Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XI. Band. Der Reichstag zu Regensburg 1541 bearbeitet von Albrecht P. Luttenberger, für den Druck vorbereitet von Christiane Neerfeld

Weimar HStA, EGA, Reg. E 138, fol. 197r–202v und fol. 204v (Kop.); AS v. 3. Hd. fol. 197r: Mulhausenn bittet, sich plenarie in alle ihre wirden und ehren zu restituiren, item, deß ungewönlichen aids und pflicht relaxirt und davon absolvirt werden; DV fol. 204v: Copei der supplication, der ksl. Mt. in der von Mulhaussenn nhamen ubergeben, 1541, Regenspurgk1.

Dieweil je naturlich, auch menschlicher vernunft gemes und billich ist, das diejenen in iren anliegenden hochsten nothen und zuegefugten, zwungenlichs gewalts der ort und enden umb gnedigst hulf und erledigung ansuchen, da vor den gedrangten trostliche und ware hulf nie versagt noch verzigen worden ist, hierauf, allergnedigster keyser, geruche euere ksl. Mt., euerer Mt. und des hl. reichs stadt Mulhausen der ubeln, begegneten (nit mit kleinem abnehmen euerer Mt. hoheit und des hl. reichs wolfart, ehre und rumh) und zugefuegten beschwerung und hochsten darob erliedenen, verderblichen schadens gemelt euerer ksl. Mt. und des hl. reichs stadt deren loblichen oberkeit in gnaden zu entpfahen und hochstes anliegen als ein milter, gerechter keisser und mehrer des reichs allergnedigst zu vernehmen. Und dem ist kurzlich also:

Allergnedigster keiser! Euer ksl. Mt. haben sich allergnedigst wol zu erinnern des leidigen, erlittenen unfals und erbermlichen, bisheer zugefugten schadens, der euerer ksl. Mt. und des reichs stadt Mulhausen, dordurch sie hochschmertzlich in die hende des churfursten und itzundt Hg. Heinrichen von Sachssen etc., dem Lgf. zu Hessenn kommen und nhun bisanhere des verschienen 25. jars in der stadt Mulhausen etlicher rechten und gerechtigkeiten inhalt und vermug weilandt hochloblichster gedechtnis gnedigster gegebener und habender, auch durch euere ksl. Mt. confirmirter koniglichen und keyserlichen privilegien und freiheiten dem hl. reich zu hochstem abfall entzogen, in besetzung burgermeister- und rathambter, der stadt zugehorig, gewaltiglich underfangen, mit neuen gelubden und aidespflichten verstricket, also das burgermeister und rath, ane ir kfl. und fstl. Gn. bestettigung zu regiren, kein macht haben und in suma das regument der keiserlichen, koniglichen, unverserthen freiheiten, domit ein lobliche des reichs stadt Mulhausen gnedigst begabt, doraus abgedrungen.

Hochermelte chur- und fursten von Sachssen und Hessen haben auch nit underlassen, sonder das schultessenampt aldo sampt allen fallenden renten an pfennig und korngulten federfrei [sic!] auf dem lande des mulhausischen gerichts eingezogen und sonst auch des pfandtschilling an den dorfern der vogteien genant mit gebot und verpoten (dartzue sie dan sonderliche, verpflichte diener in irer kfl. und fstl. Gn. bestellung haben) und darzue, was auf dem landt des mulhausischen gerichts euerer ksl. Mt., dem hl. reich, denen von Mulhausen aigen zugehorig, alles zu irem nutz genomhmen, des merem und weithers di von Mulhausen eines erbarn, loblichen magistrat doselbst, jerlichen iren kfl. und fstl. Gn. 900 fl. zu erbschirmgelt zu geben, so auch von inen eins teils anher entpfangen, gedrungen. Nichtsdesteweniger, so oft iren kfl. und fstl. Gn. geliebt oder ires angebens vonnothen sein solt, haben sie inen ofnung, hulf und folge der stadt Mulhausen vorbehalten. Und ist uber das alles ausgabe auf der stadt Mulhausen plieben, welche sich thut in die 2.400 fl. erstrecken uber di einnahme in euerer ksl. Mt. und des hl. reichs pflicht und hulfe etc. Aus deme nhun beinahe ewigs verderben erfolget, wo es furder stan pleiben solt. etc., mit dieser sonderlicher, aufferlegten conditionirter burden, so und wan ein rath der stadt Mulhausen der fallenden jerlichen zins und renten an den dorfern (dero in zal 18 seindt one die wustenunge), dergleichen die voigteien widderhaben wolten, das sie vor 80.000 fl. zu losen schuldig und nichtdesterweniger alle andere zwungenliche, eingedrungne beschwerungen, last und verderblicher, nachteiliger, zuegefugter schade ob dem rath und gemeiner stadt Mulhausen stan plieben, ungeachtet, das durch ir kfl. und fstl. Gn. beschenen zufal der loblichen stadt Mulhausen und aus gedrungnem, nachstelligem not alle ir farent an gold, gelt und getreide, auch was an wein, bier, pferdt, rustungen, buchsen, gros und klein geschutz, in summa der artolorey gehorig, gewaltiglich entwendet, etliche viel wolhabende, statliche, erbare burger gefangen, hinweg aus der stadt erbermlich geschleift, geschetzt, zum teil elendiglich in der hart gehaltenen gefencknis gestorben und, wie menniglich im reich offenbarlich leidigen wissens, viel ubermenschliche, erbermliche, thetliche handlung verbracht, welches nach lenge zu erzelen, die kurtze nit gedulden magk, aber gleichwol aus grosser miterbermde schmertzlich zu horn were. Zudeme, das widder kfl. Gn. oder Lgf. zu Hessen durch die von Mulhausen nie in einichen wegk leidigs zugefugt, ja kein han [sic!] nit geschehen, sonder je und alwegen geburlicher, undertheniger ehererpietung mit allem gueten erzeigt, zum allerwenigsten nie ursach zu einicher ungnad geben, das also mit euerer ksl. Mt. und des hl. reichs stadt leidig mit gewalt umbgangen sein soll etc.

