Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Textvorlage: Augsburg, fol. 16–18.

Vertagung der Beratung des Konzepts für die geteilte Resolution des SR zur Erklärung des Kgs. bezüglich der Verhandlungsaufnahme im Zusammenhang mit der Freistellung. Aufnahme der Beratung zum 1. HA (Religionsvergleich).

/16/ (Nachmittag, 2 Uhr) Städterat (Regensburg, Straßburg, Augsburg, Nürnberg, Ulm, Rothenburg).

Regensburg proponiert: Am Konzept für die geteilte Resolution des SR zur Erklärung des Kgs. bezüglich der Verhandlungsaufnahme im Zusammenhang mit der Freistellungsforderung1  wurden für beide Positionen milterungen vorgenommen. Da einige Gesandte das Konzept nochmals geprüft haben und die höheren Stände dem Vernehmen nach derzeit die Beratungen wieder aufnehmen, hat Regensburg SR einberufen, um sich zum Konzept zu einigen und sich gegebenenfalls vor KR und FR erklären zu können. Unnd sonnderlich möcht man anhören, weß mainung die, so solch concept, wie obgemelt, zu bedennckhen genommen, weren unnd weß sie sich daruber beschaidts erholt heten etc.

Umfrage zum Konzept. /16 f./ Augsburg, Nürnberg und Ulm: Erwarten noch die Stellungnahme ihren Herren.

Regensburg: Haben vertraulich erfahren, dass sich die höheren CA-Stände derzeit wiederholt versammelt und dabei beschlossen haben, die Freistellung gemäß der Erklärung des Kgs. bis zu dessen Ankunft zurückzustellen. Daneben haben sie /16’/ ferrner fur gut geacht, das zu anfanng der articl der religion per viam colloquii fur hannd zunemmen, unnd sich noch an heut der form, auch der personen vergleichen möchten etc.2

Deshalb auch im SR Umfrage zum 1. HA (Religionsvergleich).

Straßburg: Hat erfahren, dass die höheren CA-Stände ein National- und Generalkonzil ablehnen, sonnder es solte durch ainen gemainen ausschuß bedacht werden, wie die sachen unnd durch was personen es antzustellen. Unnd nachdem hievor etliche colloquia gewesen, si aber nit wissen mögen, wie es damit hievor gehalten worden, hetten si, die höhern stennde, derwegen umb beschaid hinnder sich geschriben. Aber doch daneben dahin bedacht, das inn dem allem nichts beschließlichs oder enntlichs tractirt unnd beschlossen werden solte, es were dann zuvor der articl der freystellung erledigt unnd enntliche vergleichung gefunnden etc.

Augsburg3 : Haben vernommen, dass der 1. HA (Religionsvergleich) jetzt beraten werden soll. /17/ Nun befunnden sy, das der articl der freystellung aber doch nit gar eingestelt. Unnd heten meine4 herrn dises hochwichtigen puncten halben allerlai bedennckhen. Funnden nit, das es ain articl der religion. Zum anndern, so weren die erbarn stett durch den augspurgischen frydstand frey unnd der gaistlichen jurißdiction [ledig], unnd allso khainem thail unnderworfen, sonnder allerding eximiert. Solte man sich nun deßhalben dem ainen oder anndern thail anhenngig machen, geben sy zubedennckhen, zu was mißverstannd, nachtail, auch ungnaden es bei dem ainen oder dem anndern thail gelanngen möchte. Derwegen meiner herrn erachtens nach nichts besser, dann diser articl wurde gar ausser dem abschied gethon etc. Wollen zum 1. HA (Religionsvergleich) die anderen, vorrangig Straßburg, so primum votum hete, anhören.

Nürnberg: Haben bereits erläutert, warumb der articl der freystellung nit also bestriten werden solte. Weil man aber an jetzo vernommen, welcher gestalt die augspurgischen confessions stende bedenckhens diß puncten halben weren, achteten si, es wurde iren herrn und obern auch nit zuwider sein etc. /17 f./ Beim Religionsvergleich plädieren die höheren CA-Stände, wie sie erfahren haben, für ein Kolloquium, dessen Modalitäten in einem Ausschuss beim RT festgelegt werden sollen.  /17’/ Das auch derselb ausschuß nit allain von sollichem ratschlagen, sonnder auch bedennckhen solte, wie unnd durch was mittl und weg die freystellung antzustellen etc. Da es nun auff ain solliche mainung geraten solte, wolten sie sich alsdann weiter vernemmen lassen.

Ulm: Kann sich zur Freistellung nicht erklären, bevor ihm der Bescheid seiner Herren vorliegt. Ist zur Beratung des Religionsvergleichs bereit.

Rothenburg: Hett bevelch, sich von den augspurgischen confessions stennden nit abtzesondern. Sonnst weiter ut Straßburg.

