Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 12. Die Reichstage zu Worms 1513 und Mainz 1517 bearbeitet von Reinhard Seyboth

5.1 Vorbereitung und äußerer Ablauf des Reichstags

Franz von Sickingen nutzte diese mühsamen Vorbereitungen, um weiter bedenkenlos zu agieren. Am 25. März überfiel er mit fünfhundert Helfern bei Weisenau nahe Mainz einen Warenzug von Kaufleuten aus Augsburg, Straßburg, Ravensburg, Nürnberg und anderen Reichsstädten, die sich auf dem Weg zur Frühjahrsmesse nach Frankfurt a. M. befanden (Nr.882). Es war offenkundig diese weitere Gewalttat, die Kaiser Maximilian bewog, das Vorgehen gegen den Friedbrecher auf eine neue, breitere Grundlage zu stellen. In einem Schreiben an die Reichsstände aus Antwerpen vom 23. April umriss er die Notwendigkeit, Sickingen energischer als bisher entgegenzutreten. Zu diesem Zweck habe er selbst mit dem französischen König Frieden geschlossen, noch heute werde er zur Verabschiedung seines Enkels Karl nach Seeland reisen, anschließend nach Worms aufbrechen und sich ab dem 15. Juni persönlich am Feldzug gegen Sickingen beteiligen. Die Reichsstände sollten daher ebenfalls unverzüglich ihre Truppenkontingente in Marsch setzen. Außerdem wies er sie an, zu diesem Termin persönlich oder durch eine Gesandtschaft in Mainz zu erscheinen, um „in unsern und des hl. Reichs, teutscher nation und gemainer cristenhait sachen zu ratslagen“ (Nr.721). Nähere Angaben, worüber in Mainz verhandelt werden sollte, machte er einmal mehr nicht, auch ist in dem Ladungsschreiben bemerkenswerter Weise nicht explizit von einem Reichstag die Rede. Ständischerseits wurde die geplante Zusammenkunft dennoch so verstanden.

Die Entscheidung für Mainz als Reichstagsort war zweifellos ungewöhnlich, hatte doch hier seit dem Hoftag von 1184 nie mehr eine große politische Versammlung in der Kurmainzer Land- und Residenzstadt stattgefunden. An ihrer Stelle wäre wohl eher das nicht weit entfernte Frankfurt a. M. zu erwarten gewesen, das eine lange Tradition als Austragungsort von Reichsversammlungen und viel Erfahrung mit der Organisation derartiger Großveranstaltungen aufzuweisen hatte. Doch Maximilian hatte in der Vergangenheit schon mehrfach eher ungewöhnliche Schauplätze für einen Reichstag ausgesucht, die jeweils seinen aktuellen Interessen entsprachen, z. B. 1497 Lindau, 1498 Freiburg im Breisgau und 1512 Trier. Für seine Wahl von 1517 nannte er keine Begründung, doch darf vermutet werden, dass die Lage von Mainz am Rhein, dem Anreiseweg des Kaisers aus den Niederlanden, und die relative Nähe der Stadt zu Worms, dem von ihm benannten Sammelplatz der reichsständischen Truppenkontingente für den Feldzug gegen Sickingen, eine Rolle gespielt haben dürften. Möglicherweise wollte der Monarch auch den Mainzer Kurfürsten Albrecht von Brandenburg für die geplanten Sondierungsgespräche über die Wahl eines römischen Königs günstig stimmen, indem er ihm die ehrenvolle Rolle als Gastgeber eines Reichstags übertrug. Von Seiten der Reichsstände ist im Übrigen keine einzige erstaunte oder gar kritische Äußerung über den ungewöhnlichen Reichstagsort bekannt.

Obwohl Mainz über keinerlei Erfahrungen bei der Vorbereitung und Durchführung eines Reichstags verfügte, hatte es damit augenscheinlich keinerlei Probleme. Im Vorfeld wurden vom Domkapitel, dem Klerus und den Bürgern ausreichend Quartiere und Stallungen für die zahlreich erwarteten Gäste und ihre Pferde bereitgestellt und deren Verteilung schriftlich exakt festgehalten (Nr.1018, 1019). Dabei dürfte es von Vorteil gewesen sein, dass am Reichstag 1517 bei weitem nicht so viele Fürsten und keinerlei ausländische Delegationen teilnahmen wie an den meisten anderen Reichsversammlungen der Maximilianszeit. Dies lag sicherlich vor allem an der Abwesenheit des Reichsoberhaupts. Während die Kurfürsten Albrecht von Mainz, Richard von Trier, Hermann von Köln, Ludwig von der Pfalz und Joachim von Brandenburg zumindest zeitweilig selbst anwesend waren, hielt sich Friedrich von Sachsen, wie schon 1512 in Trier/Köln und 1513 in Worms, erneut fern und entsandte Graf Philipp von Solms, der Friedrichs Bruder Johann mit vertrat (Nr.1022). Von den geistlichen Fürsten erschienen nur die Bischöfe Reinhard von Worms und Georg von Speyer persönlich, während Christoph von Augsburg, Erich von Münster, Philipp von Freising, Lorenz von Würzburg, Georg von Bamberg, Wilhelm von Straßburg, der Deutschmeister Dietrich von Cleen und der Deutschordenshochmeister Albrecht von Brandenburg Gesandte schickten. Zwar kam kein einziger weltlicher Fürst selbst zum Reichstag, doch immerhin entsandten Pfalzgraf Johann II. von Pfalz-Simmern, Herzog Wilhelm von Bayern, Markgraf Kasimir von Ansbach-Kulmbach, Markgraf Philipp von Baden, Herzog Johann III. von Jülich-Kleve, Herzog Georg von Sachsen, Herzog Anton von Lothringen und Landgräfin Anna d. J. von Hessen Vertreter. Nach Mainz kamen auch mehrere Grafen, zum Teil mit Vollmachten weiterer Standesgenossen, sowie die Bevollmächtigten etlicher Prälaten und Äbte. Von den Reichsstädten hatten etwa ein Dutzend, darunter die großen Kommunen Nürnberg, Augsburg, Ulm, Frankfurt a. M., Straßburg, Köln und Lübeck, ebenfalls Abgesandte geschickt, die zum Teil mit Vollmachten kleinerer Städte ausgestattet waren. Die zwei erfahrenen Frankfurter Ratsmitglieder Philipp Fürstenberger und Klaus von Rückingen hielten sich praktisch vom Anfang bis zum Ende des Reichstags in Mainz auf, weshalb ihre regelmäßigen Berichte eine besonders wichtige und aussagekräftige Quelle darstellen.

Das Mainzer Domkapitel kümmerte sich nicht nur um die Unterbringung der Tagungsteilnehmer, sondern auch um die innere Sicherheit in der Stadt während des Reichstags (Nr.1020). Was auf dem Reichstag 1517 völlig fehlte, waren die von manch anderen Versammlungen der Maximilianszeit her bekannten Festlichkeiten, Turniere, Wettschießen, musikalischen Darbietungen und anderen Zerstreuungen, die den Teilnehmern stets eine willkommene Abwechslung zu den monatelangen anstrengenden Beratungen boten. Grund dafür war wohl auch hier das Fehlen Kaiser Maximilians, der gern selbst an solchen Aktivitäten teilnahm und dessen Hof einen attraktiven gesellschaftlichen Mittelpunkt bildete. Aber auch die anwesenden Fürsten hatten immer wieder zu geselligen Veranstaltungen eingeladen. Den Gesandtschaften war dies nicht möglich, sodass der Mainzer Reichstag weitgehend durch eine eher nüchterne Arbeitsatmosphäre geprägt war.

Im Vorfeld des für den 15. Juni terminierten Reichstags zeigte sich einmal mehr die Unberechenbarkeit Kaiser Maximilians. Forderte er die Reichsstände noch Ende Mai erneut nachdrücklich auf, unbedingt nach Mainz zu kommen, wohin er sich auch selbst begeben werde (Nr.732), so gab es Mitte Juni erste Mutmaßungen seitens der Reichsstände, der Reichstag werde wohl nicht in Mainz, sondern in Frankfurt oder andernorts stattfinden (Nr.740, 744). Der einflussreiche kaiserliche Kanzler Zyprian von Serntein überlegte sogar bereits, „ob man weg möchte vinden, das der reichstag von Mainz gen Augspurg möchte verruckt werden.“ (Nr.731 [2.]) Tatsächlich wurde während eines Aufenthalts Maximilians in Lahnstein am 9. Juni bekannt, dass er sich nicht nach Mainz, sondern nach Frankfurt begeben werde ([Nr.932 [2.]). Dort traf er am 13. Juni in Begleitung seines Neffen Herzog Wilhelm von Bayern sowie Markgraf Kasimirs von Ansbach-Kulmbach, eines der kaisertreuesten Reichsfürsten überhaupt, ein. In den folgenden Tagen kamen auch Erzbischof Albrecht von Mainz und dessen Bruder Kurfürst Joachim von Brandenburg an. Die Frankfurter Stadtregierung besaß genug organisatorische Erfahrung und Flexibilität, um sich rasch auf die kurzfristig veränderten Pläne des Monarchen einzustellen und die üblichen Vorbereitungen für seinen Besuch zu treffen (Nr.743, Anm. 1).

