Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Textvorlage: Kurmainz A, fol. 203–207.

1. HA (Religionsvergleich): Nominierung der katholischen Kolloquiumsteilnehmer. Personelle Vorschläge in Plenum und Ausschuss.

/203/ (Vormittag, 7 Uhr) Rathaus. Versammlung der katholischen Stände (Gesandte: Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Salzburg, Österreich, Deutschmeister, Bamberg, Würzburg, Eichstätt, Speyer mit Vollmacht für Worms, Straßburg mit Vollmacht etlicher meher, Osnabrück, Regensburg, Passau, Merseburg, Bayern, Braunschweig [wohl Hg. Heinrich], Jülich, Fulda, Hersfeld, Prälaten).

Mainza  proponiert: Benennung der katholischen Teilnehmer für das Religionskolloquium und Klärung der übrigen noch ausstehenden Punkte [Finanzierung der Teilnahme].

/203’/ Umfrage. Kurtrier: Bezüglich der Assessoren werden sich die geistlichen Kff. und die katholischen Stände des FR auf je eine Person vergleichen. Zu den theologen schlugen sie für disse1 : Merseburg episcopus [Michael Helding]; Neumburg episcopus [Julius Pflug]; Decanus lovaniensis2; Gropperus coloniensis; Franciscus Sonnius lovaniensis; [Johannes] Crescenicus; Dr. Martinus lovaniensis [Rythovius]; Canisius; Lector Cesarius lovaniensis3 ; Suffraganeus bambergensis4; doctor [Johannes] Armbruster; Johannes Delfius; Staffilus; Gerhardus Ising; Sidelius5; /204/ Lucretius6; Conradus Bruno7; Bartholomeus Latomus8; Masius9; Pacceus10; Thamerus11; Suffraganeus augustanus12; Alebrandinus brixiensis13; Johannes Tielanus, provincialis predicorum14; Dr. Symon Augustanus15; [Georg] Wicelius; Lindanus tillingensis. Die expenß belangendt: Auff ein einfachen romzugk.

Kurköln: Wie Trier. Und were ein delectus auß dissen personen zunemen. Auditoren anlangendt: Hette man sich alhie der stendt, so sie geben solten, zuvergleichen. Uncosten halb: Wie Trier, auf ein einfachen romzugk.

/204’/ Kurmainz: Haben zur Nominierung der Teilnehmer keine Vollmacht und wollen zu den vorgeschlagenen Personen Weisung des Kf. anfordern16 . Zur Finanzierung ebenfalls ohne Weisung17; versehen sich doch, wes andere vor gut ansehen, Meintz werde sich davon nit absondern. Auditoren halb wie Colln.

Salzburg: Schlecht diß personen fur: Nicolaus de la Noe, jesuita vienensis. Nicolaus Godanus, vienensis18. Laurentius Hohenwart, pataviensis19. /204’ f./ Empfiehlt für die konkrete Benennung der Kolloquenten und für die Beratung der übrigen noch ausstehenden Punkte die Einrichtung eines eng gefassten Ausschusses.

/205/ Bayern: Votiert ebenso für die Einrichtung eines Ausschusses.

Österreich: Es wolte zum hösten daran gelegen sein, das schiedliche, fridliebende personen, so auch tauglich, darzu gezogen werden, dan diß colloquium numeher der einig trost compositionis religionis were. Darumb underschiedlichen von den personen zu reden, und konte solchs durch ein enge verordnung auß diessen gesandten auch beschehen.

Braunschweig, Deutschmeister: Wie Ostereich.

Jülich: Hetten der benampten personen aller kein /205’/ kuntschafft, wusten darumb nit darzu zureden. Assessoren von gaistlichen und weltlichen, adjuncten von gaistlichen und weltlichen, auditores von gaistlichen und weltlicher stendt wegen zuverordnen.

Bamberg, Würzburg: Wie Salzburg für die Einrichtung des Ausschusses.

Eichstätt: Theologos scolasticos auch mit zuzuziegen; aber die sachen in ein ausschuß furzunemen.

Speyer, Straßburg und alle folgenden Votanten: Einrichtung des Ausschusses.

[Beratung zur Besetzung dieses Ausschusses.] Beschluss: In den Ausschuss werden Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Salzburg, Straßburg, Bayern und Jülich berufen20.

