Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth
Nr. 712 Werbung des ksl. Sekretärs Gabriel Vogt bei den Reichsständen und deren Antwort
[1.] Baldige Ankunft einer eidgenössischen Gesandtschaft; [2.] Neuerliche Rüstungen der Eidgenossen im Dienst des Papstes gegen Mailand; [3.] Plan des Ks. zum militärischen Vorgehen gegen die Eidgenossen; [4.] Schutz der Grenzen; [5.] Aufforderung zur Zahlung ausstehender Beträge des Augsburger Reichsanschlags; [6.] Ersuchen um ständische Ratschläge für den Ks.; [7.] Dessen Verlangen nach Verbleib aller Versammlungsteilnehmer in Überlingen; [8.] Wunsch der Stände nach Vertagung der Beratungen auf einen neuen Reichstag; [9.] Rückverweisung der Frage des Schutzes der Grenzen an den Ks. und seine Berater.
Überlingen, 5. Oktober 1510
Kop.: A) Augsburg, StadtA, Literalien 1510, o. Fol.; B) Nürnberg, StA, Rst. Nürnberg, Ratskanzlei A-Laden Akten 126 Nr. 2, fol. 156a u. b (von der Hand des Nürnberger Gesandten Kaspar Nützel); C) Karlsruhe, GLA, Abt. 50 Nr. 8, fol. 87a u. b (unvollständig).
a–Diß nachfolgend maynung ist von ksl. Mt. wegen durch Gabriel Vogt auf ain credenz b–den stenden des Reichs–b, sovil der beyainander zu Uberlingen versamelt gewest, am sambstag nach Francisci [5.10.10] furgehalten.–a
[1.] c–Item als sein Mt. ir botschaft zu Luzern, hab sein Mt. wissen, das die botschaften von Luzern herus und in zwaien tagen komen werden.–c
[2.] d–Sein Mt. hab auch gewysse kuntschaft, das die Aidgenossen sich wider rüsten, in maynung, der Babstlichen Hlkt. zuzeziehen und Mayland zu uberziehen. Das alles den Venedigern zu hilf beschech, als sy sich vor auch understanden, aber wider hinder sich zu ziehen gedrungen sind.
[3.] Wo nun die Aidgenossen mit solichem furnemen nit stil sten, sonder furfarn, würde sein Mt. sich mit hilf der Kgg. Frankreich, Aragon, Engelland, Hispanien und Ungern, auch der stend des hl. Reichs understen, die Aidgenossen abzudrengen mit der tat, damit sy ires furnemens abgewendt würden, damit Mailand als seiner Mt. lehen, auch ain kamer des hl. Reichs beschirmbt werden mocht.–d
[4.] e–Item das auch davon geredt würd, wie man die grenitzen hierumb fursehen und welcher gestalt die sachen fürzunemen weren.
[5.] Item ob auch etwan do were, der sein anschlag, uf dem reichstag zu Augspurg ausgangen, nit erlegt hette, das derselb seyn Hh. oder freunden von stund an schreiben, das das gelt fuderlich erlegt werde, dann ksl. Mt. vil uf die statt Bern [= Verona] gang, auch fur augen nemen, das die von Bern yetzt ain ritterliche tat mit iren feinden, den Venedigern, furgenomen und inen das geschütz abgedrengt und sy von der statt gewalticlich gedrungen haben, uber das sy inen ain gut tail an der statt beschossen haben.
[6.] Item das die von Ff., Gff., prelaten, auch die von erblanden und die von stetten yeder tail sich underreden und ksl. Mt. iren ratschlag in geschrift stellen und im uberantwurten. So werde er [Gabriel Vogt] von stund an ksl. Mt. die ratschleg uberantwurten.
[7.] Sein Mt. beger auch, das die stend unverruckt beyainander beleiben. So werde sein Mt. inen ain kurzen abschaid geben.–e
[8.]
f–Darauf haben die reichsstend die nachfolgend antwurt geben:
Sy als die mindern stend des hl. Reichs wissen seiner Mt. in solchen schwern und tapfern handel nit zu raten. Sein ksl. Mt. moge aber uf kunftigen reichstag solich handlung an Kff., Ff. und ander stend, so in aigner person erscheinen, gelangen lassen. Die werden ungezweivelt seiner Mt. hierin wol zu raten wissen.
