Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb
König Ferdinand hatte Ende Februar 1556 für den Vergleichstag im Markgrafenkrieg Graf Georg von Helfenstein181, Erbtruchsess Wilhelm d. J. von Waldburg182 und Georg Illsung183 als Kommissare benannt184 und ihnen später daneben noch vor der Eröffnung des Reichstags dortige Aufgaben wie die Bekanntgabe des Verhandlungsaufschubs am 10. 6. 1556185 übertragen. Da sich die Anreise Ferdinands weiterhin verzögerte und er den Reichstag deshalb von Herzog Albrecht von Bayern eröffnen ließ, beauftragte er seine bisherigen Vertreter beim Vergleichstag am 30. 6. 1556 auch für die Reichsversammlung, um dort während seiner Abwesenheit als Kommissare und zugleich als Repräsentanten des Hauses Österreich im Fürstenrat zu wirken. Die Delegation wurde dafür um Dr. Johann Ulrich Zasius186 auf vier Mitglieder erweitert187 und am 3. 7. 1556 instruiert188. Die zu diesem Zeitpunkt in Regensburg anwesenden Kommissare von Helfenstein und von Waldburg forderten in Anbetracht der baldigen Eröffnung die sofortige Anreise von Zasius für die Teilnahme am Fürstenrat und die dortige Protokollführung an, „dann wier zue solcher sachenn mit taugenlichen leuthen mit nichten versehenn, noch vil weniger fur unnsere personen darzue geschickt sein“189.
Was die Gesamtrepräsentanz betraf, empfahlen die Kommissare Ferdinand eine offizielle Aufteilung der Aufgabenfelder als Vertreter des Königs einerseits und als Repräsentanten Österreichs in den Kurien andererseits, um damit dem Vorwurf vorzubeugen, man würde sich mittels der Doppelfunktion „zwiefacher unnderschidlichen verrichtungen bey den Reichs tractäten“ unterstehen, um so die Absichten der Reichsstände in Erfahrung zu bringen190. Ferdinand bestätigte daraufhin seine zuvor zeitgleich mit der Empfehlung der Kommissare ergangene Weisung191 für die Aufgabenteilung nochmals: von Helfenstein und Illsung sollten mit Herzog Albrecht von Bayern das königliche Kommissariat übernehmen und daneben am Vergleichstag im Markgrafenkrieg mitwirken, während Zasius und von Waldburg Session und Stimme für das Haus Österreich im Reichsrat wahrzunehmen hatten. Die Kommissare sollten dies den Reichsständen bekannt geben, um den angesprochenen Verdacht auszuräumen, und Zasius und von Waldburg sich als Gesandte für das Haus Österreich bei der Mainzer Kanzlei anmelden192. Da sich die Anreise des Königs wegen des türkischen Vorstoßes in Ungarn und der Entwicklung in Siebenbürgen bis Dezember verzögerte193, wurde die Aufgabenteilung in dieser Form bis dahin beibehalten, sieht man vom vorübergehenden Abzug Illsungs vom Reichstag ab.
König Ferdinand brach zu seiner seit dem Frühjahr oftmals aufgeschobenen Reise zum Reichstag am 23. 11. 1556 in Wien auf. Die Anreisestationen nach der ersten Übernachtung in Tulln194 sind nicht überliefert, ebenso konnten keine anderweitigen Nachrichten über die Reichstagsfahrt bis zur Ankunft am 7. 12. aufgefunden werden. Währenddessen veranlasste seine Anreise weitere organisatorische Vorbereitungen in Regensburg. So ließen die Reichsfürsten, die ihr Kommen am König orientierten, die Quartiere für sich einnehmen und Stallungen für die mitgeführten Pferde bereitstellen195. Herzog Albrecht von Bayern sah sich in seiner Funktion als Prinzipalkommissar auch hier in besonderer Verantwortung. Er begab sich am 21. 11. 1556 von München nach Ingolstadt, forderte von dort aus Informationen zur Ankunft des Königs an196 und erschien am 28. 11. in Regensburg, wo man dessen Eintreffen bereits für 5. 12. erwartete197. Vielleicht aufgrund schlechter Wegverhältnisse198 verzögerte sich der Einzug des Königs und Erzherzog Karls jedoch bis zum Nachmittag des 7. 12. Beide wurden empfangen von Herzog Albrecht von Bayern, Erzbischof Michael von Salzburg, den Bischöfen Otto von Augsburg und Georg von Regensburg, Herzog Erich von Braunschweig, Markgraf Philibert von Baden und den Gesandten der übrigen Reichsstände199. Der König blieb sodann bis zum Abschluss des Reichstags in Regensburg. Er verließ die Stadt nach der Verlesung des Reichsabschieds am 16. 3. 1557 im 12 Uhr mittags200.
Als problematisch erweist sich die Beschreibung des Hofstaates Ferdinands beim Reichstag 1556/57, da kein spezielles Verzeichnis201 oder eine Auflistung des königlichen Gefolges aufgefunden werden konnte. Anhand der wenigen Hinweise in den Akten und Korrespondenzen, die sich auf die engsten Mitarbeiter des Königs beschränken, ist neben den genannten Kommissaren die Anwesenheit folgender Räte belegt: Mit Ferdinand202 kamen Hofvizekanzler Jakob Jonas203, Obersthofmarschall Johann Trautson204, der Geheime Rat Georg Gienger205 und Sekretär Leopold Kirchschlager206, dessen Mitwirkung zahlreiche von seiner Hand gefertigte Konzepte für königliche Resolutionen belegen. Seit 3. 1. 1557 hielt sich der ehemalige und zukünftige Reichsvizekanzler Georg Sigmund Seld im Dienst des Königs am Reichstag auf207. Er wurde von Ferdinand zu den Sitzungen des Geheimen Rates und des erweiterten Hofrates eingeladen208. Während der 1556/57 in den Geheimen Rat aufgestiegene Leonhard von Harrach209 nicht mit nach Regensburg kam, ist die Anwesenheit des böhmischen Kanzlers Joachim von Neuhaus210 gesichert.