/206/ (Nachmittag) Ausschuss der katholischen Reichsstände in der Salzburger Herberge.

Beratung zunächst zur Nominierung der katholischen Assessoren. Beschluss, dass zum einen die geistlichen Kff. und zum anderen die geistlichen und weltlichen Ff. je eine Person aus ihrem Kreis auswählen.

Kolloquenten: Übereinkunft, folgende sechs Teilnehmer vorzuschlagen21 : 1) Julius Pflug, Bf. von Naumburg; 2) Michael [Helding], Bf. von Merseburg; 3) Johann Delphius, Weihbf. von Straßburg; 4) Johann Gropper, Propst zu Bonn; 5) [Wilhelm] Lindanus, Prof. in Dillingen; 6) Petrus Canisius22.

/206’/ Vorschlag für die Adjunkten: 1) Franz Sonnius, Kanonikus zu Utrecht; 2) Nikolaus de Lanoy, Wiener Jesuit; 3) Johannes Armbruster, Würzburger Licentiat; 4) Johannes Gressenicus, Dominikaner, bayerischer Hofprediger; 5) Georg Witzel; 6) Friedrich Staphylus.

Vorschlag für die Ersatzleute der Theologen (Supernumerarii): 1) Dr. Gerhard Ising, Mainz; 2) Dr. Matthias Keuler, Speyer; 3) Georg Theander, Ingolstadt; 4) Hermann Schilder, Dekan zu Emmerich.

Vorschlag für die Notare: 1) Dr. Daniel Mauch, Worms23 ; 2) Simon Bagen, Mainzer Sekretär; /207/ 3) Heinrich Schweiker, Sekretär des Hg. von Bayern.

Der Ausschuss berät die Vorschläge nochmals und ändert sie teilweise24 , bevor sie dem Plenum vorgebracht werden.

Nota: Ist solch bedencken25 nachmals gefallen.