Während seines gut einwöchigen Aufenthalts in Frankfurt führte Maximilian mit einigen ihm nahe stehenden Fürsten vertrauliche Gespräche. Über ihren Inhalt gibt es nur wenige und zudem nicht völlig eindeutige Hinweise. Dass eines der zentralen Themen die Wahl eines römischen Königs war, geht aus den Berichten des kursächsischen Gesandten Hans von Berlepsch hervor, der zusammen mit dem Vertreter Herzog Georgs von Sachsen, Dietrich von Werthern, schon seit Jahresbeginn dem kaiserlichen Hof gefolgt war und auch Maximilians Reise aus den Niederlanden bis nach Frankfurt mitgemacht hatte. Mit Schreiben aus Bonn vom 7. Juni informierte Berlepsch Kurfürst Friedrich von Sachsen unter Berufung auf Erzbischof Hermann von Köln, dass auf dem Mainzer Reichstag „etwas gros gehandelt werden sült“ (Nr.931 [4.]). Um was es dabei ging, teilte er am 20. Juni aus Frankfurt mit. Kaiser Maximilian selbst habe ihm gesagt, dass der Reichstag auf alle Fälle stattfinden werde und er die Kurfürsten Richard von Trier und Ludwig von der Pfalz erneut dazu geladen habe. Wie es nun weitergehe, wisse er allerdings nicht, es sei denn, „das dy zwen Kff. [Albrecht von] Menz und [Joachim von] Brandemburg in dem ansuchn, ainen röm. Kg. betreffend, etwas gewilligt hetten, dan es hat ksl. Mt. itzt etlich tag in aigner person, auch durch etlich unterhendler, Mgf. Casimirus und andere, ganz frolich mit iren kftl. Gn. gehandelt und handeln lassen“ (Nr.934 [1.]). Die offensichtlich in entspannter Atmosphäre geführten Sondierungsgespräche Maximilians mit dem hohenzollerischen Brüderpaar Albrecht von Mainz und Joachim von Brandenburg über eine Königswahl konnten jedoch in Frankfurt allein schon deshalb noch nicht zum Erfolg führen, weil mit Hermann von Köln, Richard von Trier und Ludwig von der Pfalz drei weitere Königswähler nicht anwesend waren. Das eigentliche Problem stellte aber Kurfürst Friedrich von Sachsen dar, dem Berlepsch schrieb: „Man get myt sachen itzt umb, darby man euer kftl. Gn. durch fürcht eyner verhynderung nycht hat haben wellen, nemlich eyn röm. Kg. zu machen, und darin wüllen ander leut auch nycht geheln und haltens darvor, sye sullen selbst byllich den cranz haben.“ (Nr.935 [2.]) Hintergrund des von Maximilian befürchteten Widerstands Friedrichs gegen eine Königswahl war ihr seit langem stark getrübtes persönliches Verhältnis. Berlepsch musste erfahren, dass der Kaiser es dem Sachsen noch immer sehr verübelte, dass dieser auf dem Wormser Reichstag 1509 die Bewilligung der dringend benötigten Hilfe für den Venezianerkrieg verhindert hatte. Bei einer persönlichen Unterredung auf der gemeinsamen Reise zum Mainzer Reichstag sagte Maximilian zu Berlepsch: „Dyn H. hat myr myn begern abgeschlagen, wilches ich mych in kayn wek versehen het. […] Ich hab myn blut und gut zu dem man wollen setzen und wyderfert myr nu das.“ (Nr.931 [2.]) Andererseits grollte auch der Kurfürst dem Kaiser, weil dieser die Belehnung der sächsischen Herzöge mit Jülich-Berg immer wieder abgelehnt und sich auch in der Auseinandersetzung mit Kurmainz um Erfurt nicht auf seine Seite gestellt hatte. Zum Zeichen seiner Verärgerung weigerte er sich Jahre lang, seinen vom Reichstag festgesetzten Beitrag zum Unterhalt des Reichskammergerichts zu bezahlen (Nr.466 [14c.], 585–587).1

Mit Maximilians Abreise aus Frankfurt endeten vorläufig seine Versuche, die Kurfürsten für die Wahlsache zu gewinnen. Drei Jahre später behauptete der an den Gesprächen beteiligte Kurfürst Joachim von Brandenburg, der Kaiser habe als römischen König Heinrich VIII. von England oder Ludwig von Ungarn und Böhmen vorgeschlagen – obwohl letzterer zu diesem Zeitpunkt erst elf Jahre alt war. Einen Kandidaten aus seinem eigenen Hause habe der Habsburger abgelehnt, sogar seinen durch die Kurfürsten von Mainz und Brandenburg ins Spiel gebrachten Enkel Karl von Spanien (Nr.934, Anm. 2). Die Behauptung erscheint ungewöhnlich, ist aber nicht völlig von der Hand zu weisen.2

5.2 Der geplante Feldzug gegen Franz von Sickingen und die Auseinandersetzung Kaiser Maximilians mit Herzog Ulrich von Württemberg

Unmittelbar nach Ende der Frankfurter Gespräche begab sich Maximilian am 21. Juni über Aschaffenburg, Miltenberg, Rothenburg o. d. Tauber, Nördlingen und Donauwörth nach Augsburg, wo er am 6. Juli eintraf. Auf der Zwischenstation in Rothenburg fertigte er eine Instruktion für seine Gesandten zu den in Mainz versammelten Reichsständen, den Fuldaer Abt Hartmann von Kirchberg und seinen Hofmarschall Leonhard Rauber, Freiherr zu Planckenstein, an (Nr.757). Beide Kommissare waren zwar nicht besonders hochrangig, vor allem keine Reichsfürsten, besaßen aber immerhin einige Erfahrung im diplomatischen Dienst Maximilians. Im Juli 1510 gehörte Abt Hartmann, damals noch Koadjutor in Fulda, der kaiserlichen Delegation an, die in Posen Verhandlungen mit polnischen Vertretern über den Deutschen Orden führte1, während Rauber sich 1507 an einer königlichen Gesandtschaft nach Venedig beteiligte.2 In der Instruktion verwies Maximilian zunächst auf seine bisherigen Bemühungen, den eines Adeligen unwürdigen Gewalttaten Franz von Sickingens durch ein allgemeines Reichsaufgebot Einhalt zu gebieten und ihm die Unterstützung durch seine Standesgenossen zu entziehen. Auf dem Mainzer Reichstag solle darüber und über eine zusätzliche Hilfe seitens der Reichsstände beraten werden. Maximilian versicherte, er hätte an diesen Gesprächen gerne von Anfang an teilgenommen, sei aber nun doch zu der Auffassung gelangt, dass dafür zunächst seine beiden Kommissare ausreichten. Später werde er dann auch persönlich nach Mainz kommen.

Maximilian sprach allerdings in der Instruktion noch ein weiteres Problem an, das er in den vergangenen Monaten gegenüber den Reichsständen mit keinem Wort erwähnt hatte, welches aber bald zum zentralen Thema seines politischen Handelns werden sollte: die Auseinandersetzung mit Herzog Ulrich von Württemberg. Dieser hatte 1511 Herzogin Sabine von Bayern, Tochter Herzog Albrechts IV. von Bayern und damit Nichte Kaiser Maximilians, im Rahmen einer pompösen Hochzeitsfeier geheiratet. Die Ehe wurde jedoch nicht glücklich. Zudem erschlug Ulrich 1515 Hans von Hutten, den Ehemann seiner Geliebten, gegen seine Gemahlin wurde er gewalttätig, sodass diese zu ihren bayerischen Verwandten nach München flüchtete. Im September 1516 musste er sich deswegen in Augsburg vor dem kaiserlichen Hofgericht verantworten, war aber nicht bereit, Maximilians Spruch zu akzeptieren, weshalb dieser am 11. Oktober die Reichsacht gegen ihn verhängte.Ungeachtet dessen kam es wenig später zu erneuten Verhandlungen, die am 22. Oktober mit dem Blaubeurer Vertrag endeten. Er stellte einen Kompromiss zwischen den kaiserlichen Forderungen und den Einwänden Herzog Ulrichs dar, der daraufhin aus der Acht gelöst wurde. Dennoch verübte er schon bald neue Gewalttaten. Noch auf der Heimreise von Blaubeuren ließ er das Schloss Hiltenburg Graf Ulrichs von Helfenstein niederbrennen, einige Zeit später mehrere führende Vertreter der württembergischen Ehrbarkeit wegen angeblichen Hochverrats foltern und hinrichten. Anfang April 1517 folgte ein weiteres Vergehen: Aus purer Rache brandschatzte er die Besitzungen Dietrich Späts, der früher einer seiner Vertrauten gewesen, nach dem Mord an seinem Verwandten Hans von Hutten aber zum Feind Ulrichs geworden war.

