Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil
[1.] Verwendung der fiskalischen und Kanzleigefälle zur Finanzierung des Reichskammergerichts; [2.] Benennung von Kandidaten für das Amt des Reichsfiskals; [3.] Regelung der Aufgaben und Befugnisse des Reichsfiskals; keine Eingriffe des Reichsoberhaupts in Fiskalprozesse; Ersetzung des Reichsfiskals; [4.] Standort des Reichskammergerichts; [5.] Benennung der ständischen Visitatoren; [6.] Aufgaben der Visitatoren; [7.] Präsentation der Assessoren und deren Qualifikationskriterien, Ersetzung ausgeschiedener Assessoren; [8.] Exekution der kammergerichtlichen Urteile, Befugnis zur Verhängung der Reichsacht, Bannung hartnäckiger Ächter; [9.] Bitte an Kg. Maximilian um weitere Vorschläge zu einer wirksameren Exekution von Gerichtsurteilen; [10.] Ersetzung des geistlichen Kammerrichters durch einen weltlichen mit der Befugnis zur Verhängung der Reichsacht; [11.] Bestätigung der seit 1495 verabschiedeten Kammergerichtsordnungen; [12.] Geltungsdauer der Kammergerichtsordnung.
Konstanz, 3. Juli 1507 (sambstag nach sanctorum Petri und Pauli).
Wien, HHStA, MEA RTA 3a, fol. 553–558’ (Kop., Überschr.: Beratslagung der versamlung des Reichs stende uf kgl. Mt. ubergeben artikel [Nr. 177], das chamergericht betreffen.) = Textvorlage A. Weimar, HStA, Reg. E, Nr. 54, fol. 35–41’ (Kop. mit Randvermm. Hd. J.J. Mueller, die den Inhalt kennzeichnen; Überschr. wie A, Datumverm.) = B. Würzburg, StA, WRTA 5, fol. 95–99 (Kop., Überschr. wie A) = C. Frankfurt, ISG, RTA 23, fol. 27’-33’ (Kop., Überschr. wie A) = [D]. München, HStA, KÄA 3136, fol. 215–220’, 222’ (Kop., Überschr. wie A) = [E]. Bamberg, StA, BRTA 5, fol. 69–74 (Kop., Überschr. wie A). Lübeck, StdA, RTA II, Fasz. 3, fol. 28’-34’ (Kop., Überschr. wie A). Mühlhausen, StdA, 1 10 C 1–8, Nr. 1a, fol. 25’-31’ (Kop., Überschr. wie A). München, HStA, Hst. Freising, K.blau 204/6, fol. 40–46’ (Kop.). München, HStA, Neuburger Kopialbücher 22, fol. 336–343’ (Kop., Überschr. wie A).
Druck: Harpprecht, Reichsarchiv II, Nr. CXXXVIII, hier S. 445–452; Ompteda, Geschichte, S. 9f. (nur Pkt. 5f.).
[1.] /553/ Erstlich, als kgl. Mt. im dritten ubergeben artikel tut melden, das ir die ubermass etc. von fiscalischen und canzlyfellen solt volgen etc.2, ermessen die stende, das die fell von fiscalischen sachen und der canzley ungewiß sein und nit yedes jars gleich gefallen, das auch dieselben fell nit so hoch, als zu besorgen steet, laufen oder sich strecken, das chamerrichter, beisitzer und canzley davon underhalten werden mochten. Derhalben sich die stende in iren ubergeben artikeln erpoten, wo die angezeigten fell nit so weit, das das camergericht davon underhalten werden mocht, reychten, das sie solichs durch einen gemeynen anschlag im Reich erfullen und erstatten wolten.3 Darumb und so in des camergerichts sachen und ußrichtung vil fell und sachen zufallen mogen, darin man teglicher verlegung notturftig sein wird, so bitten die stende kgl. Mt. underteniglich, ob ein ubermaß von obangezeigten fellen sein wurd, des man sich doch uß oberzelten ursachen nit versihet, das ir Mt. solichs zu gemeyner ußrichtung und verlegung des chamergerichts sachen gnediglich volgen und gedeyen lassen wolle.
Placet, doch uber das alles die ubermass kgl. Mt. vorbehalten. Dann es mocht ein fall kommen, der zehen- oder funfzehntausent fl. oder mer ertragen mocht, davon soll irer Mt. die ubermaß pillich vervolgen.
[2.] /553’/ Item uf den funften artikel, benennung des fiscals, auch ordnung desselben betreffen4, weren anfenglich nach bedunken der stende dise nachvolgende personen kgl. Mt. fur procuratores fisci tuglich anzuzeigen, nemlich Johann Rehlinger, Johann Luftig5 und Jheronimus Croaria, Drr.
