Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 11. Die Reichstage zu Augsburg 1510 und Trier/Köln 1512 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Bekanntgabe der Liga von Cambrai auf dem letzten Reichstag in Worms, Verweigerung einer Hilfeleistung durch die Reichsstände, daraus resultierende Stärkung der feindlichen Venezianer und Verlust ksl. Besitzungen; [2.] Gegenreaktion des Ks.; [3.] Kampf um Padua; [4.] Geplante Fortsetzung des Kampfes gegen die Venezianer im kommenden Sommer, Pflicht der Reichsstände zur Unterstützung dieser Bemühungen; [5.] Erfolgtes Ersuchen an die Reichsstände um eine Kriegsanleihe; [6.] Einberufung eines Reichstags nach Augsburg, Pflicht der Stände zur Teilnahme, Zusicherung des eigenen Erscheinens; [7.] Ermahnung zur Beteiligung, negative Auswirkungen für das Reich beim Scheitern des Reichstags; [8.] Nähe Augsburgs zu Italien als Grund für seine Wahl als Reichstagsort.

Rovereto, 8. November 1509

Orig. Druck m. S. ( p.r.p.s.; a.m.d.i.p.; Gegenzeichnung: Serntein; die Anrede ist jeweils handschriftlich in eine freigelassene Lücke eingefügt): Weimar, HStA, EGA, Reg. E Nr. 57, fol. 8 (an Kf. Friedrich von Sachsen)1; Hannover, HStA, Celle Br. 15 Nr. 46, fol. 15 (an Hg. Heinrich d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel); Duisburg, LandesA, Werden XIa Nr. 41, o. Fol. (an den Abt der Reichsabtei Werden in Westfalen); Koblenz, LHA, Abt. 29A Nr. 961 (an Gf. Johann von Manderscheid); Esslingen, StadtA, Reichsstadt, Fasz. 283 RTA 1510, o. Fol. (an Esslingen); Frankfurt, IfStG, RTA Bd. 25, fol. 4 (an Frankfurt); Hagenau, AM, AA 241, Nr. 8 (an Hagenau); Innsbruck, TLA, Inkunabeln Nr. 32; Straßburg, AM, AA 329, fol. 3 (an Straßburg).

Kop.: Frankfurt, IfStG, Reichssachen II Nr. 244, fol. 2a-6b; Weimar, HStA, EGA, Reg. E Nr. 57, fol. 2a-6b.

Regest: Kämmerer/Pietsch, Urkunden, S. 96 Nr. 603 (an den Abt des Klosters Isny); Rüthning, UB (an alle Gff. von Oldenburg und Delmenhorst), Nr. 198; Riezler, UB, Nr. 478 (an Gf. Wolfgang von Fürstenberg); Janssen, Frankfurts Reichscorrespondenz, Nr. 981 (an Frankfurt); Linke, UB, Nr. 86 (an Nordhausen).

Inhaltsangabe: Wiesenberger, Kaiser Maximilian, S. 4f.