Mit diesem letzten Gewaltakt brachte Herzog Ulrich Kaiser Maximilian endgültig gegen sich auf. Dieser warf ihm in der Instruktion für die Reichstagskommissare vor, er habe während seiner eigenen kriegsbedingten Abwesenheit in Italien den Blaubeurer Vertrag massiv verletzt, plane mit Unterstützung der Aufständischen des Armen Konrads einen Angriff auf die habsburgischen Erblande, wolle dazu Knechte des kaiserlichen Widersachers Herzog Karl von Geldern in Dienst nehmen, bereite zusammen mit König Franz von Frankreich eine Attacke gegen das Reich vor und versuche dafür auch die Unterstützung der Eidgenossen zu gewinnen. Da dem zu erwartenden gemeinsamen Angriff des Herzogs und des Armen Konrads nicht ohne starke militärische Kräfte entgegengetreten werden könne, sollten die Reichsstände in ihren Territorien jeweils den 50. Mann aufbieten und diese Hilfe im Bedarfsfall zur Verfügung stellen.

Wenige Tage vor Abfassung der Instruktion hatte Kaiser Maximilian während seines Aufenthalts in Frankfurt den Kurfürsten Albrecht von Mainz, Ludwig von der Pfalz und Joachim von Brandenburg ebenfalls einen bemerkenswerten Auftrag erteilt (Nr.788). Franz von Sickingen habe, so behauptete er, darum gebeten, ihn für sein Vorgehen gegen Worms „zu begnaden und derhalben sein entschuldigung zu horen“. Wann und wo diese Bitte ergangen sein sollte, sagte Maximilian, der sich ja seit Januar 1517 in den Niederlanden aufgehalten hatte, nicht, es liegt auch kein schriftlicher Nachweis darüber vor. Obwohl er, so Maximilian weiter, eigentlich vorgehabt habe, Sickingen für sein Verhalten „mit dem schwert zu strafen“, so habe er sich nunmehr „Got zu eren“ doch entschlossen, ihm eine Chance zu geben. Die drei Kurfürsten sollten deshalb Sickingen zu einer Anhörung nach Mainz vorladen. Dieser möge sich zudem verpflichten, in den acht Tagen nach seiner Abreise aus Mainz gegenüber Worms stillzuhalten. Je nachdem, wie das Ergebnis der Anhörung ausfalle, werde er entscheiden, ob weitere Gespräche mit Sickingen geführt werden sollten oder wie geplant gegen ihn vorgegangen werde.

Maximilian war sich aber auch darüber im Klaren, dass es zur Abstellung der von Franz von Sickingen ausgehenden Gewalt nicht ausreichte, diesen allein zu befrieden, hatte er doch viele adelige Verwandte und Freunde und zudem Rückhalt bei großen Teilen der Ritterschaft im Reich. Der Kaiser teilte deshalb den in Frankfurt anwesenden Reichsständen mit, er habe alle diesseits des Rheins und am Main ansässigen Adeligen, „so in tat oder in rat wider ir Mt. und das hl. Reich gewesen sin, dem Sigkinger anhengig“, nach Gelnhausen, Friedberg und Mergentheim geladen. Da sich offenkundig viele von ihnen als „fogelfrey“ betrachteten, glaubten sie tun zu können, „was sie wollen wider Got, Babst, Ks., Kg. und das hl. Reich.“ Diese Unbotmäßigkeit könne und wolle er nicht mehr tolerieren. Aus diesem Grund sollten sich künftig alle achtzehn Jahre alten Adeligen eidlich gegenüber Kaiser und Reich verpflichten, keine Friedbrecher mehr zu unterstützen. Wer den Eid nicht leiste, „sol lib und gut verwurkt haben“, wer weiterhin „heckenreutery oder straßreubery“ betreibe, werde bestraft. Außerdem sei ihm bekannt, wie lange es oft dauere, bis Adelige in Gerichtsverfahren mit Kurfürsten, Fürsten, Prälaten, Grafen und Städten zu ihrem Recht kämen. Um hier Abhilfe zu schaffen, solle ein neues – im Einzelnen näher beschriebenes – Ritterrecht geschaffen und künftig angewandt werden (Nr.772).

Wenig später schickte der Kaiser Kommissare zu den rechts und links des Rheins, im Westrich, auf dem Hunsrück, im Wasgau, an der Lahn, in der Wetterau, im Odenwald, am Obermain und andernorts ansässigen Adligen, um ihnen seine Pläne vorzutragen. Zusätzlich zu den genannten Punkten sollten die Kommissare „zu eren und wolfart des frommen, loblichen adls und zu vermeidung lasters und ubltaten im hl. Reich“ eine Reform der Turniergesellschaften ankündigen, „so vor zeiten im hl. Reich umb aller geborner leut, mann und frauen, zucht und eer willen in übung gewest und aus hinlässigkait und andern ursachen ain gute zeit her nit gepraucht worden“ seien. Ihre zum 17. Februar 1518 vorgesehene Wiederaufrichtung diene dem Ziel, „damit under dem adel gut sitten und erbarkait, darauf er dann gestift ist, gehalten und das ubel verhuet werde“ (Nr.774). Die Verhandlungen der kaiserlichen Kommissare mit den in Friedberg und auf der Burg Gelnhausen versammelten Vertretern zahlreicher hessischer Ganerbschaften verliefen allerdings aus Sicht Maximilians nur bedingt erfolgreich. Die Adeligen baten zwar darum, das neue Ritterrecht auf dem Mainzer Reichstag aufzurichten, erklärten sich auch bereit, an den Beratungen über die Reform der alten Turniergesellschaften teilzunehmen, lehnten jedoch den verlangten Eid gegenüber Kaiser und Reich in der ihnen vorgelegten Form ab. Mit ihm würden sie sich „selbs schmach und unere, als ob sie sich verwurkt hetten, uflegen“ (Nr.775, 777). Maximilian beauftragte daraufhin die Reichsstände, die begonnenen Gespräche mit den Ganerben und Rittern auf dem Mainzer Reichstag fortzusetzen (Nr.779, 781, 782), wozu es jedoch nicht mehr kam. Verhandlungen kaiserlicher Kommissare mit dem Ritterkanton Odenwald scheiterten daran, dass auf zwei Versammlungen in Wimpfen und Mergentheim jeweils zu wenige Adelsvertreter anwesend waren (Nr.783786). Diejenigen, die erschienen, erklärten sich zwar mit den Wiederbelebung der Turniergesellschaften einverstanden, lehnten jedoch die Eidesleistung ebenfalls ab und bezeichneten das neue Ritterrecht als unzureichend (Nr.787). Damit war Maximilians Versuch, vor dem Hintergrund der akuten Sickingen-Problematik die Ritterschaft im Reich stärker an sich zu binden, ihre Unzufriedenheit mit bestimmten Rechtszuständen zu mindern, ihre latente Gewaltbereitschaft einzudämmen und eine Rückbesinnung auf die traditionellen Werte des Adelsstandes anzustoßen, gescheitert. Seine Bereitschaft, diese interessante und durchaus wegweisende Initiative fortzusetzen, dürfte jedoch nicht zuletzt auch deshalb erloschen sein, weil er sich – wie noch zu zeigen sein wird – im August 1517 mit Franz von Sickingen, einem der fragwürdigsten Vertreter des Niederadels seiner Zeit, verständigt und sogar versucht hatte, ihn für seine Zwecke, den geplanten Feldzug gegen Herzog Ulrich von Württemberg, zu instrumentalisieren.

