Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XI. Band. Der Reichstag zu Regensburg 1541 bearbeitet von Albrecht P. Luttenberger, für den Druck vorbereitet von Christiane Neerfeld

Marburg StA, PA 1467, fol. 15r–19v (Ausf.); DV fol. 19v: Kf. zu Brandenburg schickt, was im Luther entlich uff di uberschickte articul respondirt und was er derwegen an Lutherum geschriben gehapt; praesentatum in Marpurg am 12. Martij anno etc. 41.

Druck: Neudecker, Merkwürdige Aktenstücke, Nr. LI, S. 247–255.

Wir haben vor wenig tagen uf euerer L. schreiben in gegebner antwort unter anderm euerer L. auch ein abschrieft, wes Dr. Martin Luther uf die ubersandten articul Martin Butzers und unser daneben gethanes schreiben zu antwort gegeben, ubersandt. Weil aber dieselbig antwort uf ein endlichs schreiben nach bescheener ubersehung sich referirt, ist heut dato von ime, Dr. Luthern, solch schreiben an uns gelangt [Nr. 484], davon wir euerer L. auch ein copey ubersenden. Damit aber euere L. zuvor sehen und wissen, was wir uf bedencken und furgeschlagne maynungk des Butzers an ime geschrieben und die sach, sovil an uns, gern gefurdert gesehen, schicken wir euerer L. davon auch ein abschrieft und exemplar [Nr. 468].

Wie sich aber solch endlich antwort daruf reymet, oder wohin sein gemut gericht, ist fast dunckel, mogen euere L. selbs urteiln. Aber doch vormercken wir so vil, das dieselben articul wenig ansehens villeicht bey ime haben, und lassen uns dannoch beduncken, das die fordern articul von der leer de peccato originis, de justificatione etc. so gar unrichtig nicht gestelt sein. Was aber die hindern von den ceremonien und sonst antrifft, wissen euere L., warumb dieselben dermassen gestelt und mit angehangen sein, nemblich das man das gegentail in abstellung derselben nit also plotzig vorn kopf stiß, das sie also abgeschreckt von der sachen gar abstunden, sondern das bayd tayl zu recht vortrauter handlung gegeneinander gefuret und bracht wurden. Und wen nun die hauptarticul durch vorleyhung des almechtigen in einhellig vorgleichung und vorstande bracht weren, kont allweg den andern, mit Gottes hilf und durch gelerter, treuer leuth arbeit und bericht maß und christliche moderation geben werden, das also und letzlich einmal der handel gar und zu grund christlich und fridlich abgetragen und vorglichen wurd. Nun wissen euere L. dannoch selbs auch, das die röm. ksl. Mt. sich allweg zu diesem handel fridlich und gnediglich erbotten und schrieftlich und sonst durch botschaften sich vornehmen lassen, das irer Mt. gemut oder maynungk nit were, dise sach mit der scherpf oder thetlichem, unfridlichem beginnen furzunehmen oder zu ortern, wie man dan solchs auch in wircklicher that gesehen und befunden. So hat ir ksl. Mt. den anstenden und abschieden zu Nurnberg und Franckfurt am Mayn auch ye und allwege gnedigste folge gethan und itzo, wie wir horen, die protestirenden mit statlichem, tapferm glait vorsehen, auch die sachen und proceß im cammergericht und etlich declarirte acht ufgehoben und suspendiret.

Aus dem allem abzunehmen, das ir ksl. Mt. gern zum frid und aynickait helfen wolten. Soll aber der frid folgen, must ye dem handel ein eingang und anfang gemacht werden, und wil man fruchtbarlich handeln, mussen bayd tayl in guthem vortrauen gegeneinander stehen, weyl nun nyemands gutbeduncken oder treue maynungk will angesehen oder geachtet werden, auch leicht die leuth, so es treulich und gut meinen, davon abstehen, und es (wie Dr. Luther schreibt) Got walten lassen. Was aber letzlich daraus folgen mocht, wurd man auch wol innen werden. Do es dan der Luther selbs auch dohin nicht bringen kan, das man in allen articuln seiner maynungk folgen wil oder mit ime gleich stymme, must man ye anderer gutter leut furschleg, mittel und wege, wie man zur vorgleichung kommen mocht, auch horen, und also aus allen furschlegen das best zusamenziehen und in ein bestendig ordnungk fassen und bringen.