Kgl. Mt. will das mit einem handlen lassen.
[3.] Furter, ordnung des fiscals belangen6, bewegen die stende, das, wiewol gemeyne geschrieben recht, was fiscalisch sachen und hendel syen, ußtrucken, auch des processa in solichen sachen maß und form geben, das dannocht notturftig sey, neben vorigen des Reichs ufgerichten ordnungen, den fiscal betreffen7, weiter und mehe ordnung durch kgl. Mt. und stende des Reichs zu machen.
Placet.
b–Item, das sich der fiscal mit nyemands, den er fiscalischen sachen halber furnympt, c–on verwilligung kgl. Mt. oder beysein, rat und willen des chamerrichters–, der zweyer oder dryer zugeordenten assessoren solicher sachen halben vertrag oder teyding mach oder mog–b.
d–Item, das kgl. Mt. dem fiscal in seinen proceß und sachen kein verhinderung oder irrung tue, sunder den stracks, wie sich gepurt, procedirn laß, auch nymand der fiscalischen sachen oder straf halben absolvir oder entledig, sunder den fiscal damit, wie obsteet, gewerden laß–.
/554/ Item ist zu versehen und zu orden, wie es gehalten werden soll, wo ein fiscal tods abging oder sust abstunde oder sich ungeschicklich halten wurd. Bedeucht die stende also, das in solichen sachen der kgl. Mt. verordenter rate, auch die Kff. und Ff. oder ire rete, so, wie hernach bestimpt wird, jerlich zu dem chamergericht komen sollen, mitsambt dem chamergericht kgl. Mt. an desselben abgangen oder abgestanden fiscals stat dry redlich, gelert personen solten anzeigen, daruß einen fiscal zu kiesen und zu setzen etc.
Fiat, doch zuvor kgl. Mt. zu presentirn.
[4.] Uf den achten artikel, die malstat des camergerichts betreffen8, bitten die stende kgl. Mt. nochmals wie vor [Nrr. 169, Pkt. 3; 171, Pkt. 5] underteniglich, nachdem Regenspurg ein ungelegen malstat zum chamergericht angesehen, auch nit wol sicher und felich dahin zu komen ist, das kgl. Mt. gemeynen stenden zu gnad und gutem dieselben malstat ytzt baß und gelegener herin ins Reich, als gein Nordlingen, verrucken wolle. Die stende des Reichs achten auch Worms nit fur ein ungelegen malstat des chamergerichts, wo die irrung, so zwuschen dem Bf. und der statt dasselbst, hingelegt, also das der Bf. seiner behapten urteil nach laut der nachgevolgten executorial gepurlich vollziehung erlangt hett.9
/554’/ Nun das jar zu Regenspurg, das ander zu Worms, soferr die irrungen hingelegt werden; dann kgl. Mt. verhofft, die wol zu vertragen in der zeit.
[5.] Item des neunden artikels halben, der uf kgl. Mt. rete, so sie darzu ordnen, auch zweyen oder dryen Kff. und Ff., dem chamergericht am nehsten gesessen, gestellt ist10, bedunkt die stende zu merer bestendiger underhaltung des chamergerichts besser und gleicher sein, das die sachen desselben und etlicher nachfolgender artikel uf die sechs Kff., auch die hernachbenanten sechs geystlich und weltlichen Ff. und zufurderst uf kgl. Mt. gestelt wurd, nemlich diese Ff.: die Bff. zu Bamberg, Wurzpurg und Eystet, Hg. Albrechten von Beyern, Hg. Jorgen von Sachsen und Mgf. Fridrichen von Brandenburg; also das yedes jars mitsampt kgl. Mt. oder irer Mt. darzu verordenten reten ein Kf. und ein F. uß den obbenanten Ff. solicher artikel versehung tun solten. Und wo der Kf. geystlich, so solt der zugegeben F. weltlich sein, und wann der Kf. weltlich were, so solt der zugegeben F. geistlich sein. Als nemlich solten des ersten jars anfahen der Ebf. zu Menz und Hg. Albrecht von Beyern, das ander jar der Ebf. zu Trier und Hg. Jorg von Sachsen, das dritt der Ebf. zu Coln und Mgf. Friderich /555/ von Brandenburg, das vierde Pfgf. Philips, Kf., und der Bf. von Bamberg, das funft Hg. Friderich von Sachsen, Kf., und der Bf. von Wirzpurg und das sechst jar Mgf. Joachim, Kf., und der Bf. von Eystet solichen artikeln obsein.
Placet.