[9.] Verrer der grenitzen halb wissen sy als unverstendig kriegsleut seiner Mt. auch nit zu raten, sonder wellen dasselb seiner ksl. Mt. als dem hochverstendigisten kriegsman befolhen haben. Darzu sey sein ksl. Mt. mit denen, die sich umb solich sachen versten, gnugsam versehen.–f
Nr. 713 Werbung der ksl. Räte Hans von Landau und Hans von Königsegg bei den Reichsständen
[1.] Einungsverhandlungen des Ks. mit den Eidgenossen vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung in Europa; [2.] Gespräche zwischen Ks. und Eidgenossen wegen Konstanz; [3.] Anträge von Gesandtschaften des Kg. von Frankreich und des Papstes; [4.] Anberaumung einer neuen Tagsatzung; [5.] Ersuchen des Ks. an die Reichsstände um Ratschläge zu diesen Themen.
Überlingen, 7. Oktober 1510
Kop.: A) München, HStA, KÄA 3136, fol. 238a-239a (inseriert in Nr. 722); B) Augsburg, StadtA, Literalien 1510, o. Fol.; C) Nürnberg, StA, Rst. Nürnberg, Ratskanzlei A-Laden Akten 126 Nr. 2, fol. 157a-158a (von der Hand des Nürnberger Gesandten Kaspar Nützel); D) Straßburg, AM, AA 332, fol. 4a-5b; E) Karlsruhe, GLA, Abt. 50 Nr. 8, fol. 88a-89b.
Auf montag nach Francisci [7.10.10] haben röm. ksl. Mt. rete, H. Hans von Landau und H. Hans von Kungseck, von röm. ksl. Mt. wegen an die versamlung des Reichs, sovil der zu Uberling gewest ist, geworben nachvolgent maynung:
[1.] Ir ksl. Mt. sey ungezweifelt, die versamlung hab wissen des vertrags zwischen Bapstlicher Hlkt., der röm. ksl. Mt. und den Kgg. von Frankreich und Aragon, zu Cameregk gemacht.1 Auf solichen vertrag die Babstlich Hlkt. a das ir erobert. Nachmals habe die Babstlich Hlkt. sich in etwas widerwillen mit Frankreich begeben, die Venediger absolviert und mit den Schweitzern verainung gemacht, wider den Hg. von Verrar, der dem Kg. zu Frankreich verpflicht, zuzuziehen, das wider den vertrag zu Cameregk sey. Darauf Frankreich umb aynung bey den Schweizern gesucht.2 Desgleichen die röm. ksl. Mt., sobald sy das vernomen, auch getan hab, des grunds, das die Schweizer von irem furgenomen zug dest eer gewendt werden mochten. Darzu die ksl. Mt. inen, hinder sich zu ziehen, ernstlich geboten habe, das auch bescheen sey. Indem hab der gran[d]maister [Charles d’Amboise], des Kg. zu Frankreich oberster haubtman, röm. ksl. Mt. geschriben und bedacht, besser zu sein, das die ksl. Mt. und Frankreich miteinander aynung mit den Schweizer machen und nit ieder allain. Das hab im ksl. Mt. auch gefallen lassen, damit neemants gedenken mochte, das ainigerlay mistrauens zwischen inen baiden wär. Darauf die ksl. Mt. hut 14 tag mit den Schweizern zu Zürich handeln lassen hab umb aynung, zwischen röm. ksl. Mt. b und den Schweizern zu treffen obangezaigter massen.
Darauf die Sweizer geantwurt, die werbung sey der vorigen anbringung, durch den von Sachsen [= Fh. Ulrich von Hohensax] von ksl. Mt. wegen allain bescheen, ungemäß. Darumb muessen sy die sach hinder sich bringen und wollen auf Michaelis [29.9.10] zu Luzern antwurt geben.
[2.] Zum andern hab ksl. Mt. mit den Schweizern lassen handeln der stat Costniz halben, mit der sy in handlung komen, das dem bericht zu Basel3 wider sey, mit beger, das abzustellen.
Auf solichs haben sy geantwurt, es sey nit on, auf ansuchen der von Costniz seyen reden bescheen, das angesehen, das sy sonst als nachpaurn vil handels miteinander haben. Solichs sey aber nit wider den vertrag zu Basel, dann sy dem Reich auch zugehorig seyen, mit bitt, sy deshalben bey ksl. Mt. zu entschuldigen.
[3.] Nachvolgent seyen röm. ksl. Mt. botschaften gein Lucern geritten und daselbs erfunden des Kg. zu Frankreich botschaft. Der sy ir handlung eroffnet und begert haben, derselben gemäß auch zu handeln. Dieselb botschaft hab aber anzaigt, das sy nit dermaß, sonder allain bevelch hab, von Frankreich wegen umb aynung zu handeln. Er muge aber leiden, das ksl. Mt. botschaften darauf handeln und begeren, ander tag zu setzen. So woll er solchs hinder sich bringen und auf demselben tag verrer antwurt geben.