Anmerkungen

a
 Mainz] Würzburg (fol. 231’) differenzierter: Mainzer Kanzler.
1
 Folgende Liste auch bei  Bundschuh, Religionsgespräch, 230–234. Hinweise zu den Theologen, welche die katholischen Stände nachfolgend für das Kolloquium nominierten, finden sich im Kommentar bei Nr. 433, zu den Ersatzleuten in Nr. 417. Hier folgen Angaben nur zu den Kandidaten, die nicht benannt wurden. Zu vgl. ist eine von Canisius erstellte Kandidatenliste (vgl. Anm.2 bei Nr. 463).
2
 Ruard Tapper (1487–1559) aus Enkhuizen (Niederlande). Dr. theol., 1519 Prof. an der Universität Löwen. Kontroverstheologe; 1537 Generalinquisitor der Niederlande, Teilnehmer am Tridentinum 1551/52. Vgl. Bundschuh, Religionsgespräch, 230, Anm. 203; Fabisch, Tapper (Lit.);  Stone, Tapper, 250–259.
3
 Wohl Johannes Caesar (de Keijzer, gest. 1579); Dr. theol., Provinzial der Kölner Augustiner-Provinz (so Bundschuh, Religionsgespräch, 231, Anm. 209).
4
 Petrus Rauch (Rauh) (1495–1558), Dominikaner. Dr. theol.; bedeutender Kontroverstheologe und Prediger, seit 1546 Weihbf. und Domprediger in Bamberg. Vgl. Bundschuh, Religionsgespräch, 231, Anm. 210; BBKL  VII, 1398–1401 (Lit.); Gatz, Bischöfe, 572.
5
 Wolfgang Sedelius (Seidel; 1492–1562); Benediktiner, Kontroverstheologe, Prediger in München; 1552 Teilnehmer am Tridentinum. Vgl. Pöhlein, Seidel; Bundschuh, Religionsgespräch, 231, Anm. 215; BBKL  XIV, 1474 f. (Lit.).
6
 Johann Albrecht Widmannstetter (Lucretius; 1506–1557); Humanist, Orientalist, Philologe, Theologe und Diplomat. 1539–1545 bayerischer Rat, 1545/46 ebfl. Salzburger Kanzler, 1546–1552 bfl. Augsburger Kanzler, 1552 Eintritt in den Dienst Kg. Ferdinands I., 1554 Superintendent der Universität Wien. 1556 Übertritt in den geistlichen Stand. Vgl. BBKL  XVI, 1548–1550 (Lit.); Jaumann, Handbuch, 703 f.
7
  IUD Konrad Braun (1491–1563); Jurist, Publizist, katholischer Kontroverstheologe. 1526 bfl. Würzburger Rat, 1533–1540 RKG-Assessor, 1540–1542 als RKG-Kanzleiverwalter im Kurmainzer Dienst; 1542 im bayerischen Dienst, seit 1551 bfl. Augsburger Kanzler. Teilnehmer an zahlreichen RTT. Vgl. NDB  II, 556; Rössner, Braun; Bäumer, Braun.
8
 Bartholomäus Latomus (1500–1570); humanistische Ausbildung und Tätigkeit (Prof.) in Freiburg, Köln, Löwen, Paris. 1541 Kurtrierer Rat. Veröffentlichte zahlreiche kontroverstheologische Schriften. 1546 Auditor beim Kolloquium in Regensburg. Teilnahme am Kolloquium 1557 als Assessor in Stellvertretung Kf. Johanns von Trier. Vgl. Bundschuh, Religionsgespräch, 380–382; BBKL  IV, 1217–1219 (Lit.).
9
 Andreas Masius (1514–1573), geb. Niederländer; Humanist, Kleriker, Jurist (IUD), Syrologe. 1538–1548 bfl. Konstanzer Sekretär, seit 1551 Jülich-Klevischer Rat und Gesandter in Rom, zeitweilig auch Kurpfälzer Rat. Vgl. ADB  XX, 559–562; Bundschuh, Religionsgespräch, 231, Anm. 219 (Lit.); Jaumann, Handbuch, 439 f.
10
 Valentin Paceus (eigentlich Hartung, auch genannt Fried; gest. 1558). Lic. theol.; 1542 lutherischer Pfarrer in Querfurt, 1545 in Lützen, 1549 Prof. für (protestantische) Theologie und Prediger in Leipzig. 1556/57 Konversion [vgl. seine Nennung als Kandidat der CA-Stände für das Kolloquium noch beim RT in Nr. 382] zum Katholizismus und 1557 Wechsel als altgläubiger Prof. nach Dillingen. Unmittelbar vorher Aufenthalt beim RT in Regensburg bereits im Umfeld Kardinal Ottos von Augsburg. Vgl. Voigt, Paceus.
11
 Theobald Thamer (1502–1569); Studium der (protestantischen) Theologie in Wittenberg, 1543 Prof. in Marburg. 1547–1553 Abkehr von der CA, 1554 Konversion zum Katholizismus. 1555 Domprediger in Minden, 1556 Kanonikus und Prof. der Theologie in Mainz, 1566 Prof. in Freiburg. Vgl. TRE  XXXIII, 172–175 (Lit.); BBKL  XI, 769–775 (Lit.).
12
 Michael Dornvogel (1518–1589), Dr. theol. 1552 Prof. in Dillingen, 1553 Domprediger, 1554 Domvikar und (-1586) Weihbf. in Augsburg, 1577 Generalvikar. Vgl. Bundschuh, Religionsgespräch, 232, Anm. 222; Gatz, Bischöfe, 136 (Lit.).