Die beiden genannten kaiserlichen Instruktionen markieren nicht nur einen signifikanten Wendepunkt im Ablauf des Mainzer Reichstags, sondern auch einen für Maximilian typischen abrupten Wechsel in seinen politischen Zielsetzungen. Hatte er seit der Mobilisierung der Reichskreise Anfang Dezember 1516, dem damit verbundenen Aufgebot des gesamten Reiches und dem Reichstagsausschreiben vom 23. April alles auf ein umfassendes militärisches Vorgehen gegen Sickingen ausgerichtet, so änderte er Ende Juni seine Absichten innerhalb weniger Tage grundlegend. Anstatt gegen Sickingen plante er nunmehr offenkundig, mit Unterstützung der Reichsstände gegen den neuen Widersacher Herzog Ulrich von Württemberg vorzugehen. Dieses neue Ziel war für ihn augenscheinlich auch das maßgebliche Motiv dafür, nicht am Mainzer Reichstag teilzunehmen, sondern sich in seine Lieblingsstadt Augsburg zu begeben, um von dort aus unbeeinflusst durch die Reichsstände das weitere Vorgehen gegen den Württemberger planen zu können.

Währenddessen fand in Mainz vom 26.–28. Juni die von Maximilian gewünschte Anhörung Franz von Sickingens durch die Kurfürsten von Mainz, der Pfalz und Brandenburg statt. Der Befragte zeigte sich dabei wenig einsichtig oder gar schuldbewusst (Nr.791). Vielmehr legte er in einer ausführlichen Denkschrift (Nr.792) nochmals die Gründe für seine Fehde gegen Worms dar, erklärte diese für legitim und allein durch das schändliche Verhalten der Reichsstadt gegenüber seinem Schützling, dem damaligen bischöflich-Wormser Notar Balthasar Schlör, veranlasst. Gegen Kaiser und Reich habe sie sich nie gerichtet. Wenn sie beendet werden sollte, müsse Worms zuvor fünf klar formulierte Bedingungen erfüllen (Nr.793). Deshalb könne und wolle er auch den vom Kaiser verlangten und von den Kurfürsten dringend empfohlenen Stillstand nicht akzeptieren.

Das Ergebnis der Mainzer Anhörung wurde umgehend dem Kaiser nach Augsburg übermittelt. Man hätte erwarten können, dass es ihn zu einer scharfen Reaktion gegen Sickingen veranlasste, doch das Gegenteil trat ein: Am 17. Juli fertigte er ein Mandat aus, in dem er behauptete, „durch etliche unser und des Reichs Kff., Ff., Gff. und ander vom adel hoichlich und mit undertenigem fleis ersucht und gebeten worden“ zu sein, Franz von Sickingen wieder zu „begnaden“, ihn zusammen mit seinen Helfern und Anhängern aus der Reichsacht zu lösen und allen ihre früheren Ehren und Rechte zurückzugeben. Er entspreche hiermit dieser Bitte und gebiete allen Reichsuntertanen, seine Verfügung zu beachten (Nr.801). Der tatsächliche Grund für die bemerkenswerte Begnadigung des Friedbrechers war hingegen ein ganz anderer, denn nur einen Tag später beauftragte Maximilian Reichserbmarschall Ulrich von Pappenheim und Heinrich Drosch, Sickingen die Achtlösung zu überbringen und mit ihm Verhandlungen über seine Indienstnahme gegen Herzog Ulrich von Württemberg aufzunehmen. Ihm müsse allerdings geboten werden, seine Absolution „in grosser gehaim zu halten“, denn wenn sie zu früh bekannt würde, „so würde von stund des Reichs hilf, so angezogen ist, wider haimziehen und mochten wir uns hernach derselben, wann wir die geprauchen woltn, nit behelfen.“ (Nr.803) Der Verschreibungsentwurf (Nr.804), den die beiden Abgesandten Sickingen überbrachten, nannte auch bereits konkrete Modalitäten für seine Indienstnahme: Er sollte dem Kaiser mit 1500 Berittenen einen Monat lang auf eigene Kosten gegen Herzog Ulrich dienen. Der Gewinn, der dem bis eben noch geächteten Raubunternehmer in Aussicht gestellt wurde, mutet vor dem Hintergrund Jahrzehnte langer Bemühungen um den Friedensschutz im Reich fast skandalös an: „Was ich mit prandschatzung, raub und nam auf dem land zu Wirtemberg gewynnen mag, das sol mir zusten.“ Nach Ablauf des einen Monats sollte Sickingen dem Kaiser gegen Herzog Ulrich „bis zu end des kriegs“ weiter dienen „und mich meiner person gelegenhait und vermogen nach dermassen halten, darab sein ksl. Mt. ungezweyfelt ain gn. gefallen von mir haben wirdet.“ Dass das schon zuvor große Selbstbewusstsein Sickingens durch die überraschende kaiserliche Begnadigung noch weiter gestärkt wurde, zeigte sich in den anschließenden Verhandlungen mit den kaiserlichen Abgesandten, lehnte er es doch rundweg ab, mit 1500 Berittenen einen Monat lang in kaiserliche Dienste gegen Herzog Ulrich zu treten. Angesichts dessen blieb Maximilian nichts anderes übrig, als eine wesentlich unkonkretere Vereinbarung mit ihm zu treffen. In seiner Verschreibung vom 16. August sagte Sickingen schließlich nur zu, „ain dinst und hilf wider Hg. Ulrichen von Wirtemberg und seine helfer und anhenger“ zu leisten. Die entsprechenden Einzelheiten werde er mit kaiserlichen Vertretern besprechen (Nr.809). Noch vorteilhafter für ihn war eine zweite Abmachung, in der er erklärte, er habe mit Maximilians Abgesandten einen „anstant“, also eine vorläufige Pause in seiner Fehde gegen Worms, vereinbart. Wenn einer der beiden Kontrahenten diese nicht mehr aufrechterhalten wolle, könne er sie der Gegenseite „14 tag vor taitlicher handelong zuvor abkunden“ (Nr.807). Faktisch hatte Sickingen damit vom Kaiser das Recht erhalten, die bewaffneten Attacken gegen Worms mit zweiwöchiger Vorlaufzeit jederzeit wieder aufzunehmen. Dass er diese für ihn so überaus vorteilhafte Abmachung den in Mainz versammelten Reichsständen mitteilen konnte, bereitete ihm sicherlich große Genugtuung (Nr.808).

Zwischenzeitlich hatte Herzog Ulrich von Württemberg auf die Vorwürfe, die die Reichstagskommissare im Auftrag Maximilians in Mainz gegen ihn erhoben hatten, rasch reagiert. In einem Schreiben an die versammelten Reichsstände vom 5. Juli betonte er seine ungebrochene Gehorsams- und Dienstbereitschaft gegenüber dem Kaiser, bat sie, den auf „ungestüm anhalten und unwarhaftig inbildunge unserer widerwertigen“ basierenden Anschuldigungen gegen seine Person keinen Glauben zu schenken, und bot an, seine Unschuld zu beweisen (Nr.813). Die sichtlich um eine Entschärfung des sich immer mehr aufbauenden Konflikts bemühten Reichsstände teilten dem Kaiser mit, da ihnen das Erbieten Ulrichs, der ja immerhin ein Reichsfürst sei, „nit unzimlich“ erscheine, bäten sie darum, ihm eine Anhörung zu gewähren (Nr.816). Doch Maximilian war längst zu keiner Verständigung mehr bereit. Gegenüber einer Abordnung der württembergischen Landstände, die zu ihm nach Augsburg gekommen war, wiederholte er nicht nur die Vorwürfe gegen Herzog Ulrich, sondern forderte sie sogar auf, die Einsetzung eines Regiments in Württemberg, also faktisch die Absetzung ihres Landesherrn, zu erwägen (Nr.818). Die Gesandten wiesen jedoch diese „anmutungen […] ern und pflicht halb“ strikt zurück, habe doch Ulrich „bisher ftl. und erlich regiert und regiert uf disen tag so ftl., eerlich und wol, das wir siner ftl. Gn., ouch irer ret kain beswerung noch mangel, sonder ganz undertenig und gut wolgevallen haben“ (Nr.819 [4.]). Für Maximilian hingegen kam, wie er den Reichsständen antwortete, eine Anhörung des Herzogs nur in Frage, wenn dieser dabei den Bruch des Blaubeurer Vertrag und seine nachfolgenden Gewalttaten vorbehaltlos eingestand (Nr.821). Doch dazu war Ulrich keinesfalls bereit. In einer öffentlichen Protestation, die seine Gesandten Heinrich von Liebenstein und Dr. Johann Henninger den Reichsständen in Mainz überbrachten, äußerte er sein Befremden über die kaiserlichen Anschuldigungen, entkräftete sie Punkt für Punkt, erklärte die vom Kaiser geforderte Bewilligung des 50. Mannes für eine Strafexpedition gegen ihn für nicht erforderlich und erbot sich zu Recht vor den Reichsständen, dem Schwäbischen Bund oder den Eidgenossen (Nr.823).

