Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 12. Die Reichstage zu Worms 1513 und Mainz 1517 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Grausame Hinrichtung ihres Ehemanns Johann Reide durch den Kölner Rat; widerrechtliche Einziehung seines gesamten Besitzes und aller Geschäftsunterlagen; ihre bislang vergeblichen Bestrebungen beim Ks. und vor dem Reichskammergericht um Rückgabe; [2.] Bitte um Unterstützung dieser Bemühungen.

Wien, HHStA, MEA, RTA 3b Bd. Reichshandlung zu Mainz Ao. 1517, fol. 91a–93a, Kop.

[1.] /91a/ Anrede. Eur kftl. Gn. gnaden und gunst geben ich als ein arme, elende, betrübte, verlassen witwe mit aller demütigkeit vor berichtung meyner manigfeltigen gescheften und nyemants zu schmache dan aus grosser meyner notturft wider Bm., rate und gemeynde der statt Coln zu erkennen, das, wiewole nymant unverhört wider recht oder rechtmessig urteil an leib und gut gestraft soll werden und vil mynder ein arme und elende, verlassen witwe und unschuldige kinder, auch nymants ime selbs urteil sprechen mag, so haben doch die von Coln weilend Johan von Reyd, meinen huswirt seligen, dem Got gnade, mit erschrecklichen, ungewonlichen proceß vor vier jaren zu Coln, da er Bm. was, schmelichen (Got weiß wie) vom leben zu elendigen tod bracht2 und darzu unser beider güter, nemlich bargelt, silbergeschir, cleynoter, rentebrief, rechnungsbücher, handschriften und anders, zu einer merlicher grosser summ in und aus der gerkamern [= Sakristei] meiner pfarkirchen zu St. Brigiden und von andern gewihten und gefriheten orten binnen Coln sunder erkentnis eines gewonlichen richters oder rechtens, eigner gewalt, wider Got, recht und alle pillicheit und ire eigenen statuten, privilegien und gemeynen landfriden zu inen genomen und bisher zu meinem grossen, verderplichen schaden vorgehalten haben, alles unangesehen, der [recte: dass] der obgnanten von Coln geschickten meynem huswirt seligen in sein hand gelobt und geschworn haben, ein ersam rat und gemeynde der stat Coln sollen in zur rechenschaft und verantwortung komen lassen, ehe dan man ime an leib und gut schedlich sein solt, wie er dan alzeit, solchs ze tun, sich erboten und umb das bitter leiden und tod unsers Hern, auch umb /91b/ allen truwlichen dinst, so er der stat Coln ye beweist hat, das sie inen zur rechenschaft und verantwurtung komen liessen, uf das eim yeden recht und nymants zu kurz beschee. Erfinde sich dan, das er yemant einen heller schuldig [wäre], were [er] gutwillig, solichs gnugsam zu bezalen. Welhe rechenschaft sye von ime doch nit empfangen, haben auch damit ir glubde nit gehalten etc. Deshalben sie dan nimmher in der warheit gesagen konnen, das meyn huswirt selige seiner gescheften halb oder sonst inen schuldig sey. Ist aber war, das sie meynem huswirt seligen und mir damals ein merkliche summ gelts schuldig gewest und noch sind, so er inen von seinem eigen gelt gelihen, und sunst an der obgnanten stat Coln an jerlichen renten oder gülten. Haben auch darnach meyn hus gewaltiglich ufgebrochen und aus demselbigen mynem und andern husern, auch von dem freyen Rynstrome aus einem schiff mein korn zu inen genomen und anders vil mutwillens wider mich elende, betrübte witwen und myn güter geübt und gebraucht und noch uf disen tag uben und gebrauchen, wie ich dan solichs an röm. ksl. Mt. hochloblich chamergericht, auch vor den wolgeborn H., H. Eberharten, Gf. zu Ditz und Königstein, in der gütigkeit witer angezeigt und furbracht hab.3 Und wird also derselbigen genomen und andere mynen gütern, nemlich mein korn zu verkaufen, mein jerliche rente, schuld und ander gelt inzufordern, durch die obgnant von Coln verhindert, dermassen, das diejenig, so mir schuldig und itzo noch im leben und by der hand sind und bezalung tun künden und etlich sich ze tun erpieten, wan ich inen ir handschriften, damit sie sich, mir schuldig zu sein, verbunden haben oder ander beweysung, siegel und brief furbringen,/92a/ mir solhe schuld schuldig sind, gutwillig zu bezalen. Welhe schrift und beweisung die von Coln dan, wie obgeschrieben, zu inen genomen und noch haben. Deshalben ich solhe beweysung nit furpringen und bezalung uberkomen kann, auch one zweifel durch derselbigen meiner schuldener abesterben, reumen [= wegziehen] und verderben, wie sich dan leider itzo mit vilen begeben hatt, nümmer volkomlich bezalt werden [kann]. Deshalben ich und myn unschuldige kinder sonder [= ohne] unsern schulden gar verderben müssen. Welhe genomen guter und schuld ich dick [= oft] und vil durch mein manigfeltig, demütig supplikation gefordert und gebeten hab, auch an röm. ksl. Mt. hochloblich chamergericht deshalben mit inen in rechtfertigung ins vierde jar gestanden, doch alles nit mogen enden und mich noch witer besorge, durch der vilghnanten von Coln manigfeltige, listige, unwarhaftige, bose uszug, furbringen und mutwillig ufhalten, wie dan leider mir bisher durch dieselbigen und iren sindicum gescheen ist, rechtfertigung langsam zu guter ustracht laufen soll.

