Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb
3.1 Die Vorbereitungen König Ferdinands I.
Die Reichstagsvorbereitung des Königs berührte mehrere Ebenen: Zum Ersten das Verhältnis zu Kaiser Karl V. hinsichtlich dessen fraglicher Beteiligung am Reichstag, zum Zweiten die Planung der theologischen Beratungen in Kooperation mit wichtigen katholischen Ständen und zum Dritten die Instruierung der eigenen Reichstagskommissare. Daneben wird die Geheimabsprache mit Kurfürst August von Sachsen in Leitmeritz dargelegt.
3.1.1 Eigene Vorbereitungen und Vorverhandlungen mit katholischen Ständen
Die Klärung der Absichten Karls V. im Hinblick auf den Reichstag stellte für Ferdinand I. einen wichtigen Aspekt dar, um seine eigene Position bei der Reichsversammlung zu definieren. Zwar erfolgte der nominelle Rücktritt Karls vom Kaisertum erst im März 1558, faktisch oblag Ferdinand die Regierungsverantwortung bereits im Laufe des Jahres 1556. Mit der zunächst vorübergehenden Übergabe der Administration des Reichs im Abschiedsmandat Karls V. vom 7. 9. 15561 verfügte er über dessen uneingeschränkte Vollmacht für die Reichsregierung und damit für die eigenverantwortliche Durchführung des Reichstags. Dagegen war in der Vorbereitungsphase seit Jahresbeginn noch nicht klar, ob und inwieweit Karl sich dafür engagieren, Verantwortung übernehmen und daran partizipieren wollte.
Zwar erwiesen sich die Ende 1555 kursierenden Gerüchte, der Kaiser wolle auf die Reise nach Spanien verzichten und persönlich am Reichstag teilnehmen, als „substanzlos“2, gleichwohl ging Ferdinand noch davon aus, dass er ihn im kaiserlichen Auftrag leiten sollte3. Noch am 6. 3. 1556 bat er Karl um Auskunft, ob dieser den Reichstag „(wie es dann das aller pesst unnd nutzigst wäre) aigner person besuechen oder, wo solches eurer L. unnd ksl. Mt. gelegenhait nit wäre, unns den in irem namen unnd an irer stat zuhallten auferlegen wellen.“ Von einer eigenverantwortlichen Leitung war nicht die Rede, vielmehr erbat Ferdinand die Abordnung kaiserlicher Kommissare nach Regensburg, falls Karl nicht kommen würde4. Der Kaiser machte aber unmissverständlich klar, dass er „unser offenbaren leibs ungelegenhait halben“ nicht kommen werde und Ferdinand den Reichstag wie 1555 in alleiniger Verantwortung führen möge. Die in Aussicht gestellten kaiserlichen Kommissare sollten ihm „räthlich unnd beystendig“ sein5. Wenig später widerrief Karl V. selbst diese limitierte Form der Teilnahme: Er lehnte die Abordnung der Kommissare wegen der problematischen Religionsdebatten ab und bekräftigte nochmals die uneingeschränkte Verhandlungsvollmacht des Königs, ohne dafür eine gegenüber 1555 erneuerte Instruktion auszustellen6. Damit oblag die Durchführung des gesamten Reichstags allein Ferdinand, obwohl die Regierung Karls V. formaliter zumindest bis zur Übergabe der Reichsadministration mit dem Abschiedsmandat vom 7. 9. 1556 andauerte7. Das Engagement des Kaisers für den Reichstag beschränkte sich auf zwei Mahnschreiben an die Kurfürsten und ausgewählte Fürsten, mit denen er den König im Bemühen um deren persönliche Anreise nach Regensburg unterstützte.
Die eigenen thematischen Vorbereitungen verknüpfte Ferdinand anfangs mit den Reichstagswerbungen zu Jahresbeginn 15568, die er bei den geistlichen Kurfürsten und einigen katholischen Fürsten ergänzte, indem er seine Gesandten Erasmus Heidenreich (Werbung bei Salzburg und Bayern)9 und J. U. Zasius (Werbung bei den geistlichen Kurfürsten)10 zusätzlich anwies, theologische Vorarbeiten für die Verhandlungen zum Religionsvergleich einzufordern und eine Tagung von katholischen Theologen vor dem Reichstag im Hinblick auf diesbezügliche Absprachen der CA-Stände bei einer in Naumburg geplanten Konferenz11 anzuregen. Damian Pflug sollte die Bischöfe von Naumburg und Merseburg daneben um ihr persönliches Kommen nach Prag bitten, um mit dem König die Religionsverhandlungen vorzubereiten12. Von den theologischen Fakultäten der Universitäten Wien und Freiburg im Breisgau sowie von Georg Witzel und Friedrich Staphylus erbat Ferdinand Gutachten für die Wege und Möglichkeiten der Religionsvergleichung. Beide sollten sich zudem zur Anreise nach Regensburg bereithalten13. Ebenfalls im Januar 1556 berief der König Petrus Canisius wegen der theologischen Vorarbeiten nach Wien14.
Die Initiative des Königs fand bei den geistlichen Kurfürsten eine nur sehr zurückhaltende Resonanz15: Die angeregte Theologenkonferenz vor dem Reichstag wurde aus terminlichen Gründen abgelehnt, möglich schien lediglich eine von Köln und Trier empfohlene Zusammenkunft der geistlichen Kurfürsten oder ihrer Theologen. Im Hinblick auf die Religionsvergleichung kritisierte Adolf von Köln die zu weitreichenden Zugeständnisse im Religionsfrieden, Daniel von Mainz berief sich auf dazu noch andauernde interne Beratungen. Da nachfolgend weder die avisierte Tagung der Kurfürsten noch ihrer Theologen16 zustande kam, waren die Bemühungen Ferdinands um die Einbeziehung der rheinischen Metropoliten in die theologischen Vorbereitungen gescheitert17. Auch Erzbischof Michael von Salzburg sah für die Theologenkonferenz vor dem Reichstag keine Möglichkeit mehr und verschob die Gespräche direkt nach Regensburg. Eine auf Österreich, Salzburg und Bayern eingeschränkte Tagung kommentierte er nicht. Herzog Albrecht von Bayern hingegen unterstützte diese kleinere Lösung ausdrücklich. Die Schuld für das Scheitern einer umfassenderen Zusammenkunft wies er dem geringen Eifer auf katholischer Seite zu, bei der es, um „die warhait zesagen, an dem gaistlichen stanndt selbß mer dan jemandts annderm“ mangle18. Die Bischöfe von Naumburg und Merseburg sahen aufgrund der derzeitigen Umstände im Reich keine Möglichkeit für Erfolg versprechende Religionsverhandlungen. Ausdrücklich warnten sie vor einem Kolloquium, da die CA-Stände aufgrund des Vorteils, den ihnen der Religionsfrieden verschaffe, nicht nachgeben und „inn ein horn blasen, die catholischen aber etzliche grosse herrn under ihnen haben, die ihnen verdächtig.“ Beide waren aber bereit, zum König nach Prag zu kommen19.
Von den theologischen Gutachten, die Ferdinand angefordert hatte, sind nur die Stellungnahmen Witzels und Staphylus’ überliefert. Georg Witzel legte sein Gutachten „Diaphora rei ecclesiastecae. Unnderschid zwischen den unainigen partheyen der strittigen religions sachen diser bösen zeit“20 noch vor dem Reichstag vor, während die „Consultatio Staphyli de mandato Ferdinandi Caesaris an concordia possit iniri cum Protestantibus“21 erst im Dezember 1556 entstand und damit nur formal zur Reichstagsvorbereitung des Königs gehört, sich inhaltlich aber bereits mit der Planung eines Religionskolloquiums beschäftigt.
Die Maßnahmen zu Beginn des Jahres 1556 ergänzte Ferdinand mit den Bemühungen an der Kurie um die Abordnung eines Legaten nach Regensburg22. Sodann setzte er seine Religionsvorbereitungen Mitte Oktober 1556 mit der Aufforderung an Staphylus und Witzel, die Bischöfe von Naumburg und Merseburg sowie den Augsburger Prediger Dr. Simon Scheibenhardt fort, wegen der Hauptverhandlungen zur Religionsvergleichung, die in der geänderten Konzeption Ferdinands unmittelbar beim Reichstag geführt werden sollten, bis 28. 11. 1556 nach Regensburg zu kommen23. Während Witzel und Staphylus daraufhin bis Mitte Dezember erschienen und Bischof Michael Helding von Merseburg am 21. 12. ankam24, ließ sich Bischof Julius Pflug von Naumburg auch nach einer weiteren Aufforderung des Königs25 krankheitsbedingt weiterhin von Bischof Helding vertreten26. Scheibenhardt war seit Mitte Januar 1557 an den internen Religionsberatungen auf königlicher Seite beteiligt27. Gleiches gilt für Petrus Canisius, der im Februar 1556 in Wien an der dortigen Reichstagsvorbereitung mitwirkte28, dann aber gemäß dem Auftrag des Papstes Kardinal Otto von Augsburg als dessen Berater zum Reichstag begleitete. Er reiste mit dem Kardinal bis Anfang Dezember 1556 nach Regensburg an, fungierte dort jedoch entsprechend einer neuerlichen Bitte Ferdinands vorrangig als dessen theologischer Beistand29 und daneben bis zu seiner Abreise Mitte März 1557 als Prediger am Regensburger Dom30.
Vorbereitende Maßnahmen des Königs für die anderen Themen neben der Religionsfrage, insbesondere das Türkenproblem, gibt die überlieferte Korrespondenz nicht zu erkennen. Freilich spielte die Türkenhilfe bei den Werbungen Ferdinands seit Anfang 1556 insofern eine zentrale Rolle, als er sie dabei als zusätzlichen Hauptartikel ankündigte. Ebenso stand die Türkenabwehr als Argument für die Verzögerung der Anreise des Königs und damit des Reichstags insgesamt im Mittelpunkt. Auch in der Proposition, zu deren Genese abgesehen von Teilen des Konzepts31 keine Unterlagen aufgefunden werden konnten, legte Ferdinand die kritische Entwicklung in Ungarn und Siebenbürgen ausführlich dar32, während er seine Kommissare in ihrer Instruktion lediglich auf diese umfassende Argumentation verwies.