Diese Verlautbarung empörte Maximilians zutiefst und zementierte endgültig seinen Entschluss, mit aller Härte gegen den Herzog vorzugehen. Zunächst verfasste er am 28./31. Juli eine umfangreiche gedruckte „justification“, die im ganzen Reich verbreitet wurde. Darin wies er nicht nur alle Aussagen Ulrichs als unwahr zurück, sondern erinnerte auch nochmals an dessen Bruch des Blaubeurer Vertrags, die Ermordung Hans von Huttens sowie die massive Verletzung der Reichsordnung durch die Gewaltakte gegen die Besitzungen Ludwig Späts und Graf Ulrichs von Helfenstein. Außerdem habe Ulrich Anführer der Aufstandsbewegung des Armen Konrads an seinem Hof in Dienst genommen, seine Kontakte zu Herzog Karl von Geldern, König Franz von Frankreich und den Eidgenossen seien flagrante Verletzungen seiner Lehnspflicht, ja Teil eines geplanten Angriffs auf Kaiser und Reich. Das Angebot eines Ausgleichs mit dem Württemberger gelte zwar weiterhin, jedoch nur unter den von ihm, dem Kaiser, genannten Bedingungen. Den Eintritt in ein Rechtsverfahren lehne er strikt ab (Nr.829). Gleich darauf wandte Maximilian sich erneut an die in Mainz versammelten Reichsstände. In einer Instruktion für seine Reichstagskommissare vom 1. August äußerte er sich empört über Ulrichs „beschönung seiner übeltaten“. Er habe ihn deswegen an seinen Hof zitiert, „an ime zu volziehen die strafen, darein er gevallen ist“, doch sei zu erwarten, dass er nicht erscheinen werde. Daher bleibe nichts anderes übrig, als „den krieg wider ine zu fuern“. Alle Reichsstände seien aufgefordert, dazu den 50. Mann zu stellen. Die in Mainz versammelten Kurfürsten und Fürsten könnten zwar nach Hause reisen, doch sollten sie je einen ihrer Räte zu ihm nach Augsburg schicken, um dort weiter über „des hl. Reichs, deutscher nation und gemeiner christenhait sachen und notturften zu ratslagen, zu handlen und zu besliessen“ (Nr.923). Einige Zeit später wiederholte Maximilian dieses Ersuchen, das praktisch einer Auflösung des Mainzer Reichstags gleichgekommen wäre, noch bevor dieser mit seiner Arbeit richtig hatte beginnen können. Die Reichsstände wiesen das selbstherrliche Ansinnen mit gemessenen, aber klaren Worten zurück. Sie seien „als „diejenigen, die röm. ksl. Mt., des hl. röm. Reichs und teutzscher nation ehr, nutz und wolfart gern sehen und, sovil an ine, ires vermogens ungesparts vleiß furdern wollten“, gewillt, in Mainz zu bleiben, um über die gegenwärtige „notturft und schwer obligend“ des Reiches zu beraten und nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen (Nr.766 [1.], 767 [2.]). Ihre Aussage ließ sich durchaus als subtile Kritik am Kaiser verstehen, der nicht zum Reichstag erschienen war, sondern stattdessen in Augsburg seine ganz eigenen Ziele verfolgte. Die zahlreich in Mainz anwesenden Gesandtschaften erklärten ihrerseits, dass sie „weder mit cleidong, zerung noch in andere wege“ so ausgestattet seien, dass sie einen kurzfristigen Ortswechsel vornehmen könnten. Zudem hätten sie „von iren Hftt. des keinen besondern gewalt noch bevelch“ (Nr.766 [2.]).

Angesichts der sich augenscheinlich immer mehr verhärtenden Fronten zwischen Maximilian und Herzog Ulrich und der unabsehbaren Folgen eines Krieges zeigten sich die in Mainz versammelten Reichsstände tief besorgt. Gegenüber dem Kaiser verwiesen sie auf „der undertanen und gemeins mans unruigkeit, elend und armut, teurung, mißwachs, auch der seltzamen, schwinden leuft und ingrieff, so sich allenthalben im hl. Reich ytzt mehr dan in vergangner zeit ereugen“, warnten vor „aufrur und krieg im hl. röm. Reich, auch der Teutschen blutvergiessen“, die sämtliche Reichsterritorien und insbesondere das Herzogtum Württemberg schwer treffen würden, und boten ihre Vermittlung an (Nr.836). Den Schwäbischen Bund sowie Erzherzogin Kunigunde als Schwester Maximilians und Schwiegermutter Herzog Ulrichs baten sie um Unterstützung ihres Schiedsangebots (Nr.837, 838). Als es dann aber an dessen Konkretisierung ging, kamen den Kurfürsten plötzlich Bedenken. Ursprünglich sollten dem kurienübergreifenden Moderatorenteam ein oder zwei Kurfürsten, zwei Fürsten und je ein Vertreter der Grafen, der Prälaten und der Reichsstädte angehören, doch erklärten Albrecht von Mainz, Hermann von Köln, Richard von Trier und Ludwig von der Pfalz nunmehr einmütig, sie könnten sich wegen anderer Verpflichtungen nicht beteiligen. Schließlich wurden Markgraf Philipp von Baden für die weltlichen und Bischof Wilhelm von Straßburg für die geistlichen Fürsten gebeten, die Aufgabe zu übernehmen (Nr.840, 841).

Am 21. Juni war der Kaiser aus Frankfurt a. M. in Richtung Augsburg abgereist, wo ab dem 24. Juni eine Versammlung des Schwäbischen Bundes stattfand. Mit ganz ähnlichem Wortlaut wie in der Instruktion für seine Reichstagskommissare teilte Maximilian den Bundesmitgliedern mit, dass die von den Reichskreisen bereitgestellte Hilfe zusammen mit der vom Mainzer Reichstag noch zu bewilligenden Unterstützung wohl nicht ausreichen werde, um die doppelte Bedrohung des Reiches durch Franz von Sickingen und Herzog Ulrich von Württemberg abzuwenden. Deshalb fordere er auch sie, wie bereits die in Mainz versammelten Reichsstände, auf, den 50. Mann zu stellen und ihre Truppen mit denjenigen des Reiches zu vereinigen. Er selbst werde für das Haus Österreich 1000 Berittene und 4000 Fußsoldaten beisteuern (Nr.1027). Daraufhin wurde zur Beratung über das kaiserliche Ersuchen für den 25. Juli eine weitere Bundesversammlung nach Augsburg einberufen. Dorthin hatte Maximilian mit seinen beiden Neffen Wilhelm und Ludwig von Bayern sowie dem loyalen Markgrafen Kasimir von Ansbach-Kulmbach auch drei ihm besonders nahe stehende Fürsten bestellt, ihnen in einer nicht weniger als achtzehn Punkte umfassenden Auflistung sämtliche bisherigen Vergehen Herzog Ulrichs von Württemberg vor Augen geführt und sie ersucht, ihn in seinem notwendigen bewaffneten Kampf gegen den Übeltäter zu unterstützen. „Wo wir darin stillstuenden, wurden zulest wir und daz hl. Reich von im übereylt. […] Darumb ist itz die recht zeit, in zu strafen.“ Auf die ihn nicht zufrieden stellende Antwort reagierte Maximilian mit „hitzig wort gegen obberurte Ff., villeicht aus bewegtem zorn“, doch letztlich musste er sie akzeptieren (Nr.1035).

Die Reaktion des Schwäbischen Bundes entsprach ebenfalls nicht seinen Erwartungen. Wie schon die Reichsstände in Mainz boten auch die Bundesmitglieder eine Vermittlung im Konflikt mit Herzog Ulrich an, die Maximilian jedoch ebenfalls ablehnte. Da er nach dem Prinzip handle „Si vis habere pacem, prepara bellum. Ob ainer frid haben will, der berait den krieg“, kämen für ihn Schiedsverhandlungen erst nach der Bewilligung einer Bundeshilfe in Frage (Nr.1036, 1037). Sie zu leisten, sei der Bund vertraglich verpflichtet, da es sich bei den Taten des Württembergers um einen Angriff auf die kaiserliche Ehre und Würde handle. Schließlich drohte er, wenn ihm jetzt Hilfe verweigert werde, sehe er sich, „so dem bund samet oder sonderlich not begegnen würd“, veranlasst, „irer Mt. hilf auch an sich zu halten“ (Nr.1038). Fürchte der Bund die Macht des württembergischen Herzogs, werde er ihm weitere 1500 Berittene und 5000 Fußsoldaten, also insgesamt 2500 Reiter und 9000 Kämpfer zu Fuß zuschicken (Nr.1039 [4.]). Doch auch diese den realen Möglichkeiten des Kaisers in keiner Weise entsprechende Zusage bewegte den Schwäbischen Bund zu keiner Hilfeleistung.

