanden der festgesetzte Beginn des Reichstags zum 1. 3. 1556 nicht möglich sei, sondern bis 1. 4. aufgeschoben werden müsse. Bei den katholischen Ständen verband der König mit der Werbung die thematische Vorbereitung des Reichstags17.
Damian Pflug brachte seine Werbung bei Kurfürst August von Sachsen am 30. 12. 155518, bei den Herzögen von Sachsen19 Anfang Januar und bei Landgraf Philipp von Hessen20 am 18. 1. 1556 vor. Bezüglich Siebenbürgens erhielt Pflug stets die allgemeine Aussage, man werde dies beraten und sich auf dem Reichstag erklären. Die Reichstagsteilnahme stellte Kurfürst August bedingt in Aussicht, falls die Umstände es zuließen. Pflug interpretierte dies als Absage und empfahl dem König deshalb eine Zusammenkunft mit August vor dem Reichstag auch wegen der Vorgespräche zur Türkenhilfe21. Etwas konkreter versicherten die Herzöge von Sachsen, einer von ihnen werde kommen, falls er nicht durch Krankheit verhindert würde. Landgraf Philipp wollte nur anreisen, falls sich sein körperlicher Zustand besserte und die Söldnerwerbungen im Niedersächsischen Kreis eingestellt würden. Kurfürst Joachim von Brandenburg, Markgraf Johann von Küstrin und Erzbischof Sigismund von Magdeburg sagten den Reichstagsbesuch bedingt zu, falls sie daran nicht durch ‚Gottes Gewalt‘ gehindert würden22. Heinrich II. von Braunschweig machte in seiner Antwort das Kommen nach Regensburg von seiner Gesundheit und der Entwicklung im Niedersächsischen Kreis abhängig. Er versicherte, zur Türkenabwehr nach Kräften beizutragen23. Etwas erfolgreicher verliefen die Werbungen Heidenreichs: Erzbischof Michael von Salzburg wollte anreisen, sobald der König dies tat24. Ottheinrich von Neuburg stellte die Teilnahme aufgrund seiner körperlichen Konstitution nur vage in Aussicht, zudem setzte er die Klärung des Sessionsstreits mit Bayern25 voraus26. Albrecht von Bayern bestätigte seine frühere Zusage, außer er würde erkranken27. Zur Türkenfrage äußerte sich nur Ottheinrich konkreter, indem er den König an die Unterstützung auswärtiger Potentaten verwies.
Die Reise von Johann Ulrich Zasius zog sich bis Ende Februar 1556 hin. Die Reaktionen auf die Bitte um ein Gutachten zur Türkenfrage lauteten auch hier durchgehend wenig konkret, man werde sich auf dem Reichstag erklären. Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz und Herzog Christoph von Württemberg sahen aufgrund der Werbung die Türkenhilfe als eigentliches Hauptthema des Reichstags28, den es seitens der CA-Stände deshalb entsprechend vorzubereiten gelte. Kurfürst Friedrich bestritt daneben die Feststellung, er habe 1555 die Vertagung des Reichstags bewilligt29. Die Zusicherung der persönlichen Teilnahme lehnte er ab30. Erzbischof Daniel von Mainz stellte sein Kommen nur bedingt in Aussicht. Er scheute den Reichstagsbesuch wegen neuerlicher Pressionen der CA-Stände im Hinblick auf die Freistellung und den Religionsfrieden allgemein, mit dem die katholische Seite ohnehin zu viel eingeräumt habe. Daneben befürchtete er eine Ausweitung der Probleme mit dem Papst, wie sie bei seiner verzögerten Konfirmation deutlich geworden waren31. Die Werbung bei Kurtrier brachte Zasius wegen der Erkrankung Kurfürst Johanns V. Koadjutor Johann von der Leyen vor. Da ein Reichstagsbesuch des Kurfürsten, der wenig später am 18. 2. 1556 verstarb, ausgeschlossen war, musste sich Zasius hier mit dem Versprechen begnügen, man werde bevollmächtigte Gesandte abordnen. Hingegen konnte er Adolf von Köln gegen dessen Einwände (Unruhen im und um das Erzstift, Religionsverhältnisse in der Stadt Köln) dazu bewegen, sein Kommen nur von dem anderer Kurfürsten abhängig zu machen32. Wilhelm von Jülich dagegen lehnte seine Teilnahme rundweg ab, da der Weg nach Regensburg zu weit und seine Abwesenheit aufgrund seiner Aufgaben als Kreisoberst nicht möglich sei33. Indessen drängte Christoph von Württemberg auf die Anwesenheit Wilhelms von Jülich, da er bei den Religionsverhandlungen einen „treffenlichen, nutzlichen mediatorem unnd schidman geben wurd.“ Seine eigene Anreise band er an jene anderer Kurfürsten und Fürsten, die der König eindringlich befördern sollte34. Ebenso berief sich Markgraf Karl von Baden auf die Anwesenheit anderer Kurfürsten und Fürsten35.
König Ferdinand komplettierte die erste Werbung, indem er weitere Reichsfürsten, die von den Gesandten nicht aufgesucht wurden, im Schreiben vom 6. 2. 1556 (Wien) in gleicher Weise über den Aufschub der Eröffnung bis 1. 4. 1556 sowie die Türkenfrage als zusätzliches Thema informierte und ihre persönliche Teilnahme am Reichstag forderte. Das Schreiben36 ging an die Bischöfe von Konstanz, Bamberg, Würzburg, Speyer, Eichstätt, Augsburg, Münster und Straßburg, an den Deutschmeister, die Pfalzgrafen Johann von Simmern und Wolfgang von Zweibrücken, Markgraf Georg Friedrich von Brandenburg-Ansbach, die Herzöge von Pommern und von Mecklenburg, Herzog Erich von Braunschweig sowie an die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg und von Holstein37.
Als Fazit der ersten Werbung bleibt festzuhalten: Die Bekanntgabe der Türkenfrage als zusätzliches Kernthema des Reichstags wurde ebenso zur Kenntnis genommen wie der Aufschub von dessen Eröffnung. In seinem zweiten Anliegen, der Anreise der Reichsfürsten, erhielt der König überwiegend nur unverbindliche Zusagen. Lediglich die Erklärungen der Herzöge von Sachsen und Bayern sowie des Erzbischofs von Salzburg und mit Abstrichen der Mitglieder des Hauses Brandenburg ließen deren Teilnahme erwarten.