Die Instruktion Ferdinands I. (Wien, 3. 7. 1556)33 behandelt als Kernpunkt der königlichen Vorbereitung alle erwarteten Themen des Reichstags. Sie ist ausgestellt für Graf Georg von Helfenstein, Erbtruchsess Wilhelm d. J. von Waldburg, Landvogt Georg Illsung und Dr. Johann Ulrich Zasius als Reichstagskommissare in Vertretung des Königs und zugleich als Repräsentanten des Hauses Österreich. Die Instruktion gibt eingangs die bevorzugte Beratung der Türkenhilfe vor und beruft sich ansonsten auf die Argumentation in der Proposition, um die dortige Steuerforderung durchzusetzen. Ergänzt werden der Zusatzantrag für die Steuerausfälle der Reichsmatrikel und die Bitte um eine beharrliche Unterstützung. Beide Punkte wurden später in der Triplik zur Türkenhilfe34 an die Stände gebracht. Bezüglich der übrigen Hauptartikel verweist die Instruktion zum Vollzug der Exekutionsordnung auf die Ansätze im Österreichischen Kreis und auf die Verabschiedung der Reichsmünzordnung 1551, bei der Ferdinand seine Bereitschaft signalisierte, die von den rheinischen Kurfürsten bedingten Ausnahmen von System der Doppelwährung35 zu akzeptieren.
Größere Diskrepanzen zur Proposition bestanden im Umgang mit der Religionsfrage36: War Ferdinand in der Proposition an den Reichsabschied 1555 gebunden, der die Führung der Hauptverhandlungen zur Religionsvergleichung bereits in Regensburg vorsah, so konnte er diese Vorgabe in der Instruktion variieren: Zum einen, indem er den Schwerpunkt des Reichstags auf die Türkenhilfe legte, und, damit verbunden, zum anderen, indem er seine Position in der Religionsfrage, wie sie in den Vorbereitungsmaßnahmen zu Jahresbeginn 1556 zum Ausdruck kommt, revidierte. Dazu bewogen den König neben den negativen Einschätzungen der geistlichen Kurfürsten und Fürsten für die Chancen einer Behebung der Glaubensspaltung wohl vorrangig die Empfehlungen Kurfürst Augusts von Sachsen bei der Absprache in Leitmeritz, die Religionsvergleichung beim Reichstag nicht in den Vordergrund zu stellen, um die primär notwendige Türkenhilfe nicht zu gefährden37. In der Instruktion begründete Ferdinand seine veränderte Strategie mit dem Argument, dass in Regensburg zur Religionsvergleichung „nit woll etwas fruchtpars gehanndlt werden muge“, da die geistlichen Stände sich aufgrund der bekannten Haltung des Papstes kaum darauf einlassen würden38 und einige CA-Stände verlauten ließen, man möge diese Verhandlungen besser aufschieben39. Deshalb sollten seine Kommissare unter Hinweis auf die Absenz der Kurfürsten und eines Großteils der Fürsten dafür plädieren, die Religionsfrage an eine künftige Reichsversammlung zu prorogieren. Nur falls die Reichsstände auf dem Vollzug des Passauer Vertrags und des Reichsabschieds 1555 beharrten, sollten sie deren Vorschläge für Wege zur Vergleichung anhören.
Die Kommissare mussten Ferdinand darauf hinweisen, dass er im Hinblick auf die Haltung der CA-Stände einer Fehleinschätzung unterlag, da diese sehr wohl auf Religionsberatungen drängen würden. Deshalb werde ihnen die Instruktion „nicht ad satisfactionem dienlich sein“: Votierten sie für die Prorogation, „so wüsten wir und sehen es vor unsern augen, wz unlust, widerwillen und höchstes mißvertrauen dardurch auff euer Mt. von und bey allen confessionistischen erwachsen wurde, und also nitt allain die türggenhilff gar gesperrt oder doch verlengert, sonnder auch bald ain endschafft an dem reichstag gemacht werden möcht mitt dem, dz die confessionistischen stracks auffzusitzen und darvon zureitten sich understeen wurden.“ Da sich die Kommissare nochmals nachdrücklich gegen eine von ihnen ausgehende Aufgabe der Vergleichsverhandlungen aussprachen, auf eine Modifizierung ihrer Instruktion drängten40 und darauf beharrten, dass mit einem Votum Österreichs für die Prorogation dem König „neue verdächtlicheit, unwillen unnd andere beschwerliche weitterung mehr zueflüessen wurd“41, erteilte Ferdinand in den folgenden Weisungen seine Zustimmung zur Änderung der Instruktion in diesem Punkt und folglich der gesamten Konzeption für die Religionsverhandlungen42. Damit verband er die oben erwähnten Maßnahmen zu deren Durchführung unmittelbar beim Reichstag.
3.1.2 Die Zusammenkunft in Leitmeritz mit Kurfürst August von Sachsen
Neben der Reichstagsvorbereitung im Zusammenwirken mit katholischen Ständen war Ferdinand bestrebt, sich in den zentralen Themen vorrangig mit Kurfürst August von Sachsen als einem der Wortführer auf protestantischer Seite und einflussreichstem Landesherren im norddeutschen Raum zu verständigen. Er stützte sich auf die angedeutete Bereitschaft des Kurfürsten bei der Werbung im Januar 1556 zu einer Zusammenkunft und auf die Empfehlung seines Gesandten Pflug, diese vor allem wegen der Türkenhilfe zu initiieren43.
Der König schickte Pflug deshalb im April 1556 nochmals mit dem Auftrag nach Dresden, Kurfürst August für 28. 4. nach Prag oder Leitmeritz einzuladen, um dort über allgemeine Belange Sachsens und Böhmens sowie des Reichs zu sprechen. Anschließend sollte Pflug Kurfürst Joachim von Brandenburg ebenfalls dorthin bitten44. Kurfürst August willigte in die Zusammenkunft in Leitmeritz ein, ließ aber anklingen, er würde ein Treffen ohne Kurfürst Joachim bevorzugen45. Da dieser sein Mitwirken wegen der kurzfristigen Anfrage und einer Erkrankung seiner Gattin ohnehin absagte und dafür versprach, den Reichstag möglichst persönlich zu besuchen oder seine Gesandten umfassend zu bevollmächtigen46, blieb es bei der auf den König und Kurfürst August beschränkten Unterredung.
Die Geheimbesprechung in Leitmeritz am 4. 5. 155647 erbrachte zu den von Ferdinand vorgelegten Fragen in den hier relevanten Punkten folgendes Ergebnis: In der Religionsfrage sah Kurfürst August „wenig hofnung“ für eine Vergleichung, vielmehr sei von diesen Verhandlungen erfahrungsgemäß weitere Verbitterung zu erwarten. Er riet Ferdinand deshalb, nicht energisch darauf zu drängen und keine inhaltlichen Vergleichsvorgaben zu machen, da sich dies, wie der Kurfürst wiederholt betonte, negativ auf die Türkenhilfe auswirken würde. Daneben verwies er auf das Gerücht, der Papst wolle den Kaiser zur Rücknahme des Religionsfriedens bewegen, und er gab zu bedenken, dass ein zu starkes Engagement Ferdinands für die Religionsvergleichung ebenfalls als Infragestellung des Religionsfriedens interpretiert werden und damit wiederum die Türkenhilfe gefährden könnte. Nachdem eine Prorogation der Religionsfrage wegen der Vorgabe im Reichsabschied 1555 nicht möglich schien, empfahl er dem König, sich mit vorbereitenden Maßnahmen für spätere Vergleichsverhandlungen zu begnügen. Ferdinand dementierte bei seinem königlichen Wort jegliche Absicht des Kaisers oder seiner Person, den Religionsfrieden aufzuheben, und versicherte persönlich, dieser werde „treulich in esse gehalten werden, es ervolgte die vergleichung oder nicht.“ Ansonsten wollte er der Empfehlung Augusts entsprechend den Religionsvergleich in einer Form vorbringen, die weitere ‚Verbitterung‘ ausschloss.
Zur Frage des Königs, wie die Stände „am fuglichsten“ zu einer stattlichen Türkenhilfe zu bewegen seien, bestätigte August das geschilderte Bedrohungsszenario und hielt deshalb die Beteiligung der Reichsstände an der Abwehr „nicht allein fur billich, sondern auch gantz nothwendig“. Er empfahl Ferdinand, in der Proposition die Situation an der Grenze, aber auch die eigenen Abwehrpläne darzulegen, und sagte seine Unterstützung ausdrücklich zu. Konkret riet er, die Hilfe ‚stattlich und beharrlich‘ anzustellen, dafür möglichst gut gerüstete deutsche Reiter zu bestallen und auswärtige Potentaten in den Türkenkampf einzubeziehen.
Dem Drängen auf die persönliche Teilnahme am Reichstag, die „vil guts schaffen und ausrichten“ könne, gab August nicht nach: Er berief sich auf seine unabdingbare Präsenz in Sachsen sowie die zu erwartende Absenz der anderen weltlichen Kurfürsten und eines Großteils der Fürsten beim Reichstag, wo seine alleinige Anwesenheit wenig nutzen würde. Seine spätere Anreise stellte er lediglich vage mit der Bedingung in Aussicht, dass die Mitwirkung anderer Kurfürsten und Fürsten gesichert sei und er nicht durch anderweitige Umstände daran verhindert werde. Daneben gab er seinerseits Ferdinand zu bedenken, ob dessen Anwesenheit in den Erblanden wegen der Türkengefahr nicht hilfreicher sei als die Präsenz am Reichstag.
Die Geheimabsprache48 in Leitmeritz erwies sich für beide Teilnehmer als „beachtlicher Erfolg“49: Ferdinand konnte beim Reichstag auf die kursächsische Unterstützung der Türkenhilfe zählen, und er erhielt wichtige Aufschlüsse im Hinblick auf die Religionsfrage, die mit zur Änderung seiner Strategie beitrugen, wie sie in seiner Instruktion50 mit dem weitgehenden Verzicht auf Religionsverhandlungen zum Ausdruck kommt, um eine vom Konfessionsstreit unbeeinträchtigte Verabschiedung der Türkenhilfe zu gewährleisten. Kurfürst August war erfolgreich in seiner Hauptintention, der Sicherung des Religionsfriedens, dessen Verbindlichkeit Ferdinand bei seiner königlichen Ehre bekräftigte. Die in Leitmeritz bestärkte sächsisch-habsburgische Kooperation prägte den Verlauf des Reichstags 1556/57 ebenso wie die Gestaltung der künftigen „konsensualen Reichspolitik“51 auf der Grundlage des Augsburger Friedenswerks in den folgenden Jahren ganz entscheidend.
3.2 Die Vorbereitungen der katholischen Stände und der Kurie
Im Gegensatz zur ständeübergreifenden Kommunikation der CA-Stände52 beschränkten sich die Vorbereitungen auf katholischer Seite fast ausschließlich auf eigene Maßnahmen der einzelnen Kurfürsten und Fürsten. Nachdem die Initiative des Königs zu Jahresbeginn 1556 für eine Theologenkonferenz nicht weiter verfolgt wurde53, sind keine Nachweise anderweitiger Gespräche oder Korrespondenzen katholischer Stände überliefert, die eine kooperative Reichstagsvorbereitung belegten. Dies schien sich selbst noch in Regensburg fortzusetzen, wo die Verzögerungen nach der Eröffnung am 13. 7. 1556 weiterhin die Möglichkeit für Absprachen geboten hätten, die aber wohl unterblieben, sieht man von einer Vorsprache der Salzburger Delegierten bei den bayerischen Gesandten am 2. 9. ab, bei der sie die vertrauliche Übereinkunft zu den Hauptartikeln der Proposition anboten54.
