Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 12. Die Reichstage zu Worms 1513 und Mainz 1517 bearbeitet von Reinhard Seyboth
[1.] Ihre Ladung zum Reichstag aufgrund der aktuellen Unruhen im Reich; Warten auf das persönliche Erscheinen des Ks.; Beratungen mit den ksl. Kommissaren; [2.] Mängel im Rechtswesen und bei der Friedenswahrung als Ursachen der gegenwärtigen Probleme; die Rechtsmängel im einzelnen; [2a.] Qualitative Defizite beim Personal des Reichskammergerichts; [2b.] Probleme bei der Rechtsprechung durch Infragestellung von Bestimmungen der Reichskammergerichtsordnung und ihrer Ergänzungen; [2c.] Beeinträchtigung der Parteien und Verfahren durch Gebotsbriefe und Mandate; [2d.] Beschwerden über ungerechtfertigte Anklagen vor ausländischen Gerichten; [2e.] Eingriffe in die freie Rechtsprechung des Reichskammergerichts durch Gebote; [2f.] Unangemessen langsame Arbeitsweise des Reichskammergerichts; [2g.] Mangelhafter Urteilsvollzug; [2h.] Gezielte Vereitelung der Exekution von Urteilen; [2i.] Behinderung wichtiger Verfahren durch geringwertige Appellationen; [2j.] Missbräuchlicher Gebrauch des Klagerechts armer Kläger; [2k.] Unregelmäßigkeiten bei Fiskalsachen; [2l.] Ungleichmäßige Heranziehung der Reichsstände zu Unterhaltszahlungen für das Gericht; [2m.] Verbleib des Reichskammergerichts an konfliktbehafteten Tagungsorten; [2n.] Allgemeiner Ansehensverlust des Gerichts aufgrund der vorhandenen Mängel; [2o.] Defizite bei der Ämterbesetzung und der Ahndung von Straftaten als Ursachen für den Ungehorsam der Untertanen; [2p.] Wünschenswerte Regulierung der Rechtsprechung an anderen Gerichten; [2q.] Geringe Wirkung der Reichsacht und Aberacht; [2r.] Wunsch nach Wiederaufgreifen der ordnungspolizeilichen Initiativen früherer Reichstage; [2s.] Negative Folgen des Vermögenstransfers ins Ausland; [2t.] Notwendige Maßnahmen gegen heimkehrende Kriegsknechte; [3.] Vielfältige negative Folgen der aufgezeigten Mängel für Ks. und Reich; [4.] Vorhandene Machtmittel des Ks. zur Verbesserung der Situation; [5.] Appell an den Ks. zu raschem Eingreifen; [6.] Bei Nichtteilnahme des Ks. am Mainzer Reichstag Bitte um Entsendung von Räten; Bereitschaft der Reichsstände zur Kooperation.
Kop.: A) Nürnberg, StA, Ft. Ansbach, RTA Nr. 9, fol. 344a–351b; B) Weimar, HStA, EGA, Reg. E Nr. 63, fol. 65b–73a (Überschrift: Auf freitag nach St. Jacobs zwelfboten tag Ao. etc. 17 [31.7.12]); C) Dresden, HStA, Geheimer Rat (Geheimes Archiv), Loc. 10181/7, fol. 76a–84a (Überschrift wie in B); D) München, HStA, Kasten blau 103/2c/1, fol. 144a–154a; E) Würzburg, StA, Würzburger RTA 6, fol. 215a–225b (Überschrift: Uf donnerstag nach St. Jacobstage [30.7.17] gelesen und ksl. Mt. zugeschickt); F) Ebd., Würzburger RTA 7, fol. 3a–11b (Überschrift von anderer Hand: Der reichsstende anligen und beswerung, in etzlich articul gestellt, der ksl. Mt. vom reichsdag zu Meinz Ao. etc. 1517 zugeschickt, alhie zu Augspurg [1518] wider furhand gnomen); München, HStA., Kasten blau 103/4c, fol. 2a–10b; Köln, Historisches A., Best. 50A 45, fol. 79a–87b (Überschrift: Pronuntiatum auf mittwuch post vincula Petri [5.8.17] und ist die veranderung der schrift des usschuß [Nr. 765/I]); Nordhausen, StadtA, R Ac 01, fol. 136a–144a (Überschrift: Ist diß nachvolgend durch Kff., Ff. und ander stende beratslagt, uberkomen und beslossen, auch röm. ksl. Mt. also zugeschickt worden mitwochs St. Oswaltstag [5.8.17).
Druck: Harpprecht, Staatsarchiv, Nr. 237.
Inhaltsangabe: Ulmann, Kaiser Maximilian I., S. 654f.