Daneben berief Ferdinand für die Verwendung im königlichen Dienst, dessen Einzelheiten vor Ort erläutert werden sollten, nach Regensburg: Graf Haug von Montfort, Graf Ludwig von Stolberg, Konrad von Rechberg, Georg Spät, Hauptmann in Konstanz, Dr. Balthasar Stumpf211, Dr. Raban Eisenhut, Tiroler Kammerprokurator, und Sigmund von Hornstein, Landkomtur der Ballei Elsass und Burgund212. Das von Zasius als Versammlung der vom König verordneten „hofreichsräthe“, von Seld als ein ‚Rat für allgemeine Angelegenheiten‘213 bezeichnete Gremium wurde bis 3. 1. 1557 konstituiert. Ihm gehörten neben den Genannten Herzog Albrecht von Bayern als Präsident, Markgraf Philibert von Baden, Graf Georg von Helfenstein, Vizekanzler Jonas sowie die Räte „Dr. Lucretius“, also Johann Albrecht Widmannstetter214, Dr. Gerhard [von Ach], Dr. Kaspar von Niedbruck215 und später Seld an.
Von den Söhnen des Königs zog Erzherzog Karl zusammen mit ihm am 7. 12. 1556 in Regensburg ein. Am 14. 1. 1557 erschien Erzherzog Ferdinand, den Herzog Albrecht von Bayern zur Hochzeit seiner Schwester mit Markgraf Philibert von Baden eingeladen hatte216. Der Erzherzog nahm an einigen Verhandlungen teil, verließ den Reichstag aber bereits am 22. 1. 1557 und reiste nach Prag217.
Noch kürzer gestaltete sich der zweimalige Aufenthalt König Maximilians von Böhmen in Regensburg im Zusammenhang mit seiner Reise nach Brüssel zu Kaiser Karl V. im Sommer 1556218. Auf der Hinreise kam er in Begleitung seiner Frau und von Hofprediger Johann Sebastian Pfauser, „vir doctus et verus theologus“219, am Morgen des 14. 6. mit etwa 500 Pferden an und verließ die Stadt am 15. 6. um 6 Uhr früh220. Auf der Rückreise erreichte er Regensburg aus Ingolstadt kommend mit 20 Schiffen am Abend des 11. 9. und fuhr am nächsten Morgen um 5 Uhr wieder ab221. Er nutzte diesen kurzen Aufenthalt, um der niederösterreichischen Gesandtschaft in ihren religionspolitischen Anliegen seine Unterstützung bei König Ferdinand zuzusagen222. Eine längere Teilnahme am Reichstag scheiterte an den Differenzen mit Ferdinand I. um den Umfang der Bevollmächtigung Maximilians: Er hatte während der Reise nach Brüssel dem Wunsch seines Vaters entsprechend bei den rheinischen Kurfürsten für die Beförderung der Türkenhilfe gewirkt, wollte dies auf dem Reichstag aber nur fortsetzen, falls er „auch in dem articl, die religion belangende, bephelch erlangen“ möge. Da Ferdinand dies ablehnte, habe Maximilian „kurtz, rundt und nicht ohne ungedult gesagt, sie [kgl. W.] wolten es nicht thun. Dann vertrauete man ihrer kgl. W. nicht in der religion, so wolten sie auff dem reichstage alhier mit dem andern auch nichts zu schaffen habenn“223. Als Maximilian später doch nach Regensburg kommen wollte, verhinderte Ferdinand dies, indem er ihn, begründet mit der Abwesenheit seiner Person sowie der Erzherzöge Karl und Ferdinand, mit der Hofhaltung in Wien und mit Kommissionsaufträgen band, wohl um einem Engagement seines Sohnes für die CA-Stände beim Reichstag vorzubeugen224, wie es dessen konfessionelle Haltung und die engen Kontakte vermuten ließen, die er seit Sommer 1556 vor allem mit Herzog Christoph von Württemberg geknüpft hatte225. Maximilian brachte seine Enttäuschung darüber gegenüber Herzog Christoph ebenso zum Ausdruck wie die Beweggründe seines Vaters: Er habe seine Reichstagsteilnahme bei diesem nicht durchsetzen können. „Was awer die ursach ist, hat E. l. laichtlich awzunemen, wiewol ich verhoft hette, ich nit unnutz gewest sein; dan ander mit ier mt. nit so frai reden als ich thue; dan ich aines bösen beschaids wol gewant bin und las mich sollichn nit iern“226. Später wiederholte er: „[...] wan ich als guet pfafisch war als fillaicht andere, so hette mier ier mt. wol hinauferlaubt; sonst sich ich kain ursach, de ir mt. darzu bewegen kunt“227. Mit dem Einspruch Ferdinands gegen die Teilnahme scheiterte auch das von Maximilian namentlich bei Kurfürst August von Sachsen betriebene Projekt228, im Zusammenhang mit dem Reichstag und dem Rücktritt Kaiser Karls V. seine eigene römische Königswahl voranzubringen.