Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 9. Der Reichstag zu Konstanz 1507 bearbeitet von Dietmar Heil

Er, der Verfasser, hat vor kurzem erfahren, daß der frz. Kg. und die Franzosen beabsichtigen, sich die Papst- und die Kaiserwürde für alle Zeit zu unterwerfen und zuzueignen. Außerdem wollen sie dem Hl. Reich das Recht zur Wahl der röm. Kgg. und Kss. sowie das reichsunmittelbare Hm. Geldern entziehen. Diese Ansprüche werden mit dem Titel des frz. Kg. als allerchristlichstem Vater des Vaterlandes begründet. Ebenso will der frz. Kg. den für Hg. Karl von Burgund und Prinzessin Claudia geschlossenen Heiratsvertrag brechen. Was die Franzosen dazu veranlaßt, ist aller Welt schleierhaft, denn sie sind weder ungelehrt, noch ist ihnen die Hl. Schrift unbekannt. Es eignet ihnen aber, andere zu betrügen und zu überlisten. Angeblich haben die vor kurzem zu ihm, dem röm. Kg., abgeordneten Gesandten2 geäußert, daß die Theologen der Universität Paris das unbegründete Vorgehen der Franzosen befürwortet und als dem Kgr. Frankreich für nützlich erachtet hätten. Es ist erstaunlich, daß diese Theologen das Handeln aus Eigennutz unter Mißachtung Gottes und der Heiligen, die Wortbrüchigkeit, die Einführung der Ketzerei und die beliebige Anwendung von Gewalt rechtfertigen. Dadurch wird aber den Menschen der Himmel verschlossen und die Hölle aufgetan, es wird damit gegen alles Recht und alle Ehre gehandelt. Ach, wie ist daz gold vermayliget vnd die besst farb verendert worden! Franckreich, so vor zeiten allein on vngestalt und seltzam geschoͤpffen gewesen, ist yetzo aller vntzifer vnd mer wunder vol. Ein zu Recht als heiligmäßig angesehener französischer Theologe sprach: Vinum theologorum et tort[a]e Jacobitarum etc.3 Denn die Franzosen schämen sich nicht, gegen die Sitten, Gesetze und Tugenden nicht nur der Christen, sondern auch der Ausländer und Heiden zu verstoßen. Sie haben der Menschheit gottlose Gebräuche und Taten gebracht, die gegen die hl. Sakramente, das Recht, die heilige Ehe, die christlichen Sitten und den christlichen Glauben verstoßen. Sie verletzen das göttliche Gebot und das ksl. Recht. Wer wird sich künftig mit den Franzosen und den Parteigängern des frz. Kg. einlassen wollen, da sie geschworene Eide und besiegelte Verträge brechen und sich dessen nicht schämen, sondern vielmehr rühmen? Wenn die Franzosen schon den röm. Kg. verachten, so sollten sie doch Gott fürchten, der solchen Frevel ahndet. Dies zeigt das Beispiel Kg. Zedekia von Jerusalem, über den der Prophet Ezechiel sagte: Jch leb, spricht gott, der herr, den Ayd, so Er veracht; vnd die püntnuß, so Er gebrochen hat, will Jch an seinem hals außgeen lassen; mein netz will Jch vber Jn außbraiten vnd Jn in meinem garn begreiffen. Jch will Jn gen Babilon füeren vnd Jn nach seinem hochmuͦt, damit Er mich veracht hat, richten; sein heer wirdet mit dem schwert flüchtiglich erschlagen und, die da vberbeleyben, in alle lufft zerstroͤewet, daz Jr sehen werdet, daz Jch, der herr, solichs geredt hab etc. [Ez 17,19–21]. Laut dem hl. Hieronymus lehrt uns dies, daß man auch zwischen Feinden Wort halten müsse und nicht bedenken solle, wem, sondern in wessen Namen man geschworen habe: Der von des namen gottes wegen gelaubt vnd damit betrogen wirdet, ist frummer dann der von desselben wegen seinen veind vnd souil mer seinen freünd (als durch die Frantzosen beschegen ist) betreügt.4 Diese hätten, wie der Prophet Hosea spricht, pündtnuß vnd verträg gemacht, die werden Jnen bitter frücht tragen [Os 10,13]5. Jeder weiß um die Bosheit, Falschheit und Tyrannei der meineidigen Franzosen, welche die mit dem frz. Kg. vermählte Tochter des röm. Kg., Ehgin. Margarethe, verstoßen und in Friedenszeiten dessen Gemahlin Hgin. Anna von der Bretagne geraubt haben. Sie haben viele Fürsten heimtückisch vergiftet und die dem röm. Kg. geleisteten Eide nicht nur einmal, sondern siebenmal und öfter gebrochen. Damit nicht genug, beabsichtigen die Franzosen jetzt ohne jede Berechtigung, das Hl. Röm. Reich gegen das hl. geistliche Recht, das die Übertragung des Röm. Reichs an die Deutschen begründet, anzufechten, außerdem dem Papst, der christlichen Kirche und ihm, dem röm. Kg., mit Gewalt zu begegnen, Jungfrauen zur Unzucht mit Geistlichen und anderen Personen zu verführen, manchen zwei Ehefrauen zuzubilligen, Simonie zu treiben, neue Ketzereien in die Welt zu bringen und die in Italien errichtete Tyrannei auf Deutschland auszudehnen, dem Kardinalskollegium das Recht zur Papstwahl und den deutschen Kurfürsten das Recht zur Königs- und Kaiserwahl zu nehmen, mit dem Ziel der Zerstörung der spanischen Kgrr. Zwietracht zwischen Vater und Sohn zu säen6 und die ganze Christenheit zu schwächen, so daß es für den Antichrist keinen besseren Zeitpunkt gibt, um in die Welt zu kommen. Wie Jesus Christus in der Friedenszeit des Röm. Reiches geboren wurde, so wird der Antichrist auftreten, nachdem die ganze Welt durch die Franzosen mit Krieg und Unfrieden überzogen wurde, und so die Bosheit der Franzosen zur Erfüllung bringen. Diese sind ihm, dem röm. Kg., als ainem allerweisisten in friden vnd krieg, allersterckesten mit Rat vnd that vnd sunst vber all Kŭnig vnd fŭrsten der welt allerwirdigisten Roͤmischem Künig, hartnäckig entgegengetreten, haben sein Unternehmen gegen die Ungläubigen hintertrieben und verhindern es durch ihr Vorgehen gegen ihn und andere christliche Fürsten bis heute. Die Franzosen sind begabt für das Böse, Gutes tun können sie nicht. Ihr Neid richtet sich gegen den Himmel und die Erde, gegen Gott sind sie unduldsam, gegen die Heiligen frevelhaft, gegen ihre Nachbarn feindlich, gegen die Frommen grimmig und gegen jedermann feindselig. Da sie niemandem lieben, liebt auch sie niemand. Da sie von jedermann gefürchtet werden wollen, müssen auch sie jeden fürchten. Da sie nicht dienen können, sind sie auch zu herrschen ungeeignet, treulos gegen ihre Obrigkeit, unduldsam gegen ihre Untertanen. Sie sind maßlos in ihren Wünschen, zugleich undankbar gegenüber erwiesenen Wohltaten. Obwohl sie Schlechtes tun, sprechen sie von großen Taten. Sie versprechen viel, halten aber wenig. Sie sind Schmeichler, Ehrabschneider und böswillige Verräter. Darumb, Großmechtigister Künig Maximilian, Ewer künigklich Maiestat welle ainmal erwachen vnd aufsteen als ein starcker streytter, beschirmer vnd recher der hailigen Roͤmischen kirchen, des Roͤmischen Reichs vnd den harnasch anlegen, das schwert umbgürten vnnd den Schilt vnd spiess wider die vorgedachten leychtfertigen Frantzosen nemen vnd die sach gottes, der Roͤmischen kirchen, Ewer Künigklichen Maiestat vnnd des Roͤmischen Reichs rechen Vnd Jnen mit den Edeln vnd notfessten Teütschen mit gewaltiger hand vmb die schmahen, so Sy Ewer Künigklichen Maiestat lang tzeyt heer so offt bewysen vnd Ewer Künigklich Maiestat bißher geduldet hat, widergelten Vnd Sy nach den wercken, so Sy bißheer gewürckt, straffen vnd den verzug der straff mit der menig derselben erstatten. Er, der Verfasser, zweifelt nicht, daß Gott, der alle Dinge durch seine göttliche Ordnung regiert, dazu mit seinem scharfen Schwert Beistand leisten und den Franzosen unheilbare Wunden schlagen wird, was diese durch ihre frevelhaften und heidnischen Taten längst verdient haben. Er, der röm. Kg., soll alle christlichen Kgg. und Ff., das ganze Röm. Reich und insbesondere die Deutschen aufrufen und notfalls auch die Ungläubigen ersuchen, die Bosheiten, Ketzereien, Unmenschlichkeiten und Tyrannei der meineidigen Franzosen nicht nur nicht zu unterstützen, sondern ihm mit Truppen, Kriegsgerät, Geld, Schiffen, Proviant und anderen Mitteln gegen sie beizustehen. Ihm, dem Kg., und allen seinen Mitstreitern ist der Sieg im Diesseits und die Belohnung im Jenseits sicher.