Jedenfalls beklagte Zasius noch am 4. 9. 155655 im Kontrast zu den Aktivitäten der CA-Stände das mangelnde Engagement insbesondere der geistlichen Stände, die sich selbst von den Mahnungen des Königs nicht zu einer ständeübergreifenden Vorbereitung hätten bewegen lassen: Anders als die CA-Stände hätten die geistlichen Fürsten über die Reichstagsthematik „nitt also, wie es die notturfft ervorderte, nachgedacht, vil weniger zusammen komen und vertreulichen mitt ainander darauß geredt. [...] Darum waisst auch kainer, wess mainung der ander sein würdeth, und sonderlich die gaistlichen im fursten rath wüssten der 3 churfursten ires stands im churfursten rath gelegenhaitt mitt dem wenigsten.“ In ähnlicher Form bemängelte wenig später der apostolische Nuntius in Wien, Zaccaria Delfino, „la tiepideza de quasi tutti li nostri prelati“ beim Reichstag, die erst das Junktim von religionspolitischen Forderungen mit der Türkenhilfe durch die CA-Stände ermögliche56. Ein Beweggrund für das geringe Engagement war wohl die zumindest für die geistlichen Kurfürsten dokumentierte negative Haltung gegenüber dem Reichstag, wie sie bei den ersten Werbungen des Königs zu Jahresbeginn 1556 zum Ausdruck gebracht wurde. Die Erzbischöfe von Mainz und Köln bedauerten die weitreichenden Zugeständnisse im Religionsfrieden und befürchteten neuerliche religionspolitische Forderungen der CA-Stände beim künftigen Reichstag, dem sie deshalb sehr reserviert gegenüberstanden57.
Die interne Kurmainzer Reichstagsvorbereitung ist anhand der Domkapitelsprotokolle58 in Ansätzen nachzuvollziehen. Thematisch beschränkte sich die Mitsprache des Domkapitels auf die Billigung der Instruktion am 20. 2. 1556, ansonsten ging es vorrangig um die personelle Beschickung des Reichstags mit Gesandten und Theologen sowie um die Abwägung der persönlichen Teilnahme Kurfürst Daniels, die das Domkapitel in erster Linie wegen des Regalienempfangs befürwortete. Auch für die Vorbereitung zunächst Bischof Weigands, sodann nach dessen Ableben Bischof Georgs von Bamberg sind nur organisatorische Belange wie die Benennung und Abordnung der Gesandten sowie die Debatte um die eigene Anreise überliefert59. Ebenso beschäftigten sich im Hochstift Würzburg seit Februar 1556 die bischöflichen Räte60 und das Domkapitel61 mit der Auswahl der Gesandten. Thematisch wurde der Reichstag mit dem Gutachten der geistlichen Räte zum 1. HA (Religionsvergleich) und 3. HA (Landfrieden) vorbereitet62. Die Verständigung Bischof Melchiors mit Georg von Bamberg63 beschränkte sich nach Aussage der Akten auf die Planung ihrer persönlichen Anreise nach Regensburg, die primär nicht wegen des Reichstags, sondern wegen der Verhandlungen des Vergleichstags im Markgrafenkrieg erfolgte. Besser dokumentiert ist die thematische Vorbereitung des Deutschen Ordens, die auf einem Generalkapitel in Heilbronn vom 6.–8. 10. 1556 stattfand. Dessen Programm64 beinhaltete alle Hauptartikel der Proposition sowie spezielle Interessen des Ordens wie die Einbringung der Türkenhilfe von exterritorialen Gütern und die Livlandfrage. Die in Heilbronn beschlossenen Vorgaben65 gingen teils wörtlich in die Reichstagsinstruktion ein66.
Abschließend sei auf die Position der römischen Kurie zum Reichstag 1556/57 verwiesen. Da die Wiener Nuntiatur seit September 1555 nicht mehr besetzt war67, die Einbeziehung der Kurie in die Religionsverhandlungen des Reichstags aber unabdingbar schien, wandte sich Ferdinand I. im Zuge seiner thematischen Vorbereitung um den Jahreswechsel 1555/56 auch an den Papst. Er rechtfertigte die Unumgänglichkeit des Religionsfriedens, wollte man nicht den Untergang des Reichs riskieren, informierte Paul IV. über die geplanten Religionsverhandlungen auf dem kommenden Reichstag und bat ihn um die Zuordnung eines Legaten, damit dieser ihn, den König, „sanctitatis vestrae causa assistat et ubicunque opus fuerit, authoritatem suam interponat“68. In Rom hatte man allerdings schon kurz zuvor die erneute Abordnung von Zaccaria Delfino als Nuntius nach Wien beschlossen69. Die in diesem Zusammenhang ausgestellten Breven Pauls IV. vom 18. 12. 1555 wandten sich scharf gegen den Religionsfrieden, ohne aber offiziell dagegen zu protestieren, und mahnten an, darauf zu achten, dass der Reichstag keine „nova monstra“ hervorbringe70. Auch die Instruktion für Delfino71, welche die Rechtsgültigkeit des Religionsfriedens ebenfalls nicht bezweifelte, wohl aber seine Wirkungen abzuschwächen versuchte72, gab den süddeutschen Bischöfen, Herzog Albrecht von Bayern und dem König vor, beim Reichstag weitere Zugeständnisse zu Ungunsten der katholischen Religion entschieden zu bekämpfen.
Delfino kam im Februar 1556 nach Deutschland und hielt sich seit 22. 3. bei König Ferdinand in Wien auf73, das er bereits Anfang Oktober, also noch vor der Anreise des Königs nach Regensburg, wieder verließ. Er nahm mithin gegen die Intention der Kurie nicht am Reichstag teil, obwohl auch Kardinal Otto von Augsburg seine Mitwirkung dringend erbat74. Folgt man dem Bericht Delfinos, riet König Ferdinand ihm von der Teilnahme am Reichstag ab, wohl wegen der Befürchtung, seine Anwesenheit könnte die CA-Stände provozieren und das Verhandlungsklima verschlechtern75. Jedenfalls reiste Delfino im Einverständnis mit dem König, aber ohne Wissen der Kurie am 7. 10. 1556 aus Wien nach Rom ab76. Da die Wiener Nuntiatur anschließend über ein Jahr unbesetzt blieb und der Papst trotz des Drängens deutscher Bischöfe, namentlich Kardinal Ottos von Augsburg77, keinen Legaten schickte, war die Kurie in Regensburg nicht vertreten. Das Engagement Pauls IV. beschränkte sich auf die Übermittlung von Breven an Ferdinand I. und an katholische Fürsten im Dezember 1556, um sie zum erhöhten Einsatz gegen die ‚Häretiker‘ und für die Verteidigung des katholischen Glaubens zu ermahnen78.
Noch vor den Breven wurde an der Kurie im November 1556 ein Gutachten formuliert79, das Paul IV. die neuerliche Entsendung eines Nuntius mit der Zuordnung von Theologen für die Mitwirkung am Reichstag und die Einwirkung auf dessen katholische Teilnehmer durch Breven dringend anriet. Als Weg zum Religionsvergleich ließ es nur das Generalkonzil zu. Ansonsten empfahl es, kritische Aufmerksamkeit auf die Herzöge von Bayern und Jülich zu legen, die auf vergangenen Reichstagen zusammen mit König Ferdinand eher als Vermittler denn als Verteidiger des katholischen Glaubens gewirkt hätten. Papst Paul IV. übernahm aus dem Gutachten lediglich die in abgeschwächter Form ausgestellten Breven, während die empfohlene Nuntiatur oder die Abordnung eines Reichstagslegaten unterblieben.
3.3 Die Vorbereitungen der protestantischen Stände
Den Ausgangspunkt der protestantischen Vorbereitungen bildete die innere Krise aufgrund der theologischen Lehrdifferenzen81, deren Beilegung grundsätzlich und aktuell im Hinblick auf das geschlossene Auftreten beim Reichstag anzustreben war. Die Bemühungen darum wurden seit Herbst 1555 initiiert von Herzog Christoph von Württemberg82: Er verfocht seinen Plan einer persönlichen Zusammenkunft der Fürsten, als deren Aufgabe er die Sicherung der dogmatischen Einheit sah, trotz der Einwände seiner eigenen Räte83 und Landgraf Philipps von Hessen, der einen Theologenkonvent bevorzugte84, mit großem Engagement85 und konnte dafür Anfang 1556 auch Kurfürst Friedrich II. von der Pfalz86 gewinnen, scheiterte aber trotz der Unterstützung durch die Pfalzgrafen Wolfgang von Zweibrücken87 und Ottheinrich von Neuburg88 an der Zurückweisung des Fürstentags und des parallel konzedierten Theologenkonvents durch den Kurfürst und die Herzöge von Sachsen. Letztere reagierten im Januar 1556 auf der Grundlage eines Gutachtens ihrer Theologen, das jegliches Abweichen vom flacianischen Standpunkt ablehnte, abschlägig89: Eine Theologensynode sei vor dem Reichstag terminlich nicht mehr möglich, ein Fürstentag würde auf der Gegenseite Verdacht erregen. Ähnlich bevorzugte Kurfürst August von Sachsen90 gegenüber der Fürstentagung, die den Eindruck eines antikatholischen Bündnisses evozieren könnte91, Absprachen der Gesandten oder Theologen erst in Regensburg92.
Christoph von Württemberg modifizierte deshalb im Februar 1556 seine Strategie und versuchte, die Tagung auf die süddeutschen CA-Stände zu beschränken93. Doch scheiterte aufgrund der Erkrankung Kurfürst Friedrichs II. von der Pfalz und sodann wegen der Verrichtungen Ottheinrichs nach dem Kurantritt auch dieser Versuch. Es ergab sich lediglich eine Zusammenkunft des Herzogs mit Ottheinrich während dessen Reise nach Heidelberg, bei der eine Revision des Religionsfriedens angesprochen wurde94. Die Anregung Philipps von Hessen, Kurfürst August nochmals wegen der Tagung zu kontaktieren, griff Herzog Christoph nicht mehr auf, da er diesen und andere CA-Stände „mer alls ein mall“ darum gebeten habe. Er lehnte eine weitere Gesandtschaft ab und befahl die Sache Gott95.
