Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Verlesung des RAb. 2. HA (Türkenhilfe): Benennung und Instruierung der Kriegsräte und der Pfennigmeister. Beratungen zur Restitution der dem Reich von Frankreich entzogenen Territorien auf dem nächsten RT. Künftige Beratung der Passauer Gravamina.

/844/ (Vormittag). Verlesung des RAb 1.

(Nachmittag) Kurfürstenrat 2 . /844 f./ Benennung der Kriegsräte bzw. Musterherren im Zusammenhang mit dem 2. HA (Türkenhilfe).

/845/ Trier, Köln, Pfalz und Mainz haben dazu keine Weisung. Sachsen und Brandenburg3  nennen Adam von Trotta, Amtmann zu Zehdenick4 , und Adrian von Steinberg5 . Einer von beiden6  soll als Kriegsrat unverzüglich zum Kg. abgeordnet werden.

Benennung der Pfennigmeister. Sachsen und Brandenburg schlagen Damian von Sebottendorf und Wolf Haller vor, die Gesandten der anderen Kff. sind dazu ohne Weisung, yedoch die benennung nit wellen /846/ aufhalten7.

Kurfürstenrat und fürstenrat. KR gibt bekannt, dass Sachsen und Brandenburg ihren Kriegsrat benannt haben, während Mainz und Pfalz8  sowie Trier und Köln je einen gemeinsamen Verordneten dem Kg. in Kürze zuordnen wollen. Auch sind die Pfennigmeister ernannt worden.

FR: Hat als Kriegsräte benannt9 : Georg Ludwig von Seinsheim zu Hohenkottenheim10  und Karl von Fraunberg, Passauer Hofmeister, für die Stände der geistlichen Bank. /847/ Für die weltliche Bank: Hans Zenger, Viztum zu Landshut11 ; die Hgg. von Sachsen werden einen Kriegsrat direkt zum Kg. nach Prag schicken. FR billigt Sebottendorf und Haller12  als Pfennigmeister.

KR und FR einigen sich daneben über die Besoldung der Pfennigmeister13.

Reichsrat/847 f./ [Billigung der Benennung und Besoldung sowie der Instruktion durch SR]. Anschließend wird die zuvor beratene Instruktion für die Pfennigmeister, die der Kg. zwischenzeitlich gebilligt hat14 , ausgefertigt und besiegelt15 . Ein Exemplar erhält der am RT anwesende Wolf Haller, das andere übernehmen die kursächsischen Gesandten zur Weitergabe an Sebottendorf.

/848/ Der Kriegsrat des SR wird von Straßburg gestellt16 . Da die Namen aller Kriegsräte noch nicht bekannt sind, werden neun unterschiedliche Instruktionen ausgefertigt und besiegelt, von denen eine der Kg. und die anderen jene Stände erhalten, die Kriegsräte abordnen. Instruktionen erhalten 1) Zasius für den Kg.; /849/ 2) Kurmainz; 3) Kurköln; 4) Kursachsen; da 5) Würzburg die Instruktion für Georg Ludwig von Seinsheim nicht annehmen will, erhält sie Zasius, weil der Kg. angeordnet hat, mit Seinsheim zu verhandeln; 6) Passau; 7) Dr. Hundt für Bayern; 8) Hgg. von Sachsen; 9) der Gesandte der Stadt Hagenau mit dem Auftrag, sie an die Stadt Straßburg weiterzugeben.

/849 f./ Daneben verweist FR darauf, dass im Zusammenhang mit der Supplikation des Oberrheinischen Kreises um die Restitution von Metz, Toul und Verdun17  eine Antwort Kg. Heinrichs II. von Frankreich an den Kf. von Mainz zum Schreiben der Reichsstände vom RT 155518  vorgelegt worden sei. An der Antwort19 ist nach Meinung des FR /850/ viel und hoch gelegen. Derwegen wol von noten gewesen, das zeitlicher die frantzosische antwurt beratschlagt were und nachdenckens gehabt, wie die entzogne stifft und stet widerumb zum Reich zupringen. Aber dweil solchs nit geschehen und man yetzo nit ferner zeit, begerten sie, man wolle solch frantzosische schreiben und handlung auf kunfftigem Reichs tag zeitlicher furpringen, dieselbig ferner sambt des reinischen kraiß supplication zuberatschlagen20.