[1.] Hochgeborner, lb. ohaim, Kf., und rat, wir haben uns auf jüngstgehalten reichstag zu Wormbs aus unsern Niderlanden persondlich gefuegt, alda den Kff., Ff. und stenden des Reichs, sovil der ankumen warn, zu erkennen geben die loblich ainigung, pündnus und tractat, zwischen unserm Hl. Vater, dem Babst, auch unser und unsern lb. pruedern, den Kgg. zu Frankreich und Aragon, aufgericht.2 Die under anderm vermag, die stett, land und leut, der hl. röm. kirchen, auch unsern Kst., Kgrr. und erblanden zuegehörig, so uns allen von den Venedigern lang jar her mit gewalt, praktiken und ausserhalb ainicher titel und gerechtigkait entzogen und vorgehalten sein, widerumb zu ervordern, einzupringen und ir macht, darein sy sich durch solhe der kirchen und unserer reiche, land, leut und gueter gesetzt, damit lang, hochmuetiglich und gegen meniglich beswärlich beherscht haben, anzustellen und niderzulegen, in bedacht, das sy desselben irs gewalts und beswärlichen herschens hinfur nit absteen, sonder ye lenger ye mer auf uns und ander Kgrr. und Ftt. umb sich greifen und zuletst understeen würden, sich den Römern, die sich vor zeiten Hh. des röm. Reichs und der welt zu sein angenummen hetten, zu vergleichen. Darauf dann unser Hl. Vater, der Babst, die Venediger, umb das sy seiner Hlkt. der kirchenguet, so er gütlich an sy ersuecht, versagt haben, in harten pan erkent und publiciert, uns darauf als advocaten der röm. kirchen zu scherm und hilf zusampt unsern und des hl. Reichs selbs vordrung und sprüchen ermant hat. Darumb wir aus schuldiger phlicht die stend des Reichs umb ir hilf und beystand angesuecht. Als sy aber dazumal nit gemainlich ankumen noch versambelt warn, wir auch kainswegs fueg hetten, allda zu verharren und unsere furnemen, die wir in craft berürter pündnus und tractat neben unsern pundgenossen tuen solten, aufzuschieben, verliessen und ordneten wir unsere räte, an unser statt unser fürgelegt begern der hilf bey den stenden des Reichs zu soliticiern und zu verfolgen. Darauf wir uns auch wol getröst, unsere fürnemen dest ringer angegryffen, uns auf ir hilf ungezweyfelt versehen und hetten auf solhen trost, auch aus dem, das die veind des hl. Reichs hilf und beystand zu uns besorgten, noch alles land, so uns in bestimptem tractat zueparteit [= zugeteilt] ist, erobert. Als uns aber über unser persondlich, auch nachmals unserer räte ernstlich, vleyssig übung und handlung der stend hilf und beystand verzigen und abgeslagen und die Venediger des kund, warden sy mer gesterkt, suechten erst all ir vermügen, übeten und bewegten daneben den gemain popl in stetten, darzu den paursman auf dem land mit gelt und subtilen practiken, das uns etlich stuck, so uns vor gehuldigt hetten, und sonderlich die mächtig statt Badua widerumb abfielen.

[2.] Darauf wir aber bisher nit nachlassen noch abstellen wellen, unserm leib und guet, auch erblanden und leuten dest mer aufgelegt, zusambt dem unsern Hl. Vater, den Babst, und unsern lb. prueder, den Kg. zu Frankreich, vermügt, das sy uns (als sy das ir erlangt) mit ainer tapfern anzal kriegsvolk gedient. Und haben uns also umb das, [das] uns abgefallen ist, angenumen, dazwischen der paurschaft sambt der veind kriegsleuten menig tausent erslagen und dergestalt gestraft, das wir dieselb paurschaft (darvon wir der veind kriegsvolk nit zukumen möchten) des merern tails zu rue und stilsäss gebracht, nachmals mit unsern und unserer pundgenossen haubtleuten und räten in rat erwegen, das nichtz gewinlichers noch austräglichers wär, dann auf der veind besoldt kriegsfolk zu ziehen, das sich dann in die stat Badua getan het und die mit grosser macht und gewalt innehielt.

[3.] Darfür wir uns also geslagen und gelegert, solhen leger bey 14 tagen gehalten, etwas schaden an unsern leuten von irm geschütz, das dan hart herausgearbait hat, genumen, doch inen dagegen mit unserm mörklichen geschütz hinein sovil und mer schaden getan. Wiewol nu die meur gnugsamlich zum sturm beschossen, was doch die statt mit solhen scharpfen, starken und ungewynlichen weeren, gepeuen und befestigungen zusambt noch mer der veind geschütz und grosser anzal irs kriegsfolks, das zu ainer veldslacht gnug gwest wär, fursehen, bewart und in den sturm gericht, das unserer person, auch unsern fürstengeborn und edeln zusambt andern gueten leuten und dem gemainen dienstman grosse gefärlichait darauf gestanden wär. Wiewol wir uns auch unangesehen dess alles des sturmbs entlossen hetten, ward uns doch der durch die fußknecht gewägert und versagt. Darumb wir in rat befunden, nit ze tuen sein, uns und unser fürstengeborn und guet leut alain in die gefärlichait zu stellen. Darauf mer verlust des sturmbs und der pesten leut, auch nachvolgend nit alain der statt Badua, sonder aller anderer eroberten land und leut und weyter ungefell gestanden und zu sorgen, weder gewyn und behaltung zu hoffen gewest wär. Darumb haben wir unsern leger erhebt, mit allem zeug, geschütz und kriegsfolk in gueter ordenung und tapferkait abgezogen on alle verlust und schaden. Des dannocht die veind in solhem abzug und die zeit des legers, auch darvor und ietz hernach in slahten und wa ye die unsern auf sy gestossen sein, vil genomen und gelitten haben. Nu halten wir unsern stat [= Status] und wesen in disen unsern eroberten landen und stetten, der hoffnung, sy in guetem willen bey uns zu handhaben, daneben auf der veind furnemen und die statt Badua achtzuhaben und uns zu befleyssen, inen (wo sy sich erzaigten oder sunst mit bedrang, abstellen der prafand und anderer kriegsnot) die winterzeit abpruch zu tuen. Das alles haben wir dir gn. maynung, damit du unserer furnemen bisher sumarie wissen empfahest, nit verhalten wellen.

