Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XI. Band. Der Reichstag zu Regensburg 1541 bearbeitet von Albrecht P. Luttenberger, für den Druck vorbereitet von Christiane Neerfeld

Frankfurt ISG, Reichssachen II Nr. 909, fol. 71r–73r (Kop.); ÜS fol. 71r: Volgt dero von Goslar supplication, die sie mit nechst hievor geschriebener der protestiren[den] stend antwort dem Kf. zu Brandenburg ubergeben haben1.

Euer ksl. Mt. kunnen wir abermals unser antringender, unvermeidlicher notturft noch allerunderthenigst nit pergen, das uber alle gewaltsame und thetliche handlung, so unsern hern und obern von Hg. Heinrichen von Braunschweig under dem schein einer vermeinten, nichtigen acht in noch werender und schwebender euer ksl. Mt. suspension und gebotnem fridtstand, der er kheinswegs parirt hat noch zu parirn gedenckt, unbillicherweiß sein zugefugt, auch, als wir in glaubliche erfarnus khumen, diß begegnet, das er, Hg. Heinrich, unsern gnedigsten hern, den Ebf. zu Meintz und Magdeburg, churfursten, uff seinen zu milten und furtheilhaftigen bericht dohin vermegt, das sein kfl. Gn. den iren bevelch gethan und verschafft, das auß iren kfl. Gn. beyden styfften Magdeburg und Halberstatt weder korn, gedreyt noch einich andere notturfft denen von Goßlar zugepracht wirdt.

Weither so reythen und gehen zu roß und fuß des Hg. von Braunschweigs diener und verwanthe hin und wider uff des hl. reichs freyen strassen, versperren und verhindern dieselben mit grossem, ernstlichen gewalt dermassen und so geschwindt, das von niemandt einicherley korn, gedreyt proviandt oder andere notturft denen von Goßlar von frembten orthen, auch auß seyner fstl. Wd. furstenthumb und dem styft Hyldesheim kan oder mag zugebracht werden.

Und uber das hat gmelter Hg. Heinrich von Braunschweig neulicher tag denen von Leypsig ein gebot gethan und verschafft, das sie denen von Goßlar solch suma gelts, als sie inen vor ir verkauften pley zu lyffern und die von Goßlar zu hinderlegen und in irer statt biß zu entlicher erorterung derhalben schwebent irrung zu verwaren, auch zu sequestrirn schuldig, auf ir geschehen anforderung inen nit hat volgen noch sie des vergnugt megen werden, dem kayserlichen abschidt, so derwegen von irer ksl. Mt. zu Augspurg ist uffgericht und, bey peen der acht, auch 1.000 marck lottigs golts zu halten, mandirt worden, zuentgegen.

Weither so procedirt auch wider die von Goßlar eurer ksl. Mt. cammergericht auf Hg. Heinrich von Braunschweig, auch probsts und convents zum Georgenberg ongestim anhalten und begern onverhindert euerer ksl. Mt. suspension und friedesgebot, gleich ob die suspension und fridstant nicht ergangen were, dan in sachen der vermeinten, nichtigen acht hat des Hg. Heinrich von Braunschweig anwalt jungst am dritten Junij an euerer ksl. Mt. cammergericht umb einsatzung in alle und jede unser hern gutter, so in einer ubergebner schrift stuckweyß verzaichnet gewesen, gebetten, welche auch ist angenhomen worden. Aber dem goßlarischen procuratorn hat uff sein begern und anhalten davon khein copey mogen gegeben werden, und ist im, die rechtmessig defension darentgegen zu gebrauchen und zu exercirn, abgeschlagen.

Gleichergestalt wurt wider die von Goßlar, unsere hern und obern, doselbst an ksl. Mt. cammergericht in sachen der vermeinten erlitnen scheden, costen und uffgewenthen expensen probsts und convents zum Georgenberg procedirt und alles, das die gedechten von Goßlar in berurten und andern sachen zu irer notturft lassen furwenden, bitten und suchen, das wirt inen verhindert und abgeschlagen mit anhengen, das die von Goßlar als erclerte achter nicht sollen defendirt, sonder rechtloß gehalten werden, des uff die gerichtshendel und prothocoll gezogen.

