Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XI. Band. Der Reichstag zu Regensburg 1541 bearbeitet von Albrecht P. Luttenberger, für den Druck vorbereitet von Christiane Neerfeld
A Wien HHStA, MEA RTA 7 Konv. II, fol. 192r–198v (Kop.); AV fol. 198v: Was ksl. Mt. von gmainen stenden des reichs der alten religion angebracht werden soll.
B koll. München HStA, KBÄA 3153, fol. 55r–59v (Reinkonz.); AV fol. 59v: Der cristenlichen stende antwurt auf ksl. Mt. schrift in der religionsachen etc.
C koll. Duisburg LAV NRW R, Jülich-Berg II 2271, fol. 353r–356v (Kop.); ÜS: Eyn schrift, von Hg. Wilhelmen von Beyern begriffen und in namen aller stende den churfursten ubergeben, das buch belangend; ebd. AV: perlectum prima Julij 1541.
D koll. Weimar, Reg. E 138, fol. 157r–163v (Kop.); DV fol. 163v: Copei des andern teils stende antwort auf die religionhandlung und das buch. 1541. Regennspurg1.
Druck: Pfeilschifter, Acta reformationis catholicae, Bd. III, Nr. 119, S. 380–385; Corp. Reform. IV, Nr. 2287, Sp. 450–455; Neudecker, Merkwürdige Aktenstücke, Nr. LIV, Beilage 2, S. 274–280.
In der röm. ksl. Mt., unsers allergenedigisten herrn, jungsten, schriftlichen furtrag [Nr. 110] und zugestellten schriftena, den neundten diß monats verschinen in der religionsachen ubergeben, haben sich gmaine cristliche stende mit allem vleis, sovil die lenge der schriften und kurtze der zeit erleiden haben megen, ersehen und entschlossen:
Erstlich, die ksl. Mt. zum allerunderthenigisten zu pitten und anzusuechen, dieweil gmainer stend letste, höchste und grösste notturft ist, sich auch irer gewissen nach gegen dem allmechtigen Got, daneben auch irer pflicht, damit sy der ksl. Mt. verwont, gegen irer Mt. person schuldig erkennen, in diser religionsach christlich, offenlich, one scheuch die warhait an ir selbs zu bekhennen und furzupringen, das die röm. ksl. Mt. als ain christenlicher, gnedigster, milter khaiser solhs alles allergnedigister mainung anhörn und dermassen versteen welle, wie es durch gemaine, christenliche stende underthenigister, getreuer und christlicher mainung gemaint wirdet, wie sich dann die stende allerunderthenigist bey und von irer ksl. Mt. getrösten wellen.
Und sovil das ubergeben puech belangt, wollten gemaine stende von hertzen gern, daß ksl. Mt. von diesem puech und lere mit mererm grundt und erfarung bericht worden were, onne zweifl das furgenomen colloquium, daraus nichts guets ervolgen hat mögen, aintweders unterlassen oder zum wenigisten mit mererm nutz geendet. Gemaine stend haben auch in guetter erfarung, das sollich puech in der protestierenden hande etlich monat vor diesem reichstage gewest. Ob nun solchs ain gleichait und das sich die protestierenden darauf zu beratschlagen so lange zeit gehept und den catholicis verhalten sein oder ob darab ir Mt. und gemaine stend ain gefarlichait gedenckhen, gefallen oder misfallen haben sollen, das stellen gmaine stende in irer Mt. selbs und ains yeden verstendigen ermessen. Aber gleichwol, unangesehen, das sich die protestierenden wolbedechtlich und mit grossem rat in disem puech ersehen, haben sy doch gleich b –irer ksl. Mt. verordneten–b wenig lust gehebt, darnach zu handln, wie auch dasselb etlich mal von handen gelassen und ain anderer proceß gehalten worden sein soll.
Zum andern, so sein etliche stritige articul in unserer religion in disem puech und sonderlich der notwendig articul, die geistlichen gueter und derselben restitucion belangend, verbliben, auch etliche andere mer articul, so in der protestierenden confession und appologia nit gemeldet oder strittig gemacht sein, in disem puech und, als ob dieselben auch strittig weren, gesetzt worden.
Daraus abermals die ksl. Mt. dises puechs art leichtlich erkennen het mögen c –und sollen, dann ye erstlich die religion one underhaltung und gueter der kirchen nit erhalten werden mage, wie das die vernunft, erfarung und auch die heilige schrift weiset–c, und mag kein geschwindere ursach erfunden werden, die religion underzutruckhen, dann der kirchen und derselben diener ire gueter und narung zu entziehen. So ist auch von unnotten, merer zweifels, disputacion und änderung in unser religion einzufurn, so doch laider hievor mer neuerung, secten und irrtungen, dann von zeit der apostel ye zu ainer zeit gewest, eingerissen sein.