Nachdem die Fürstentagung und der Theologenkonvent nicht zustande kamen, schien eine anderweitige Form der Verständigung, zumindest beschränkt auf das Auftreten beim Reichstag, erforderlich. Die Initiative dafür ergriffen die Herzöge von Sachsen mit der Anregung, die Gesandten und Theologen bis spätestens 1. 6. nach Regensburg abzuordnen, um die bisher unterbliebenen Gespräche über die Religionsfrage dort zu führen und sich auf eine einhellige Position auf der Grundlage der CA zu verständigen96. Die Antworten bestätigten im Allgemeinen die Notwendigkeit der Unterredung, sie nahmen die konkrete Anregung aber nicht durchgehend an: Während Württemberg, Pfalz-Zweibrücken, Baden, Brandenburg-Ansbach und Henneberg die termingerechte Abordnung ihrer Gesandten ankündigten97, konnte der Kurfürst von Sachsen seine Deputierten bis dahin nicht schicken98. Ottheinrich von der Pfalz wollte diese Gespräche nicht in Regensburg führen, sondern bei einem nach Coburg angesetzten Vergleichstag im Katzenelnbogener Erbfolgestreit, zu dem die maßgeblichen Kurfürsten und Fürsten persönlich erwartet wurden99.
Während die Coburger Tagung nicht zustande kam, beschränkten sich die in Regensburg seit Anfang Juni geführten Gespräche auf Einzelunterredungen der bereits anwesenden Gesandten Württembergs, der Herzöge von Sachsen, Pfalz-Zweibrückens, Hessens und Brandenburg-Ansbachs100, in die später ankommende Delegierte einbezogen wurden. Eine gemeinsame Absprache vor dem Beginn der Hauptverhandlungen kam nicht zustande, da wichtige CA-Stände, namentlich Kursachsen, noch nicht vertreten waren101. Die erste Versammlung der CA-Stände konnte somit im Anschluss an die Ankunft der kursächsischen Gesandten erst am 22. 8. 1556 zusammentreten102.
Aufgrund der wiederholten Verhandlungsaufschübe nach der Reichstagseröffnung am 13. 7. 1556 konnten auch anderweitige vorbereitende Maßnahmen fortgesetzt werden. Wichtig war dabei zunächst die intensivierte Kooperation Ottheinrichs von der Pfalz und Christophs von Württemberg, wie sie besonders im Austausch der Reichstagsinstruktionen zum Ausdruck kommt. Ottheinrich versuchte dabei, den Herzog vor allem für seine Strategie in der Freistellungsfrage103 zu gewinnen, also für deren sofortige Forderung unter Verweigerung der anderweitigen Reichstagsverhandlungen vor einer Klärung104.
Das Engagement für die Freistellung weitete Kurfürst Ottheinrich zugleich aus auf alle wichtigeren CA-Stände, indem er sie Ende Juli 1556 schriftlich aufforderte, sich seiner Konzeption anzuschließen105: Es sei für sie als „principal stugk“ unabdingbar, „das man sich auf disem reichstag in kein andere handlung einlasse, es sey dann zuvor aller gleichmessigen erbarkait nach die freystellung in religion sachen erörtert und erlangt: Also das ainem jeden, er sey gaistlich oder weltlich, frey erlaubt sein und bevorsteen soll, aintweders zu der augspurgischen confession oder aber zum babstumb zetreten, das auch derhalb kainer seiner beneficien, dignitet, regiments oder einkomens entsetzt oder beraubt werden sollt etc.“ Die Freistellung sei zu erreichen, wenn die CA-Stände „fur ainen man zesamen steen“ und unablässig darauf beharrten. Ottheinrich bat, dieses Ziel auf dem Reichstag zu unterstützen und die Gesandten entsprechend anzuweisen.
Inwieweit folgten die CA-Stände diesem strikten Junktim von Freistellung und Verhandlungsverweigerung als Grundvorgabe für ihre Position beim Reichstag106? Zustimmend äußerten sich Graf Wilhelm von Henneberg107 und mit Abstrichen die Herzöge von Sachsen108. Sie hielten die Forderung für durchsetzbar, falls alle CA-Stände sie unterstützten, gaben aber gegen das Junktim mit der Türkenhilfe zu bedenken, es könne die Gegenseite von jeglichem Zugeständnis abhalten. Johann Albrecht von Mecklenburg betonte seine Vorgabe für die Gesandten, auf der CA zu beharren und „vor allen dingen, auch ehe einige turgken hilf bewilligt, uff die freistellung der religion sachen mit zudringen“109. Zu den Befürwortern gehörte daneben Herzog Christoph von Württemberg, wie seine Instruktion zum Geistlichen Vorbehalt zeigt. Er wies seine Gesandten an, mit den Kurpfälzer Delegierten die gleichzeitige Vorlage der Freistellung im Kurfürsten- und Fürstenrat zu koordinieren, allein aber nicht initiativ zu werden110. Ausweichend antwortete Markgraf Johann von Küstrin111. Kurfürst Joachim von Brandenburg kritisierte das mangelnde Engagement anderer CA-Stände gegen den Geistlichen Vorbehalt beim Reichstag 1555 und sagte nur vage zu, seine Gesandten zur Unterstützung der Freistellung anzuweisen112. Wichtiger als diese Stimmen war die Stellungnahme Kursachsens: Kurfürst August betonte seinen Einsatz gegen den Geistlichen Vorbehalt beim Reichstag 1555, der aber nicht habe verhindert werden können, um den für die CA-Stände vorteilhaften Religionsfrieden insgesamt zu erreichen. Dennoch habe er seine Gesandten jetzt beauftragt, sich anderen CA-Ständen im Versuch anzuschließen, die Aufhebung des Geistlichen Vorbehalts durchzusetzen113. Jedoch lehnte er ausdrücklich ab, wegen der Freistellung den Religionsfrieden infrage zu stellen oder die für das Reich unabdingbare Türkenhilfe zu verweigern114. Landgraf Philipp von Hessen, der das kursächsische Dogma der Wahrung des Religionsfriedens auch auf Kosten des Geistlichen Vorbehalts inzwischen vorbehaltlos übernommen hatte, antwortete in Absprache mit Kurfürst August115 im gleichen Sinn und fügte an, Kaiser oder König würden ein etwaiges Zugeständnis später als abgepresst nicht anerkennen und vielleicht wie 1546 zu einem Krieg gegen die CA-Stände veranlasst werden, wenn man den Religionsfrieden in Zweifel ziehe116.
Die Herzöge von Sachsen unterstützten Kurfürst Ottheinrich über die erwähnte positive Reaktion hinaus mit einer eigenen Initiative, bei der sie die wichtigen CA-Stände ihrerseits nochmals baten, sich der Freistellungsforderung, die man aus Gewissensgründen nicht aufgeben dürfe, anzuschließen117. Wie zu erwarten, blieben die Positionen unverändert: Die norddeutschen Stände beriefen sich auf ihre Antwort an Kurfürst Ottheinrich118, wobei August von Sachsen wiederholt die Priorität der Wahrung des Religionsfriedens sowie der Sicherung der Türkenhilfe betonte119 und Joachim von Brandenburg ebenfalls ein Vorgehen „mit solcher guetten bescheidenheit“ anmahnte, das den Religionsfrieden nicht gefährde120. Die süddeutschen Stände erhielten das Schreiben erst Ende Januar 1557 und verwiesen auf ihr Verhalten bei den inzwischen fortgeschrittenen Reichstagsverhandlungen121.
Die Freistellung war ebenso ein Thema bei der gemeinsamen Reichstagsvorbereitung von Kursachsen und Kurbrandenburg, die Kurfürst August anberaumte, um Kurfürst Joachim auf der Basis seiner Abmachungen mit König Ferdinand in Leitmeritz122 möglichst für seine Strategie zu gewinnen123. Bei den am 21. 7. 1556 in Dresden geführten Gesprächen124 kam man überein, Verhandlungen zum Religionsvergleich beim Reichstag möglichst zu umgehen, da sie die Türkenhilfe behindern könnten, und strikt auf dem Religionsfrieden zu beharren. Als Vorbedingung für die Unterstützung des Königs gegen die Türken in Form einer Geldhilfe deklarierte man die Sicherung des Friedens im Reich. Beim anschließenden Austausch der Reichstagsinstruktionen stellte man weitgehende Übereinstimmung fest125. Allerdings wollte Kurfürst Joachim anders als August eine Debatte zum Geistlichen Vorbehalt nicht grundsätzlich umgehen. Diese und wenige andere Differenzen wurden in einer Unterredung Kurfürst Augusts mit Kurprinz Johann Georg am 25. 8. 1556 beigelegt126. Man einigte sich, eine Infragestellung des Religionsfriedens im Junktim mit der Bewilligung der Türkensteuer zu verhindern. Sonderverhandlungen der CA-Stände sollten nur insoweit statthaft sein, als man sich weiterhin an den Kurien beteiligte, also keine konfessionelle Teilung des Reichstags zuließ. Zur Freistellung wollte man sich einer Kurpfälzer Initiative nur anschließen, falls sie weder den Religionsfrieden zerrütten noch die Türkenhilfe hintertreiben würde. Damit war auch in dieser Frage das Einvernehmen beider Kurfürsten hergestellt.
Daneben gelang es Kursachsen, eine Übereinkunft mit den Herzögen von Pommern zu erzielen: Ende Juli 1556 stellten die pommerischen Gesandten Otto und Wolde auf ihrer Anreise nach Regensburg bei Gesprächen in Dresden zu den zentralen Punkten Religion und Türkensteuer fest, dass die kursächsischen Vorstellungen weitgehend ihrer Instruktion entsprachen127. Später wandten sich die pommerischen Herzöge wegen der Freistellungsinitiative des Pfälzer Kurfürsten nochmals an Kurfürst August, um mit ihm dazu und zu den weiteren Artikeln des Reichstags zu einer „vorgleichung“ zu kommen. Die dafür formulierte Instruktion128 belegt zur Freistellung die Übernahme des kursächsischen Standpunkts, während die Herzöge die Religionsvergleichung anders als Kurfürst August noch beim Reichstag mit der sofortigen Durchführung eines Kolloquiums angehen wollten.
Die Grundintention der führenden CA-Stände im Hinblick auf den Reichstag mit dem Schwerpunkt auf der Religionsfrage kommt in diesen ständeübergreifenden Debatten klar zum Ausdruck. Die umfassendere Vorbereitung auch der anderen Themenbereiche wird demgegenüber in den Quellen nicht oder nur am Rande thematisiert und ist deshalb nur anhand der Vorgaben in den Instruktionen für die Reichstagsgesandten nachzuvollziehen.