[1.] /
[2.] Dieweil wir nu us allerhant anzeig und handlung, das sich solich euer ksl. Mt. ankunft verweilt oder us zufallenden irer Mt. merglichene gescheften ganz verhindert werden mocht, vermerkt, so haben wir als diejenen, die euer ksl. Mt., des hl. röm. Reichs ufnemen und wolfart gern sehen und zu betrachten schuldig sein, fur unserm abscheiden, was den dingen und zuwachsenden, itzt in teutscher nacion schwebenden schweren entporungen, leuften und unruigen hendeln ursach und beweglicheit geben, unsers hochsten verstants nachdenkens zu haben, nit konnen oderf wollen underlassen. Und als wir dasselb zug handen genomen, mit ernst und hohen vleiß, wie sich solichs wol gepürt, bewegen, nit anderst finden noch ermessen mögen, dan das dieselbig vhede, widerwertigkeit, feintschaft, ingrieff, blackerey, hecken- und ungepürlich reuterey, entporung der armen undertanen und andere beschwerlicheit,[die] etwa lang gewert und dieser zeit noch allenthalben im hl. röm. Reich gescheen, aus keinem andern dan zweien oder dreyen gründen oder wurzeln ursprünglich herfliessen und h–sich breiten–h sein, nemlich mangel des rechtens, einigkeit /
[2a.]j k–Zum ersten, so ist euer ksl. Mt. und des hl. Reichs camergericht, als uns angelangt, mit personen, heuptern und geliedern nit so statlich, als desselben gerichts, des Reichs, der sachen und parteyen notturft erheischt, besetzt noch versehen, etlich /
[2b.] Am andern, so wirdet der ordnung, derselbigen erclerung und anderung der ends nit nachkomen noch gelebt, sonder durcheinandergezogen, ytzt eins, dan das ander mit langwirigen, verdrieslichen reden und disputation widerfochten. Derhalb die sachen und parteien aufgehalten werden, also das sy zu keinem ende komen mögen, besonderlich numehr, so sich die hendel teglich heufen.
[2c.] Zum dritten, so werdenl, als wir bericht und aus etlichen supplicacion[en], auch sunst vermerkt, die parteien m–und sachen durch gepotsbrief oder mandata by hohen,–m schweren, inverleibten penen uf unbestendig furbringenn und ungestüme anhalten, also zu vermuten p–ist, ausbracht, auch underweilen durch andere stende und person eigens furnemens und mit gewalt–p abgewiesen und vom rechten gedrungenq.
[2d.] Zum vierden beclagen sich eins teils in die andern usserhalb lands by frembden nacion, auch dem stul zu Rome, das sie onecitirt, unverhort, auch one einiche furforderungr condempnirt, geecht und sunst zum hochsten beschwert werden.
[2e.] /
[2f.] Zum sechsten, so befinden wir, das an s–oft gedachtem–s euer ksl. Mt. und des hl. Reichs camergericht uber die maß langsam furgangen und also verzuglich gehandelt wirdet, das ye bis in das drit oder viert jar die ordenung im procedirn komt eins umbgeet oder den procurator betreffen ist. Was grossen ufhalts das in alten sachen tut geberen, haben euer ksl. Mt. und meniglich zu ermessen.
[2g.] Zum siebend, so sein etwa vil, die urteil und recht behalten, auch mit schwerem costen und darlegen executorial und andere nottürftig brief erlangt, die sich beclagen, das inen weiter nit verholfen, auch kein execucion by hohen und nidern stenden, die sie derhalb gesuchtu, bekomen mögen.
[2h.] Zum achten, so erwegtv sich in mer wan in einer sach, das die erlangt urteil, auch executorial und andere brief durch gescheft und in andere weg, auch by der weiln durch nider person gewertw und nidergelegt werden, das zu verachtung euer ksl. Mt., des gerichts und teutscher nacion reicht.
[2i.] /
[2j.] Zum zehenden, so wirt ein iglicher, der armut schwert oder behalten mag, der ends, wie pillich, recht, auch loblich ist, gehort, aber oftermals in posen hendeln, die allein zu der andern umbdreiben furgenomen werde. Die, so sich dasselb erfindet, hinlaufen und ungestraft pleiben by der weiln, ob sie wol glübt und eide vergessen. Das zu bosem ebenbild [= Vorbild] reichen und andere bewegen tut.
[2k.] Zum eylften, so fallen in den fiscalischen sachen mancherhandz misbrauch zu, in dem, das sie nit nach irer art und ordenung geübt werden, auch schwer zu horn, das richter und bysitzer g[e]niesser [= Nutznießer] und selbst urteiler sein. Wer gut, verdacht zu verhüten, solchs zu versehen.