Zum dritten haben sich dannoch gmaine stendt bei inen selbs die zeit her erinnert und bei iren theologis erkundigt, das diß puech in sich halt und begreif etliche beschwerliche irrthungen, etliche ungerechte, unzulässige lern, vil uberflussiger wort und gepraucht sich derselben zu zeiten wie die protestierenden in iren schriften und nit, wie die kirch bisher gepraucht hat. Schwebt und verwickelt der dichter sich dergestalt, das man nit leichtlich abnemen mag, ob er der protestierenden oder der cristlichen parthey sey. Gleicherweiß beschicht in dem artickl vom ambt der meß und in vil andern mer articuln, wie man dann von articuln zu artickl, sover es vonnötten sein wolte, mit der schrift anzaigen und erzeugen mag. Und in somma mögen sich die stende nit entschliessen noch bei inen befinden, daß dises puech ainiche vergleichung in der religion, sonder vil mer merere unainigkhait, secten und unlust geperen, einfurn und wurckhen wurde.
Und zum vierdten ist dises puech ain ursach und eingang, suptilerweyse die ksl. Mt. von iren ksl. edicten, reichsabschieden und sonderlich von der cristenlichen confutatio, auch also volgends von dem cristlichen receß zu Augspurg, durch gemaine, cristliche stende neben der ksl. Mt. mit wolbedachtm muet, schuldiger gehorsam der cristlichen khirchen, mit rat viler nation gelerten bestendigclich aufgericht, angenomen, bewilligt, versigltd und zu halten zuegesagt, welichen abschide dann die ksl. Mt. sambt den cristenlichn stenden auf dem reichstag jungst alhie e –widerumb ratificirt–e, auch andern versamblungen allwegen furgesetzt und demselben unabpruchig abzuwenden, aus welichem allem nachvolgender, unwiderpringlicher abfall und zerrittung der cristlichn religion, ungehorsam der underthanen gegen iren obern und also nit allain in den geistlichnf, sonder auch in den zeitlichen entlich verderben, aufruer und emperung der teutschen nation und von dann in andere cristliche völckher und nationen gewislich ervolgen wurde, nemblich, so sich die ksl. Mt. g –durch dergleich subtilh prattickhen bewegen liesse–g, von irer Mt. edict erstlich zu Wormbs, von dem augspurgischen receß, so auf dem jungsten reichstage alhie durch ksl. Mt. und alle cristenliche stende auf ein neus ratificiert und angenomen worden ist, von der cristlichn confutation, mit viler nation gelerten beschlossen, wellichs alles neben irer ksl. Mt. gemaine cristliche stende angenomen, bewilligt und zu halten zugesagt haben, wie dann die ksl. Mt. und stende aus cristlicher schuld nit anderst thun, handlen und furnemen haben sollen noch mögen, abzusteen, wurde erstlich irer Mt. und allen stenden zugelegt, das in dem allem i –durch ksl. Mt. –i geirrt und iren irrsall yetzt auf der protestierenden bericht bekhennen muesten und bekhennt hetten.
Zum andern, so wurden gewislich alle underthanen und der gemain man, so one das zu neuen dingen flaischlicher freyhait, den geistlichn das ir zu entwenden und in irem willen zu leben, genaigt sein, von der religion und iren obern fallen. Zum dritten wurde auch volgen, das die ksl. Mt., auch andere stende ire undterthonen und andere ubertretter der angezaigten edicten und abschide unpillicherweisse gestraft hetten, und möchte nit furkhumen werden, dann daß gantze teutsche nation und volgends auch ander nationen die rechten, waren religion verlassen und ain yeder seins gefallens glauben, handln und furnemen wolte und wurde und zuletst nit ain menschliche oder vernunftige regierung in gemainer cristenhait, sonder ain abgöttisch und vihisch leben ersteen und erhebt wurde. Es wurde auch ervolgen, das alle andere cristliche nation solliches unwiderpringlichn abfalls die schuld in der ksl. Mt. person wenden wurden, darvor der allmechtig Got die ksl. Mt. barmhertziglich verhieten welle. Und zweiflen gemaine, cristliche stende an ksl. Mt. person gantz nit, das ir Mt. sich selbs und gemaine cristenhait in sölliche verclainerung, schimpf, spot, verderben und zu zersterung des cristlichn glaubens bewegen lassen, sonder werde sich one zweifl als ain romischer khayser und vogt der khirchn irem ambt und pflicht nach, der cristlichn khirchen gethann, auch iren anererbten namen als ain cristlicher Kg. von Hispania cristlich halten, irer ksl. Mt. edict, den augspurgischen abschid und confutation und, das ir Mt. auf allen versamblungen und underhandlungen, auch jetzt in irer Mt. proposition den augspurgischen abschid yederzeit und allwegen vorbehalten, handthaben und nit dem schatten nachvolgen und das corpus verlassen und sonderlich bedenckhen, daß alle vorerzelte, christenliche edict, abschid und bewilligen nit aufgehebt oder geendert werden mögen. Aber wie sölliche handthabungj beschehen und vergleichung in der religion furgenomen oder – und zum dritten – ainigkhait in der christlichn khirchen gepflantzt und widerpracht werden mög, pitten, rueffen und flehen gemaine stende allerunderthenigist, die ksl. Mt. als der vogt der christlichn khirchen welle sich mit der babstlichn Hlt. legaten resolviern und ir gemuet gemainen stenden allergenedigist hierinnen anzaigen, dann dieselben, in cristlichem, waren glauben, lang hergeprachten ceremonien und satzungen bäbstlicher Hlt. und ksl. Mt. als den zwaien heubtern der cristenhait nachzevolgen und gehorsam zu sein, sich schuldig erkhennen und, als die frumen cristen zu verharren, mit darstreckhung irer leibk und vermugens urpittig sein.