s.l., s.d.; Vorlage an die in Konstanz versammelten Reichsstände; Vorlage der Druckfassung (A) auf dem eidgenössischen Tag in Zürich nach dem 8. Juni 1507.7 

Luzern, StA, TA 4, fol. 256 (Druck, Überschr.: Der brieff, von N. Herren Maximilian, Roͤmischem Künig, zugesant.) = Textvorlage A. Würzburg, StA, WRTA 5, fol. 5–7’ (Kop., Überschr. wie A) = B. Nürnberg, StA, ARTA 8, fol. 255’ (durchgestrichene Kop., nur Beginn des Texts: Er ... unbekannt.).

Anmerkungen

1
 Es ist davon auszugehen, daß das Schriftstück in der kgl. Kanzlei entstanden ist.
2
 Gemeint ist die im Aug. 1506 bei Kg. Maximilian vorstellig gewordene frz. Gesandtschaft. Vgl. Nrr. 4, Anm. 13; 154, Anm. 7.
3
 Gerson, Opera omnia II, Sp. 639 (Tractatus de temperantia Praelatorum). Vgl. Villoslada, Universidad, S. 59.
4
 Hieronymus, Opera I/4, S. 219f. (Commentarius in Hiezechielem, lib. 5, cap. 17,17).
5
 Ebd. I/6, S. 117f. (Commentariorum in Osee prophetam libri III, lib. 3, cap. 10,13).
6
 Gemeint ist wohl der Konflikt zwischen Kg. Ferdinand von Aragon und seinem Schwiegersohn Ehg. Philipp um die Nachfolge in Kastilien nach dem Tod Kgin. Isabellas.
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