Demnach haben ksl. Mt. botschaften bey den Schweizern begert, inen antwurt zu geben auf des von Sachs oder die yezig werbung.
Daneben sey des Babsts botschaft auch da gewest und begert, das die aynung mit ksl. Mt. und Frankreich nit angenomen werde, dann solichs wider den vertrag sey, so ir Hlkt. mit den Schweizern hab. Die botschaft hab auch gehandelt des vergangen zugs halben, so die Schweitzer jüngst getan haben, mit anzaigung, das die Bäbstlich Hlkt. das gelt durch die päß, so Frankreich verlegt, nit bringen mugen hab, und gebeten, solichs bey Frankreich abzustellen und botschaft zu verordnen, die spenn zwischen Babstlicher Hlkt. und Frankreich hinzulegen.
[4.] Auf solichs alles haben die Sweizer geantwurt, nachdem die hendel schwär und groß seien, er[h]aisch die noturft, solichs an ir Hh. und obern c zu bringen. Deshalben haben sy ander tag auf sontag vor Symonis und Jude [27.10.10] gein Luzern furgenomen und wollen alsdann iedem tail auf sein anbringen antwurt geben.
[5.] Dem allen nach sey röm. ksl. Mt. ernstlich begern, ir auf solichs alles zu raten und der versamlung gutbedunken auf morgen [8.10.10] umb drey ur durch etlich verordent zu eroffnen. Dann ir ksl. Mt. mug gewarnet sein, das die Babstlich Hlkt. bey den Sweyzern wider arbait, knecht aufzubringen, abermals ainen zug zu tun wider den Kg. zu Frankreich, wie vormals understanden sey worden.
Nr. 714 Antwort der Reichsstände auf die Werbung der ksl. Räte Hans von Landau und Hans von Königsegg
Bitte um Beratung der anstehenden Themen auf dem geplanten Straßburger Reichstag und um Erlaubnis zur Heimreise.
Überlingen, [8. Oktober 1510]
Kop.: A) München, HStA, KÄA 3136, fol. 239b (inseriert in Nr. 722); B) Augsburg, StadtA, Literalien 1510, o. Fol.; C) Nürnberg, StA, Rst. Nürnberg, Ratskanzlei A-Laden Akten 126 Nr. 2, fol. 158a u. b (von der Hand des Nürnberger Gesandten Kaspar Nützel); D) Straßburg, AM, AA 332, fol. 6a u. b; E) Karlsruhe, GLA, Abt. 50 Nr. 8, fol. 90a-91a.
a–Antwurt von des Reichs stenden zu Uberlingen–a
Als unser allergnst. H., der röm. Ks., an die vom Reich, sovil der uf disem tag zu Uberlingen versamelt sein, durch H. Hansen von Landau und H. Hansen von Kunigseck, baid ritter, nach der leng berichtung und anbringung tun lassen hat, antreffend die handlung, so durch ir Mt. aynung halben, auch von wegen der statt Costniz bei den Schweizern bescheen ist, im beschluß mit beger, irer ksl. Mt. der versamlung rat und gutbedunken zu eroffnen und zu erchennen zu geben etc.
Auf solichs haben sich die vom Reich mit allem vleiß underredt und kunden ermessen, das merklichs vil und groß an den sachen gelegen sey und deshalben guter fursehung bedurf, in maß ir ksl. Mt. in ausschreibung des reichstags, ytz gein Strasburg furgenomen [Nr. 732 [3.]], aus hochbegabter vernunft selbs meldung tun lassen hab. Dieweil dann durch die Schweizer obberurter sachen halb noch kain antwurt gegeben, sonder zu solicher antwurt ain ander tag furgenomen ist, nemlich auf sontag vor Simonis et Jude schirstkünftig [27.10.10], auch die versamlung ytz in klainer anzal vor augen und die botschaften deshalben nit abgefertigt sind noch des gewalt oder bevelch haben, zaigen sy undertaniger maynung an, das ir ksl. Mt. solche sachen an gemain stend des Reichs auf dem schirstkunftigen reichstag mit berichtung der antwurt, so ir Mt. zwischen der zeyt von den Schweizern auf iren bedacht zuwegen bringen, langen lassen mug, ungezweifelt, ir Mt. werde alsdan trostlicher und tapferlicher geraten und geholfen, dann itzt von den wenigern und myndern stenden des Reichs zu beschehen sey, mit allerundertenigister bitt, solichs von inen mit genaden zu vernemen und inen auf das, anhaims zu ziehen, gnediglich zu erlauben, in ansehung, das sy aus angezaigten und andern ursachen in diesem handel wenig fruchtperlich erschiessen mugen, als ir ksl. Mt. nach gestalt der sachen selbs zu ermessen wiß.b