Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Textvorlage für die Separatversammlung der protestantischen Städte: Augsburg, fol. 138’–1411. Textvorlage für das Plenum der CA-Stände: Bericht der kursächsischen Gesandten an Kf. August vom 17. 3. 15572.

Separatversammlung der Städte: Unterrichtung aller protestantischen Städte über die Verhandlungen und Beschlüsse der höheren CA-Stände während des RT. Zusammenfassung der Beschlüsse in einem Nebenabschied der CA-Stände. Dessen fragliche Annahme durch die an den Verhandlungen nicht beteiligten Städte.

Plenum: Mündliches Referat und schriftliche Übergabe des Protests zum Geistlichen Vorbehalt an die Mainzer Kanzlei im Ausschuss zur Prüfung des RAb.

/138’/ (Vormittag, 7 Uhr). Versammlung der CA-Städte , sovil diser zeit alhie auf gegenwurtigem reichstag versamlt. /138’ f./ Der Regensburger Syndikus [Dienzel] erstattet den Städten Bericht darüber, was bisher /139/ der groß ausschuß inn religions sachen, diser religion verwanndt3, gehanndlt, bedacht unnd inn ainen abschied4 zubringen enntschlossen.

An den Versammlungen der CA-Stände sind seit Beginn des RT für die protestantischen Städte mit Straßburg und Regensburg zwei Vertreter beteiligt worden. Haben diese Sitzungen besucht, so oft sie vom Kurpfälzer Großhofmeister dazu geladen worden sinda.

Die CA-Stände haben anfangs beschlossen, das sie wolten aller sachen halben ainig unnd bestenndig beyeinanndern [bleiben] unnd also fur ainen mann steen, auch aus ainem mund stymmen unnd votirn etc. Nun wer gleichwol zu anfanng die irrung der freystellung bey inen, den erbarn stetten, wie sie wisten, eingefallen5, allso das die ain sach one die annder nit wol tractirt werden mögen. b–Doch wer inen, den zwayen verordennten, allmal nichts minnder antzaigt worden, weß sich die höhern stennde verglichen–b.

Verhandlungen zur Besetzung des Religionskolloquiums seitens der CA-Stände: Aus etwa 60 vorgeschlagenen Theologen wurden die Kolloquenten und Assessoren benannt, während man als Auditoren weltliche politische Räte verordnete.

/139’/ Unnd nachdem auch furkhommen, welcher gestalt die secten, alls schwenckhfelder, zwingliani unnd anndere etc., außzureuten, were geschloßen, das zu furkhomung unnd abthuung derselben ain sonndere verordnung oder zusamenkhunfft gehalten werden solte. Weil aber die zeit zu kurtz, wer letstlich bedacht, das ain jede oberkhait alspald nach disem reichstag mandata ausgeen lassen unnd iren superintendenten bevelhen solte, ir achtung auff die leerer oder praedicanten derhalben zehaben unnd die, so mit disen secten behafft, den oberkhaiten, derhalben einsehens zehaben, antzetzaigen.

Für die Beilegung der Lehrdifferenzen von Theologen der eigenen Seite hat man ebenfalls eine stattliche zusamenkhunfft erwogen. Da die Zeit hierfür zu kurz ist, sollen Kf. August von Sachsen und Christoph von Württemberg als Assessoren im Präsidium des Kolloquiums etwa einen Monat vor dessen Beginn alle daran beteiligten Theologen der CA in Worms versammelnc  und sie anhalten, das sie sich ainer ainhelligen, bestendigen maynung allerding verglichen heten6. d–Daneben auch weiter bedacht, das menigclichen zugelassen sein solte, wer da wolt, seine theologen auch dahin abtzufertigen, doch das sie alain antzuhören, aber alain die deputirten /140/ zustymmen unnd zu votirn haben solten, damit sich niemannd deß ausschliessens zuentschuldigen hete–d.