3.4 Die Instruktionen der Reichsstände
Folgende Instruktionen, geordnet nach reichsständischen Gruppierungen, wurden ermittelt:
Kurfürsten: Daniel von Mainz, ohne Nennung der Gesandten und ohne Datum, vom Mainzer Domkapitel gebilligt am 20. 2. 1556129. Nach der Vorlage der Proposition aktualisierte der Kurfürst die Instruktion in der Weisung vom 20. 7. 1556130. Adolf von Köln, ausgestellt für Wilhelm von Breitbach zu Bürresheim, Dr. Franz Burkhard und Lic. Michael Glaser (Brühl, 20. 2. 1556)131. Ottheinrich von der Pfalz, ausgestellt für Graf Hans Heinrich von Leiningen-Dachsburg, Graf Johann von Daun in Falkenstein, Großhofmeister Eberhard von der Tann, Hofrichter Philipp von Gemmingen, Johann von Dienheim, Eberhard von Groenrodt, Erasmus von Venningen, Dr. Philipp Heyles, Lic. Johann Ludwig Kastner und Hektor Hegner (Heidelberg, 25. 7. 1556)132. August von Sachsen, ausgestellt für Erasmus von Könneritz auf Lobschwitz, Dr. Franz Kram und Dr. Laurentius Lindemann (Dresden, 31. 7. 1556)133. Joachim II. von Brandenburg, erste Instruktion, ausgestellt für Graf Wilhelm von Honstein und Dr. Andreas Zoch (Cölln/Spree, 6. 6. 1556)134; zweite Instruktion, ausgestellt für Dr. Christoph von der Strass und Dr. Kaspar Witterstadt (Cölln/Spree, 1. 11. 1556)135.
Geistliche Fürsten: Michael von Salzburg, lediglich Auszug aus der Instruktion zur Reichstagssession, ohne Nennung der Gesandten (11. 8. 1556)136. Sigismund von Magdeburg, ausgestellt für die Gesandten (Cölln/Spree, 1. 3. 1557)137. Deutschmeister Wolfgang Schutzbar, ausgestellt für Heinrich von Bobenhausen, Komtur zu Frankfurt, Kanzler Gregor Spieß und Dr. Thomas Mayerhofer sowie die Sekretäre Job Winecker und Joachim Frey (Mergentheim, 21. 10. 1556)138. Rudolf von Speyer, ausgestellt für Dr. Wendel Arzt (Udenheim, 6. 8. 1556)139. Leo von Freising, ausgestellt für Kanzler Dr. Markus Tatius (Freising, 9. 10. 1556)140. Wolfgang von Passau, ausgestellt für Domherr Dr. Lorenz Hochwart, Hofmeister Karl von Fraunberg und Pelagius (Poley) Probst (Passau, 8. 12. 1556)141. Für Melchior von Würzburg ist eine instruktionsähnliche Weisung überliefert, die als Ersatz für eine regelrechte Instruktion diente142. Für Otto von Augsburg konnte nur ein von Dr. Konrad Braun konzipiertes Gutachten als Vorarbeit für die Instruktion aufgefunden werden, das sich auf die Religionsfrage beschränkt (Dillingen, 31. 1. 1556)143.
Weltliche Fürsten144: Ottheinrich von Pfalz-Neuburg, ausgestellt für Hans Kraft von Vestenberg und Georg Fröhlich (Neuburg, 13. 8. 1556)145. Johann Friedrich d. M., Johann Wilhelm und Johann Friedrich d. J. von Sachsen-Weimar, ausgestellt für Eberhard von der Tann, Dr. Heinrich Schneidewein und Dr. Lukas Tangel (Weimar, 31. 5. 1556)146; dazu eine ergänzende Weisung mit Bezugnahme auf die Instruktion (Reinhardsbrunn, 25. 7. 1556)147. Heinrich II. von Braunschweig-Wolfenbüttel, ausgestellt für Veit Krummer (Wolfenbüttel, 20. 11. 1556)148. Franz Otto von Braunschweig-Lüneburg in Lüneburg, erste Instruktion, ausgestellt für den dänisch-holsteinischen Rat Dr. Johann Straube (o. O., 14. 3. 1556). Da die Herzöge von Holstein den Reichstag nicht beschickten149, wurde die Instruktion umformuliert und ausgestellt für den pommerischen Gesandten Dr. Laurentius Otto (o. O., 3. 2. 1557)150. Christoph von Württemberg, Haupt- und Nebeninstruktion, ausgestellt für Severin von Massenbach und Lic. Balthasar Eislinger (Stuttgart, 2. 6. 1556)151. Wilhelm von Jülich, ausgestellt für Hofmeister Wilhelm von Neuhofen, genannt Ley, und Heinrich von der Reck (Düsseldorf, 15. 2. 1556)152. Philipp von Hessen, ausgestellt für Burkhard von Kram und Dr. Jakob Lersner (Kassel, 12. 5. 1556)153. Barnim und Philipp von Pommern, gemeinsame Instruktion, ausgestellt für Dr. Laurentius Otto und Henning von Wolde (Stettin, 8. 6. 1556)154. Johann Albrecht von Mecklenburg, ausgestellt für Dr. Karl Drachstedt, Andreas Buggenhagen, Hauptmann zu Fürstenberg, und Sekretär Andreas Höe (Schwerin, 5. 6. 1556)155. Karl von Baden, ausgestellt für Christoph Landschad von Steinach [zu Gondelsheim] (o. O., 24. 11. 1556)156.
Reichsgrafen und Grafenkollegien: Wolf von Maxlrain, Freiherr von Hohenwaldeck, ausgestellt für Georg Kugler, Richter in der Hft. Waldeck, oder dessen substituierten Anwalt (o. O., 30. 9. 1556)157. Wetterauer Grafen, ausgestellt für Johann Lieberich von Kröffelbach und Mag. Johann Beuter (o. O., 29. 2. 1556)158. Fränkische Grafen, ausgestellt für Lic. Jakob Plattenhardt (Speckfeld [Markt Einersheim], 23. 5. 1556)159.
Reichsstädte: Augsburg, ausgestellt für den Gesandten [M. Zimmermann] (25. 8. 1556)160. Frankfurt, ausgestellt für den Gesandten [A. zum Jungen] (23. 12. 1556)161. Straßburg, ausgestellt für Hans von Bersch (Bers), Altammeister, und Syndikus Mag. Jakob Hermann (25. 7. 1556)162. Nördlingen, ausgestellt für Hans Röttinger, alter Bürgermeister, und Kilian Reichard, Ratsmitglied, nominell für den Städtetag, aber mit Vorgaben auch für den Reichstag (22. 12. 1556)163. Für die Stadt Nürnberg konnte keine Instruktion aufgefunden werden. Die Gesandten Tetzel und C. F. Gugel forderten sie im Bericht vom 22. 11. 1556 dringend an, woraufhin der Rat am 23. 11. ein Gutachten der Rechtsgelehrten beauftragte164. Auch die Instruktion der Stadt Ulm liegt nicht vor. Sie war, wie ihre Billigung im Rat am 2. 12. 1556 zeigt, ausgestellt für Hans Ehinger, alter Bürgermeister, und Jost Weickmann, Ratsmitglied165.
Aufgrund des wiederholten Aufschubs zunächst des Reichstagszusammentritts und sodann der Verhandlungsaufnahme entstanden die Instruktionen in einem relativ großen Zeitraum von Ende Februar bis Ende Dezember 1556. Die früh formulierten Direktiven sind Ständen zuzuordnen, die auch am Vergleichstag im Markgrafenkrieg166 mitwirkten und ihre Gesandten deshalb bis Anfang März abzuordnen hatten. Eine zweite Gruppe, datierend von Mitte Mai bis Anfang Juni, ging vom Eröffnungstermin 1. 6. 1556 aus. Die dritte und größte Gruppe entstand erst nach der Eröffnung des Reichstags am 13. 7. Nur diese Instruktionen konnten auf die Proposition zurückgreifen und die Vorgaben für die Gesandten daran ausrichten. Dies galt neben der Landfriedensfrage (3. HA) besonders für die Türkenhilfe (2. HA): Hier konnten die späten Instruktionen zur konkreten Forderung in der Proposition Stellung nehmen, während die früher formulierten Direktiven zwar von der Thematisierung der Türkenfrage ausgingen, die genauere Festlegung durch den König aber nicht kannten. Hingegen spielte beim Religionsvergleich (1. HA) und dem Reichsmünzwesen (5. HA) der Entstehungszeitraum der Instruktion kaum eine Rolle, da wegen der bindenden Vorgaben infolge der Vertagung dieser Artikel im Reichsabschied 1555 die Themenstellung feststand und in der Proposition nicht mehr verändert wurde. Andererseits bedingte die lange Verzögerung des Reichstags bei den frühen Instruktionen Rückfragen der Gesandten wegen zwischenzeitlicher Entwicklungen167 sowie aktualisierende Weisungen168. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Reichsstände 1556 auch in der frühen Phase die zentrale Reichstagsthematik aufgrund der Anknüpfung an die Festlegungen im Reichsabschied 1555 besser einzuschätzen wussten als bei anderen Reichsversammlungen, wo sie die erwarteten Absichten des Reichsoberhauptes den meist nur vagen Informationen im Ausschreiben entnehmen mussten169.
Wie bei anderen Reichstagen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts korreliert auch 1556/57 die Ausdifferenzierung der Instruktion mit dem Rang des jeweiligen Reichsstandes: Die Kurfürsten und einige Mitglieder des Fürstenrates instruierten relativ detailliert, andere und insbesondere die Grafen sowie die Städte gaben abgesehen von eigenen Belangen überwiegend nur den Anschluss an andere Stände oder Ständegruppierungen vor. Allerdings sind für die Fürstenkurie erhebliche Unterschiede zu beobachten: Während eine Gruppe ihre Vertreter nur pauschal anwies – dazu gehörten Baden-Durlach (Anschluss an Sachsen und Württemberg), Franz Otto von Braunschweig (Anschluss an die Mehrheit), Mecklenburg (ebenso, daneben Absprache mit Pommern), der Bischof von Passau (Anschluss an Salzburg als Metropolit sowie an Bayern und Österreich) und der Deutschmeister –, instruierten andere Fürsten wie Heinrich von Braunschweig, Hessen, Pommern, Pfalz-Neuburg, Sachsen-Weimar und Württemberg oder die Bischöfe von Freising und Speyer sehr differenziert.
In die folgende Auswertung der Instruktionen werden nur die eigentlichen Themen des Reichstags einbezogen. Unberücksichtigt bleiben Privatsachen oder besondere Anliegen einzelner Stände, pauschale Aufträge zum Anschluss an eine Mehrheit sowie die vielfach enthaltene Anweisung, die Absenz des Kurfürsten oder Fürsten zu entschuldigen.
