Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XI. Band. Der Reichstag zu Regensburg 1541 bearbeitet von Albrecht P. Luttenberger, für den Druck vorbereitet von Christiane Neerfeld

A  Wien HHStA, RK RA i. g. 13c/Konv. 3 (Kop.); durchstr. DV: Artickel, darinnen man noch nicht gantz aintrechtig, durch den Kf. von Brandenburg ubergeben.

B  koll. Weimar HStA, EGA, Reg. E 137, fol. 78r–80v (Kop.); DV fol. 80v: Artickel in der religionsach, die der marggraff churfurst ubergeben lassen. 1541.

C  koll. Konstanz StadtA, G 19 (Reformationsakten), fol. 257r–258v (Kop.).

D  koll. Marburg, StA, PA 588, fol. 38r–45v (Kop.) 3.

Druck Ganzer/Zur Mühlen, Akten, Bd. 3,2, Nr. 169 , S. 470–473 (ursprüngliche Fassung von D, dt.) und Nr. 170, S. 474–476 (ursprüngliche Fassung von D, lat.); Müller, Zur Geschichte, S. 223–228 (ursprüngliche Fassung von D, dt.); Müller, Zur Geschichte, S. 231–233 (korr. Fassung nach B).

a Der erst artickel, darin man noch nicht gantz eintrechtig–a. Darin würt gesagt, das in der kirchen sey die gab, die schrift ußzulegen, doch an kein person, kein statt, kein zeit angebunden und das die generalia concilia irren mögen.

In disem ersten artickel, dieweil man eintrechtig ist, das die kirch ein gericht habe, nit aber über das wort, sondern nach dem wort. Item, das in derb kirchen sey gewalt, zu underscheiden und ußzulegen die schrift und zu urtheilen von den streitten des glaubens und solchs nicht durch menschlichen rath, sondern durch des heiligen geists bewegnus und zeugnus des wort Gottes, wölcher die kirchen in nöttigen stucken nicht verlasst. Also möchten beed theil bekennen, das man generalconcilia, so im namen des herrn und heiligen geists recht und ordentlich versamelt seind, zu richten die sachen des glaubens, hören sollt im jhenigen, so sie gesprochen, sover es dem gotteswort nicht ungemeß. Und soll nicht gestattet werden dasjhenige, wölchs nach apostolischer ußlegung und ordnung der vätter einmal geurtheilt und verordent durch Gottes schrift ist, wider zu efern noch umbtzuweltzen. Doch sollen solche concilia auch nicht zu schliessen macht haben, das wider die heilig schrift ist, oder do die gewissen zu binden in den sachen, die in göttlichem wort freygelassen seind. Und wo fragen in der kirchen einfallen oder offenbarungen oder andere ding, so soll auch allwegen einer einigen person, wie Paulus Corinthern 14 sagt, redec und offenbarungen gehert werden und die andern nach göttlichem wort und geist urtheilen.

Vom sacrament des leibs und bluts Jhesu Christi, unsers seligmachers, glauben wir alle, das im nachtmal nach beschehner benedeyung sein leib und blut wahrlich do sey gegeben, vom christgleubigen volck genossen werde. Und ob es wol bey der alten kirchen nicht allweg uff ein weiß mit dem überbleibenden gehalten worden ist, so mag doch solch sacramentd gantz fur die krancken nach der alten glaubene, maß und bescheidenheit, f doch abgeschafft die mißbreuch–f, uffgehaben und behalten und zu denen, die zur kirchen nicht geen können, getragen werden, g doch das dobey die krancken auch vom brauch des sacraments underricht werdenund das Christus, h der sich im sacrament eucharistiae dargibt, im geist und der warheit angepett werde.

Bey dem dritten artickel i were zu lehren, obwol der herr die ertzelung der sünden mit ußgetruckten worten nicht bevolhen, dieweil er aber den gewalt, die sünden zu verzeihen und zu behalten, uß göttlichem bevelch den diennern der kirchen gegeben hat und inen das ampt, den gewissen, die durch die bürdin der sünden beschweret sein, artzney zu thun, uffgelegt, so sey heilsam und gut und zu vermanen einen jeden christen, des, so ime nutz, zu gebrauchen und nicht zu verachten. Und mag derhalben zu dem priester, derj dem furgesetzt ist, gehen. Es soll aber zu solcher sachen der gesetzt werden, der dartzu taugenlich sey, und ime die todsünd, wölche das gewissen anklagen und verstrickt halten und einem zu erzelen nottwendig bedunckt, bekennet werden, damit die gewissen von dem dienner durch das wort Gottes und rath desselbigen dienners vom last der sünden erleuchtert, durch heilsamen rath geheilet und durchs wort der absolution der barmhertzigkeit Gottes vergwisset werden.

