Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 12. Die Reichstage zu Worms 1513 und Mainz 1517 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Einberufung eines Schiedstages zur Verhandlung über die durch Bm. und Rat von Speyer angefochtene Rachtung (von 1420); [2.] Beschickung des Tages durch den Speyerer Klerus; Vorlage einer Klagschrift durch Bm. und Rat; Hinweis auf die Entscheidung Kg. Sigismunds und der Kff., gegenseitige Beschwerden auf dem Austragsweg zu klären; [3.] Mehrfache Erneuerung dieser Verordnung; Verlangen, das Austragsverfahren auch auf die jetzt vorgebrachten Klagen anzuwenden; Ankündigung einer förmlichen Protestation im Fall der Weigerung durch Bm. und Rat; [5.] Bitte an die Kommissare, den Ks. zum Festhalten an der alten Verordnung zu bewegen.

Speyer, StadtA, 1 A 337/10, fol. 1a–4b, Kop. (auf dem Deckblatt: Dem rate zu Spyer).

[1.] /1a/ Wolgeborn, wirdig, hochgelert, wolgeacht und ersamen, gn. und gunstig Hh.1, als röm. ksl. Mt., unser allergnst. H., dem hochwirdigen F., unserm gn. H. [Bf. Philipp] von Spyer hat tun schreyben und angezeigt, wie ire Mt. in der handlung zwischen einem rate und der gemeyn hie zu Spyer2 under anderm ein vertrag durch wylant EB Conraten zu Meinz seliger gedechtnus gefunden hab3, der dem rechten etwas wider und denen von Spyer beschwerlich und onlydlich sein mog, darin ir Mt. als röm. Ks. zu sehen gepür. Darumb auch ir Mt. etlich commissarien und ein verhoretag darzwischen hie zu Spyer furgenommen hab, mit beger, das gemelter unser gn. H. von Spyer solichen tag gemeyner pfafheit verkund, ferrers inhalts derselben ksl. schrieft, welche der gemelt unser gn. H. gemeyner pfafheit zugeschickt, mit befel, den tag zu ersuchen.

[2.] Als auch pfafheit uf solichen befel ksl. Mt. und unserm gn. H. von Spyer zu undertenigem, gehorsamen gefallen uns nehst dornstags zu solchem tag gefertigt, daruf wir uns als verordenten gehorsamlich angezeigt haben. Nachdem aber die ersamen,/1b/ fursichtigen Bm., rate und gemeyn der stat Spyer desmals durch etlich ire verordenten auch erschinen und ein schrieft [liegt nicht vor] fur euwr Gn. wurd und gunst legten, die sie doch alsbald ine wider ad corrigendum zu behendigen begerten, und als dieselb nachmals uber etlich tag, nemlich den ersten tag Januarii [1513], durch euwer Gn. wurd und gunst uns zu handen worden, haben wir uns darin ersehen und finden, das die von Spyer umb alle oder den meren teil irer vermeinten beschwerung, in gedachter irer schrieft angezeigt, mit gemeyner pfafheit ein nachburlichen, fruntlichen verstant und ustrag haben, durch wylant loblicher gedechtnus Kg. Sigmont sambt etlichen Kff. zu Nurenberg durch ein rechtmessigen spruch ordenung gemacht und satzung ufgericht, under anderm diese nachvolgenden puncten in sich halten: „Were auch, das in den furgenanten sune und richtung eynicherley bruch bescheen were oder auch furbas bescheen wurde oder das solich sune und richtung ein party der andern uberfaren het oder wurde, darfur Got sy, sprechen, machen,/2a/ setzen, orden, leutern und ercleren wir von der egenanten unser macht, das darumb dieselben sune und richtung nicht abesin, geschwecht oder in eynige weys gekrenkt oder zurbrochen sin sollen, sunder das die party, die bedunkt, das uberfarung bescheen sy, die ander party zu gutlichen, gelegen tegen forderen sol. Darzu auch dieselb ander party onverzuglich zu kommen bereyt sin sol, als oft des not beschicht, von solcher uberfarung wegen fruntlichen zu uberkommen. Mochte aber das nit bescheen, das dan des beyd party an den erwirdigen EB zu Meinz, der alsdan ist, kommen sollen, und wie sie der darin entscheit, es beschee fruntlich oder rechtlich, daran sollen beyd party ein benugen haben und dem auch nachgen one intrag und geverde.“4