[2.] Demnach ist aus oberzelten und andern rechtmessigen ursachen an euer kftl. Gn. gnaden und gunst umb des jüngsten gerichts willen in aller undertenigkeit mein demütig anrufen und bitten (yedoch mit vorbehaltung aller gerichtshandlung und proceß, so ich gegen Bm., rate und gemeynde der stat Coln oberzelter ursachen halb an obgemeltem chamergericht furbracht hab, in alwege bis zu gutem ustrag meiner sachen unverhindert), das dieselbigen euer kftl. Gn. gnaden und gunst als beschirmer aller pillicheit und insonder witwen und weisen us adelicher, angeborner erbarkeit mit gn., wolgeneigtem herzen wollen ansehen meyn und myner /92b/ neun unschuldiger, vaterlos kinder groß, hart lyden, betrübnus, hindernus und verderplichen schaden und mir armen, betrübten, elenden, verlassen witwen christliche, ftl. hilf und bystand mitteilen und beweisen und mir also verhelfen, das ich nit lenger, wie bisher, myner güter so jemerlich beraubt, in schaden und elend plieb, sonder widerumb in aller massen dieselbigen myne güter, die [die] vielgemelte[n] von Coln von geweihten, gefreiheten und anderen orten genomen haben, mit erstattung costen, schaden und interesse zu mynen sichern handen gestaelt werden und derselbigen genomen und andere mynen gütern nach myner notturft unverhindert geprauchen moge. Ob alsdan die von Coln einiche rechtmessig ursach oder forderung zu mir oder mynen gutern zu haben vermeinten und mich derselbigen nit erlassen wollten,[werde ich] inen (uf das euer kftl. Gn. gnaden und gunst mir, inmassen vor geschriben, zu verhelfen füge und die von Coln sich nit zu beclagen haben) an obgemelten chamergericht oder vor mynen gepürlichen, unpartielichen richter, da ich gesessen bin, alles rechten gutwillig gehorsam sein, wie ich mich dan alzeit einem yeden zu tun erpoten hab. Wo aber durch euer kftl. Gn. gnaden und gunst uf diesem reichstag mir zu mynen gütern, inmassen wie ich vor gebeten habe, nit verholfen mocht werden, des ich doch nit verhoff, so ruf und bitt ich wie vor, das euer kftl. Gn. gnaden und gunst röm. ksl. Mt. chamerrichter und beysitzer ernstlich tun bevelhen, das man zu allen acht tagen extra ordinarie in meynen sachen handeln und mir unverzogenlich recht widerfaren lassen. Das will umb euer kftl. Gn. gnaden und gunst ich arme, elende, betrübte, verlassene wittib mit /93a/ meinem innigen gebet gegen dem almechtigen Gott, der euer kftl. Gn. und gunst in glückseligem regiment gefristen woll, verdienen.

Anmerkungen

1
 Die Datierung ergibt sich aus Nr.907.
2
 Johann von Reide war in Köln Inhaber verschiedener wichtiger städtischer Ämter, auch mehrfach Gesandter zu Reichstagen, u. a. 1509 nach Worms und 1512 nach Trier. Vgl. Heil, Reichstagsakten 10, Nr.4; Seyboth, Reichstagsakten 11, Nr.1011, S. 1365; Deeters, Köln auf Reichs- und Hansetagen, S. 129. Wegen des Vorwurfs der Beteiligung am Kölner Aufstand 1513 wurde er hingerichtet. Nach seinem Tod verlegte seine Witwe Katharina ihren Wohnsitz nach Mainz und bemühte sich von dort aus hartnäckig um eine Rückgabe des vom Kölner Rat konfiszierten Familienbesitzes. Vgl. Ennen, Geschichte, S. 7f.
3
 Zur Klage Katharina von Reides vor dem Reichskammergericht vgl. Ennen, Geschichte, S. 8.