[6.] Also das zu ußgang des ersten jars, darin das chamergericht gehalten wird, uf ein nemlichen tag, den der chamerrichter benennen und verkunden soll, kgl. Mt. selbs kommen oder ir treffenlich rete darzu verorden und schicken. So sollen der Ebf. zu Menz und Hg. Albrecht von Beyern personlich kommen oder auch ir treffenlich rete zu dem chamergericht schicken, daselbst vom chamerrichter, den zweyen oder dryen assessoren und dem fiscal alles innemens und ußgebens rechnung zu entpfahen, auch zu ermessen und zu bewegen, nachdem und sie die fell des fiscalampts und der canzly alßdann finden, ob der anslag, des sich die stende zu underhaltung des camergerichts zu geben erpoten haben, von den stenden lenger zu geben not sey oder ob der gemyndert oder gar abgetan werden soll. Und so der wyter gegeben oder gemyndert werde, das sollen die gemelten kgl. Mt. oder ire verordenten, auch die zwen Kff. und Ff. mitsampt dem chamerrichter kgl. Mt., auch den stenden furter verkunden und das gelt /555’/ solichs anslags von den stenden erfordern, auch dieselbene stende mit gepurlichen processen durch den fiscal von ampts wegen darzu, wie obstet, zwingen lassen. Und soll solichs furter die nachfolgenden jar under den obbenanten Kff. und Ff. umbgeen und also, wie obgeschriben steetf, gehalten werden.
Placet.
g–Item sollen die gemelten, kgl. Mt. oder ir verordenten, auch die zwen Kff. und Ff. oder ir treffenlich rete getreues, fleissigs ufsehen haben, damit das chamergericht ufrichtig in seiner ordnung gehalten werd. Und ob also beschwerlich mengel oder gebrechen des chamergerichts infielen, die kgl. Mt. oder ir verordenten reten, auch die zwen Kff. und Ff. oder ire rete, wie vorstet, mitsampt dem chamergericht nit erheben oder entschliessen mochten, so sollen kgl. Mt. oder ire verordenten rete, auch die zwen Kff. und Ff. oder ire rete mitsampt dem camerrichter solich gebrechen oder mengel an die kgl. Mt., wo sein Mt. selbs personlich by der handlung nit gewesen were, auch die andern obgenannten Kff. und Ff. in schriften gelangen lassen und inen dabey furderlich ein nemlichen tag bestymmen und ernennen, daruf sie alle treffenlich zum camergericht schicken sollen, solich mengel und gebrechen des camergerichts entlich zu entledigen und zu versehen–.
[7.] /556/ h–Item uf den eylften artikel, benennung der assessoren belangend11, bewegen die stende, das camergericht widerumb mit XVI personen, wie zu Worms geordent ist12, zu besetzen sein, darunder der halb teyl von redlichen, verstendigen, gelerten Drr. und Licc. und der ander halb teyl von Gff., Hh. und redlichen, verstendigen rittermessigen personen sein soll; der dann die kgl. Mt. zwen geben soll, einen von den osterreichischen und den andern von der burgundischen lande wegen, der eyne ein gelerter Dr. oder Lic. und der ander ein redlicher, verstendiger Gf., H. oder rittermessiger man sey. Item sollen die sechs Kff. sechs personen geben, darunder der halb teyl, wie vorsteet, gelert und der ander teyl ufs wenigst von rittermessigem stamm sey. So sollen die andern achte person, der auch der halb teyl von gelerten und der ander teyl ufs wenigst von rittermessigen leuten, wie obstet, sein sollen, uß den sechs kreysen, uf dem Reichs tag zu Augspurg bestimpt13, genommen werden. Und ob sich begeben, das ymand von gemelten personen des chamergerichts abgeen oder absteen wurd, so soll kgl. Mt., der Kf. oder die stend der gemelten zirkel oder kreyß, von oder uß den der abgangen /556’/ oder abgestanden assessores geben gewest, zum furderlichsten, nachdem ime solicher abgang von dem camerrichter verkundt wird, in dryen moneten, nehst nach solicher verkundung volgende, zwo oder dry andere geschickte, redliche personen des stands und wesens, des der vorig gewest, kgl. Mt. oder ir verordent rete, auch die zwen Kff. und Ff. oder ire geschickten rete, so jerlich zum chamergericht, wie obstet, komen sollen, mitsambt chamerrichter und beysitzern einen zu assessorn an des abgangen stat kiesen mogen und sollen. Wo aber dieselben stende oder zirkel, wie obgemelt, an ernennung und anzeigung solicher person uber drey monat nach der verkundung, wie obstet, seumig wurden, sollen die angezeigten der kgl. Mt. rete, auch die zwen Kff. und Ff. oder ir geschickten rete, so jerlichs zum chamergericht, wie vorsteet, kommen sollen, mitsampt dem camerrichter und assessoren ein oder mer andere redliche person des stands und wesens, des dann der oder die abgangenden gewest, auch uß derselben lantschaft, davon er gegeben were, zu kiesen und zu nemen macht haben–.
