Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 12. Die Reichstage zu Worms 1513 und Mainz 1517 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Erlass einer ksl. Inhibition an das Reichskammergericht im Konflikt der Landgf.innen Anna d. Ä. und Anna d. J. von Hessen; Auftrag an EB Albrecht von Mainz und Hg. Erich von Braunschweig-Calenberg zur Durchführung einer Vermittlung; gravierende negative Folgen dieses Auftrags für Landgf.in Anna d. Ä.; [2.] Vergebliche Schiedsbemühungen EB Albrechts und Hg. Erichs; Rückverweisung der Angelegenheit an das Reichskammergericht.; [3.] Fragwürdige Umstände bei der Erlangung der ksl. Inhibition; bei Stillstand des Reichskammergerichtsverfahrens notwendiger Appell Landgf.in Annas d. Ä. an die Reichsstände; [4.] Ersuchen um Berücksichtigung der unglücklichen Lebensumstände und der Mittellosigkeit Landgf.in Annas d. Ä. und ihrer Tochter Elisabeth; [5.] Bitte um eine rasche und positive Antwort.

Wien, HHStA, RK, Maximiliana 36 (alt 30a) April-Juni 1517, fol. 2–5,Orig. Pap. m. S.

[1.] /2a/ Haben gehört, Landgf.in Anna d. J. von Hessen und ihre Räte hätten dem Reichskammergericht eine ksl. Inhibition zugesandt, in der es unter anderem heißt, da der Ks. die Differenzen zwischen den Landgf.innen Anna d. Ä. und Anna d. J. von Hessen EB (Albrecht) von Mainz und Hg. Erich von Braunschweig-Calenberg zu gütlichem Ausgleich übertragen habe, solle das Reichskammergericht in der Sache nicht weiter tätig werden.2Dies hat jedoch zur Folge, ihre Herrin (Landgf.in Anna d. Ä.) zu verderben, zum bethel zu richten und sie ufzuhalten. Außerdem können EB (Albrecht) und Hg. Erich sich gar nicht mit dem Fall beschäftigen, weil sie derzeit hundert Meilen voneinander entfernt sind. Zudem, ob sy gleich beyeinander, ist unser gn. frau nit mher genaygt, ein gutlichen tag /2b/ zu halten noch zu vervolgen noch auch mitnichten aus irem erlangten rechten zu dreten, dann ir ftl. Gn. wissent, obgleich sie gütlicher underhandlung würd gestatten und volgen, das dannocht kein gütlichait wurd bei dem gegentail gestatt noch gevolgt werden.

[2.] Dann war ist, das vor etlicher guter zeit genanter Hg. Erich, ehe und zuvor die sachen an euer Gn. und gonst erwachsen, us ksl. bevelh und nachmals aus im selbst bey dem gegentail gutlichait gesucht, aber den gegentail so ungeschickt fonden, das er sich der sachen entschlagen hat. So hat nachmals ksl. Mt. dem EB zu Menz die sachen zu gütlicher verhor bevolhen, dermassen, wo sein kftl. Gn. die sachen nit wurd in der gutlichait hinlegen, alsdann sollten sie die sachen und parteyen wider zu euer Gn. weisen. Daruf haben ir kftl. Gn. baide parteyen vertagt, unser gn. frau in eygner person mit grossem uncosten den tag ersucht, aber der gegentail haben ein geringe person, einer mynder dann einer F.in gleich und gemeß, mit einem gemessen gwalt, der zu der kftl. vertagung sich nit hat gestreckt und allein termyn und schub etlich monat /3a/ zu erlangen. Darauf dann gedachter von Menz die sachen und parteyen nach vermog der commissarien widerumb fur euer Gn. und gonst gewysen mit einem neben-ksl. bevelh, an euer Gn. und gonst geben. Darin under anderm ksl. Mt. inen bevilht, wo sein kftl. Gn. wurd die sachen widerumb fur euer Gn. und gonst weisen und remittieren und die gutlichait auch nit wolt stat haben, das alsdann euer Gn. und gonst als commissarii und erkante richter rechtlich und entlich handelt und mit execution der gesprochen urtail gestracks furfaret und sich in dem der gegentail auszug und auspleiben, auch des nechstgegeben stillstand noch icht anders, das hierwider von irer Mt. aus vergessenhait ausgeen wurd, ganz nit irren noch verhindern lassen, das sein Mt. euer Gn. und gonst gibt allen irer Mt. gewalt inhalt derselbigen commission [liegt nicht vor], des datum steet Hagenau am zwenzigsten tag December Ao. XVI. Auf welhe remission und comission euer Gn. und gonst als die gehorsamen und wie pillich ist [an] unser gn. frau haben ausgeen lassen ladung und executorial, die auch nu verkund und /3b/ terminus comparationis sich nahet. Understand der gegentail mit irer zurück vermeinten inhibition, solhs zu verhindern. Welhe vermeint inhibition auf ir gar nichts tregt, deren auch euer Gn. und gonst kein glauben noch stat geben sollen, dann ksl. Mt. nit allein euer Gn. in schriften bevolhen, sich an nichts, so wider die ksl. Mt. commission mocht aus vergessenheit ausgen, zu keren, sonder auch sein Mt. hat zu Hagenau durch H. Niclaus Zieglern in beisein des hochwürdigsten H. Matei [= Bf. Matthäus von Gurk], cardinal Sancti Angeli, auch anderer seiner ksl. Mt. reten und gemaynes umbstand unser gn. frau lassen sagen, das ir Mt. fro sein, das ir lieb und gonst die urtail und sprüch fur ir ftl. Gn. geben.3 Es sey auch nye seiner Mt. maynung gewesen, ir ftl. Gn. von ksl. spruch und nachvolgende vertreg und abschaid zu treiben, sonder im sey vestiglich gemaint, das dieselbigen vollenstreckt werden. Ir Mt. woll auch, wo die gutlichait zu Menz nit wurd volgen, als sein Mt. auch sich des versehen, nichts mher irer ftl. Gn. zuwider ausgeen lassen noch auch euer Gn. und gonst kein verhinderung in der execution und handlung tun. Ir /4a/ Mt. haben auch nachmals, als unser gn. frau von seiner Mt. urlaub genommen, solhs abermals in beisein obgenanter seiner Mt. ret selbst müntlich zugesagt. Es haben auch dazwüschen ir Mt. durch genannten H. cardinal, auch nachmals H. Niclausen Ziegler unser gn. frau zu lassen sagen, ir ftl. Gn. dürfen gar kein sorg tragen, das etwas soll oder wird wider ir ftl. Gn. usgeen. Darumb ir Mt. beger, das ir ftl. Gn. den obgehalten gutlichen tag irer Mt. zu gefallen verfolge, als ir ftl. Gn. auch getan.