Maximilians Enttäuschung darüber, dass nach den Reichsständen in Mainz nunmehr auch der Schwäbische Bund, dessen Oberherr er doch war, die geforderte Kriegshilfe verweigerte, war groß. Eine Teilnahme am Mainzer Reichstag, die er noch einige Wochen zuvor in Aussicht gestellt hatte, kam für ihn unter diesen Umständen nicht mehr in Frage. Als das Scheitern der Verhandlungen mit dem Schwäbischen Bund deutlich wurde, beschloss er, aus Augsburg abzureisen. Dafür lieh ihm der reiche Jakob Fugger, der ihn in der Vergangenheit schon so oft mit stattlichen Summen aus finanziellen Notlagen gerettet hatte, ohne „alle verweisung und indresse“ weitere 8000 Gulden. Maximilian wollte sich damit laut eigener Aussage nach Innsbruck begeben (Nr.1045). Am 20. August verließ er Augsburg, reiste dann aber doch nicht nach Tirol, sondern Donau abwärts nach Oberösterreich.

Ab Mitte August ging auch der Mainzer Reichstag allmählich seinem Abschluss entgegen. Als die beiden Reichstagskommissare am 17. August die reichsständischen Gesandtschaften erneut aufforderten, zum Kaiser nach Augsburg zu kommen, erklärten diese am folgenden Tag, da sie derzeit keine weiteren Weisungen von ihrer Herren hätten, würden sie ihren Abschied nehmen und aus Mainz abreisen (Nr.770). Am 20. August berichtete der Augsburger Gesandte Hieronymus Imhoff, der Reichstag sei beendet (Nr.1047).3

5.3 Gerichtsreform, Gewaltprävention und Friedensschutz als Themen des Mainzer Reichstags

Während Maximilians Hauptinteresse spätestens seit seiner Abreise aus Frankfurt der Auseinandersetzung mit Ulrich von Württemberg galt, beschäftigte sich die von ihm im Stich gelassene Mainzer Reichsversammlung mit einer ganzen Reihe wichtiger Themen. Dazu gehörte in erster Linie die Frage, wie etliche gravierende Missstände im Reich abgestellt werden konnten und sich der von vielen als desolat empfundene Gesamtzustand des Reiches verbessern ließ. Am 23. Juli wurde ein Ausschuss eingerichtet (Nr.759 [18.]), der bereits wenig später feststellte, aus den akuten Problemen um Herzog Ulrich von Württemberg und Franz von Sickingen, dem Konflikt zwischen dem Bischof und der Stadt Worms, verschiedenen an den Reichstag gerichteten Supplikationen und anderen Vorkommnissen sei ersichtlich, dass „solich und andere clagen, beschwerung und erlitens gewalts, im hl. Reich schwebend, alle von einer oder zweien namhaftigen mengeln ursprunglich herefliessen, sich mehren und also inwurzeln.“ Wenn die versammelten Reichsstände sich dieser Probleme nicht annähmen, sei zu befürchten, dass sie „sich noch weiter denen und dermassen usbreiten, das nichts guts volgen, sondern röm. ksl. Mt., dem hl. röm. Reich und allen stenden desselben merglicher unrate, unüberwindlicher nachteil und schaden derhalben entsten und zuwachsen“ (Nr.762). Daraufhin beschloss die Reichsversammlung am 28. Juli, einen „tapfern usschoß zu orden, zu betrachten die mengel und beswerung, so allenthalben im Reych sich ereygen, wie solichs zu verkomen, frid, recht, gut ordenong auf[zu]richten und zu machen sey“ (Nr.764 [1.]). Über die personelle Zusammensetzung des Ausschusses ist nur bekannt, dass ihm Dr. Matthäus Neithart aus Ulm als Vertreter der oberdeutschen und schwäbischen Städte sowie der Frankfurter Gesandte Philipp Fürstenberger für die rheinischen Städte angehörte (Nr.983 [2.]). Um für seine Arbeit göttlichen Beistand zu erbitten, wurde im Dom eine Messe zum Heiligen Geist gefeiert (Nr.988 [4.]).

Der Ratschlag, den der Ausschuss am 1. August vorlegte, kann als das wichtigste Ergebnis des Mainzer Reichstags von 1517 gelten. Als Hauptursachen aller gegenwärtigen Probleme im Reich wurde die „geprechlichkeyt des rechten und landfriedens, das die baide nit volzogen, gehalten noch gehanthabt, sonder zerrüt, versmehet, verachtet lange weil gewest sein und noch werden“, benannt. Im Mittelpunkt der Kritik stand das Reichskammergericht, das nach Meinung des Ausschusses nicht weniger als siebzehn einzeln aufgelistete Defizite aufwies. Sie reichten von unzureichender Qualifikation des Gerichtspersonals, überlanger Dauer von Verfahren, mangelhafter Exekution von Urteilen bis hin zu ungenügender Wirksamkeit der Reichsacht. Die Missstände im Gerichtswesen hätten gravierende negative Folgen für den Frieden, die innere Sicherheit sowie die Tätigkeit der Handel- und Gewerbetreibenden und vieler anderer Personen. Das Reich leide Not, sei „schwach und krank, schreyt und ruft umb hilf und rate zu Got, zu irem heupt und H., ksl. Mt., zu Kff., Ff. und ander stende und gliedern“. Werde ihm nicht geholfen, so drohe ihm derselbe Untergang wie vielen großen Reichen in der Vergangenheit. Da die Mitwirkung des Kaisers an den Rettungsmaßnahmen unverzichtbar sei, sollte ihm dieser Ratschlag zugesandt und seine Unterstützung erbeten werden. Zwischenzeitlich könnten die in Mainz anwesenden Reichsstände bereits ihrerseits Verbesserungsvorschläge ausarbeiten. Am 7. August übermittelte der Reichstag den Mängelkatalog in modifizierter Form an Maximilian (Nr.765/II). Zu den bereits angesprochenen Problemen waren drei weitere hinzugefügt worden, darunter der Hinweis auf die negativen Folgen von Vermögenstransfers ins Ausland und auf notwendige Maßnahmen gegen heimkehrende Kriegsknechte. Die zugespitzte Behauptung, der aktuelle Zustand der Deutschen Nation lasse für diese ein ähnliches Schicksal befürchten, wie es frühere Reiche erlitten hatten, war wohl aus Rücksicht auf den Kaiser unterblieben, da dieser sie womöglich als provokante Kritik an seiner bisherigen Regierungsführung aufgefasst und jegliche Mitwirkung an Reformmaßnahmen verweigert hätte. Stattdessen verwiesen die Reichsstände auf die Maximilian zur Verfügung stehenden Machtmittel, die er so rasch wie möglich einsetzen solle. Wenn er nicht am Mainzer Reichstag teilnehmen könne, möge er zumindest Räte schicken. Die Reichsstände seien zur Kooperation mit ihnen bereit.

Wenig später griffen auch die Reichsstädte das Thema der allgemeinen Gewalttätigkeit und Friedlosigkeit im Reich auf. In einer Supplikation beklagten sie, der Mainzer Reichstag sei nicht zuletzt wegen der „landkundigen, offenbaren, ungepurlichen ingrieff und beschedigung halb, so gar noch allenthalben im röm. Reich und besunderlich den stetten widerfaren,“ einberufen worden. Gehe er nun auseinander, ohne in dieser Sache etwas unternommen zu haben, gereiche dies zu „verderplichem unrat, nachteil, geverlicheit und zerrütung des hl. Reichs und gemeynen nutzes.“ Die Reichsstände sollten darüber nachdenken und entsprechend handeln (Nr.898). Die dergestalt in die Pflicht genommenen Versammlungsteilnehmer sahen allerdings keine Möglichkeit, sich in Abwesenheit des Kaisers noch eingehender mit der Problematik zu beschäftigten. Sie wandten sich deshalb kurz vor Tagungsende brieflich an Maximilian und verwiesen ebenfalls auf die zahllosen „ingriffe, plackerey und beschedigong, […] so sich allenthalben ereugen, der keyn aufhören und teglichs mern.“ Werde ihnen nicht Einhalt geboten, so entstünde daraus „beswerlichheit, nachteyl und schaden nit allein den hantirer, kaufs- und gewerbsleuten, stetten und andern, so die straßen brauchen, sonder euer ksl. Mt. zuvor, allen stenden und oberkeyten.“ Maximilian möge hier geeignete Abhilfe schaffen (Nr.769).