Wir besorgen aber, das villeicht etlicher gemut und maynungk nit ist, wolten auch ungern, das ein bestendig, entlich vorgleichung ufgericht wurd, dan wo solchs bescheeg, mocht villeicht dadurch zum teyl ir reputation und ansehen auch fallen, und dester weniger gelten, welchs doch unsers bedunckens on das di lenge bescheen mocht. Dan euere L. werden erfaren, wo die stend uf angesteltem reichstag zusamenkommen und die vorgleichung nach angewandtem fleiß nicht folgt, das dannoch ir etlich, sonderlich die reichsstedt mit der ksl. Mt. der religion halber in vorgleichung und vorstendnus sich einlassen werden, domit sie sicherung erlangen, kains unfridens ferrer warthen durfen. So man nun solchs abwenden und ein general vorgleichung zuwege bringen mocht, wolt ja ye besser und trostlicher sein und solt ein yeder, der Gott und sein wort, auch frid und aynickait lieb het, gern darzu helfen.

Uns seint auch die obgeschriebene articul, so wir dem Luther zugesandt, widerumb zukommen, inmassen wir dieselben hingefertigt, und gar nichts dabei annotirt, hintzugesetzt oder ausgethan, allein obenuf mit diesen zweyen worthen des Philippj Melanchtonis handtschrieft beschrieben ‚politia Platonis‘. Was das bedeut oder wie es gemaint wird, werden euere L. von iren gelerten wol erfaren. Unsers erachtens aber were von unnothen, das man gutter leut treue maynungk so schympflich oder vorechtlich antzoge. Ob es auch zum frieden dienlich, wissen wir nicht, lassen uns aber beduncken, das es zu vil mherer vorbitterung anleitung und ursach geb. Doch bitten wir freuntlich, euere L. wolten sich des nit irren lassen und nochmaln uf dieselben articul und sonst helfen rathen und dencken, wie man dem handel ein guten anfang und eingang macht, domit das mißtrauen beiderseits abgestelt, rechtschaffene, ernstliche, treu handlung furgenommen und gefurdert werde, wie wir dan fur unser person, sovil Got gnad vorleihet, auch gern thun und bei andern gleicherweyß solchs fleissig fordern wollen. Wir bitten auch weiter, euere L. wolten dem Butzer unser schreiben, wie er villeicht mit euerer L. vorlassen, unseumblich zusenden, daneben auch ine ermanen, das er sich des nit anfechten lasse und auch mit fleiß weiter nachdencken helfe, wie man zu fruchtbarer handlungk kommen mocht. [...]. Datum Coln an der Sprew, Sonnabents nach Matthie apostoli anno 411.

Anmerkungen

1
 Vgl. dazu Lgf. Philipp von Hessen an Kf. Joachim von Brandenburg, Alsfeld, 1541 März 16, Berlin GStAPK, I. HA Rep. 13 Nr. 17 Fasz. 1, fol. 1r–2v (Ausf.): Euer L. schreiben, wilchs zu Collen an der Sprewe, Sonnabents nach Mathie apostoli [1541 Februar 26] gegeben ist, haben wir empfangen und inhalts samet der copei der Lutherj antwort lesende vernohmen. Wiewol nun solch des Lutherj antwort uff di bewuste articul schir weitleuftig lautet, so verstehen wir sie doch im beschlusse so ganz weitleuftig nit, aber das mogen wir, wie auch euere L. uns schreiben, liderlich glauben, das etzlicher leut meynung zu einer entlichen vergleichung in der religion nit so ganz geneigt sein möcht. Wir haben auch ursach, ein solchs zu verargwohnen und zu gedencken, wie wir mit euerer L. derhalben, wan wir durch gotliche verleihung tzu ir gein Regenspurgk kommen, davon weiter reden wollen. Dann es sich also nit schreiben lesset. Doch so mus man ein solchs nit ansehen, sondern guten vleis anwenden, das ein vergleichung, sovern es von Gott also versehen wehre und mit Gott und gutem gewissen zugehen möcht, gefunden und troffen werde, daran dann unsers teils, sovil mit Gott und gutem gewissen und mit bewilligung unser religonverwanten stenden gescheen kann, nichts pillichs erwinden wirdet. [...]. Datum Alsfeld am Mitwochenn nach Reminiscere anno etc. 41. Die Worte ‚im beschlusse‘ und der Passus ‚und mit bewilligung unser religionverwanten stenden‘ sind nachgetr. Vgl. auch Lgf. Philipp von Hessen an Martin Bucer, Neumarkt, 1541 März 25, Lenz, Briefwechsel, Bd. II, Nr. 122, S. 24–25.