Und kan und mag je daneben euerer ksl. Mt. in aller underthenigkeit unangezeigt noch stilschweigendt nit umbgangen werden, zudeme, das im gantzen lande doselbst wißlich ist, das ir kfl. und fstl. Gn. bei einem rath zu Mulhausen, auch dere rethe durch die dartzue verordente und gesandten begerlich ansuchung thun und derhalben nit underlassen, der neuen religion sampt den ceremonien, inmassen nhun itzundt in iren kfl. und fstl. Gn. landen oder gebieten pfleglich zu halten, anzunemen, der anhengig zu sein, mit der angehenckten vertrostung, das sie den von Mulhausen ire verpfandten dorfer und noch ein merers mit weither zusage schutz und schirm wie selbst iren landen und leuten one allen entgelt frei widderumb villeicht geben und zustellen wurden2, ein solchs dan euerer ksl. Mt. und des hl. reichs als ein gehorsame stadt irer pflicht und ehren nach, domit sie sich euerer ksl. Mt. und dem hl. reich zugethan erkennen, nit wissen einzugehen noch thun wollen, sonder abgeschlagen neben beschehener anzeig, das sie auch von euerer ksl. Mt. vermuge zu Wormbs ausgangen edict und inen zugesandten sondern mandats anno 26 aus Sefilien in Andalusi verkundet ist, bei der alten, waren, cristlichen religion zu pleiben, ermahnet und gebeten3, derwegen in einichem puncten nit wusten davon zu weichen. Zudeme, das sie auf allen anheer gehaltenen reichstegen dorbei plieben sein, wie dan (one rhum vor euerer ksl. Mt. zu schreiben) die stadt Mulhausen durch gut, vleissig aufsehen und regieren bei unserm waren, alten, cristlichen glauben und religion (jedoch nit mit geringem mitlerzeit bisheer erlittenem, zugefugtem schaden, nachstellens und vil der ungnaden geduldens) geplieben, wie dan auch sie als euerer ksl. Mt. und des reichs underthenige, gehorsame mitglider, dabei bis zu ende ires lebens zu pleiben, gedencken.

Welchermassen nhun also erbermiglich und mit zwang euerer ksl. Mt. und des reichs stadt Mulhausen gehandlet und umbgangen, das haben euere ksl. Mt. alles nach lengs gnedigsts wissen4. Ein solchs ist auch alles des reichs stenden unverporgen, in betrachtung, das gemeine stende, des reichs frei- und reichsstedte von wegen der stadt Mulhausen als ein mitgliedt und reichsstadt in beiden jungst hievor augsburgischen und folgendts regensburgischen euerer ksl. Mt. gehaltenen reichstegen underthenigst an euere ksl. Mt. gemeinliche furbit suplicirt, damit die stadt Mulhausen, dem hl. röm. reich zugehorig, widderumb unther die flugel des adlers kome, euere ksl. Mt. gnedigstes und ernstlichs einsehen thun, wie dan auch jederzeit euere ksl. Mt. allergnedigst trost, hulflich antwurt und decret geben inhalt der supplication, hieneben liegent mit A, B und C verzeichent, und euerer ksl. Mt. gnedigst dorauf geben, trostlich decret, zu ende gesetzt, clerlich mitbringet5.