Regensburg: /17’ f./ Falls man KR und FR zum 1. HA (Religionsvergleich) eine schriftliche Resolution vorbringen will, ist eine weitere Umfrage erforderlich, da die Verhandlungen in den Kurien jetzt, nachdem die Kurkölner Deputierten die Vollmacht des neuen Kf. erhalten haben5 , zügig fortgeführt werden.

Beschluss: Vertagung bis morgen, 8 Uhr, damit die Gesandten bis dahin ihre Instruktionen zur Religionsfrage einsehen können.

Anmerkungen

1
 Vgl. die Ausfertigung: Nr. 449.
2
 Vgl. die Beratungen der höheren CA-Stände am 13. 11. und 14. 11. [Nrr. 359, 360]. Es ging dabei nicht, wie das Regensburger Votum vermuten lässt, um die Besetzung des Religionsgesprächs, sondern um die Konstituierung des Religionsausschusses beim RT.
3
 Augsburg wurde ab dieser Sitzung vertreten durch Hainzel und Rehlinger (vgl. Anm.3 bei Nr. 230). Sie mussten zur Freistellung feststellen, dass die Instruktionen der Städtegesandten  vast dahin verlauten, das sie sich mit den augspurgischen confessions verwanndten jederzeit vergleichen unnd von denen nit absonndern sollen. Innsonnderhait aber hatt sich Straßburg vernemmen lassen, ir gemain were bißher alain damit gestilt worden, bis auff den reichstag geduldt zetragen. Derhalben mueste es an jetzo ain annders werden. Westen sonnst ir gemain weiter nit zuerhalten, wurde ainsmals alles uber unnd uber geen etc. Sie, die Augsburger Gesandten, wollen versuchen, die geteilten Positionen im SR zur Freistellung zu umgehen, damit die Städte sich bei den höheren Ständen ainer oder der anndern parthei nit anhengig zesein erclärten unnd dardurch den andern ursach geben zu allerlai ungnaden und nachgedenckhen. Wie dann auch solche getzwaite mainungen allerlai mißvertrauen zwuschen den erbarn stetten verursachen, dardurch anndere sovil mehr gelegenhait bekhommen möchten, inen zutzesetzen. Wir versteen aber doch nit, wie solchs alles zufurkhommen, es möchte dann das der weg sein, das inn der religion unnd dergleichen articln, da die gaistlichen unnd weltlichen churfursten unnderschiedlicher bedennckhen wern, von der erbarn stett wegen ungevarlich dahin inn gemain gestimbt wurde, si wolten es alls die gehorsamen bey dem pleiben lassen, dessen sich die kgl. Mt. mit chur- und fursten et e contra vergleichen wurden. Gehen davon aus, dass der Augsburger Rat dieses Votum trotz seines Wunsches, es beim Status des Religionsfriedens zu belassen, nicht ablehnt. Es wird nicht an Augsburg oder anderen Städten, sonnder daran gelegen sein, wie sich chur- unnd fursten inn deme miteinanndern vergleichen. Wurt auch ain thail dem anndern nit gern vil nachgeben noch gemaine stett uber oder wider vorige Reichs abschied leichtlich beschwert werden mögen. Am Augsburger Interesse, dass baide religionen vermög jungsten abschidts erhalten werden, ist Kff. und Ff., auch den CA-Ständen wenig gelegen; wie die erfarung gegeben und si inen derhalben auff beschehne ansuchung hievor schlechten beystannd gethon. Bitten zudem um Weisung, ob sie sich wie 1555 an den Versammlungen der CA-Stände beteiligen sollen, falls die Städte dazu geladen werden (Bericht vom 14. 11. 1556: StadtA Augsburg, Lit. 1556–57, unfol. Or.). Der Augsburger Rat billigte mit Weisung vom 18. 11. ausdrücklich das Votum, weß sich die röm. kgl. Mt. [...] mit churfursten und fursten etc. vergleichen, das wir unns dasselb auch gefallen lassen und darauff underthenigste gehorsam laisten wurden. Sollen an den internen Beratungen der CA-Stände auch zur Freistellung mitwirken und euch, wie uff vorigen reichßregen auch beschehen, von inen nit absonndern oder abziehen. Aber doch euer bedenckhen daselbs auch dahin richten und vermelden, weß durch hochstgedachte kgl. Mt., chur- und fursten dabey beschliessen [!], das wir unns dasselb auch nit wurden zuwider sein oder mißfallen lassen (ebd., unfol. Or.; präs. 22. 11. Teildruck: Goetz, Beiträge, Nr. 38 S. 54).
4
 = David Linß, Sekretär der Stadt Augsburg und Verfasser des Protokolls.
5
 Vgl. Kurmainz, pag. 216 [Nr. 29].