Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Kurfürstentag zu Regensburg 1575 bearbeitet von Christiane Neerfeld

Eröffnungsrede Hg. Albrechts von Bayern. Verlesung der ksl. Proposition. Persönliche Ansprache des Ks. Zusage kfl. Beratungen.

/94'/ (Vormittag, 7 Uhr) Rathaus. Kff. und Pfgf. Ludwig warten in einem andern gemach nechst dem saal auf die Ankunft des Ks. a

Ungeferlich zwischen 8 und 9 uhrn seindt ire Mt. personlich neben herzogk Albrechten von Beyern etc.1 auch hinauf auf das rathauß in obbemelt gemach kommen. Seindt die churfursten und pfalzgraff Ludewig irer Mt. vor das gemach entgegen gegangenb; und wie ire Mt. in das gemach gegangen, ist der herzogk von Beyern voran und nachdeme der churfurst zu Brandemburgk und pfalzgraff Ludewig gegangen, denen Trier und Cöln gefolget. Darnach die ksl.Mt., welche Meintz und Sachssen geleitet, und sonderlich Sachssen biß an den stuel. Da haben sich ire Mt. uf den stuel gesezt. Kegen irer Mt. gerade uber, auf einen sonderlichen stuel, hatt sich Trier gesezt. /95/ Irer Mt. nechst zur rechten handt hatt sich der churfurst zu Meinz und nechst demselben pfaltzgraff Ludewig gesezt. Irer Mt. zur lincken handt hatt sich erstlich der churfurst zu Cöln, darnach der churfurst zu Sachssen und dann neben deme zulezt der churfurst zu Brandenburgk gesezt. Und seindt die keiserlichen und churfurstlichen rethe und diener den herrn kegen uber zum gesichte nach der thure warts gestanden.

Da ist herzogk Albrecht von Beyern auf ein seite, doch kegen die ksl.Mt. und churfursten getreten und inn der person angefangen zurehden: Das die ksl.Mt. etc., unser allergnedigster herr, gnedigst gerne gesehen, das die churfursten des Heiligen Reichs auf des churfursten zu Meinzs außschreiben und erfordern2, auch auf irer Mt. sonderbar gnedigsts ersuchen3, sich personlich sowol die churfurstlichen pfalzischen gesantten auf dieser collegial versamlung eingestellet; thetten ire Mt. sich deßen kegen inen semptlich und sonderlich gnedigst bedancken. /95'/ Ire Mt. hetten auch auß sonderm gnedigstem gemute und väterlicher vorsorge vor das Heilige Reich etc., ungeachtet und hindann gesazt dero obligenden leibes schwacheit und ungelegenheit etc., sich gleicher gestalt personlich anhero auf diese collegial versamlung zubegeben nicht underlassen mögen. Und do dann ire Mt. inen, den churfursten, etwas zu des Heiligen Reichs wolfart und besten zu proponiren vorhabens, welche proposition ire Mt. inn ein kurze schrifft verfasst und solchs wolten ablesen lassen, zweifelten ire Mt. nicht und begereten besonders gnedigs und freundlichs fleisses, die churfursten und gesantten wolten darauf, was des Heiligen Reichs wolfart, notturfft und bestes etc., mit sonderlichem ernst und fleiß bedencken, raten und schliessen. Solchs weren ire Mt. inn gnaden hin wieder kegen sie semptlich unnd sonderlich zuerkennen geneigt unnd erböttigk etc. Darnach hatt sich herzogk Albrecht zu Beyern am selben ort, da er gestanden, auf eine banck niedergesezet.

Verlesung der ksl. Proposition4 durch Andreas Erstenbergerc.

/96/ Nach abgelesener proposition hatt die ksl.Mt. selbst vast beweglich anfangen zurehden, ungeferlich also: Die churfursten und gesantten hetten gehöret, auß was ursachen diese collegial versamlung angestellet, alß das es des Heiligen Reichs hohe notturfft erforderte etc. und das ire Mt. bei dieser irer augenscheinlichen obliegenden leibes schwacheit und ungelegenheit gerne uf mittell und wege getrachtet sehen wolten, das bei irer Mt. leben ein gewisses heupt, so irer Mt. am Heiligen Reich succedirte, erwelet werden [möchte], damit nach irer Mt. abgange (welchs inn des allmechtigen henden stunde) derwegen soviel weniger uneinigkeit, trennungk und unruhe im Heiligen Reich entstehen möchte. Ire Mt. hetten sich die zeit hero nach allem vermugen des Heiligen Reichs und der churfursten, fursten und stende wolfart höchstes fleisses und mit sonderlicher väterlicher sorgfeltigkeit angelegen sein und inn deme sich keiner muhe und arbeit tawren lassen. Nu aber were irer Mt. langkwirige und unaufhörliche leibes schwacheit /96'/ und unvormugenheit5, ja auch des Heiligen Reichs umbher zustehende gefahr6 vor augen und kundtlich, köntten derwegen numehr weiter nicht wol vort, wolten doch weiter zuthun nicht underlassen, was ir nur immer muglich etc. Darumb gesönnen ire Mt. väterlich und gnedigst, es wolten die churfursten und gesantten inn betrachtung oberzelter umbstende zu vorkommung und abwendung des Heiligen Reichs, unsers geliebten vaterlandts, unheil unnd gefahr hirinne mit rechtem ernst, eyver und fleiß das beste und vortreglichste bedencken, raten und schliessen etc. etc.