Hatten die in Mainz versammelten Reichsstände unter dem Eindruck der Taten Franz von Sickingens die drängenden Probleme bei der obersten Gerichtsbarkeit im Reich, der Gewaltprävention und beim Friedensschutz immerhin deutlich angesprochen und aufgezeigt, dass das herkömmliche Instrumentarium der Landfriedensgesetzgebung zu ihrer Lösung nicht ausreichte, so konnten diese Themen doch wegen des Endes des Reichstags und der aktuell andersartigen Ausrichtung der kaiserlichen Interessen in den nächsten Monaten nicht mehr weiter erörtert werden. Erst der Reichstag zu Augsburg 1518 griff sie wieder auf und diskutierte sie auf der Grundlage der in Mainz vorgetragenen ständischen Überlegungen erneut.1

5.4 Streitfälle und Schiedsverfahren

Zu den wichtigen Leistungen des Mainzer Reichstags in Abwesenheit des Kaisers gehörte auch eine erneute intensive Schieds- und Vermittlungstätigkeit in einer ganzen Reihe interständischer Konflikte. Die Mehrzahl von ihnen bestanden schon seit etlichen Jahren, ohne dass entsprechende Ausgleichsbemühungen jemals zum Ziel führten. So hätte der Streit zwischen den Kurfürsten von Mainz, Trier und der Pfalz sowie den Wetterauer Grafen einerseits und den Landgrafen von Hessen andererseits über den hessischen Güldenweinzoll zuletzt auf dem Wormser Reichstag 1513 verhandelt werden sollen, doch war es dazu nicht gekommen. Für den 5. Juni 1517 war nun in dieser Angelegenheit ein erneuter Schiedstag nach Kitzingen anberaumt worden, doch einigte man sich schließlich darauf, ihn ab dem 15. Juli im Rahmen des Mainzer Reichstags abzuhalten (Nr.852, 853). Zunächst übernahmen Wolfgang von Bibra und Karl von Heßberg im Auftrag Markgraf Kasimirs von Ansbach-Kulmbach die Leitung der Vermittlungsgespräche, scheiterten jedoch an verfahrenstechnischen Einwänden der hessischen Seite. Nachdem zwei Schiedsvorschläge der versammelten Reichsstände ebenfalls nicht akzeptiert worden waren (Nr.854 [14.], 855, 856) und damit der Mainzer Ausgleichsversuch als Ganzes gescheitert war, beauftragte Kaiser Maximilian am 16. August Kurfürst Joachim von Brandenburg und Markgraf Kasimir von Ansbach-Kulmbach, die Parteien vorzuladen und eine gütliche Einigung herbeizuführen (Nr.859).

Noch älter als der Streit um den Güldenweinzoll war der Konflikt zwischen dem Bischof von Worms und der Reichsstadt Worms, der die Reichsversammlungen bereits seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert beschäftigte. 1517 wurde er erneut akut, nachdem Bischof Reinhard von Rüppurr persönlich nach Mainz gekommen war und den versammelten Reichsständen eine umfangreiche Supplikation übergeben hatte. Darin stellte er die lange Geschichte des Wormser Konflikts nochmals ausführlich aus seiner Sicht dar, beklagte einmal mehr die anhaltende Verletzung seiner Rechte durch die Reichsstadt und bat darum, sein Ersuchen um ein Rechtsverfahren beim Kaiser zu unterstützen (Nr.869). Die Reichsstände übersandten die Bittschrift an Maximilian, ohne selbst zu der Angelegenheit klar Stellung zu beziehen (Nr.870). Drei Wochen später reichte auch der Wormser Klerus eine Bittschrift beim Reichstag ein, in der er die Verletzung der Rachtung von 1509 durch die Wormser Stadtregierung kritisierte und ebenfalls bat, seine Bemühungen um Abstellung der damit verbundenen Belastungen beim Kaiser mit zu tragen (Nr.873). Dieser antwortete, wenn er, wie geplant, persönlich zum Reichstag komme, werde er sich der Wormser Konflikte annehmen und versuchen, einen Ausgleich herbeizuführen (Nr.759 [15.], 763 [2.], 872 [1.]). Da Maximilian bekanntlich doch nicht in Mainz erschien, blieben die Differenzen ein weiteres Mal unverglichen.

Auch im Kampf um Erfurt standen sich mit Erzbischof Albrecht von Mainz und Kurfürst Friedrich von Sachsen noch immer zwei erbitterte Kontrahenten gegenüber. Der Mainzer wollte den Naumburger Vertrag vom 25. Oktober 1516, der ein Schirmbündnis zwischen Kursachsen und Erfurt beinhaltete (Nr.573, Anm. 1), nicht akzeptieren, und auch Kaiser Maximilian war mit dieser ohne ihn zustande gekommenen Abmachung nicht einverstanden (Nr.570, 571). Im November 1516 ordnete er deshalb zunächst an, dass in der Streitsache ein Rechtsverfahren durchzuführen sei, stimmte aber dann nach sächsischem Widerspruch erneuten Verhandlungen zu. Am 7. Februar 1517 fand im Antwerpener Kloster St. Michael, wo sich zu diesem Zeitpunkt der kaiserliche Hof aufhielt, eine Anhörung durch kaiserliche Räte statt, bei der die Kurmainzer Räte sich für, die Vertreter Friedrichs von Sachsen hingegen energisch gegen ein rechtliches Verfahren aussprachen (Nr.860, 861). Fast sechs Wochen lang mussten die Abgesandten beider Seiten warten, bis Maximilian am 19. März im niederländischen Dendermonde verkündete, durch ein Rechtsverfahren würden beide Parteien „zu mererm unwillen und neytlichem und hesslichem handlungen gegeneinander beweget, auch durch die umbswaif und auszug, so im rechten zugelassen werden muessen, in menigfeltig merer costen und scheden gefurt.“ Um dies zu vermeiden, wolle er die Streitsache „von der strenge des rechtens in austreglich, gutlich mittel und wege“bringen. Wenn er in Kürze wieder ins Reich komme, werde er die Kontrahenten zu sich laden und alles daransetzen, einen Ausgleich zwischen ihnen zustande zu bringen (Nr.862). Auch diese Zusage erfüllte er nicht, sodass der Streit um Erfurt bis Ende August weder auf dem Mainzer Reichstag noch am kaiserlichen Hof weiter verhandelt, geschweige denn endgültig beigelegt wurde.

Im Konflikt um die Neuvergabe der territorialen Hinterlassenschaft des 1511 verstorbenen Herzogs Wilhelm IV. von Jülich-Berg hatte Maximilian trotz ständigen Drängens der konkurrierenden Herzöge von Sachsen und von Kleve bzw. Jülich-Kleve die Belehnungsoption jahrelang als Druckmittel zum eigenen Vorteil in der Hand behalten. Als der Kaiser sich im März 1517 in den nahe gelegenen Niederlanden aufhielt, ließ Herzog Johann III. von Jülich-Kleve durch eine Gesandtschaft erneut um die Belehnung bitten (Nr.863). Maximilian verlangte jedoch dafür, dass er zuvor seine Schwester Anna, die eigentlich mit Maximilians Feind Herzog Karl von Geldern hätte verheiratet werden sollen, an den burgundischen Hof überstelle und ihr zusätzlich 50000 fl. mitgebe. Johanns Bitte, angesichts seiner finanziellen Schwierigkeiten die Geldforderung zu reduzieren, wurde strikt zurückgewiesen (Nr.864). Deshalb ließ der Herzog die Gelegenheit, dem rheinaufwärts reisenden Kaiser bei einem Zwischenstopp in Köln die Belehnungsbitte nochmals persönlich zu unterbreiten, verstreichen (Nr.865). Auch seinem Abgesandten zum Mainzer Reichstag, Friedrich von Brambach, bot sich dort keine Gelegenheit, mit dem Kaiser in Kontakt zu treten (Nr.947).