Furter haben etzliche Hg. Heinrichs von Braunschweigs diener und angehorige etzliche burger auß Goßlar uff des reichs freyen strassen verhalten, sie angeritten und ubel, auch erbermblich geschlagen und verwundt und darvon einen mit einem leth oder buchsen durch sein haupt zu todt erschossen, inen mit den pferden zur erden gefellet, die augen auß dem haupt, auch das gantz angesicht jemerlich zurtretten und also beßlichen ermordet und umbbracht und alles gelt, so er bey sich gehapt, raublich entwert und spoliirt.

Noch weither ist die warheit, das des Hg. von Braunschweig diener haben hin und wider zu ross und zu fuß uff des hl. reichs strassen reitten, auch hart vor die stat Goßlar vor ire zingelen und thor, und vorgeweltigen der von Goßlar inwoner und burger. Dieselben diener haben auch angefangen, der stadt und burger gedreyt und groß, so im felt stehet und wechst, mit iren pferten zu ertretten und zu verschleyffen und also zu depopulirn und zu verderben.

Deß herzogen amptleuth und diener lassen sich auch offentlich horen und vernhemen, das sie alle jerliche fallende zinß an gelt und fruchten, auch korn und getreidt etc., denen von Goßlar zustendig, an waß orthen und stedten sie das verkhemen mogen, den von Goßlar zu entpfahen oder inzufhuren nicht gestatten, sonder uff ires gnedigen fursten, Hg. Heinrichs von Braunschweig, schlossen brengen und fhuren lassen wollen.

Der Hg. von Braunschweig hat auch kurtzverschiener tag allen seinen bauren und hindersessen bey straff leybs und guts gebieten und ansagen lassen, sich mit iren wehren, buchsen, hacken und spiß gefast zu machen und in rustung zu steen, das sie zu tag und zu nacht, wen sie gefordert werden, mit irer munition folgen megen.

Auch wirt jetz von Hg. Heinrichen und den seinen allerley feindtschafft eyd noch dem andern uff die von Goßlar inen uber den halß angestiftet, den feind[en] sicherheit, velich peß und durchschleyffung zu seinem fstl. Wd. furstenthumb, gebiet und oberkeit gestattet und vergunstiget.

Daruß dan clerlich zu spuren, das Hg. Heinrich von Braunschweig unuffhorlich noch unserer hern entlichen verderben trachtet, bemelt camergericht auch unverhindert berurter euerer ksl. Mt. suspension uff sie tringent und, sie in noch tiefferen schaden, fhar, angst, noth, in entlich außreittung zu setzen, understeen wirdt.

Dhieweil doch gedachter Hg. Heinrich von Braunschweig euerer ksl. Mt. suspension und gebotnem fridstant kheinswegs gehorsamet hat noch zu parirn bedacht ist, derhalben ist an euere röm. ksl. Mt. unser underthenigst flelich bit, ersuchen und anruffen, das euere ksl. Mt. wollen sich der elenden, vertrangten und beschwerten leuthen von Goßlar als euerer ksl. Mt. und des hl. reichs glidt und underthanen allergnedigst erbarmen lassen und auß angeborner kayserlichen tugend, gute, gerechtigkeit und miltigkeit mit ernst einsehens thun und verschaffen, das sie von irer ontreglichen, onmenschlichen, großen beschwerung zu handthabung friedens und eynigkeit, auch irer ksl. Mt. selbst reputation und preeminentz doch forderlich mogen erlest, auch durch Hg. Heinrichen ermelter euerer ksl. Mt. suspension und fridstandt baß, dan bißher beschehen, gelebt und gehorsamet werden. Das wurt Got der almechtig zweyffelßfrey gegen euere ksl. Mt. reichlich onbelont nit lassen2. So erkennen sich gnante unsere hern und obern von Goßlar, auch wir, solchs mit leyb, gut und plut in aller underthenigkeit zu jeder zeit zu verdienen, mehr dan schuldig, euere ksl. Mt. in diesem allem uffs underthenigst anruffent3.