Item soll der artikel der Gff. und Hh. besetzung halben des chamergerichts, zu Augspurg gemacht14, in creften pleiben und dieselben Gff. oder Hh. ytzt alhie benennt werden.
Placet.
/557/ Execucion betreffend.
[8.] Dieweil behapte urteil wenig frucht geperen, wo sie nit vollzogen werden, darumbi ermessen die stende, das zu gepurlicher vollziehung und execucion der urteil des camergerichts durch camerrichter und assessoren mit acht und aberacht und andern gepurlichen penen des rechten strenglich und furderlich, wie sich geburt, procedirt werden soll.15 Und ob dieselben ungehorsamen also uber jar und tag in der acht verharren und pleiben wurden, das alßdann des Reichs vor ufgerichte ordnung16 demselben zu hilf gepraucht werden, nemlich also, das die, so in die acht erkennt und jar und tag darin verharren wurden, durch die Ebff. oder Bff., ir vicarien oder official des Bm., darin die echter gesessen oder wonend sein, in den geystlichen pan declarirt, aggravirt oder reaggravirt wurden, wie sich nach seiner ordnung geburt, durch compaß17 und uf anrufen des chamergerichts.
Wo aber die Ebff. oder Bff. uf solich anrufen durch compass zu procediren beswerde oder scheue hetten, so bedunkt die stende nit unfuglich sein, das man alhie mit den Ebff. und /557’/ Bff. handelt, das sie dem chamerrichter, wo der geystlichs stands, wo er aber weltlichs stands sein wurde, einem beysitzer geystlichs stands volkomen gewalt geben, der uf die acht, wie obgemelt, den pan und ander geystliche censuren gegen den echtern erkennt und ußgeen ließ, sie auch davon zu absolviren macht hett; doch was von processen und andren in solichen fellen, das solichs auch zu underhaltung des chamergerichts gewendt wurde.
Wurd aber solich execucion einen mechtigenj F., commun oder andere belangen, die solich acht und pan verachten und nit ansehen wolten, deshalben soll der chamerrichter kgl. Mt. als den herrn und haupt anrufen, darin weiter execution zu verhelfen.
k–Placet. Doch sollen der Ebf., Bf. oder ir official uf bevelhe des chamergerichts den bann ußgeen lassen und sust nit und on ir wissen und willen den bann nit ufheben, sunder, wan die acht ab und ufgehebt ist, so soll der pann auch ab und von Ebf., Bf. oder official geabsolvirt werden. Und wann bann und acht nit hilft, durch die vier marschalk zu exequiren–.
[9.] /558/ Item, wiewol Kff., Ff. und ander stende des Reichs diese execucion gering gnug und nit ganz notdurftig gestellt oder gesetzt sein bewegen, so haben sie doch on kgl. Mt. rate darin nichts weiters furnemen oder setzen wollen. Bitten darumb kgl. Mt., darin gnediglich zu raten, wie die execucion weiter und notturftiger, wann herin ußgetruckt ist, zu setzen und furzunemen sey.
l–Ut supra im nehsten artikel–.
[10.] Item ist zu bedenken, nachdem am chamergericht ye zu zeiten kompt, in peinlichen sachen recht mitzuteiln, auch die ungehorsamen des chamergerichts oder offentlich fridbrecher in die acht zu ercleren und zu erkennen, ob das einem Bf. oder geystlichen person als richter gezymen oder gepuren wolle. Und nachdem das chamergericht ein weltlich gericht ist, so achten die stende, das solich richterampt bequemlicher mit einer weltlichen dann eyner geystlichen person zu bestellen were.
Alsbald Bf. von Passau diss jars ußgedient hat, will kgl. Mt. einen weltlichen darzu verordnen.
[11.] Item ermessen die stende, das sust alle vor ufgerichte chamergerichts ordnung in iren kreften sein und pleiben sollen.
Placet.
[12.] Item bedenken die stende, das uß vil beweglichen und redlichen ursachen diese ordnung und underhaltung des chamergerichts in der massen zu halten ein zimlich anzal, als nemlich sechs jar, zu bewilligen sey.
Placet. Und mitler zeit sollen kgl. Mt. und die stende ferrer davon reden, wie es furter furo und furo gehalten werden soll, auch, ob eynich mengel darin weren, damit es in ewig zeit blieb und gebessert wurde.