[4.] So wir nu (wiewol uns die statt Badua und etlich mer noch in der veind gewalt vorsteen) dannocht die sumerzeit mit unserm camergut, auch ainiger hilf und beystand unserer erbland sambt unserer pundgenossen nit umbsunst gearbait, uns, dem hl. Reich und teutscher nacion, auch gemainer cristenhait ain gueten, erlichen anfang, eingang und sig erlangt an den mächtigen stetten, comonen und landen, die wir noch innehaben. Dardurch furo leicht zu arbaiten und zu erraichen ist anders und merers, das uns und dem hl. Reich vorsteet, damit der Venediger gewaltig, beswärlich und unzimlich herschen angestelt, dieselb statt, darin wir dannocht ain grosse partey zu uns und dem Reich haben, auch die land und grenizen bis an die Türken, unsers hl. cristenglaubens veind und durchächter, in unser und des hl. Reichs, teutscher nacion und gemainer cristenhait gewalt, gehorsam und behuet gepracht und nachvolgend ain geringer beruebter weg und zug wider die unglaubigen allweg zu unserm willen erlangt und behalten werden mag, so sein wir mit unsern obgenannten pundgenossen entslossen, auf die künftig sumerzeit unser ietzerlangter eer und sig uns, dem hl. Reich und gemainer cristenhait zu weiterer wolfart, aufnemen, handhabung, ewiger rue und friden zu volstrecken und zu end zu fuern. Darbey wir aber der stend des Reichs rat, hilf und beystand, inen zu lob und wolstand gesehen und gespürt zu werden, gnediglich maynen und derselben in ansehung unserer, auch unserer erbland und leut uncosten und beswärd, so wir dits jars getragen haben, nottürftig sein, die sy uns auch (nachdem sy die vergangen sumerzeit mit rue gewest und doch dise furnemen nit alain uns und unsern erblanden, sunder mer dem hl. Reich und teutscher nacion und gemainer cristenhait zu gewyn und wolfart raichen) mitzutailn schuldig und in hoffnung berait und willig sein werden.

[5.] Als wir dan die stend des Reichs kurz hievor durch unsere ausschreiben mit erzelung unserer notturften und kriegsübung und zu ausfürung derselben umb ain anlehen an gelt ersuecht [Nr. 392], darin sy uns ungezweyflt gehorsamlich willfarn, dieweil wir uns versehen, dise winterzeit auf ain treffenlich anzal kriegsvolk, bis in 20 000 stark, zu handhabung und behaltung der eroberten stett und land, auch zu täglichem widerstand der veind und darzu etlich flecken mer zu erobern, grossen uncosten darzulegen und zu geprauchen, so haben wir doch, das berürt gelt des anlehens hinder die stett, den Kff., Ff. und stenden vor angezaigt, zu erlegen, beschaiden, der hoffnung, zu austräglicher volendung unserer und des Reichs oberzelten furnemen merer und tapferer hilf und trost bey inen zu erwerben und das berürt gelt des anlehens solher irer künftigen hilf zu steur und nutz komen zu lassen.

[6.] Und dem allem nach, ainen furderlichen reichstag zu halten, furgenomen. Den wir hiemit dir und allen Kff., Ff. und stenden des Reichs in unser und des Reichs statt Augspurg auf den 8. der hl. dreyer Kgg. tag, das ist der 13. tag Januarii nechstkünftig, ansetzen und bestimben, mit ganzem ernst und vleyss begerend, auch bey den phlichten, damit du uns und dem hl. Reich verwandt pist, ermanend, das du unser bisher geübt getreu handlung, auch oberzelt künftig furnemen uns, dem hl. Reich und gemainer cristenhait zu notturft und guetem erwegest und bedenkest, dich kain sach, dann allain den gewalt Gottes, verhindern noch irrn lassest und auf ietzbestimbten reichstag in aigner person gewislich oder, ob du das ye aus Gottes gewalt nit vermöchtest, doch aufs wenigist durch dein volmächtig potschaft oder gewaltsam on hindersichpringen zu endlichem besluß zu handlen erscheinest, dan wir mitler zeit des tags unser sachen in disen unsern landen darnach stellen. Das wir uns auch nichtz dann Gottes gewalt irren lassen und auf dem tag bey dir und andern stenden gewislich erscheinen wellen, alda zu endlicher, trostlicher ausfuerung der obgeschriben unserer furnemen, die zu eern, lob, aufnemen, handhab, behaltung, wolfart und ewiger rue unser und des hl. Reichs und gemainer cristenhait raichen, dein und anderer stend des Reichs getreuen rat, hylf, furdrung und beystand zu phlegen, uns denselben gnediglich und gepürlich zu vergleichen, daneben ander obligen, notturft und geprechen des hl. Reichs zu handlen und in guet ordnung und wesen zu schicken.