Von der satisfaction. Möcht gleichermassen geschehen, das die satisfaction, wölche von den vättern furgegeben und gelopt worden seind und noch heut nicht als ein verdienst der verzeihung der sünden, wölch allein Christo zustehet, sondern als ein artzney recht gepraucht werden und dasselbig in fasten, betten, almusen, ein wahr kirchen- und geistliche übung, das sie auch dienstlich seind, der ursach der sünden zu wehren und denen zu widerstehn und auch zu gutten exempeln; das auch heilsam sey, solche zuchtigung und artzney widerk zu gottseligem geprauch, den dise zeit erleiden möge, anzurichten–i.

l Der viert articul.

Das beed theil verglichen weren–l, das der rhömisch bischoff umb des stuls willen, m darinnen er nachgevolget hat–m, sey der erstn under den patriarchen, o sover er das evangelion nicht vervolgt, sein ampt vermög der alten canonen verricht und sich halt als ein wahrer bischoff–o.

p Bey dem funften artickel möcht man vleiß anwenden, beed theil zu vergleichen–p, das die haltung der feyr und festen, wölche von der kirchen und pfarren ordenlich angesatzt werden, wo sie in der gottseligkeit geschehen, gutte übungenq sein, und man sollt sie halten, es sey dann, das die lehrr, lieb und not ein anders ervordert, welcher alle eusserliche ding weichen müessen.

s Wo nun die artickel von der kirchen, von sacrament, von der beicht und satisfaction, vom primat des rhömischen patriarchen, von den feyren und vasten dermassen, wie dieselben oben vermeldet, bey den protestierenden stenden erheblich, so möcht der Kf. zu Branndenburg vleiß anwenden, das es mit den bischöffen, anruffung der heiligen, vom opfer der messen, von der messen one communicanten, mit gelupten der keuscheit, von ordenspersonen und der priesterehe verblibe, wie der protestierenden colloquenten solchs schriftlich im colloquio gestellt und übergeben–s.

Bey dem wort von der communion einerley gestalt, wann ksl. Mt. erhielt, das gantze sacrament nicht verpotten wurde, so wußten wir nicht, was man zu klagen hett. t Doch soll der rechte prauch des sacraments nach der einsatzung Christi recht gehalten und gelehrt werden–t, 4.