13
 Blasius (Biagio) von Aliprandi (Aliprandini) (gest. 1571); Dr. decr. Seit 1552 Domherr in Trient und Brixen, 1561 dort und auch in Trient Weihbf., 1562 Generalvikar. Vgl. Bundschuh, Religionsgespräch, 232, Anm. 223; Gatz, Bischöfe, 18 f. (Lit.); Gelmi, Weihbischöfe, 193–195.
14
 Johannes Pessel (Pesselius oder Stempel; gest. 1558), gebürtig aus Tiel in Geldern, deshalb Tilanus (seltener Tileanus) genannt; 1545–1558 Provinzial der Dominikanerprovinz Teutonia. Vgl. Springer, Dominikaner, 186 mit Anm. 62.
15
  Dr. Simon Scheibenhardt (gest. nach 1575); Studium in Freiburg/Br., Dr. theol.; 1545–1554 Prediger und Kanoniker in Fribourg, seit 1554 Prediger und Kanoniker am Kollegiatstift St. Moritz in Augsburg. Vgl. Ruth, Ämtergefüge, Teil II, 82; Büchi, Schibenhart; Bundschuh, Religionsgespräch, 168, Anm. 161.
16
  Kf. Daniel nannte in der verspäteten Weisung vom 28. 2. 1557 lediglich die Bff. von Naumburg und Merseburg sowie Gropper und J. Delphius als Kolloquenten. Ansonsten sollten seine Gesandten sich der Mehrheit anschließen (HHStA Wien, MEA RTA 44a/I, fol. 399–403’. Or.).
17
 Noch im Bericht vom 5. 3. 1557 baten die Mainzer Deputierten dringend um konkrete Weisung zur Finanzierung des Kolloquiums (HHStA Wien, MEA RTA 43/II, fol. 452–455’, 459, hier 454’. Or.; präs. Aschaffenburg, 14. 3.). Die entsprechende Weisung vom 14. 3., in der Kf. Daniel die Umlage gemäß dem Reichsanschlag billigte, fiskalische Prozesse gegen Säumige aber ablehnte, erreichte die Gesandten aufgrund des RT-Abschlusses am 16. 3. wohl nicht mehr in Regensburg (ebd., fol. 474–475’, hier 475. Konz.).
18
 Zu Nikolaus de Lanoy vgl. Anm.6 bei Nr. 417; zu Goudanus: Anm.16 bei Nr. 433.
19
 Lorenz Hochwart (um 1500–1570); Humanist, Theologe (Dr. theol.) und Historiograph, Domherr in Regensburg und Passau, Teilnehmer am Tridentinum 1551/52. Vgl. BBKL  XIX, 707–710 (Lit.); Bundschuh, Religionsgespräch, 232, Anm. 230.
20
 Vgl. die Ausschussbesetzung am 19. 1. [Nr. 407].
21
 Vgl. zu den folgend Genannten (falls hier keine Hinweise) die Angaben in Nr. 417 und Nr. 433.
22
 Über mögliche Einwände auch auf katholischer Seite gegen Canisius hatte der bayerische Gesandte Hundt am 15. 2. 1557 an Hg. Albrecht berichtet: Erwartet die Benennung von Canisius, /2’/ wiewol die confessores den jesuiten nit gern dabey werden sechen unnd vileicht auch etlich von den catholischen stenden Dr. Staphilum oder Witzelium lieber haben wurden. Hundt verband damit – wohl wegen der vielfachen Kolloquiumsvorbehalte – grundsätzliche Kritik am Verhalten der geistlichen Stände: In summa es last sich ansechen, das den geistlichen gar nit ernst sey, auch kain willen oder lust zu solchen werck haben, unnd was sy thun, das es nur ain spiegl fechten ad protrahendum negotium et nihil agendum. Da das ex bono zelo, were zu entschuldigen. Do sy aber damit der reformation, welche ainer cristlichen vergleichung gewislich anhengig, entfluochen unnd in dem allen ir privatum suochen wolten, wurd inen, wie zu besorgen, nit zu guetem gerathen, sonder stund darauff, das sy durch andere unzimliche mitl mit der zeit nit reformiert, sonder gar devastiert unnd zerruessen wurden (HStA München, KÄA 3180, fol. 1–3’, 5 f., hier 2’. Or. Druck: Mayer, Hundt, 220–223, hier 222, in teils fehlerhafter Lesart. Absatz bzgl. Canisius danach zit. bei  Braunsberger II, Nr. 129 S. 790, und Bundschuh, Religionsgespräch, 243, Anm. 304. Vgl. Heil, Reichspolitik, 154).
23
 Daniel Mauch (1504–1567); IUD, Domscholaster zu Worms, seit 1545 Mitglied des dortigen Domkapitels. Teilnahme am Kolloquium 1557 nicht als Notar, sondern als Auditor für Kurmainz. Vgl.  Bundschuh, Religionsgespräch, 393 f. (Lit.); NDB  XVI, 424.
24
 Vgl. die Sitzung des Plenums am 2. 3. [Nr. 416] und das dort vorgelegte Gutachten [Nr. 463].
25
 Bezugnahme wohl auf das am 2. 3. vorgelegte Gutachten des Ausschusses [Nr. 463].