Der Ausgangspunkt der in Mainz zur Sprache gekommenen Differenzen zwischen den beiden Landgräfinnen Anna d. Ä. und Anna d. J. von Hessen lag ebenfalls schon mehrere Jahre zurück. Kaiser Maximilians Schiedsspruch vom Kölner Reichstag 1512, der den Konflikt zwischen Landgraf Wilhelm d. Ä. und seiner Gemahlin Anna d. Ä. einerseits und dem hessischen Regiment andererseits beendet hatte, enthielt auch eine Reihe von Bestimmungen, die die künftige materielle Existenz des Landgrafenpaares und ihrer Kinder absichern sollten. Sie wurden jedoch von Landgräfin Anna d. J., die zusammen mit einem Rätegremium die Regierung für ihren noch unmündigen Sohn Philipp ausübte, nur zum Teil umgesetzt, sodass Anna d. Ä., vor allem nach dem Tod ihres Ehemannes 1515, zunehmend in Schwierigkeiten geriet. Ein Ende 1516/Anfang 1517 unternommener Vermittlungsversuch Erzbischof Albrechts von Mainz und Herzog Erichs von Braunschweig-Calenberg scheiterte, eine Entscheidung des Reichskammergerichts kam ebenfalls nicht zustande (Nr.866868). In ihrer Not wandte sich Anna d. Ä., die schon in Köln 1512 unerschrocken ihre Interessen und die ihres Ehemannes vertreten hatte, erneut an den Reichstag. Am 29. Juli trat sie persönlich vor die versammelten Reichsstände und klagte, dass sie dem Kaiser, dem Reichskammergericht und anderen Instanzen wie ein „arm zegeuner“ nachziehen müsse, ohne zu ihrem Recht zu kommen. Dadurch sei sie gezwungen worden, „ire silber, kleynod, kleyder und was sie guts hab, under juden und cristen“ zu versetzen, mittlerweile sei sie völlig verarmt. Wenn man Landgräfin Anna d. J. weiterhin ihre Hinhaltetaktik gestatte, müsse sie bald „betteln gan“. Deshalb bitte sie die Reichsstände „als beschirmer witwen und weysen“, ihr zu helfen, das zu bekommen, was ihr „von recht und natur gebure“ (Nr.993 [2.]). Leider gibt es keine Nachweise darüber, ob und gegebenenfalls in welcher Weise der Reichstag auf diese flehentliche Bitte reagierte und ob in Mainz eventuell doch Verhandlungen in der Angelegenheit stattfanden.

Ein weiterer in Mainz verhandelter Streitfall betraf die Reichsabtei Fulda. Dort war es bereits 1513 aufgrund der kostenträchtigen Bestrebungen des Abtes Hartmann von Kirchberg, das Stift Hersfeld in die Reichsabtei zu inkorporieren, zum Zerwürfnis mit dem Kapitel gekommen. Abt Hartmann musste flüchten, bemühte sich aber in den folgenden Jahren unter Ausnützung seiner guten Beziehungen zu Kaiser Maximilian mit allem Nachdruck, aber letztlich vergeblich um seine Wiedereinsetzung. In dieser Streitsache berief Erzbischof Albrecht von Mainz für Anfang August einen Schiedstag nach Mainz ein, auf dem die unterschiedlichen Standpunkte hart aufeinander prallten. Das Fuldaer Kapitel schlug vor, entweder einen Koadjutor oder ein Statthaltergremium im Stift einzusetzen, was Abt Hartmann jedoch beides strikt ablehnte (Nr.878). Auch wegen Ansprüchen auf Hammelburg, Kloster Holzkirchen sowie Schloss und Amt Saaleck kam es zu unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten, an denen die Mainzer Schiedsverhandlungen letztlich scheiterten. Unmittelbar darauf reisten die Vertreter des Kapitels ab (Nr.881). Kurz vor Ende des Reichstags bot Landgräfin Anna d. J. von Hessen nochmals einen Vermittlungsversuch an unter der Voraussetzung, dass überhaupt Bereitschaft zu einer Einigung bestehe (Nr.880).

5.5 Supplikationen

Einen speziellen Aspekt des Reichstags 1517 bilden die Supplikationen, die von verschiedenen Einzelpersonen an die in Mainz versammelten Reichsstände ergingen (Abschnitt VII.5.2). Die meisten der Supplikanten waren in der einen oder anderen Weise betroffen von den vielen Konflikten, die im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts das Reich in ständiger Unruhe hielten. Ihre Bittschriften schilderten mit sehr eindringlichen Worten die schwierige, teilweise sogar existenzbedrohende Lage, in die die Verfasser durch ihre Dienste für verschiedene Auftraggeber oder durch andere Umstände geraten waren, und baten die Reichsversammlung um Hilfe. Die beiden Juristen Dr. Ludwig Sachs und der Lizentiat Johann Diefenbeck hatten 1513 auf Weisung Kaiser Maximilians der Wormser Gemeinde in ihrer Auseinandersetzung mit dem dortigen Rat rechtlichen Beistand geleistet, der Vater Philipps und Bechtolds von Flersheim war in Worms Opfer einer Einquartierung der gegen Franz von Sickingen aufgebotenen Truppen geworden, Wolf Gotzmann von Thurn und Jost Merkle hatten im Kontext der Differenzen zwischen Landgraf Wilhelm d. Ä. und Anna d. Ä. von Hessen mit dem dortigen Regiment schwere finanzielle Einbußen erlitten, Katharina von Reide schließlich, die Witwe des einstmals einflussreichen Kölner Ratsherrn Johann Reide, beklagte sich, dass ihr nach der Hinrichtung ihres Ehemannes vom Rat der Stadt übel mitgespielt worden sei. Nur mit dieser letztgenannten Supplikation beschäftigte sich der Mainzer Reichstag näher, bevor er auch sie, wie alle anderen Bittschriften, dem Kaiser nach Augsburg übersandte mit der Ersuchen, darüber zu befinden. Im Fall Reide berief Maximilian eine Schiedskommission ein, alle anderen Klagen blieben bis auf weiteres liegen.

Ein anderes Gesuch an den Mainzer Reichstag besaß nicht geringe politische Brisanz. 1497 verhängte König Maximilian auf Klage Thomas Jodecks gegen die Bewohner von Danzig und Elbing die Reichsacht. Nach Jodecks Tod übernahm sein Anwalt Sigmund Zwiekopf dessen Forderungen, konnte sie aber nicht durchsetzen, u. a. deshalb, weil die Geächteten Unterstützung aus anderen großen Handelsstädten wie Augsburg, Nürnberg, Köln, Lübeck und Hamburg erhielten. Im Juli 1517 wandte sich Zwiekopf daher mit zwei Supplikationen an den Mainzer Reichstag, beklagte die großen Einbußen, die er durch seine bisherigen vergeblichen Bemühungen bereits erlitten hatte, und bat um Unterstützung (Nr.891893). Brisanz erlangte die Sache dadurch, dass sich ausgerechnet Franz von Sickingen zum verbalen Helfer Zwiekopfs aufschwang (Nr.890). Dadurch bestand die Gefahr, dass zu den bereits jetzt von Sickingen ausgehenden Risiken noch ein weiteres hinzukam. Kaiser Maximilian, dem die beiden Supplikationen vom Reichstag übersandt worden waren, befand sich in einer schwierigen Lage, da er gerade im Begriff war, sich mit Sickingen zu verständigen und ihn für den Feldzug gegen Herzog Ulrich von Württemberg zu gewinnen. Er suchte sich daher juristischen Rat (Nr.895, 896) und verschob schließlich auch in diesem Fall seine Entscheidung, indem er kurz vor seiner Abreise aus Augsburg Zwiekopf anwies, vor ihm, seinen Räten oder Bischof Christoph von Augsburg zu erscheinen und die Rechtmäßigkeit seiner Forderungen zu belegen (Nr.897).

Anmerkungen

1
 Hingegen vertritt Armin Kohnle die Auffassung,, es sei „unzutreffend, eine Distanz oder gar Opposition Friedrichs zu Maximilian allzu sehr zu betonen.“ Sein Versuch, „Loyalität zum König mit Wahrung reichsständischer und eigener Interessen zu verbinden“, sei „offensichtlich gut gelungen, denn das Verhältnis zu Maximilian I. blieb freundlich.“Kohnle, Friedrich der Weise, S. 19.
2
 Dietmar Heil geht davon aus, dass die Wahlwerbung Maximilians für Heinrich VIII. „bei einigen vermeintlich Frankreich zuneigenden Kurfürsten im Sommer und Herbst 1517 […] nur taktischer Natur“ gewesen sei. Er habe damit Druck auf König Karl ausüben wollen, „der bei einem Treffen in Lier zu Beginn des Jahres 1517 eine erneute direkte Regierung der Niederlande durch Maximilian brüsk abgelehnt und sich auch in der Wahlfrage zögerlich gezeigt hatte.“Heil, Scheitern Kaiser Maximilians, S. 654f.
1
 Vgl. Seyboth, Reichstagsakten 11, Nr.212.
2
 Vgl. Heil, Reichstagsakten 9, Nr.43.
3
 Laut dem Vertreter Herzog Georgs von Sachsen, Dr. Christoph von Gablenz, war der Mainzer Reichstag sogar schon am 15. August zu Ende. Vgl. Nr.955.
1
 Vgl. Janssen, Frankfurts Reichscorrespondenz, Nr. 1193, 1194, 1198. Das vollständige Quellenmaterial zu dem Reformprojekt wird der in Vorbereitung befindliche Band zum Augsburger Reichstag enthalten.