Es wer auch, weß man sich im colloquio gebrauchen wolte, dahin geschlossen, das man bestenndig bei der augspurgischen confession unnd den articuln, zu Schmalkhalden ubergeben, pleiben7 unnd sich mitt dem wenigsten davon nit tringen lassen solte. Welche confession unnd articul auch die theologen, so, wie obsteet, ainen monat vor dem colloquio zu Wormbs zusamen khommen, fur hannd nemen unnd die revidirn sollen.

Unnd nachdem sich allerlai secten einreissen, deßgleichen auch mererlei schmachschrifften ausgeene, solte ain jede oberkhait iren praedicanten bevelhen, das sie sich hinfuro alles schmehens auff den cantzlen ennthalten, auch khaine buecher oder schrifften one vorwissen der oberkhaiten inn truckh ausgeen lassen wolten etc.

Diese von den CA-Ständen beschlossenen Artikel sollen in einem Abschied bekräftigt werden. Da diesbezüglich der Kurpfälzer Großhofmeister [von der Tann] fordert, das sich die erbarn stett namhafft machen, so disen abschied besiglen und verfertigen helfen woltenf, hett er lennger nit umbgeen wöllen, solchs den erbarn stetten relations weise antzetzaigen. Wiewol er fur sein person wol genaigt gewesen, es auch fur ain grosse notdurfft geacht, solche relation /140’/ vor lengest zethun, wie er dann bei dem straßburgischen8 mehrmals angehalten, dasselb aber bei ime nit erlanngen mögen, so hab ime auch, demselben furtzugreiffen, nit geburen wöllen; mit bitt, ine derhalben entschuldigt zenemmen.

Zur Freistellungg  haben die CA-Stände dem Kg. gestern eine abschließende Erklärung9  übergeben, auf der sie beharren wollen. Die Reichsstädte werden wohl Abschrift davon erhaltenh.

Er [Dienzel] will sich bemühen, noch heute eine Abschrift des Abschieds der CA-Stände beizubringen und den Städten vorzulegeni.

Umfrage. Die anwesenden Gesandten erklären zum einen Teil, das sie derhalben sich eintzulassen mit khainem gemeßnen bevelch abgefertigt, zum thail auch, das sie sich vom merern nit absundern, aber doch inn gemain unnd durchauß wol heten leiden mögen, das sölche /141/ relation vor diser zeit beschehen, damit ain jeder solchs seine herrn berichten unnd sich beschaidts daruber hett erholen mögen. j–Wie sie dann solches, sovil die zeit erleiden wölte, nochmalen zethun bedacht. Unnd was inen fur beschaid darauff ervolgte, sich alsdann weiter vernemmen lassen wölten etc.–j , 10

/407’/ Versammlung der CA-Stände. Kursachsen bringt vor: Nachdem im Anschluss an die Übergabe der Protestation zum Geistlichen Vorbehalt an den Kg. und an deren Erwähnung in KR und FR der Kg. es dabei bewenden lässt und auch die katholischen Stände sie nicht sonderlich hart anföchten und sie dieselb also gescheen lißen, also das kein ander fahr [!] der zerruttung des religion fridens darauf stunde, haben wir11 geraten, man solte die protestation nicht allein in die meinzische cantzlei ubergeben, sondern auch bei stellung des abschidts12 offentlich widerholen und in beisein der stende Meintz ubergeben. Dorin hat uns Pfaltz und die andern gefolgt13.