[7.] Wir ermanen dich sonderlich, hierin zu betrachten die angezaigt unser und des hl. Reichs, auch gemainer cristenhait eer, nutz und wolfart und wie du dieselben zu furdern schuldig pist, und nemlich, wie wir durch unsern getreuen vleyss und swär darlegen und costen unserer erbland und leut mitsambt unsern loblichen pundgenossen unser und des Reichs und gemainer cristenhait sachen diser zeit auf solh guet weg gepracht und gestelt haben, dardurch furter leicht zu erraichen und zu erlangen ist dasjen, darumb wir uns mitsambt Kff., Ff. und stenden des Reichs lang jar angenumen, vil gemuet und veruncost und doch nye zuwegen pringen mugen haben. Davon [recte: Darum] so wellest hierauf gehorsam und fürderlich erscheinen und kainswegs aussenpleiben, auch auf ander nit waygern, aufsehen noch verziehen. Dann wo uns diser reichstag dergestalt treffenlich, wie wir den maynen, nit gelaist, deshalben wir der stend rat und hilf nit erraichen, dardurch unser und unserer pundgenossen furnemen auch nit volendt und ausgefuert, der wir uns doch kains versehen, so wurden wir und meniglich bewegt, zu gedenken und zu achten, als ob du und ander Kff., Ff. und stend des Reichs nit genaigt und willig wärn, das hl. röm. Reich nach gepür euer phlicht von und aus den obligen und notturften, darin dasselb Reich und wir mit im bisher etlichermassen gewest sein, zu früchten, eern, aufnemen und wolfart zu fürdern und zu pringen. Ob dann nachvolgend dem hl. Reich, teutscher nacion und gemainer cristenhait ainich smah, nachtail und beswerd begegnen wurd, wolten wir doch hiemit bezeugen, unser vermugen leibs und guets zu den sachen gnuegsamlich dargetan und uns gegen Gott und die welt erlich entschuldigt zu haben.

[8.] Das wir die statt Augspurg zu ainer malstat dits reichstags benenen, ist ursach, das dieselb statt dem gepirg an Italien nahend gelegen, damit wir dise unser neu eroberte land dest pas handhaben, unser acht auf sy und sy zu uns zuflucht und trost haben, zusambt dem, das wir uns auch mit den stenden, die ungezweyfelt all persondlich ankumen werden, am gelegnisten und stattlichisten alda underpringen und enthalten mögen. Darauf wir uns deiner zukunft entlich versehen und verlassen und das zusambt deiner schuldigen phlicht in allen gnaden und guetem gegen dir bedenken und erkennen wellen. Geben in unser statt und sloß Rofereyt am 8. tag des monets Novembris Ao. domini 1509, unsers reichs des röm. im 24. jarn.

Anmerkungen

1
 Daß auch Nürnberg zum Reichstag geladen wurde, zeigt die Mitteilung des Nürnberger Ratsherrn Anton Tucher an Kf. Friedrich von Sachsen vom 17. Dezember 1509, der Nürnberger Rat habe ein ksl. Schreiben erhalten mit der Aufforderung, potschafft uff dem reichstag Trium Regum [6.1.1510] gen Augspurg zeferttigen. Westphal, Korrespondenz, Nr. 155 S. 372. – Heil, Verschriftlichung, S. 59 geht bei den Reichstagsausschreiben von einer jeweiligen Auflagenhöhe von 300-350 Exemplaren aus.
2
 Liga von Cambrai vom 10. Dezember 1508. Druck: Lünig, Reichs-Archiv 6, Nr. 57; Lünig, Codex Italiae 1, Nr. 28; Le Glay, Négotiations, Nr. 70. Vgl. Wiesflecker, Kaiser Maximilian, S. 30f.