1) Religionsvergleich: Obwohl der Reichsabschied 1555 dem Reichstag 1556 nach Möglichkeit bereits die Führung der theologischen Hauptberatungen zur Vergleichung vorgab170, beschäftigte sich der Großteil der Instruktionen nur mit der Festlegung eines Vergleichsforums. Die geistlichen Stände waren sich einig, dass dafür einzig ein Generalkonzil infrage käme, während Nationalkonzil und Kolloquium ausschieden (Kurköln, Bischöfe von Würzburg, Augsburg171, Speyer). Der Reichstag hatte für das Konzil den Veranstaltungsort festzulegen und sich mit den problematischen Gestaltungsmodalitäten zu beschäftigen. Freising sprach sich zwar für das Generalkonzil aus, sah aber aufgrund der aktuellen politischen Umstände und der nicht zu vereinbarenden Konzilsvorstellungen der Glaubensparteien keine Möglichkeit für eine Einberufung. Deshalb sollte man beim Reichstag auf die Religionsdebatte verzichten und strikt auf dem katholischen Bekenntnis beharren. Der Deutschmeister ließ den Vergleichsweg offen. Die Kurmainzer Instruktion gab die Vorlage der Religionsfrage als ersten Punkt der Reichstagsprogrammatik vor. Für Einzelheiten wurden die Gesandten auf eine separate Religionsinstruktion verwiesen, die nicht überliefert ist. Allgemein wollte Kurfürst Daniel alles befördern, was ohne Verletzung des Gewissens möglich war und nicht gegen die Grundsätze der katholischen Religion verstieß. Die theologischen Hauptverhandlungen schon beim Reichstag sprach einzig das Augsburger Gutachten an: Da dafür organisatorisch nur ein Kolloquium infrage kam, war mit dessen Ablehnung die strikte Zurückweisung von Vergleichungsverhandlungen in Regensburg verbunden. Ohnehin sei eine Beschlussfassung ohne die Autorität und Approbation der Kurie nicht möglich. Von den weltlichen katholischen Ständen wies Jülich nur pauschal an, sich für die Behebung der Glaubensspaltung einzusetzen. Heinrich von Braunschweig sprach sich zunächst für ein Nationalkonzil aus, modifizierte dies aber durch den allgemeinen Anschluss an die katholischen Stände.
Auf Seiten der CA-Stände172 stellte Kursachsen die Aufrechterhaltung des Religionsfriedens und die Sicherstellung von dessen weiterer Rechtsgültigkeit unabhängig vom Erfolg der Religionsvergleichung in den Mittelpunkt der Instruktion. Das unbedingte Festhalten am Religionsfrieden bildete hier die Grundlage aller Verhandlungen. Kurbrandenburg schloss sich dem an und wollte sich ohne Garantie des Religionsfriedens an keinen Beratungen zur Türkenhilfe beteiligen. Auch Hessen unterstellte alle Verhandlungen der Prämisse, dass der Religionsfrieden nicht angetastet werde. Das Beharren auf dem Religionsfrieden deutet darauf hin, dass viele Stände die Erfolgschancen für die Behebung der Glaubensspaltung sehr skeptisch beurteilten. Deutlich sprach dies die Kurpfälzer Instruktion an: Man zeigte lediglich eine taktische Verhandlungsbereitschaft, ohne eine Möglichkeit für die Glaubensunion zu sehen, da man ohne Verletzung der Ehre Gottes und des Gewissens nicht „das geringste wort“ der reinen Lehre nachgeben könne. Der einzige Vergleichsweg bestand in der Annahme der CA durch die katholische Seite. Auch die Herzöge von Sachsen wollten auf dem Reichstag nichts akzeptieren, was dem Wort Gottes, der CA und den Schmalkaldischen Artikeln widerspräche, ja sie brachten zum Ausdruck, „mit nimands“ einer Vergleichung, die zwischen „Christus unnd Belial“ ohnehin nicht möglich sei, zu bedürfen, da sie die reine Lehre predigen ließen. Ebenso erwartete Pommern keinen Erfolg, da beide Seiten auf ihren Positionen beharren würden und die CA-Stände nicht vom Befehl Christi abweichen dürften. Ähnlich instruierten Württemberg, Franz Otto von Braunschweig, Mecklenburg und die Stadt Straßburg, jegliche Vereinbarung, die im Widerspruch zur CA stand, strikt zurückzuweisen. Trotz dieser Position war es nicht möglich, die vorgegebenen Religionsberatungen von vornherein abzulehnen. Dies galt auch für die Kurbrandenburger Direktive, die neben Weisungen dafür zusätzlich die Option enthielt, die Religionsfrage auf dem Reichstag nicht zu behandeln, da die problembelasteten Glaubensverhandlungen die rasch erforderliche Türkenhilfe verzögern würden.
Bezüglich der Beratungsform der Religionsfrage insistierten Kursachsen, Kurbrandenburg und Pommern auf der Einrichtung des interkurialen Religionsausschusses, dessen Konstituierung der Passauer Vertrag 1552 ohnehin vorschrieb173. Kurbrandenburg bevorzugte den Ausschuss, da man in den Kurien überstimmt und zu einem Konzil gedrängt werden könnte. Weitgehendes Einvernehmen bestand auf protestantischer Seite darin, dass als Vergleichsforum nur ein Kolloquium infrage käme (Kurpfalz, Kursachsen, Kurbrandenburg, Hessen, Pommern, Wetterauer Grafen, Stadt Augsburg). Selbst wenn dort die Religionsspaltung erwartungsgemäß nicht behoben würde, bestünde doch die Gelegenheit, vom eigenen Glauben Rechenschaft abzulegen, andere für die CA zu gewinnen und deren weitere Verbreitung zu fördern (Kursachsen, Pommern). Hingegen argumentierte Württemberg ausführlich gegen das Kolloquium, da dort, falls es verbindlich sei, das Wort Gottes wie beim Konzil menschlichen Entscheidungen unterworfen werde; bleibe es unverbindlich, ändere sich am derzeitigen Zustand nichts. Aufgrund der Ablehnung des Kolloquiums und des Konzils sah Württemberg als einzigen Vergleichsweg den Anschluss der katholischen Seite an die CA, deren Einzelartikel man erläutern sollte. Einem Vergleich über die Lehre könnten Vereinbarungen über Kirchengebräuche, Zeremonien etc. folgen. General- und Nationalkonzil wurden in den protestantischen Instruktionen entweder gänzlich abgelehnt oder konditioniert zugelassen mit den vielfach wiederholten Bedingungen für ein freies, christliches, unparteiisches Konzil: Keine Fortführung des Tridentinums, keine Präsidentschaft des Papstes, sondern Teilnahme als (beklagte) Partei, Entbindung der Geistlichen vom Eid an den Papst, Dezisivvoten für die protestantischen Deputierten (Kurpfalz/Neuburg, Kursachsen, Kurbrandenburg, Württemberg, Hessen, Pommern). Daneben dienten die Bedingungen und deren als sicher geltende Zurückweisung durch die katholische Seite als Beleg dafür, dass ein Konzil nicht erreichbar sei (Kursachsen, Kurbrandenburg, Pommern, Württemberg). Kurbrandenburg und Pommern wiesen außerdem interimistische Vergleichungen mittels einer Anordnung des Reichsoberhaupts oder in anderweitiger Form zurück.
Die Veranstaltung des Kolloquiums unmittelbar neben dem Reichstag lehnten Kursachsen, Kurbrandenburg und Kurpfalz ab. Hingegen plädierten Pommern und Hessen für die Einberufung des Religionsgesprächs noch in Regensburg. Beide Instruktionen enthielten Vorgaben für die Abordnung der Theologen, die Besetzung des Präsidiums und die Gesprächsdurchführung. Gemäß Pommern sollten die verglichenen Punkte anders als 1541174 mit der Aufnahme in den Reichsabschied rechtsverbindliche Geltung erlangen. Die übrigen Instruktionen beschäftigten sich in ähnlicher Form mit den Modalitäten eines Kolloquiums, das erst nach dem Reichstag zusammentreten sollte. Als Gesprächsgrundlage wurden genannt die Heilige Schrift sowie die Lehren der Kirchenväter (Stadt Augsburg) und der approbierten Hauptkonzilien, soweit sie der Heiligen Schrift entsprachen (Kurpfalz/Neuburg), sowie besonders die Einzelartikel der CA (Kurbrandenburg, Kurpfalz), teils in Verbindung mit der Apologie (Kursachsen). Das Religionsgespräch war paritätisch zu besetzen mit gelehrten und gottesfürchtigen Personen (Kurpfalz) oder daneben mit politischen Räten (Kurbrandenburg). Die Anordnung des Präsidiums blieb meist Kaiser oder König überlassen. Kurpfalz stellte nicht die Hoheit des Standes, sondern Frömmigkeit, Unparteilichkeit und Schriftkenntnis in den Vordergrund und wünschte die Benennung möglichst durch die Reichsstände oder zumindest die Zuordnung reichsständischer Präsidiumsmitglieder. Kursachsen verwies zum gesamten Verfahren auf das Vorbild der Gespräche in Hagenau 1540 und Regensburg (wohl 1541); Pommern nannte neben Regensburg das Wormser Kolloquium 1540/41. Inhaltliche Direktiven für das Kolloquium gab die Instruktion Kurpfalz/Neuburg vor: Demnach sollten die eigenen Theologen keine Zugeständnisse in der Lehre machen, sondern auf der CA beharren in der Hoffnung, dass die Gegenseite sie als dem Wort Gottes gemäß anerkennen und von ihrem Irrtum ablassen würde. Des Weiteren sei beim Kolloquium die Freistellung oder zumindest die Aufhebung des Geistlichen Vorbehalts175 anzustreben.