Kurfürstenrat (ohne Trier, das Köln zur Abgabe des Votums bevollmächtigt hat). Pfalz initiiert eine nochmalige Beratung zu den Passauer Gravamina21.

Umfrage. Trier, Köln: Erachten, das die gravamina fast durchauß erledigt.

Pfalz: Were uff die wege geret, das die gravamina einzustellen biß auff der churfursten selbst personlichen beisamenkunfft. Aber wie deme, so were doch von noten, das Meintz auf die /852/ wege gedechte, wie das kaiserlich siegl widerumb zu wege zupringen und bei Meintz erhalten22.

Sachsen: Liessen die gravamina nit fallen. Zu was zeit aber die zu tractieren, konten sie sich nit entschliessen.

Brandenburg: Zum tag gen Eger die gravamina zuverschieben. Des siegls halb wurde Meintz wol zethun wissen, wes ime gepurt.

Mainz: Hetten der gravaminen halb keinen befelch. Was furpracht, solchs wollen sie anzeigen.

Ist der beschluß, das diß erregen allerseitz an die hern zugelangen zu der rethe haimbkunfft23.

Finis.

Anmerkungen

1
 Die Verlesung des RAb wird von Kurmainz im Zusammenhang mit den Sitzungen im Ausschuss zu dessen Prüfung protokolliert: Kurmainz B, pag. 865 f. [Nr. 352].
2
 Die Verhandlungen wurden im Gegensatz zum sonst üblichen RT-Verfahren nach der Verlesung des RAb nochmals – wenn auch nur kurz – fortgesetzt. Vgl. Bericht des Mainzer Kanzlers Matthias an Kf. Daniel vom 6. 3. 1557: Kg. Ferdinand wird voraussichtlich am 15. 3. [!] aus Regensburg nach Prag abreisen, und damit dieser reichstag sein endtschafft erlangen, es wolten dan die stendt und potschafften beysamen pleyben und etliche sachen noch handlen. Daruber yetziger zeit nit ein yeder mit bevelchen versehen. Darzu doch die erscheinende stendt und die redt und gesandten nit alle woll geneygt, sonder weer abkumen mag, der wurdt sich deß bevleyßen (HHStA Wien, MEA RTA 43/II, fol. 456–458’, hier 456’. Or.; präs. Aschaffenburg, 14. 3.).
3
 Vgl. Bericht Zasius an Ferdinand I. vom 21. 3. 1557: Versuchte, die kfl. Gesandten noch vor ihrer Abreise zur Festlegung der Kriegsräte zu veranlassen, und erreichte, dass Sachsen und Brandenburg von Trotta bzw. von Steinberg benannten. Die Deputierten der rheinischen Kff. sagten mangels Befehl lediglich zu, ihre Kriegsräte dem Kg. möglichst bald schriftlich anzuzeigen (HHStA Wien, RK BaR 5a, fol. 232–236’, hier 234. Or.).
4
 Adam von Trott/Trotta, Hofmarschall Kf. Joachims von Brandenburg ( Aulinger/Eltz/Machoczek, RTA JR XX, Nr. 3, hier S. 124; S. 3218); Ort Zehdenick in der Mark Brandenburg.
5
 Adrian von Steinberg (1516–1582), Rittmeister und Söldnerführer, zunächst im Braunschweiger, wohl seit Anfang 1557 im kursächsischen Dienst ( Mittendorff, Verbindung, 204; Lengemann, Schwarzburg, 656; Angermann, Oberst, passim, bes. 106 f., 214).
6