Darauf seindt die churfursten semptlich neben pfalzgraff Ludewigen zusamen getreten und sich miteinander inn geheim underrehdet. Darnach haben sie sich und ein jeder wiederumb an seinen ort gestellet, und hatt der churfurst zu Meinz, alß des Hl. Reichs erzcanzler, geantwortet und stehende inn der person zu der ksl.Mt. anfangen zurehden: Er hette neben den andern seinen mittchurfursten und dem pfaltzischen abgesantten nach lengst angehöret, was ire ksl.Mt. erstlich /97/ durch herzogk Albrechten in Beyern anbringen, darnach offentlich verlesen und proponiren lassen, so wol auch ire Mt. selbst allergnedigst mundtlich angezeigt etc., mit kurzer widderholung etc. Der gnedigsten dancksagung ires gehorsamen erscheinens hette es nicht bedurfft, denn sie irer Mt. zu underthenigsten ehren und gehorsam, und dann zu fortsezung des Heiligen Reichs bestes und nuzes etc. gerne ankommen etc. Soviel auch die heuptsache anlangte, were angezogene irer Mt. väterliche sorgfeltigkeit gar hoch nötig etc., wolten sich die auch mit allen trewen neben irer Mt. angelegen sein lassen und seindt erböttigk, irer Mt. auf derselben gnedigst begeren zu underthenigsten gehorsam auf die gethane propositiond alles dz jenige, was dem Heiligen Reich alß dem vaterlande zu wolfart, aufnehmen und gedey, auch abwendung alles unheilß und gefar etc., vortreglich sein magk und sich geburet etc. etc. mit bestem trewen fleiß, ernst und eifer zuberatschlagen, zuthun und zuhandeln etc. etc. Nach diesem ist die ksl.Mt. neben den churfursten widderumb vom rathause anheim nachm losement gezogen etc.e, 7

Anmerkungen

a
 Ks.] Kurpfalz (fol. 6') zusätzlich: Die Kff. hatten den Ks. zuvor fragen lassen, ob sie zu ihrn kfl.Gnn. kommen oder dieselben zu dero gen solten.
1
Laut des Berichts Johann Dreylings an Ehg. Ferdinand II. (Regensburg, 12.10.1575; vgl. Anm.3 bei Nr. 1) war der Ks. in Begleitung seiner Söhne (außer Rudolf) und des Ebf. von Salzburg.
b
 gegangen] Kurpfalz (fol. 6') zusätzlich: Nachdem ihnen von Reichserbmarschall Pappenheim die Ankunft des Ks. angezeigt worden war.
2
Zu den Ausschreiben Kf. Daniels von Mainz vgl. Einleitung, Kap. 2.2.
3
Zu den Werbungen des Ks. um die persönliche Teilnahme der Kff. vgl. Einleitung, Kap. 2.3.
4
Nr. 1.
c
 Erstenberger] Korr. nach Kursachsen (fol. 4') und Kurpfalz (fol. 7). In der Textvorlage abweichend und falsch: Peter Obernburger. In Kursachsen (fol. 5–6) zusätzlich: Inhaltsangabe der Proposition (Nr. 1).
5
Zum Gesundheitszustand des Ks. vgl. Einleitung, Kap. 2.1 mit Anm. 2.
6
Gemeint sind insbesondere die Bedrohung durch die Osmanen (vgl. dazu in Nr. 44 die Proposition Ks. Maximilians II. zur Türkenabwehr und zur Einberufung eines RT), der antispanische Aufstand in den Niederlanden sowie die Religionskriege in Frankreich.
d
 proposition] Kursachsen (fol. 6') zusätzlich: Bitte der Kff. um Abschrift der Proposition.
e
 etc.]Kurpfalz (fol. 7') zusätzlich: Pfälzischer stadhalter unnd Brandenburg vor, Saxen zur seyten ihrer Mt., unnd Meintz, Trier und Cöln ihrer Mt. zum gemach hinaus nachgangen, auch ihrer Mt. biß zu dero losament dz gelaidt geben wollen, deßen sich doch ihre Mt. bedanckt unnd bey dem rhathauß unden uff der gaßen, dahin ihre kfl.Gnn. sie comitirt, die Kff. verlaßen.
7
Dazu Joachim Lindemann an Dr. Anton Wietersheim (Regensburg, 1.11.1575: NLAStA Bückeburg L 1 Nr. 185. Or.): Den eilfftenn Octobris ist alhie auff dem radthause von der wahle eines romischen konigs proponiret; sein hernacher semptliche Kff. etzliche tage nach ein ander umb 7 fruhe biß umb 10 zu radt geritten, nach mittag durch ire vorordnete rathe auch andere sachen furnehmen lassen, wie dan itzo noch teglich nach mittag der rathe bey einander kohmen. Zum Vortrag der ksl. Proposition vgl. auch Dolfin an Gallio (Regensburg, 13.10.1575): Neri, NB III/8, Nr. 156 S. 337–339, hier 338 f.