Anmerkungen

1
 Die Mitschrift für diese Sondersitzung ist im SR-Protokoll enthalten. Wörtliche Abschriften nur dieses Protokollabschnitts sind überliefert in: StadtA Augsburg, Lit. 1556–57, unfol. (Reinschr.). HAB Wolfenbüttel, Cod. Guelf. 57 Aug. Fol., fol. 477–479’ (Reinschr. Dorsv.: Prothocollum, was denn erbarn stetten inn causa religionis referirt und relations weise annzaigt wordenn.).
2
  HStA Dresden, Loc. 10192/6, fol. 406–415’, hier 407’. Or.; präs. o. O., 21. 3.
3
 Bezugnahme nicht auf den interkurialen, paritätisch besetzten Religionsausschuss, sondern auf die Versammlungen der CA-Stände.
4
 Nr. 470.
a
 sind] Nürnberg B (unfol.) zusätzlich: Sie, die Regensburger Gesandten, haben schon länger beabsichtigt, die anderen Städte über diese Beratungen zu informieren, und deshalb die Straßburger Deputierten, denen sie nicht vorgreifen wollten, wiederholt vergeblich angesprochen. Da nunmehr der am Sonderrat beteiligte Straßburger Gesandte [Jakob Hermann] abgereist ist, wollen sie den Bericht nicht länger aufschieben.
5
  Augsburg, fol. 12–22 [Nrr. 230235]; Nürnberg, fol. 162–164; Augsburg, fol. 72’–75 [Nrr. 259, 260].
b–
 Doch ... verglichen] Nürnberg B (unfol.) anders: Welches auch die maiste ursach, das die stet dartzue [zu den Verhandlungen der höheren CA-Stände] getzogen.
c
 versammeln] Nürnberg B (unfol.) zusätzlich: und möglichst selbst persönlich erscheinen.
6
 Beschluss am 3. 3. 1557: Kurpfalz C, fol. 203’ f. [Nr. 385].
d–
 Daneben ... hete] Nürnberg B (unfol.) differenzierter: Der Beteiligung von Theologen aller CA-Stände ist widerraten worden, da dies ain grosse confusionem unnd zerruttung pringen mochte. Damit aber nun solches furkommen, so were fur rathsam und gut angesehen worden, allain die personen, so von wegen des colloquii verordent worden und, wie oben gemelt worden, zuerfordern, das sich dieselbigen ainer ainhelligen maynung, was zu proponirn, votirn unnd wie es in allem uff kunfftigem colloquio gehalten werden solte, vergleichen unnd sich daruber weiter nit einließen. Den übrigen CA-Ständen bleibt unverwehrt, ihre Theologen ebenfalls zu dieser Versammlung zu schicken, doch sollen sie dort allain auditores sein unnd gar kain stymen haben.
7
 Vgl. dazu und zum Folgenden den Nebenabschied der CA-Stände [Nr. 470].
e
 ausgeen] Nürnberg B (unfol.) zusätzlich: dardurch diser confession unnd dero verwandten stennden allerhand nachred, verachtung unnd verklainerung ervolgte.
f
 wolten] Nürnberg B (unfol.) zusätzlich: Doch wurde solchs in ir willkhur gestellt, ob sy solches thun wolten oder nitt, unnd hiertzu niemands verpunden sein.
8
 = Jakob Hermann. Vgl. auch Anm. a.
g
 Freistellung] Nürnberg B (unfol.) einleitend differenzierter: Zur Freistellung ist nicht erforderlich, weitter vermeldung zethun, weil der erbarn stet gesanndte in disem artickel zwitrechtig unnd nitt alle darein bewilligen wollen, auch nitt darbei gewesen.
9
 Nr. 508.
h
 erhalten] Nürnberg B (unfol.) zusätzlich: Daneben wurden von den CA-Ständen Privatsachen beraten: Die Supplikation der aus dem Erzstift Salzburg vertriebenen Glaubensverwandten [Nr. 573] wurde dem Ebf. um Gegenbericht zugestellt, der verspätet erst gestern übergeben wurde. Man hat dazu beschlossen, die Supplikanten zu unterstützen, damit andere Ff. und Hh. nicht ebenso nach dem Salzburger Beispiel verfahren [die Beratungen zum Salzburger Gegenbericht werden im Protokoll für die Versammlungen der CA-Stände nicht mehr aufgezeichnet]. Deshalb