Neben dem allem wellen die cristenlichen stende der ksl. Mt. underthenigister maynung unangezaigt nit lassen, als die protestierenden in allen iren schriften, reden und handlungen nichts anders dann nach frid und recht schreien, daraus gedacht und zum tail durch ander den cristlichen stenden bey ksl. Mt. l –und andern–l aufgelegt werden möchte, als solten dieselben und sonderlich die geistlichen in yebung oder practickn steen, krieg und pluetvergiessen zu erwecken, darinnen sich dann gmaine, cristliche stendt mit warhait bereden und sagen, das inen sambt und sonder sollichs mit allem ungrundt zugelegt wirdet, wolten nichts liebers, dann das sy bey frid und recht beleiben hetten mögen und noch beleiben möchten. Es geben auch die getriben handlung und gethaten an inen selbs zu erkennen, das inen, den cristlichen stenden, unguetlich beschicht, dann sy, die cristenliche stendt, sein von der religionsachen und auf erdichten schein mit hörescraft durch die protestierenden uberzogen, beschedigt und in größ schäden und verderben gefurt. Den cristlichen stenden ist an iren obrigkaiten und gotzheusern durch die protestirenden wider gottes bevelch, recht und alles cristlichs herkhomen verpotten worden, das evangelium und Gottes wort offenlich zu predigen. Den chatholicis sein die gemainen strassen und vie publice wider aller völkher recht durch die protestirenden verpotten worden. Den chatolicis sein ire gotzheuser und khirchen, so doch den geistlichen auch bei den haiden allain zugehört, mit gwalt eingenomen und endtwendt worden. Die chatolici sein von iren gotzheusern, stiften und kirchen, auch von iren heuslichen wonungen mit gwalt on alle ursach, welches bei allen unglaubigen nit beschicht, verjagt worden. Den chatolicis sein ire aigne heuser zu besuechen und, darin uber nacht zu sein, verpoten worden. Den chatolicis sein ire gulten, zinß, rent und einkhomen mit gwalt genomen und werden inen auf heutigen tag vorgehalten. m –Den chatolicis sein ire underthanen mit allerlay practickn entzogen und abgewendt und von den protestirenden in schutz und schirm genomen–m. Den chatolicis sein ire kirchen, clöster, stift und guetter erparmlich zerrissen und in andere gepeu gewendet worden. Den chatolicis und den fromen verstorben hochs und niders stands sein ire gedechtnus und gräber zerrissen und zerstört, die stainen und hiltzene pildnus unsers heiligmachers Jesu Christi, der keuschen jungkfrau Maria und muetter Gottes, auch die lieben heiligen sein jämerlich und erparmlich zerslagen und in demselben, als weren sy lebendig, gewuettet worden.
Die catholici, so inen das ir wider Gott und recht abgedrungen und das billich recht suechen haben wellen, sein nit sy allain, sonder auch die eerlichen menner an dem khaiserlichen chamergericht vervolgt, mit schmachschriften angetast und haben in gevar ires leibs und lebens sein muessen. Die ordens-, manns- und frauenpersonen sein von iren orden, klaidungen und profession wider ire gelubd und willen mit schantlichen lesterungen, darzu auch ire, der protestierenden, verfuerisch predigen zu hörn, mit gwalt gedrungen und benöttigt worden. Den catholicis, geistlichen und weltlichen, sein die heyligen sacrament zu geprauchen und zu geniessen cläglich verpotten worden und dergleichen fäll sein on zall. Was gegen den allen gepraucht und gehandlt worden, ist laider offenbar. Und so sich die protestierenden in dem allem schuldig und in ir gewissen selbs erkhennen muessen, das es alles wider Gott und alle menschliche und naturliche recht ist, schreyen sy umb frid und recht, das ist, das ksl. Mt. und die stende inen solhs alles guethaissen und zuelassen solten und darzu, mit dem ubrigen rest der catholicorum mit iren leiben und guettern ires gefallens nochmalls ze handlen, und dawider weder mit worten noch werckhen zu reden. Ist das frid und ain gleichmessig recht? Das wirdet Got mit seinem urtail erkhennen. Die catholici wollten nichts liebers dann frid und recht, schreien darnach, wellen auch khainen frid, recht noch billichait abschlagen, sonder zu dem allem yetzt und allwegen erpotten haben, doch das sy bey dem heiligen, christlichen glauben n –und satzung der cristenlichn kirchen–n gelassen und irer guetter nit entsetzt werdeno. Damit wellen sich die christlichen stend der ksl. Mt. als irem allergnedigisten herrn bevolhen und gepetten haben, ir ksl. Mt. welle die sachen furdern und ab diesem langen verzug allergnedigist verhelfen2.