Ferners so haben auch die von Mulhausen aus röm. ksl. Mt. allergnedigstem schreiben des datum Toleten, 10. Junij des 30. jars an sie ausgangen6, wie dan die glaubwirdig abcopirt hiebei copei, mit D verzeichnet, außweist, durch den durchlauchtigen, hochen, cristlichen unsern guten freund und herrn, H. Heinrichen Hg. zu Braunschwieg und Luneburg einem rathe der stadt Mulhausen gnediglich uberantwurt, neben euerer Mt. trosthulflicher, allergnedigster relation mit hochsten, begirlichen freuden underthenigster demut als ein gantz verlassene, arme, betrubte stadt entpfangen und daneben auch euerer ksl. Mt. allergnedigst, keyserlich, milde gemuete nit allein aus itzt ermelten euerer ksl. Mt. gnedigstem schreiben und dobei des gnedigsten fursten und hern Hg. Heinrichs von Braunschweig etc. aus befelich euerer ksl. Mt. gnedigsten vertrostens, sonder auch zuvor je und alwegen auf der stende des hl. reichs frei- und reichsstedte an euere ksl. Mt. von wegen der reichsstadt Mulhausen in beiden augsburgischen und regenßburgischen gehaltenen reichstegen beschehen underthenigst, mit gnedigster, keiserlicher, milder antwurt gentzlich vertrostet, das euere ksl. Mt. mhergedachte stadt Mulhausen bei iren alten, loblichen, cristenlichen, wolheergebrachten rechten, gerechtigkeiten und gewonheiten, sonder keyserlichen und koniglichen habenden privilegien und freiheiten handthaben, widderumb (euerer ksl. Mt. und dem hl. reich unentzogen) zu keiserlichen handen und flugel des hl. reichs, entpunden und relaxirt aller inen verpundener, gelubter aidt und pflichten, nehmen.

Dieweil nhun, allergnedigster keyser, der stadt Mulhausen leidig begegneter unfal, wie dan euerer ksl. Mt. hievor nach lengs underthenigst bericht, also geschaffen, gleichwol alle denen von Mulhausen abgedrungen aidt und pflichten, domit sie kfl. und fstl. Gn. verstrickt, und sonst aller eingrief, euer ksl. Mt., dem hl. reich hoch verletzlich, nachteilig und zu grossem abbruch des reichs, solche handlung an ir selbst der natur, aller constitution, ordination, reformation, sonderlich qualitet und wesenlicheit als widder euerer Mt. und also des hl. reichs, dem ausgekundigten euerer ksl. Mt. und des reichs landfrieden, rechten, gerechtigkeit und gewonheit unbundig und gantz von unwirden, auch craftlos ist, sollicher und vil weniger gestalt zu abbruch dem hl. reich contra patrimonium imperii gehandlet werden soll, kan oder magk, nichtdesteweniger die von Mulhausen ein erbarer rath in ungewonlichen gelubden und aiden gegen iren kfl. und fstl. Gn. noch, dorin sy gedrungen, verstrickt pleiben, so geruhe euere ksl. Mt., als warer prun fliessender gerechtigkeit, auch einiger schirmer der gedrangten und mehrer des hl. reichs ire großmechtigkeit hierinne zu gebrauchen und euerer ksl. Mt. des hl. reichs stadt Mulhausen als gehorsame underthane, die sich auch bisanheere als frume, guthertzige unsers waren, alten, cristlichen glauben erzeigt, auch in euerer ksl. Mt. cristliche bundtnis begeben, aus volkomener keyserlicher macht plenarie widderumb, wie sie dan mhermals deßen von euerer ksl. Mt. underthenigst vertrostung entpfangen, in alle ire wirden und ehren zu restituiren, der ungewonlichen aidt und pflichten entpinden, relaxiren und davon absolviren, demnach allergnedigst verordenen und fursehung thun, damit ein hochbeschwerte stadt Mulhausen zu iren abgedrungnen guetern dero aufgelegten burden entladen, in der stadt das schulteissenampt und der dorfer inen zugehorig gericht sampt der pfennig und korngulten, federfrei innehmens und aufhebens der guter, sonderlich des pfandschillings der vogtei one einichen entgelt, inmassen von altersheer ire guter sie innengehabt, genossen und gebraucht, widderumb gelassen und gentzlich zugestelt werden mit verzeihung der vermeinten bestettigung burgermeister und rath, deßgleichen aufnehmung hulf und folge an der stadt etc., im fall der notturft, ab sie dogegen mochten einrede haben, alsdan comissarios, die sachen zu verhoren, verordenen und zu volziehung der decret execution thun, executores geben und setzen, auch sonst notturftige, keyserliche mandat und proceßen, was und soviel dieser sachen erhaischender notturft dem rechten und euerer ksl. Mt. und des hl. reichs satzungen, ordnungen, confirmation nach am allerfurderlichsten gnedigst erkennen und doruber ausgehen lassen. Solchs gegen euere ksl. Mt. des milden, keyserlichen gemuts hierinne gnedigst der vertruckten und vergewaltigten stadt erzeigen, wirt sonder zweivel eine gemeine stadt Mulhausen, aus schuldiger, getreuer gehorsam jederzeit zu verdienen, begirigs gemuths erfunden werden. Und beweisen hierin dennocht euere röm. ksl. Mt. nit allein Got dem almechtigen unzweifenlich ein sonder angenemmes, wolgefelligs werk, sonder auch im hl. reich menniglich lob und preiß, hierinnen gnedigste, furderliche, keiserliche hulf mitzuteilen, allerunderthenigste euere ksl. Mt. anruffende und bittende etc.7