 Eindeutig im Bericht der Kurpfälzer Gesandten an Kf. Ottheinrich vom 16. 3. 1557: Benannt wird vorrangig Trotta. Falls dieser ablehnt, soll Steinberg als Kriegsrat fungieren (HStA München, K. blau 106/3, fol. 440–446’, hier 442. Or.; präs. o. O., 23. 3.). Kf. August von Sachsen hatte gegenüber Kf. Joachim von Brandenburg bereits am 21. 2. 1557 (Dresden) dessen Rat von Trotta vorgeschlagen (HStA Dresden, Loc. 10192/7, fol. 147–148’, hier 147 f. Konz.). Nachdem Joachim dies am 25. 2. gebilligt hatte, regte August am 5. 3. (Dresden) an, Trotta von den beiderseitigen RT-Gesandten benennen zu lassen (GStA PK Berlin, I. HA Rep. 1 Nr. 8, fol. 12–13’. Or.). Kf. Joachim erhielt daraufhin die Zusage Trottas (an Kf. August; Cölln/Spree, 14. 3. 1557: HStA Dresden, Loc. 10192/6, fol. 400–401’. Or.; präs. Dresden, 17. 3. Trotta an Kf. Joachim; Badingen, 11. 3. 1557: Ebd., fol. 402–403’. Or.). Bereits vor obiger Benennung hatte auch Kg. Ferdinand Kf. Joachim gebeten, Trotta als Kriegsrat freizustellen und nach Prag abzuordnen (Regensburg, 14. 3. 1557: GStA PK Berlin, I. HA Rep. 1 Nr. 8, fol. 15, 15’. Or.). Der Kf. billigte dies (Antwort an den Kg., o. D.: Ebd., fol. 5–6. Konz.) und verordnete Trotta als Kriegsrat für den Türkenfeldzug (Verordnung: Ebd., fol. 7–8. Konz., o. D.). Korrespondenz beider Kff. auch bei Ludwig, Rolle, 96 (irrtümlich Gleichsetzung der Ämter Kriegsrat/Musterherr und Pfennigmeister).
7
 Vgl. zur Benennung von Haller und Sebottendorf auch Kurpfalz, fol. 591’ [Nr. 351].
8
 Die Kurmainzer Gesandten hatten Kf. Daniel im Bericht vom 13. 2. 1557 über den Beschluss des KR (vgl. Kurmainz, pag. 694–698 [Nr. 80]) informiert, wonach er zusammen mit Kurpfalz einen Kriegsrat stellen sollte (HHStA Wien, MEA RTA 43/II, fol. 361–362’. Or.; präs. Aschaffenburg, 21. 2.). Daniel regte daraufhin bei Kf. Ottheinrich von der Pfalz ein Treffen beiderseitiger Räte an, um sich über den gemeinsamen Kriegsrat zu verständigen (Aschaffenburg, 21. 2. 1557: Ebd., fol. 371’–372’. Konz.). Da die Zusammenkunft erst am 14. 3. stattfand, war die Bekanntgabe des Kriegsrates vor dem Ende des RT nicht mehr möglich (Weisung Kf. Daniels an die Gesandten; Aschaffenburg, 14. 3.: Ebd., fol. 474–475’. Konz.).
9
 Beschlussfassung im FR am 25. 2.: Würzburg, fol. 229 [Nr. 199].
10
 Rat des Bf. von Würzburg.
11
 Bayerischer Rat (vgl. Anm.2 bei Nr. 24 und Anm.6 bei Nr. 199).
12
 Vgl. Anm.5, 6 bei Nr. 482.
13
 Vgl. die hier beschlossenen Zuwendungen in der Instruktion [Nr. 482], fol. 301’ f. [Unnd auf das ... werden sollen.].
14
 Vgl. Kurpfalz, fol. 588’ f. [Nr. 351].
15
 Nr. 482.
16
 Beschlussfassung im SR am 22. 2.: Augsburg, fol. 120’ [Nr. 298].
17
 Nr. 559.
18
 Vgl. Reichsstände auf dem RT in Augsburg an Kg. Heinrich II. (10. 9. 1555): Die Reichsstände entnehmen den Schreiben des Kgs. vom 27. 6., 1. 10. und 10. 12. 1554 dessen Erbieten von Freundschaft und guter Nachbarschaft. Sie fordern unter Berufung darauf, er möge dem mit der Restitution der Hstt. und Städte Metz, Toul und Verdun, eines Teils des Hst. Lüttich und des Hgt. Lothringen, der Hft. Kriechingen und anderer Territorien, die unzweifelhaft zum Reich gehören, nachkommen. Bereitschaft zu weiteren Verhandlungen mit einer Gesandtschaft des Kgs. auf dem nächsten RT. Druck: Zeller II, 321–323. Nachweis der Schreiben Kg. Heinrichs II. von 1554: Aulinger/Eltz/Machoczek, RTA JR XX, Nr. 282 S. 2620, Anm. 8. Schreiben vom 27. 