soll ein Ausschuss die Supplikation beraten und mit dem Kg. verhandeln, damit die Vertriebenen wieder zu dem iren kommen mochten unnd wider den aufgerichten religion- unnd prophan friden nitt beschwert wurden. Zur Eingabe der Stadt Lindau an die Reichsstädte gegen den Gf. von Montfort [vgl. Anm.4 bei Nr. 256] haben die CA-Stände beschlossen [Kurpfalz C, fol. 191’ f.: Nr. 375], den Gf. direkt aufzufordern, die Übergriffe zu unterlassen. Diese Vorsprache von Verordneten der CA-Stände beim Gf. fand gestern statt. Das Ergebnis ist noch nicht bekannt.
i
 vorzulegen] Nürnberg B (unfol.) zusätzlich: Demnach haben die Städte jetzt zu entscheiden, wer sich in disen yetzvermelten bedenncken unnd beratschlagungen anhenngig machen unnd vergleichen wollte oder nitt. Dann solcher abschied annderer gestalt nitt dann auff gutansehung unnd bewilligung einer yeden herschafft gestellt unnd bewilligt werden sollte.
j–
 Wie ... etc.] Nürnberg B (unfol.) differenzierter: Dann inen ganntz beschwerlich fallen wollt, weil sie uff dise puncten mit außgetruckten bevelhen unnd gewelten nitt versehen, hierein one vorwissen enntlich zu bewilligen. Unnd wiewol man darfur achtet, dz dise sachen durch die verordenten [die verordneten Städte in den Versammlungen der CA-Stände] notturfftigklich unnd wol bedacht worden, dieweil aber, wie gehort, sie von iren heren unnd obern allein ein gemeinen bevelch hetten, alles dz jhenig zu befurdern, dz zu Gottes ehr unnd lob gereichen unnd gelanngen mochte, so wollten sie gern dz angeregte concept oder abschiede, so berurtter beratschlagten puncten halben gestellt, abhoren unnd sich darauff ferner beratschlagen. Dann also in ein unabgehort unnd unberatschlagt concept zu bewilligen, dz wollte inen keins wegs rathlich, thunlich noch verantwortlich sein.
10
 Die Billigung des Abschieds [Nr. 470] durch die protestantischen Reichsstädte erfolgte bereits am 16. 3. (Augsburg, fol. 144’ f. [Nr. 388]). Die Augsburger Gesandten nahmen ihn ebenfalls an, obwohl die entsprechende Weisung erst am 17. 3. vorlag: Der Augsburger Rat hatte laut dieser Weisung vom 16. 3. den Abschied noch nicht erhalten, sondern kannte den Inhalt nur aus dem Protokoll. Deshalb sollten die Gesandten Pfister und Zimmermann darauf achten, ob weitere Punkte darin enthalten sind: Würde er die Freistellung erwähnen, so können sie sich mit nichten einlassen noch den abschied also verferttigen auß allerlay ansehenlichen unnd erheblichen ursachen. Der Rat billigte die Zusammenkunft der Theologen vor dem Kolloquium, bei der die CA und die Schmalkaldischen Artikel eingesehen werden sollten, lehnte aber ab, das man strackhs dabey beleiben und mit dem wenigsten davon nit weichen sollt. Hetten wir das bedenckhen, es möcht als dem gemainen abschied zuwider fur ettwaß verweißlich angezogen werden. Deshalb sollte ergänzt werden: „sovil immer muglich und on zerruttung deß gemainen fridens thunlich sein khonndt.“ Mit diesen Modifizierungen billigte der Rat den Abschied. Doch das er fur khain verpundnus angezogen, sonder nur fur ainen gemainen abschied, wie in dergleichen sachen gebreüchig und herkhomen, gehalten wurd (StadtA Augsburg, Lit. 1556–57, unfol. Or.; präs. 17. 3.).
11
 = die kursächsischen Gesandten als Autoren des Berichts (Textvorlage).
12
 Gemeint: Im Ausschuss zur Prüfung des RAb.
13
 Vgl. die Übergabe des Protests [Nr. 508] im Ausschuss zur Prüfung des RAb am Vormittag des 14. 3. 1557: Kurmainz B, pag. 853 f. [Nr. 350].