Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb

Textvorlage: Nürnberg, fol. 55–58’.

1. HA (Religionsvergleich): Resolutionskonzept zum Verhandlungsmodus im Zusammenhang mit dem Geistlichen Vorbehalt als Antwort auf die Proposition. Berücksichtigung der Resolution des SR. Anschluss des SR in der Freistellung an die höheren CA-Stände.

/55/ Einberufung der Kurien durch den Reichserbmarschall für 2 Uhr nachmittags. KR und FR beraten bis 5 Uhr. Sodann Ladung der Reichsstädte in RR.

(Nachmittag, 5 Uhr) /55–58’/ Reichsrat. [Entsprechend Protokoll des KR, 176–178. Differenzierter zum ersten Vortrag des SR, Freistellung, und zu den folgenden Verhandlungen:] /56/ Wie SR bereits zuvor erwähnte, hat er lediglich zum Verhandlungsmodus des 1. HA (Religionsvergleich), nicht aber zur Freistellung beraten, da er von KR und FR über diese Thematik nicht informiert wurde. Da SR sich dazu nicht erklären konnte1 , hielten die erbarn stet dannocht darfur, es solt dises ir bedencken2 in dem gestelten concept auch annectirt und angehenngt unnd sie, die erbarn stet, hierynnen nitt abgesondert werden sein. Wiewol es irer Gnn. unnd Gunsten bede puncten nitt belangt, so wollten sy doch allein umb des proceß willen gepetten haben, dises auch also anzehenngen; wie es dann uff vorigen Reichs tegen, dz man der stet bedencken auch angehengt, ye unnd alwegen auch also gehallten worden.

/56’/ Die Mitglieder des SR verlassen den Raum. Kurze Beratung von KR und FR. Anschließend Vortrag durch Mainzer Kanzler: KR und FR haben die Forderung des SR vernommen. Sie haben SR bisher dahingehend verstanden, dass er Verhandlungen zum 1. HA (Religionsvergleich) im Ausschuss und parallel zu den anderen HAA in den Kurien billigt. Was aber den artickel der freystellung belanngt, dz sich die erbarn stet nitt versehen, dz derselb sollt angeregt worden sein, dann solches der artickel keiner, /57/ so in der proposition einverleibt, doch wan inen, den steten, von iren Gnn. und Gunsten3 ein einhellige meynung im selben puncten angetzeigt sollt worden sein, dz sie sich darauff weiter der gepuer hetten wollen vernemen lassen. Wie dann ir Gnn. unnd Gunsten sy yetzo nochmalen dahin unnd keins weittern bedennckens verstannden, dann dz es inen, den steten, nitt zuwider, dz der artickel der religion mit dem ersten neben andern reichssachen zuberatschlagen furgenommen werden sollt. Dieweil sy dann dahin verstannden worden, so achteten die chur- unnd f. rethe, ir, der stet, bedenncken sey unnder dem ersten artickel mit begriffen4. Dieweil es dann also unnder demselben artickel verstanden, unnd sich di erbarn stet zuerinnern hetten, wann hievor in gemeiner stennde namen etwas an di röm. ksl. oder kgl. Mt. oder deren bevelhabere gelanngt, darbei die stennde unnd stet gewesen, dz man dieselben ding also furgetragen, dz die erbarn stet darunter auch begriffen worden. Derwegen sy, die chur- und f. rethe, /57’/ nochmalen darfur achteten, dz di erbarn steten hierynnen unnd unnder den wortten mit eingetzogen worden, dz der dreier geistlichen churfursten rethe unnd verordnete, auch die meereren deß fursten rats „unnd andere stende“ der meynung etc. Dieweil dann ir, der stete, meynung hierunter begriffen, so versehen sich di chur- und f. rethe, sie wurden dises berichts wol benuegig unnd zufriden sein unnd also wissen, warunter sie begriffen weren.