Anmerkungen

1
 Kammerer und Rat von Regensburg an Bgm. und Rat von Mühlhausen, Regensburg, 1541 März 13, Mühlhausen StadtA, 1–10/C 5, pag. 23–24 (Ausf.): Auf ihr Schreiben vom Montag nach Estomihi [1541 Februar 28] teilen sie ihnen mit, dass der Kaiser am Mitbochen, dem abent Mathie appostoli in Regensburg eingeritten ist. Schicken in der Anlage ein Verzeichnis der bisher eingetroffenen reichsständischen Gesandten. Wenn Mühlhausen Gesandte zum Reichstag abfertigt, wollen sie ihnen gern bei der Suche einer Unterkunft und sonst behilflich sein. Datum Regenspurg am Sontag Reminiscere anno etc. 41. Vgl. auch der Rat von Mühlhausen an Bgm. und Rat von Nürnberg, Mühlhausen, 1541 März 21, Mühlhausen StadtA, 1–10/C 5, pag. 25–26 (Kop.): Haben ihre beiden Bürgermeister Johann Gödicke und Sebastian Rodemann als Gesandte zum Regensburger Reichstag abgefertigt. Bitten, ihren Gesandten, wenn es nötig sein sollte, auf deren Bitte Geld vorzustrecken. Werden die dargeliehene Summe nach der Rückkehr ihrer Gesandten zurückzahlen. Datum Montags noch Oculj anno etc. 41.
2
 Dazu marg. v. a. Hd.: Nota: Bey den Mulhaußen ist begehrt, daß sie sich zur lutherischen lehr bekennen sollen.
3
 Dazu marg. v. a. Hd.: Asini Mulhusini oder Mulhauser seue habens abgeschlagen.
4
 Dazu marg. v. a. Hd.: Nota. Wolln ihr leben lang papisten bleiben. O ihr elenden leuthe! Es ist euch mehr mit trebern als einer perln gedienet.
5
 Vgl. die Supplikation der altgläubigen Reichsstädte an den Kaiser zugunsten der Stadt Mühlhausen, Augsburg, 1530 August 27, Weimar HStA, EGA, Reg. E 138, fol. 203–203v; außerdem ebd. fol. 204r die Antwort des Kaisers auf diese Supplikation, o. Datum.
6
 Zum angegebenen Zeitpunkt hielt sich der Kaiser in Augsburg auf. Entweder ist das Datum irrig oder die Ortsangabe.
7
 Die Supplikation Mühlhausens wurde von den Reichsstädten unterstützt. Vgl. die Notiz im Aktenbericht über die Behandlung der Sache Mühlhausens auf dem Regensburger Reichstag, Speyer StadtA, 1 A Nr. 171II, unfol.: Die röm. ksl. Mt. hat zum andern mahl die supplication zum gnedigsten gefallen angenomen und den abgefertigten von den erbarn frei- und reichstetten diß zu gnedigster antwort geben lassen, das ihr Mt. wolle darob sein, das die von Mulhausen sollen widerumb zu der restitution komen, soll auch zu forder gedechtnus unverzuglichen verzeichent werden.