[3.] Aus dem allem haben euer Gn. und gonst zu ermessen, das solhe vermeint inhibition aus sonderm bevelh oder mit warem bericht nit ausgangen noch erlangt. Wie und welher gestalt das gescheen, muß unser gn. frau dieser zeit Got bevelhen solhe vermeint inhibition. Die derogiert auch der vorigen commission in keinen weg, sie tut auch nit meldung von derselbigen. Was glauben der zu geben, geben wir euer Gn. und gonst als den hochverstendigen und gelerten zu erwegen. Hoffen anstat unser gn. frau, euer Gn. und gonst werden sich solhe vermeinte zurück und nachtailig ausprachte inhibition /4b/ noch auch der gegentail an sie ausgangen missiven nit irren noch hindern lassen, sonder auf unser anruefen, wie sich gepürt, gotlich und pillich ist, uf die erlangten und gebne urtailen und beschaid, auch andere handlung procedieren und vollenfaren, als wir auch euer Gn. und gonst anstat unser gn. frau von Brunschwig umb Gottes und des jüngsten gerichts willen bitten und begeren. Dann was weren urtailen, so man die nit wolt vollenstrecken? Wo aber euer Gn. und gonst der sachen ungegrundter, vermeinter zurück ausprachter inhibition uber ksl. Mt. vorig commission, auch zusagen wolten in sachen stillsten, als wir uns genzlich solhs zu euer Gn. und gonst nit versehen, so würd unsere gn. frau verursacht, das sie solhs clerlichen an alle stend des hl. Reichs ausschreiben und langen zu lassen, das ir ftl. Gn. uf erlangte urteil und recht nit mocht vollenstreckung erlangen, auch sonst weg gedenken, wie sie mocht solhs, auch ire costen und scheden erlangen. Dann ye so ist ir ftl. Gn. keinswegs mher willens, einen guetlichen tag mit irem gegentail zu haben, sonder straks irem erlangten urteil und rechten anzuhangen,/5a/ davon nit zu treten.

[4.] Wir wollen auch euer Gn. und gonst darneben nit bergen, das sie sich yzund zu Frankfurt haben horen lassen, das sie die achthundert fl. nit wellen entrichten noch auch die schulden bezalen. Was gutlichait sollt dann unser gn. frau gewertig sein? Bitten, das durch euer Gn. und gonst zu beherzigen und die arm, fromm F.in, die mit irer ftl. Gn. dochtern, dem jungen freulin, solang sie in der ehe gewesen und bisher nye kein fridlich oder frolich tag gehapt, sonder alle zeit in trubseligkait gelept und noch, bedenken, damit doch ir ftl. Gn. mitsampt irer dochter, freilin Elisabeth, nit also jemerlich, erbermblich, mutwilliglich, listiglich wider Got, eer, recht, pillichait, vernunft und natur umbgetriben und aufgehalten und also in den betelstab gericht wird, dorin sie doch warlich yzund ist, daruf auch die gegentail allen iren vleiß gelegt und noch legen, daruf setzen, das ir ftl. Gn. solhem nit nachzukomen hat oder in die harr mit tod wird abgen.

[5.] Dises unser schreiben, bitten wir euer Gn. und gonst, wollent es im besten uns aus grosser notturft gescheen versten. Das wurt unser gn. frau /5b/ gegen euer Gn. in gnaden erkennen und wir des sonderlich umb sie mit allem vleiß verdienen. Bitten umb gn. und gonstige, furderliche antwort.

Anmerkungen

1
 Die Datierung ergibt sich aus Nr.867.
2
 Zu den Schiedsversuchen des Reichskammergerichts im Konflikt der beiden Landgf.innen von Hessen im Jahr 1516 und in der ersten Monaten 1517 vgl. Armbrust, Anna von Braunschweig, S. 45–50.
3
 Das Treffen zwischen Ks. Maximilian und Landgf.in Anna d. Ä. fand Anfang Dezember 1516 in Hagenau statt. Vgl. Armbrust, Anna von Braunschweig, S. 49.