Kurze Beratung der reichsstädtischen Gesandten. Replik an KR und FR: Sy verstunden die sachen dahin, sz sy an ir selbst etwas hochwichtig. /57’ f./ Haben die Einzelheiten des umfänglichen Konzepts bei der ersten Verlesung nicht genau verstanden, aber nunmehr aus der Wiederholung vernommen, dass ihre Resolution zum Verhandlungsmodus des 1. HA darin enthalten ist. /58/ So weren sie ires theils daran auch wol zefriden. Sovil aber den puncten der freistellung betrifft, dieweil derselbig uff zweierlei weg begriffen, von welchem theil ein yeder puncten fur di hannd genommen werden solte, so weren der stet gesanndten vermog ires general bevelchs dahin bedacht, dz sie sich in demselben puncten von den augspurgischen confessions verwanndten keins wegs absonndern wolten, sondern theten sich hiemit inen vergleichen5. Mogen auch leiden, dz sy, di stet, also mit unnd beisein unnd von der sachen nitt abgesondert wurden.

/58 f./ Getrennte Beratung von KR und FR. Anschließend Mitteilung an SR durch den Mainzer Kanzler und weitere Verordnete von KR und FR: Haben vernommen, dass SR sich in der Freistellung den höheren CA-Ständen anschließt. Haben keine Einwände dagegen, /58’/ solch ir, der stet, bedencken auch hienein in dz gestelt concept an seinem ortt zusetzen.

Für die Übergabe der Antwort an die kgl. Kommissare, die am kommenden Montag um 8 Uhr stattfinden soll, verordnet SR Straßburg und Regensburg.

Anmerkungen

1
 Bezugnahme auf RR am 7. 10.: Kurmainz, pag. 157–159 [Nr. 20].
2
 = das zuvor im RR referierte Bedenken: Hätten Einigung zur Freistellung in KR und FR erwartet und bevorzugt, schließen sich aber der geteilten Resolution an.
3
 = von KR und FR.
4
 Bezugnahme auf das Konz. für die Antwort zur Proposition, hier Bedenken der geistlichen Kff. und der Mehrheit des FR. Vgl. die Ausfertigung [Nr. 424], fol. 205 [Erstlich ermessen ... verzug verlenngern.].
5
 Die Nürnberger Gesandten Tetzel und C. F. Gugel stellten im Bericht vom 18. 10. 1556 klar, der Anschluss in der Freistellung sei von Straßburg in diesem anhanng namens aller Reichsstädte, aber ohne deren vorausgehende Zustimmung vorgetragen worden. Der Straßburger Gesandte [Hermann] rechtfertigte sich auf ihre Kritik hin damit, er könne nitt anders thun, er musste dz reden, dessen er bevelch hette. Dem schlossen sich die Regensburger Verordneten unter Hinweis auf ihre Weisung an. Zasius habe sie, die Nürnberger, wegen des Verhaltens des SR in der Freistellung etwas statlich angeredt mit antzeigung, das er sich gar nitt versehen gehabt, dz wir unnd andere stet unns in solche bose handlungen dermassen sollten geschlagen unnd uns derselben anhengig gemacht haben (vgl. auch Anm.3 bei Nr. 22). Da zu erwarten sei, dass sich Straßburg und Regensburg auch künftig im RR in obigem Sinn zur Freistellung äußern würden, baten die Nürnberger Gesandten um Weisung, ob sie ihre abweichende Haltung darlegen sollten, was sie aber fur gantz bedencklich achten (StA Nürnberg, NRTA 23, unfol. Konz.). Der Nürnberger Rat missbilligte daraufhin in der Weisung vom 21. 10. 1556 den Anschluss an die höheren CA-Stände ohne Vorwissen der anderen Städte in Fragen wie der Freistellung, welche /216/ die erbarn stet noch die religion gar nit belangen. Der Rat betonte nochmals (vgl. Anm.1 bei Nr. 224), er habe nie beabsichtigt, /217/ unns von berürter confeßion wendig machen zulaßen. Aber es ist unns weder rethlich noch thunlich, unns in sölchen heßigen nebenstritt, so die erbarn stet, zumhal unns, im wenigisten nit belangt, einzulaßen. Unnd waltet keinen zweifel, wann sönst andere sachen in chur- unnd f. rethen fürfielen, daß die stet gewißlich nit ersucht würden, anderst dann was unnd soviel on mittel die Reichs sachen belangen möchten. Dieweil nun dieser stritt der stet intereße im wenigisten berürt, ist nit rehtlich, sich darinnen einzulaßen. Sollen im SR entsprechend votieren und dies auch gegenüber den kgl. Kommissaren zum Ausdruck bringen. Dann wir unns in sölche unnottürfftige getzenck, so der confeßion nit anhengig, mit nichten einzulaßen gedencken (StA Nürnberg, BBdR 159, fol. 216–217’. Kop.).