Letztgenannter Punkt bildete auch für den Reichstag den Ausgangspunkt der gesamten Kurpfälzer Konzeption: War die Sicherstellung des Religionsfriedens der Kernpunkt der kursächsischen Instruktion, so stand dem gegenüber für Kurpfalz die Freistellung an erster Stelle. Die Gesandten hatten sich ‚vor allem anderen‘ um die Freistellung der Religion in der Form zu bemühen, „das zu gleich den stennden und underthonen, von was wirden oder wesens auch die weren, unbenommen, sonnder frey steen sollt, sich zu ainer oder der andern religion, wie die in jungstem reichsabschid zugelassen sind, zubegeben, gantz und gar one ainige privation, entsetzung oder einziehung desselben stannds zuvor gehabter digniteten, ehrn, würden, auch beneficien, pfrunden, guter, hab und narung oder auch, dz yemands deßwegen infamiert, an leyb oder gut angegriffen, vertrieben oder sonnst in andere weeg beschwerdt unnd belaidigt wurde“176. Besagt dies die Religionsfreiheit für alle Untertanen, so deutet die ebenfalls gültige Pfalz-Neuburger Instruktion darauf hin, dass es Kurfürst Ottheinrich im Grunde nur um den einseitigen Glaubenswechsel katholischer Untertanen zur CA ging. Sie enthielt die Maßgabe, beim Kolloquium nach dem Reichstag im Zusammenhang mit dem ius emigrandi anzustreben, dass „nicht allain allen unnderthanen teutscher nation, sy weren unnder der röm. ksl. oder kgl. Mt. erblannden unnd sonnsten den stennden der widerwertigen religion gesessen, die freie bekanntnus, sonnder auch unverenndert irer heuslichen wonung unbeschwert gelitten unnd dz predig ambt der justification den pfarrherrn frey gestattet unnd gelassen wurde“177. Auch die in der Kurpfälzer Direktive folgende Anweisung, neben der umfassenderen Freistellung als kleinere Lösung die Streichung des Geistlichen Vorbehalts einzufordern, da es „unchristlich“ sei, den „den waren und rechten schäfflin Christi“‚ die sich zur rechten Lehre bekennen, Einkommen und Ehre zu entziehen und jenen zu übergeben, „so der wahren religion zu wider“, lässt vermuten, dass Ottheinrich trotz der Vorgabe der Universalfreistellung die Religionsfreiheit nur für katholische Untertanen anstrebte178. Vor der Klärung der Freistellung sollten die Gesandten als striktes Junktim keinerlei anderweitige Verhandlungen zulassen, auch nicht zum Religionsvergleich. Am nachhaltigsten unterstützte Württemberg die Kurpfälzer Konzeption. Die Instruktion legte ihren Schwerpunkt auf die Aufhebung des Geistlichen Vorbehalts, indem sie die 1555 vorgebrachten Gegenargumente wiederholte und ihn als Hindernis für erfolgreiche Vergleichsverhandlungen darstellte, da er den geistlichen Ständen ihre freie Stimme vorenthalte. Deshalb war die Streichung oder zumindest die Suspendierung des Geistlichen Vorbehalts bis zur Religionsvergleichung anzustreben. Erreichte man beides nicht, sollten die CA-Stände erklären, dass sie gegen keinen geistlichen Stand, der den Glauben wechseln und sein Hochstift behalten wolle, vorgehen, sondern ihn vielmehr schützen würden. Mit der Forderung zu verbinden war die Zusage, in den Hochstiften keine erbliche Nachfolge zuzulassen und das Wahlrecht der Kapitel nicht anzutasten. Schließlich stellte die Instruktion für die ebenfalls geforderte Reformierung der Stifte und Klöster die Einräumung der 1555 aufgehobenen geistlichen Jurisdiktion in Aussicht. Pommern wollte für die Streichung des Geistlichen Vorbehalts wie Württemberg das strikte Profanierungsverbot der Hochstifte zusagen. In einem zweiten Schritt sollte man die Glaubensfreiheit für alle „privat personen“ erstreben, die hier eindeutig auf katholische Untertanen limitiert blieb. Auf beide Forderungen wollte Pommern jedoch verzichten, falls Kaiser oder König dadurch veranlasst würden, den Religionsfrieden aufzuheben. Auch Kurbrandenburg wollte die Debatte um den Geistlichen Vorbehalt nur unterstützen, falls damit weder der Religionsfrieden infrage gestellt noch die Türkenhilfe behindert würde. Noch vorsichtiger agierte Hessen in Absprache mit Kursachsen: Könnte die Aufhebung des Geistlichen Vorbehalts nicht unmittelbar durchgesetzt werden, sollte man darauf verzichten, um den Religionsfrieden nicht anzutasten. Am entschiedensten stellte sich Kursachsen den Kurpfälzer Absichten entgegen: Die Gesandten erhielten den Auftrag, den Widerstand Kurfürst Augusts beim Reichstag 1555 gegen den Geistlichen Vorbehalt zu betonen. Da ein fortgesetzter Widerspruch den unter größten Mühen erreichten Religionsfrieden gefährden würde und ein neuerlicher Misserfolg der Aufhebungsforderung als Anerkennung der Konstitution interpretiert werden könnte, sollte der Geistliche Vorbehalt bei diesem Reichstag nicht angesprochen werden.
Als weiterer Aspekt des Religionsfriedens kam in den Instruktionen der Reichsstädte Frankfurt, Straßburg und Ulm jeweils als Hauptanliegen die Aufhebung des Städteartikels179 zur Sprache, da er ihnen das ius reformandi vorenthalte, sie gegenüber anderen Reichsständen benachteilige und grundsätzlich im Widerspruch zur Reichsstandschaft der Städte stehe.
Nachdem die protestantischen Tagungsprojekte vor dem Reichstag gescheitert waren, sollten alle Themen zum Religionskomplex in Regensburg in internen Verhandlungen geklärt werden, um in den Kurien geschlossen auftreten zu können. Die Kurpfälzer Gesandten erhielten den Auftrag, hierin die Initiative zu ergreifen. Ebenfalls an die internen Beratungen verwiesen wurden die Deputierten Kursachsens, Kurbrandenburgs, Sachsen-Weimars, Mecklenburgs, Württembergs und der Wetterauer Grafen. Die Instruktionen von Kurpfalz, Pommern und Sachsen-Weimar enthielten darüber hinaus Vorgaben für die Beilegung der innerprotestantischen Lehrdifferenzen.
2) Reichsmünzordnung: In der Haltung gegenüber der Reichsmünzordnung von 1551, dem zweiten Hauptartikel, den der Reichsabschied 1555 an den Reichstag 1556 verwiesen hatte, wiederholten die Instruktionen die bis dahin gültigen Positionen: Die rheinischen Kurfürsten beharrten wie 1555 als Voraussetzung für die Anerkennung der Reichsmünzordnung auf der Aufnahme ihrer Ausnahmen vom System der Doppelwährung, in denen sie nur Goldgulden akzeptieren wollten180. Kurpfalz verlangte daneben eine nochmalige Durchsicht der gesamten Ordnung durch Sachverständige auf einem Reichsmünztag, um weitere Einzelpunkte zu revidieren. Kursachsen bestand wie 1555 auf dem grundsätzlichen Protest gegen die Ordnung. Kurbrandenburg und Pommern betonten, dass der König den Vorbehalten der rheinischen Kurfürsten beim Reichstag 1555 bereits abgeholfen habe181, und forderten deshalb die allgemeine Annahme und den strikten Vollzug der Ordnung. Diese Position – Annahme der Ordnung von 1551 und mit Strafen zu sanktionierender Vollzug, um ein einheitliches Reichsmünzsystem zu gewährleisten –, findet sich in den Instruktionen weiterer Mitglieder des Fürstenrats (Jülich, Heinrich von Braunschweig, Bischöfe von Freising und Speyer, Deutschmeister) und von Reichsstädten (Augsburg, Frankfurt, Ulm). Hessen wollte die Ordnung akzeptieren, falls die Leistung des Rheinzolls (zu St. Goar) in Goldgulden gesichert werden könne. Die Anerkennung der Münzordnung im Burgundischen Kreis setzten Kurköln und Jülich für den eigenen Vollzug voraus. Sachsen-Weimar machte die Akzeptanz wegen der engen territorialen Verbindungen vom Verhalten Kursachsens abhängig. Als Einzelpunkte wurden angeregt: Verbot, das Münzregal zu verleihen oder zu verkaufen (Kurpfalz/Neuburg, Stadt Straßburg); Verbot des Einschmelzens und der Ausfuhr von Reichsmünzen; Maßnahmen gegen überhöhte Zinsen (Kurpfalz/Neuburg und Württemberg; dort in Verbindung mit der Forderung, alle Juden wegen Zinswuchers aus dem Reich auszuschaffen); Maßnahmen gegen Monopolisten, die mit Darlehen gegen Verschreibungen auf Bergwerke Kaiser, König und Fürsten als Bergwerksherren zwingen würden, Gold und Silber ins Ausland zu verkaufen, um den Gewinn zu erhöhen (Kurpfalz/Neuburg).
3) Türkenhilfe: Die früh formulierten Instruktionen bezogen sich in diesem Punkt auf das von Ferdinand I. in der Werbung im Januar 1556 erbetene Gutachten zur Frage, ob er Siebenbürgen entsprechend der Forderung des Sultans an Johann Sigismund Szapolyai übergeben sollte. Kurmainz instruierte sehr vorsichtig für die Empfehlung, dem nachzukommen, also auf ein Engagement des Reichs zu verzichten. Die Gesandten durften dies weder eigeninitiativ noch eine Mehrheit herbeiführend vorbringen. Falls der König Siebenbürgen nicht abtreten wollte, sollten sie eine Reichshilfe nicht verweigern, aber auf einer erschwinglichen Höhe beharren. In jedem Fall zu verhindern war die Einbeziehung des Reichs in Tributzahlungen an den Sultan. Ähnlich vorsichtig wies Hessen die Deputierten an, eine offene Stellungnahme zu umgehen (so auch Sachsen) und es bei einer Mehrheit bewenden zu lassen. Eine allgemeine Türkenhilfe für den Schutz der Grenze war hingegen zu befürworten, eine Offensivaktion abzulehnen. Offener riet Pommern, Siebenbürgen im Zusammenhang mit einem türkischen Waffenstillstand Szapolyai als Zugeständnis zu überlassen. Ebenso empfahl die Stadt Straßburg eine Verhandlungslösung.
Die grundsätzliche Berechtigung der in der Proposition konkretisierten Steuerforderung Ferdinands erkannten die meisten Instruktionen an. Die Stände waren mehrheitlich bereit, eine Reichshilfe mitzutragen oder zumindest nicht abzulehnen, wenngleich sie meist die stereotypen Gegenargumente (Schädigung und Verarmung von Ständen und Untertanen durch innere Kriege und Kriegszüge sowie anderweitige Landfriedensbrüche; die vielfach erhobenen Reichssteuern) ins Feld führten. Diese allgemeine Zusage enthielten die Direktiven von Kurmainz, Kurköln, Sachsen-Weimar, Mecklenburg, Hessen, Jülich, Passau, Heinrich von Braunschweig, Pommern (nur bei einem türkischen Hauptzug und mit vielen Bedingungen), Magdeburg, des Deutschmeisters sowie der Städte Augsburg, Nördlingen, Straßburg und Frankfurt (bei ermäßigter Höhe und Sicherstellung der Steuergerechtigkeit). Würzburg wollte den Antrag des Königs nicht behindern, konnte die Steuer aufgrund der Schädigung im Markgrafenkrieg jedoch nicht leisten. Deshalb sollten die Gesandten zusammen mit Bamberg mit den königlichen Kommissaren vereinbaren, dass sie die Gesamtforderung unterstützten, selbst aber nur den halben Beitrag leisten müssten. Andernfalls wollte man auf das laufende Moderationsverfahren verweisen182.