[3.] Welchen puncten wir euwer Gn. wird und gunst allein zu underrichtung und keiner andern gestalt noch imant zuwider anzeigen. Dwil nu solcher punct sambt allen anderen, in gemeltem Kg. Sigmonts spruchbrief verlybt, ganz dapferlich, mit guter furbedrachtung, auch mit rate und bysin der Kff., geistlicher /2b/ und weltlicher, sambt andern Ff. und Hh. bescheen und nachgens durch alle teil gelobt, geschworn, versigelt und uf die ewigkeyt gestelt, auch nachmals je und alwegen im vierden jare von allen teiln durch geschworn eyd erwidert und erneurt worden, darzu meh[r]mals und one widersprechen, als auch beide teyl uf nechst Johannis baptiste im zehenden jare der mynderzale [24.6.10] solich spruch und ratung mit den eyden erwidert und erneut haben, geübt und gebraucht und dan nachgens erstlich durch die Bapstlich Hlkt. und nachmals nach absterben Ks. Sigmonts durch sein nechsten im reich nachfarn, Ks. Friderichen den dritten, ytzo Ks. Maximilians, unsers allergnst. H., nechsten furfarn, H. und vater hochloblicher gedechtnus5, derglychen durch itzbenanten Ks. Maximilian in der allerbesten form mit wolgeleuterten und verstendigen worten confirmirt, bestetigt und dermaß versehen, das gemeyner pfafheit nit wole zimen oder gepuren will, davon in eynigen weg zu schreyten oder zu gen, darumb auch wir, die geordenten von wegen gemeyner pfafheit, gar ganz fruntlich und nachburlich begeren,/3a/ das die von Spyer itzunt in iren ubergeben vermeinten beschwerungen, die sie dermaß einer pfafheit hiefur nye angezeigt, sich solichs fruntlichen, nachburlichen ustrags, im furgeschriben puncten angezeigt, benugen und settigen lassen, als auch die geordenten von wegen gemeyner pfafheit solichs hiemit fruntlich an die von Spyer bitten, sich mit ine in gutlich gesprech laut des angezeigten puncten zu begeben. Dar entgegen erbiten wir uns von wegen gemeyner pfafheit, uns im selbigen ganz nachburlich, fruntlichen und dermaßen zu beweysen, das wir hoffen, es soll allen teiln zu eren, nutz und erlichem, nutzlichem ufnemen dienen und reichen, auch nit not wird, jmant anders damit zu bekommern oder zu bemühen.

[4.] Wo aber die verordenten der stat Spyer solchen unsern fruntlichen furschlag und erbiten, der uber die angeregten ksl. sprüch aller erber- und billikeyt gemeß ist, nit wollen annemen, als wir dannocht uns gar nit versehen, sunder ehe hoffen, sie werden des friedlichen gemüts syn und sich laut unsers fruntlichen erbitens benügen lassen, so erfordert unser notturft von wegen gemeyner pfafheit, uns da entgegen zu protestiren,/3b/ als wir uns hiemit offentlich und herlich protestirn und bezeugen mit unserm furigen erscheinen, auch itziger furgender und nachvolgender handelung, von egemelts Kg. Sigmonts usspruch in keinen weg zu schreyten, zu geen noch gegangen oder geschritten wollen han, sunder denselbigen in alle weg nachgen und leben, wie wir by unsern wurden, eren und pflichten zu tun schuldig syn. Und sol uns hieby nit irren oder verhindern, das die von Spyer nechst dornstags fur euwer Gn. wurd und gunst sich protestirt, auch nachgen in irem schrieftlichen anbringen wider angeregt, uns und unser erschein[en], reden und bewilligen ires gefallens uffassen wollen, do wir doch in nicht anders gewilligt, auch uns nichts anders zugemutet noch an uns begert, dan allein in enderung der person, so von ksl. Mt. zu commissarien geordent, zu willigen, das ist nemlich, das euwer Gn., der [Gf. Franz Wolfgang] von Zollern, anstat Gf. Bernharts von Sulms gesetzt sin solt, und das wir unangesehen euwer, des probsts [Dr. Balthasar Merklin] von Waltkirchen, abwesen gewilligt, der von Spyer anligen zu horen. Es ist auch unser meynung oder will /4a/ nye gewest oder noch, uns in etwas anders zu begeben, anders dan wie hieoben angezeigt ist, noch auch durch solich unser erschein[en] von dem verstant und ustrag, den wir mit den von Spyer haben, zu schreyten oder davon zu gen.