6. im Ganztext: Ebd., Nr. 309 S. 2794–2796. Verhandlungen des RT 1555 zu den Schreiben: Ebd., Nr. 144 (KR-Protokoll), fol. 78–79’ (S. 697 f.), fol. 86’–87’ (S. 703 f.), fol. 113 f. (S. 725 f.), fol. 250’–254’ (S. 832–837), fol. 414’–420’ (S. 967–973), fol. 622–626’ (S. 1103–1106), fol. 717’ (S. 1172), fol. 814’–820 (S. 1234–1238), fol. 841’–842’, 846–849’ (S. 1252–1256), fol. 851’ f., 853’ f. (S. 1257–1259). Nr. 145 (FR-Protokoll), fol. 141–142’ (S. 1381–1383), fol. 147’ f. (S. 1386 f.), fol. 474–475’ (S. 1486–1488), fol. 492–503’ (S. 1498–1505 passim), fol. 513–514 (S. 1513). Resolutionen und Korrespondenzen: Nr. 281 S. 2614 f.; Nr. 282 [4] S. 2620–2622; Nrr. 287–289 S. 2640–2645; Nr. 341 S. 2897–2900. Vgl. Lutz, Christianitas, 366, 434; Zeller II, 32 f.; Platzhoff, Frankreich, 451 f.; Pariset, Relations, 170; Laubach, Ferdinand I., 664; Petry, Faire, 106.
19
 Bei der erwähnten Antwort (konnte nicht aufgefunden werden) handelte es sich wohl nur um eine vorläufige, auf die Forderungen im Schreiben vom 10. 9. 1555 nicht eingehende Stellungnahme, die auch später nicht erfolgte. Vgl. Zeller II, 33: „Henri II prit le parti de ne pas répondre.“ Auch Lutz, Christianitas, 434, nimmt an, eine Antwort Heinrichs II. sei „anscheinend nie erfolgt.“ Ähnlich bereits Trefftz, Kursachsen, 133.
20
 Dazu in Kurmainz, pag. 850, der interne Mainzer Vermerk wohl als Vorbereitung für den nächsten RT: Nota bene: Das auf kunfftigem Reichs tag des /851/ reinischen kraiß supplication und dan die frantzosische handlung und schrifften, wie die noch von dem augspurgischen Reichs tag herruren, den stenden fürgelegt werden. Beratungen zur Restitution wurden noch vor dem nächsten RT zunächst auf dem Frankfurter Kurfürstentag von Kg. Ferdinand I. in der Nebenproposition angeregt (vgl. Leeb, RTA RV 1558/59, Nr. 48, hier S. 483; vgl. auch die Supplikation der Metzer Exulanten: Ebd., Nr. 64 S. 508 f.). Ferdinand lehnte die von den Kff. erwogene, sofortige Gesandtschaft nach Frankreich ab und verwies die Thematik an den nächsten RT (ebd., Nr. 49, hier S. 490 f.; Nr. 50, hier S. 496 f.). Akten des RT 1559 im Zusammenhang mit der französischen RT-Gesandtschaft: Ebd., Nrr. 569–577, 588 S. 1401–1425, 1440–1446.
21
 Erste Beratung am 14. 3.: Kurmainz, pag. 835, 837–839 [Nr. 105].
22
 Vgl. Anm.12 bei Nr. 105.
23
 Die Verhandlungen zu den Passauer Gravamina wurden fortgesetzt auf dem Kurfürstentag 1558. Vgl. Leeb, RTA RV 1558/59, Nr. 8 S. 338–340, Nr. 11 S. 352, Nr. 17 S. 385 (Reichssiegel), Nr. 34 S. 417 f., Nr. 35 S. 421, Nr. 49 S. 491 mit Anm. 16, Nr. 50 S. 497 mit Anm. 11 (Reichssiegel). Zu den weiteren Verhandlungen Ferdinands I. mit Kurmainz um die Führung des Reichssiegels, mithin um die Leitung der Reichskanzlei auf dem RT 1559 vgl. ebd., Einleitung, 104 (Aktennachweis); Lanzinner, Rolle, 76–78; Leeb, Stellung, 113 f.