Anmerkungen

1
 Der Landgraf mochte bei der Mitteilung der Vermittlungsvorlage im Plenum der protestantischen Stände nur den Kf. von Brandenburg als deren Befürworter, nicht aber die anderen mit ihm kooperierenden Personen namentlich nennen, vgl. unten Johann von Glauburg und Dr. Hieronymus zum Lamb an Bgm. und Rat von Frankfurt, Regensburg, 1541 Juni 15 [Nr. 747]. Deshalb erscheint der Vermittlungsversuch in der zeitgenössischen Zuordnung als rein kurbrandenburgische Initiative. Zur Vermittlungsinitiative Kf. Joachims und Ebf. Johanns von Lund vgl. auch Müller, Zur Geschichte, S. 214–222 und S. 228–231.
2
 Zur Datierung vgl. den DV auf der Kopie, Wien HHStA, RK RA i. g. 13c/Konv. 3: Artickel, darinnen man noch nicht gantz eintrechtig und verglichen, durch den Kf. von Brandenburg ubergeben Mitwochs nach Pfingsten anno etc. 41 [1541 Juni 8]. Die Vermittlungsvorlage wurde am 11. Juni gegen Abend von Lgf. Philipp den protestantischen Ständen zugestellt, vgl. die kursächsischen Reichstagsgesandten an Kf. Johann Friedrich von Sachsen, Regensburg, 1541 Juni 16, unten Nr. 752bzw. Corp. Reform. IV, Nr. 2269, Sp. 401–403, hier Sp. 402 und den Bericht der Frankfurter Gesandten vom 15. Juni 1541, vgl. Anm. 1 zu Nr. 109. Die Augsburger Reichstagsgesandten datieren die Übergabe an die protestantischen Stände auf den 12. Juni 1541, vgl. unten ihr Schreiben an die Geheimen von Augsburg, 1541 Juni 13, Augsburg StadtA, Lit. 1541, unfol. [Nr. 739], außerdem die Instruktion Lgf. Philipps für seine in Regensburg zurückbleibenden Räte, 1541 Juni 13, [Nr. 56]. Offenbar konnten erst am 12. Juni Kopien verteilt bzw. hergestellt werden.
3
 Die an dieser Kopie v. a. Hd. vorgenommenen Korrekturen wurden zu einem erheblichen Teil nach A übernommen. Offenbar wurde die weitergehende, ursprüngliche Fassung der kurbrandenburgischen Vermittlungsvorlage in der hessischen Kanzlei überarbeitet, korrigiert und gekürzt. Die Wiedergabe des Aktenstückes bei Ganzer/Zur Mühlenist unbefriedigend, weil sie editionstechnisch zwischen der ursprünglichen, von Kf. Joachim dem Landgrafen eingereichten Fassung und dem Endtext, der den protestantischen Ständen vorlag, nicht klar genug differenziert und Korrekturen bzw. Nachträge in die brandenburgische Vorlage integriert und vorgenommene Streichungen nicht berücksichtigt. Die weitreichende, konzeptionelle Differenz zwischen beiden Textstufen wird durch dieses Verfahren verdeckt.
a
–a In B: Der erste artickel ist noch nit verglichen.
b
 In D danach unterstr.: sichtbarn.
c
 Fehlt in C.
d
 In D danach unterstr.: wol.
e
 In D v. a. Hd. nachgetr.
f
–f In D v. a. Hd. nachgetr.
g
–g In D v. a. Hd. nachgetr.
h
–h In D v. a. Hd. korr. aus: sich ym sacrament eucharistiae dargebend.
i
–i In D durchgestr.
j
 Nach C und D korr. aus: oder.
k
 Fehlt in C.
l
–l In D: Bey dem vierden articul sol man fleiß haben.
m
–m In D korr. aus: den er ererbt hat.
n
 In D v. a. Hd. korr. aus: oberst.
o
–o In D v. a. Hd. nachgetr. Danach gestr.: Bei dem wort ‚nicht den bischoffen‘ etc. sehe man vor gut an, daß man bekennet, das den bischoffen und kirchendienern, di ordenlich gewelet sein, [...?] solle ir gewalt entzogen werden und daß das einer oder zwen fur sich selbs nicht thun sollen.
p
–p In D: Der funft articul.
q
 In D v. a. Hd. korr. aus: werck.
r
 In D v. a. Hd. nachgetr.
s
–s In D: Der sechst articul. Weil die letaney, darinnen die heiligen angesprochen werden, alt üblich ist und, diese weise zu beten, in der alten kirchen erhalten ist, als nemblich ‚verleyhe dem verdinst und furbit deiner heiligen‘. Darumb lest sichs ansehen, das es große bewegung erregt, wo man beid kirchen verdammen sollte. Nachdem man aber einigk, das man dem folke fleissig furtragen solle, was es Got geben solle, von dem alles guts herkumpt, desgleichen auch den heiligen als unsern mitknechten und mitgliedern in Christo, so lest sichs ansehen, daß, dieweil Gottes ehr mit den heiligen zugleich wol stehen magk, wo anders das folk recht unterricht wird, das man alhier den eiver nicht zu sehr scherpfen sol. Dann man kann vil ehr Gottes rathen mit guten auslegungen und deutungen, dan das man so ein alt üblichen und gantzen, gemeinen brauch verdammen solle. Wer nue aber dieses gebet, nemblich: ‚du wollest verleihen dem vordinst und furbit deiner heiligen durch Christum unsern hern‘ etc., also