[5.] Darumb so ist unser undertenig und fruntlichs bitten, euwer Gn. wurden und gunst wollen solch unser von wegen gemeyner pfafheit furbringen der notturft nach und in allem gutem und das wir es gegen den von Spyer nit anders dan fruntlich und nachburlich gemeyn versten, auch solichs die ksl. Mt., unsern allergnst. H., nach notturft berichten und sein Mt. herbitten, uns uber solich fruntlich und nachburlich erbiten in kein beschwerlickeit zu trengen, sunder uns by dem, so Babstlicher Hlkt. und siner Mt. H. und vater hochloblicher gedechtnus, Ks. Friderich seligen, in kgl. und ksl. wurden und nachmals sein Mt. selbs mit usgedruckten, teutschen worten zugelassen, bewilligt und bekreftigt, gnediglichen hanthab und beschirme, auch nichts wider solich vertreg, confirmation, bevestigung und bekreftigung, welcher wir abschrift hiemit inlegen, usgeen lassen. Das /4b/ wollen wir sambt gemeyner pfafheit gegen Got, dem Almechtigen, mit unserm andechtigen gebet und sunst unsern gehorsamen, willigen und schuldigen diensten gehorsamlich verdien[en].

Anmerkungen

1
 In einer Versammlung des Speyerer Klerus am 11. Dezember 1512 wurde mitgeteilt, dass laut einem ksl. Schreiben an Bf. Philipp von Speyer die Klage der Speyerer Bürger wegen der Rachtung am 29. Dezember (mittwoch nach Innocentum) eine Anhörung durch ksl. Kommissare stattfinden werde. Hierzu wurde am 13. Dezember eine aus neun (namentlich genannten) Klerusvertretern bestehende Delegation benannt. Krebs, Protokolle des Speyerer Domkapitels, S. 349, Nr. 3696. Laut Kaser, Bewegungen, S. 152 und Alter, Rachtung, S. 472 gehörten der Ende 1512 vom Ks. eingesetzten Kommission Gf. Bernhard von Solms, der Propst von Waldkirch (Dr. Balthasar Merklin), der Zinsmeister zu Hagenau Hans Heinrich Armstorffer sowie der Frankfurter Ratsherr Jakob Heller an.
2
 Zu diesen im August 1512 von ksl. Kommissaren geleiteten Schiedsverhandlungen in Speyer vgl. Seyboth, Reichstagsakten 11, Abschnitte IV.5.11.12. und IV.15.15.
3
 Die sogen. Konradinische Rachtung vom 27. Mai 1420 bedeutete für die Speyerer Bürgerschaft in ihrer langjährigen Auseinandersetzung mit dem Bischof und der Geistlichkeit einen herben Rückschlag. Sie unterlag in sämtlichen wichtigen Streitfragen (Ungeld, Getreideeinfuhr, Weinschank, Besetzung städtischer Gerichte und Ämter, Besteuerung von Bürgerbesitz im Hochstiftsgebiet u. a.), außerdem wurde der Anspruch des Bischofs auf die weltliche Herrschaft in der Stadt in vollem Umfang bestätigt. Vgl. Kaser, Bewegungen, S. 45–48; Alter, Rachtung, S. 349–352; Voltmer, Reichsstadt und Herrschaft, S. 148f.
4
 Schiedsspruch Kg. Sigismunds, Nürnberg, 21. August 1422. Vgl. Kaser, Bewegungen, S. 49; Alter, Rachtung, S. 353.
5
 Ks. Friedrich III. bestätigt die Privilegien des Speyerer Klerus, Frankfurt a. M., 24. Juli 1442. Regest: Kemper, Regesten, Nr. 35.