Am nachdrücklichsten trat Kursachsen für eine Türkenhilfe ein, die wegen der akuten Bedrohung als wichtigster Punkt des Reichstags neben der Religionsfrage im Ausschuss sofort parallel in den Kurien zu beraten sei. Wegen der Erfolglosigkeit der bisherigen eilenden Hilfen sollten die Gesandten für eine effektivere beharrliche, auf mehrere Jahre veranschlagte Unterstützung votieren, um damit eine beständige Grenzsicherung zu gewährleisten. Doch war eine eilende Hilfe nicht zu verweigern, falls der König sie beantragte und die Ständemehrheit sie bewilligte. Kurbrandenburg schloss sich Kursachsen darin an, dass nur ein beharrlich finanzierter Widerstand Erfolg verspräche. Sachsen-Weimar kritisierte die Ineffektivität der bisherigen eilenden Hilfen und riet vorrangig zu einem Friedensschluss mit den Türken, um die nicht erschwingliche Forderung in der Proposition umgehen zu können. Daneben sei zu klären, was die Untertanen in Ungarn abgesehen von der Bitte um die Zulassung der CA zum Aufstand bewegt habe. Falls die Darstellung der Türkennot aber der Wahrheit entsprach, wollten die Herzöge eine Steuer ebenfalls in beharrlicher Form zugestehen. Die Württemberger Instruktion entwarf aufgrund der erwiesenen Erfolglosigkeit bisheriger Reichshilfen ein Konzept für die Finanzierung eines Reichsheeres von 24 000 Mann mit zugehörigem Geschütz183. Mit diesem Heer sollten zusammen mit dem Aufgebot des Königs von 15 000 Mann und mit Unterstützung anderer Potentaten gleichzeitig zwei Türkenzüge nach Ofen und Pest sowie nach Siebenbürgen unternommen werden. Am restriktivsten zeigte sich Kurfürst Ottheinrich von der Pfalz: Während die frühe Instruktion für Pfalz-Neuburg noch die grundsätzliche Bereitschaft zur Hilfe, wenn auch in möglichst geringer Höhe, vorgab, revidierte die Heidelberger Direktive dies dahingehend, dass die Gesandten unter Berufung auf die Verarmung der Untertanen und das unzureichende Kammergut in eine Türkenhilfe „mit nichten gehellen, sonnder sych derselben genntzlich waigern“ sollten. Lediglich falls ein Hauptzug des Sultans nach Ungarn feststünde, könne jeder Reichsstand seine Hilfe in Truppen auf den einfachen Romzug schicken.
Die Leistungsform der Reichshilfe erwähnten nur wenige Instruktionen. Die Stadt Straßburg sprach sich für die Erbringung als Truppenhilfe aus, weil damit mehr erreicht werden könne als mit Geldzahlungen. Auf das gleiche Argument griff Kurpfalz für seine limitierte Bewilligung zurück, ergänzt um die Unterstellung, der König würde eine Geldsteuer überwiegend für andere Zwecke verwenden. Auch Sachsen-Weimar sah bei der Truppenstellung den Vorteil, dass die Söldner im Fall eines missbräuchlichen Einsatzes etwa gegen die CA-Stände abgezogen werden könnten. Dennoch plädierte die Instruktion aus organisatorischen Gründen für eine Steuer. Ebenso sprach sich Kursachsen für die leichter zu koordinierende Geldhilfe aus.
Mehrere Instruktionen machten die Beilegung der aktuell nicht gelösten Konflikte im Reich (Katzenelnbogener Erbfolgestreit, Nachwirkungen des Markgrafenkriegs) zu einer Vorbedingung für die Steuerleistung, um zu gewährleisten, dass die Stände Geld und Söldner nicht für die eigene Sicherung benötigten (Kurpfalz, Kurmainz, Hessen, Heinrich von Braunschweig, Pommern). Am deutlichsten verband Kurbrandenburg eine Lösung des markgräflichen Konflikts durch den König explizit zugunsten des Hauses Brandenburg mit der Steuerzusage. Mecklenburg und die Stadt Straßburg setzten in diesem Zusammenhang eine Friedensgarantie für die CA-Stände voraus. Daneben wurde die Einbeziehung auswärtiger Potentaten in die Türkenabwehr teils als Vorbedingung der eigenen Bewilligung, teils als Zusatz gefordert, da ein Erfolg versprechender Feldzug allein durch das Reich nicht möglich schien (Kurmainz, Kurbrandenburg, Pommern, Städte Frankfurt und Straßburg).
Die Steuerhöhe wurde in nur wenigen Instruktionen thematisiert. Einige Vertreter erhielten den Auftrag, für eine möglichst niedrige bzw. erschwingliche Steuer (Kurmainz, Sachsen-Weimar, Städte Augsburg und Straßburg) zu votieren und wegen der Höhe um Weisung nachzufragen (Wetterauer Grafen184). Ansonsten nannte Kurpfalz etwas unbestimmt den einfachen Romzug. Der Bischof von Speyer wollte versuchen, die Forderung Ferdinands von acht doppelten auf acht einfache Römermonate zu vermindern, während Hessen vier bis fünf Römermonate vorgab. Bezüglich der Steuerform bevorzugten Kurbrandenburg, der Bischof von Passau und Franz Otto von Braunschweig den Gemeinen Pfennig: Er sei gegenüber der Reichsmatrikel die leichter zu erhebende, gerechtere sowie für Stände und Untertanen tragbarere Steuer. Hingegen belaste die Matrikel die Stände ‚ungleich‘, wie die zahlreichen Moderationsgesuche belegten. Die Gegenposition vertrat Kurmainz mit dem Vorwurf, der Gemeine Pfennig bedinge viele Steuerungerechtigkeiten. Es beharrte deshalb ebenso auf der Veranschlagung nach der nicht moderierten Matrikel wie Kursachsen und die Stadt Augsburg. Jülich und Mecklenburg dagegen wünschten die Erlegung nach der moderierten Matrikel.
Mehrere Instruktionen äußerten sich zur Steuerverwaltung und -verwendung. Überwiegend wurde die Bestallung eines Generalobersten oder von Kriegsräten vorgeschlagen (Kursachsen, Kurbrandenburg, Baden-Durlach). Besonders Sachsen-Weimar bestand auf einer strengen Steueraufsicht, um einen Einsatz gegen die CA-Stände zu unterbinden. Weitere Punkte betrafen spezielle Belange einzelner Stände wie das Problem der Doppelbesteuerung der in Österreich begüterten Bischöfe (Freising, Passau) oder des Steuerzugriffs auf exterritoriale Güter bei der Umlegung auf die Untertanen (Deutschmeister).
4) Exekutionsordnung, Landfrieden: Die Instruktionen betonten wiederholt, dass die gesetzlichen Vorgaben der Exekutionsordnung ausreichten, der Vollzug aber zu verbessern und mit entsprechenden Maßnahmen sicherzustellen sei (u.a. Würzburg, Stadt Frankfurt). Ansonsten sollten die Gesandten je nach Kreiszugehörigkeit den erfolgten Vollzug im eigenen Bezirk darlegen und die Umsetzung in anderen Kreisen anmahnen (Kursachsen, Kurbrandenburg, Sachsen-Weimar, Deutschmeister) oder rechtfertigen, dass man den eigenen Verpflichtungen im Kreis nachkomme (Bischöfe von Freising und Speyer, Stadt Augsburg). Heinrich von Braunschweig legte wegen des Ausschreibestreits mit dem Erzbischof von Magdeburg185 großen Wert auf diesen Punkt und ließ darlegen, dass der Vollzug im Niedersächsischen Kreis am Erzbischof scheitere. Die Stände aus dem Oberrheinischen Kreis waren gehalten, die dortigen Probleme (Oberstenwahl)186 vorzubringen und eine Lösung zu ermöglichen (Hessen, Wetterauer Grafen, Stadt Straßburg).
5) Reichskammergerichtsordnung: Die Instruktionen bezogen sich je nach Datierung auf vermutete Themen im Anschluss an den Reichstag 1555 oder auf den Visitationsbericht vom Mai 1556 und die darin festgestellten Mängel. Allgemeine Verbesserungen auf dieser Grundlage forderten Kurbrandenburg und der Bischof von Speyer. Als Einzelpunkte wurden angesprochen: Regelung der Finanzierung mit dem Kammerzieler (Kurmainz) oder ohne Belastung der Reichsstände (Kurköln, Jülich, Bischof von Speyer); qualifiziertere Besetzung mit erfahrenen und gelehrten Juristen (Kurköln, Kurpfalz/Neuburg, Pommern); Besetzung nur durch Obrigkeiten, die sich der Reichsjustiz unterstellen (Jülich); bessere Besoldung der Assessoren, um die Verweildauer am Gericht zu erhöhen (Pommern, Bischof von Speyer); Erhöhung der Anzahl der Assessoren (Freising) oder befristete Anstellung außerordentlicher Assessoren (Pommern). Konkrete Mängel benannten Kurpfalz/Neuburg (Pfändung, Landfriedensprozesse gegen Reichsstände, überhöhte Taxen) und Württemberg (Pfändung, übereilte Erklärung in die Reichsacht, Mängel in der Kammergerichtskanzlei). Einen Schwerpunkt in den Instruktionen der CA-Stände bildete der Vollzug des Religionsfriedens am Gericht bei der Besetzung, der Vereidigung des Personals und der Rechtsprechung (Kurpfalz/Neuburg, Kursachsen, Kurbrandenburg, Hessen, Sachsen-Weimar).
6) Session und Vorrang: Die Vorgaben hierzu beschränkten sich auf die vom Rangstreit betroffenen Häuser im Fürstenrat, deren Instruktionen die Session häufig als ersten Punkt behandelten. Ausführlich regelten Salzburg und Magdeburg die Gestaltung der Rangfolge unter sich und mit Österreich. Daneben ging es um den Rangstreit der Häuser Bayern, Pfalz, Sachsen (Instruktionen Pfalz-Neuburg und Sachsen), der Pfalz-Neuburg zum gänzlichen187 und Sachsen-Weimar zum vorübergehenden Sessionsverzicht188 veranlasste, sowie der Häuser Mecklenburg, Jülich, Baden, Hessen, Pommern189 und Württemberg (mit Ausnahme Württembergs in allen Instruktionen enthalten). Von den Bischöfen erteilten Passau, Speyer und Freising Vorgaben zur Session. Die Wetterauer Grafen ordneten die alternierende Rangfolge mit den schwäbischen Grafen an, falls für diese ebenfalls nur Gesandte am Reichstag teilnähmen. Die Instruktion der fränkischen Grafen beschränkte sich weitgehend auf die Durchsetzung und Wahrung des Sessionsanspruchs beim Reichstag190.
Neben den bisher genannten Themen gehörte die Wiedergewinnung verlorenen Reichsgebiets zum Standardprogramm der Reichstage seit der Mitte des 16. Jahrhunderts191. Von den Instruktionen regten 1556 Kurköln, Jülich und Pommern die Restitution der an Frankreich verlorenen Gebiete im Zusammenhang mit der Friedensvermittlung zwischen Kaiser Karl V. und König Heinrich II. sowie der Anhörung einer etwaigen französischen Gesandtschaft beim Reichstag an. Als Spezifikum sprach allein die Kurpfälzer/Neuburger Instruktion eine nochmalige Vorlage der Passauer Gravamina192 an: Sie kritisierte, dass diese trotz der 1555 unterbliebenen Klärung weder im Reichsabschied 1555 noch in der aktuellen Proposition erwähnt würden, und forderte, in Kooperation insbesondere mit den weltlichen Kurfürsten ihre Behebung anzustreben.