vorstehet und zu verstehen leret, das durch dis gebet anzeigt wird, das man aufs vordinst und furbit der heiligen fur sich nicht trauen solle, sonder man bitte, das Got nicht sehen wollte auf ir vordinst, als weren sie fur sich selbs wirdig und fur sich selbs vordinstlich der wolthaten Gottes, sonder vil mher, das Got das geben wolte dem verdinst und furbit der heiligen aus lauterer vergebener barmhertzigkeit und das durch das vordinst Christi, das dieselbigen uns, die in der gemeinschaft eins leibs sein, nutze seyen, ein solher thete je nichts ungereimbst. – Der siebend articul. – Das man zugleich bekennet, das nachdem in der meß uber die niessung der eucharistia, welche sonderlich dienet denen, die sie empfahen, ein opfer repraesentativum sey, so bitte die kirche recht, das Got dis opfer und das vordinst seins sons, nemlich sacrificium laudis, sacrificium commemorationis, allen messleuden zu gut kommen lassen, das ist, denen geben umb das verdinst seins sons vergebung der sunden, einen rechten geist zu leben und andere seine wolthatten und das denen, die durch iren glauben ire seele zu dem einigen opfer Christi gebunden haben. Indes sein wir des einig, das das opfer des gebets, der furbit und dancksagung, welhs auch in der meß geschicht, recht geopfert werde fur alle menschen, auch fur di heiden, sie sein bei uns oder von uns, und das hier unser werck fur sich nichts verdiene und gelten muge, sonder das gelten sey gelegen in der lautern barmherzigkeit Gottes, darumb wir flehenlich bitten, welche barmherzigkeit denen, die er erwelt hat, durch seinen son, nachdem es seiner barmherzigkeit wolgefelt, seine gaben mitteilt. – Und nachdem die griechischen und lateinischen lerer bezeugen, das die gedechtnus der verstorbenen bey dem opfer des altars sein aus der apostel bevelch aufkommen und hievon so vil concilia geschlossen haben, ist hoflich, man werde darin auch nicht uneinigk sein, allein das auf beiden seiten di misbreuch abgethan werden. – Der acht articul. – Man kann beweisen, daß man meß gehalten hat, und habens gethan fromme, heilige leut mit bey- und umbstehen, ob sie wol schon nicht communicirt haben, in der alten kirchen, gleich wie itzt in der ganzen kirchen geschicht. Und gezimbt sich noch, daß man sie erhalte, doch also, das das volk gelert werde, warumb sie eingesetzt, und werde erinnert, daß es oft gebrauchen solle, und das man di misbreuch abthue. Were auch gut, das man sich verglieche, ein gotselige deutung zu machen uber den canon in der meß, dann es zur concordia dienlich sein wurd. – Die ganze Passage ist in D durchgestr. Der Passus von ‚ein opfer repraesentativum‘ bis ‚messleuden zu gut kommen lassen‘ ist in D korr. aus: Got geopfert wird, ein opfer reprasentativum sey, so bitte die kirche recht, das Got dis opfer und das vordinst seins sons denen, so vor die dieselbig durch den diener das geopfert und mit gutigem gebet vorgestelt, wolt zukommen lassen.
t
–t Fehlt in D. In D lautet der Schluss des Stücks, der durchgestrichen ist: Der neund articul. Das man zugleich bekennet, das, wenn das gelubdt der keuscheit geschicht von leuten, die nue wol zu iren jaren kommen sein und wissen, was an im ist, so sols gelten und gehalten werden. Wann es aber aus einem unbedacht geschee, daß es on sunde nicht geschee und, wenns gescheen ist, so were es on sund nicht uberschritten. Und wolt Got, das wie das gesetz vom celibat der priester keuscheit in den canonibus der apostel den neulingen nicht on ursach aufgelegt ist, also auch in der zucht und reinigkeit der prister, wie die datzumal gewesen, erhalten worden weren. – Zum letzten. Das verbott der priesterlichen ehe aufzuheben, das ist ein ander ding und hangt von der gewalt here.
4
 Notiz Lgf. Philipps von Hessen zu den Vermittlungsvorschlägen des Kf. von Brandenburg und des Ebf. von Lund, Regensburg, o. Datum, Wien HHStA, RK RA i. g. 13c/Konv. 3, (eighd. Niederschrift des Landgrafen); DV: Meines gnedigen herrn antwort uff die brandenburgischn artickel gegeben: 1. Item, des, was ich hie zustelle, sei ich nit gewiß, sonder stehe bei den stenden. 2. Sei mein rat, das mans numher fur die stende bringt, dan ich wis bei unsern theologen an die stende weiters nichts zu erhalten. [3.?] Philippus und Butzerus habben in kein weg wellen [leiden] nach [gestahten?], das sie etwas [...?] in bewilligten.