Anmerkungen

1
 Die erwähnte Antwort an Kf. Joachim von Brandenburg wurde laut ÜS, ebd. fol. 68v, am 8. Juli übergeben. Zur Datierung vgl. zudem Protokollarische Aufzeichnungen des Frankfurter Reichstagsgesandten Dr. Hieronymus zum Lamb ad 10. Juli 1541 [Nr. 74].
2
 Vgl. auch die Niederschrift über Beschwerden Goslars über Verstöße Hg. Heinrichs von Braunschweig gegen das ksl. Suspensionsmandat, o. Datum, Marburg StA, PA 579, fol. 268r–269v (Reinkonz.): Bürgermeister und Rat von Goslar können nicht erkennen, dass Hg. Heinrich seine Leute angewiesen hat, keine Gewalt anzuwenden. Was einem Goslarer Fuhrmann auf der Strecke nach Braunschweig vor wenigen Tagen widerfuhr, steht in beiliegendem Verzeichnis. Zweitens wird der Stadt die Zufuhr vollständig gesperrt. Hg. Heinrich hat seinen Untertanen unter Androhung schwerer Strafe jede Lieferung in die Stadt verboten. Drittens hat Hg. Heinrich seine der Stadt Goslar oder ihren Bürgern zinspflichtigen Untertanen angewiesen, ihre Zahlungen nicht mehr den Berechtigten, sondern seinen Amtleuten zu leisten. Viertens soll den zehender uff irem Ramsperg befohlen worden sein, die Besitzanteile am Bergwerk zur Information der Räte Hg. Heinrichs aufzuzeichnen. Vgl. außerdem Bgm. und Rat von Goslar an Lgf. Philipp von Hessen, Goslar, 1541 Juni 23, Wien HHStA, RK RA i. g. 13c/Konv. 5, fol. 22r–25r, 40r, 40v (Ausf.): Haben nicht ungern von der Rückreise des Landgrafen von Regensburg gehört. Erhielten von ihren Gesandten auch Nachricht, dass in ihrer Angelegenheit noch kein Bescheid erlangt ist. Zur Begründung der Verzögerung wird neben allerhand Vorwänden auch angeführt, der Kaiser wolle erst abwarten, wie sich die Protestanten in der Religionsfrage verhielten. Daraus ist klar ersichtlich, dass sie die ihnen zugefügten Beschwerungen der Religion wegen erleiden müssen. Doch vermag dies die protestantischen Stände nicht zu bewegen, ihre Angelegenheit als Religionssache anzuerkennen, obwohl sowohl Hessen als auch Sachsen – dafür sagen sie aufrichtig Dank – nachdrücklich dafür eintreten. Bitten, der Landgraf möge in dieser Sache nochmals den protestantischen Ständen in Regensburg schreiben. Glauben, dass ihre bevorstehende, neuerliche Petition eine günstigere Aufnahme finden wird, wenn ein solches Fürschreiben des Landgrafen ebenfalls vorliegt. Haben ihren Gesandten vor vier Tagen auch zwei Schreiben des sächsischen Kurfürsten zugeschickt, in denen sich dieser auch dafür erklärt, die Goslarer Angelegenheit als Religionssache anzuerkennen. Danken für die mehrfachen Vorstöße, die der Landgraf persönlich zu ihren Gunsten beim Kaiser unternommen hat. Der Kard. von Mainz hat ihnen jegliche Zufuhr aus den Stiften Magdeburg und Halberstadt gesperrt. Auch Hg. Heinrich von Braunschweig hat in seinem Herzogtum und im Stift Hildesheim jegliche Zufuhr nach Goslar bei schwerer Strafe verbieten lassen. Auf den Landstraßen patrouillieren Reiter, angeblich 200. In drei Wochen will Hg. Heinrich wieder heimkommen und den ernst zur sachen thun. Er hat seinen Bauern befohlen, sich gerüstet bereit zu halten. Hoffen, ja sind sicher, dass sie nicht im Stich gelassen werden. Ihre kegenteileunterstützen die Reiterpatrouillen und leisten ihnen mit Unterkunft und Proviant Vorschub. Sie töten auf den Landstraßen Goslarer Bürger, rauben und plündern sie aus, als were es auf dem Boemerwalde, wie aus beiliegendem Bericht hervorgeht. Gott möge sich erbarmen. Es darf angenommen werden, dass seit Jahren kein größerer Mutwillen und Gewalt verübt wurden als jetzt gegen sie. Bitten den Landgrafen, sie nicht zu verlassen. Geschrieben unter unser stadt secret ahm abende Johannis Babtiste anno etc. 41.
3
 Zum Konflikt zwischen der Stadt Goslar und Hg. Heinrich von Braunschweig vgl. Täubrich, Herzog Heinrich der Jüngere, S. 114–122, S. 136–137 und S. 145–147.