[2l.] /
[2m.] Zum dreizehenden, so ist dasselbig euer ksl. Mt. camergericht uber die hohen bedenken und abschied, zu Costenz, Trier, Colen und ander reichstege gemacht, an orten, die selbst vil hendel am gericht und sunst unvertragen haben, plieben und noch zu beschwerd und nachteil der parteien und sachen, auch des gerichts und derselbigen personen vercleinerung.
[2n.] Zum vierzehenden, das us den und andern ursachen, so allenthalben im hl. röm. Reich und weiter erschollen, das solichs euer ksl. Mt. camergericht also vercleinet und in verachtung fürt, das vil hoher und nider stende person[en], der end zu rechtfertigung zu wachsen oder sich einzulassen, scheue und beschwert tragenaa, auch derenhalb neben- und andere unwegeab erdenken, suchen und furnemen, auch die hendel irs gefallens understeen uszuuben. Das alles unsers ermessens sunst nit bald were, sonder vermiten pliebe.
[2o.] /
[2p.] Zum sechzehenden, so machen und erwecken unsers ermessens die gerichtzweng, geistlich und weltlich, auch westvalische, rotweilsche und andere irer gleichen gericht, die mißbraucht und nit, wie sich gepürt oder sein solt, geübt werden, nit die cleinest widerwertigkeit, zenk und irrung allenthalben im hl. röm. Reich und teutscher nacion, und were gut, das ir yedes nach seiner art gehalten oder denen ein erber, leidlich ordnung oder maß, solichs zu verhüten, geben würde.
[2q.] Zum siebenzehenden, das die allerhochste straf und peen, so euer ksl. Mt. und das hl. Reich und weltlich oberkeit gehapt und noch, das ist acht und aberacht, by vilen, so die gleich ordenlich und wie sich gepürt erlangt, wenig /
[2r.] Zum achtzehenden, so ist unsers behalts der uberschwenklichen costlicheit mit cleidung, zerung und ubermessigem zutrinken, auch rüstung hochzeiten und anders niders und hohen stands ubertreten, furnemlich der gewerbenden geselschaft, auch spils und zuvoran gotslesterung halben, so zu gehaltnen reichstegen oftermals bedacht und derhalb ordnung furgenomen, aber nit volnzogen, wenig angesehen, geacht oder gehalten worden. Were gut, wider bedacht und, ob sie in ycht beschwerlich, denen nochmals milterung und maß gegeben und gehaltenae würde.
[2s.] Zum neunzehenden, so wirdet der und anderer ursachen halber gelt und gut, auch, also zu reden, alle richtumb in ander frembde lant und nacion, auch gein Roma mit neuem furnemen und beschwerlicheit aus teutscher nacion gefürt. Dadurch alle glider und stende, dieweil die armen undertanen nit vil haben noch vermögen, vercleinet, ernidert und zu noch mer beschwerlicheit gesetzt.
[2t.] /
[3.] Us welichem ersten stücks gehorter mengel und andern, die uns itzo villeicht nit zu gedechtnus kommen, und das der ufgericht landfriden neben denselben ubel gehandhabt, auch den vheden, veintschaften, ingriffen, plackereyen, hecken- und ungepürlichen reitereien und entpörungen der armen undertanen zugesehen oder zum wenigsten nit so statlich und wie die notturft hat tunaf erheischen, gestraft noch die teter, auch ire anhenger verjagt werden; das zweite und drite, das sein widerwil und unfride vast entsprungen und gevolgt, auch also und dermassen ingewurzelt und sich erpreitet, das die strassen zu wasser und zu /
[4.] Nuak setzen wir in keinen zweivel, wo des obgedachten ersten stücks mengel ir geschickte, nottürftige wege bedacht, funden und bewilligt, als unsers achtens, wo euer ksl. Mt. wollen und es mit rat furnemen, leichtlich zu geschen sey, so würden der itz schwebenden irrung und zufell vil getrückt und hingenomen, die andern, die widerwertigkeit und unfriden belangendal, der merer teil dergleichen fallen und die uberigen durch underhandlung und geschicklicheit abgewant und hingelegt, den künftigen auch begegent und gute fursehung furgenomen würde. Wolt darüber aber einer oder mer, were der wer, mutwill[ig]en ingriff tun, rauben, plackerey treiben, hecken- oder ander ungepürlich dienst und reiterey pflegen, gewalt, empörung oder andere unredlich sachen furnemen, brauchen oder uben, so sein euer ksl. Mt. in solichem ansehen /
[5.] Darumb wir gemeint, woaq ksl. Mt. uf diesem reichstag erschienen, derhalb undertenig rede und handlung mit euer ksl. Mt. zu haben, auch, gepürlich erinnerung zu tun, willens gewest. Dieweil aber euer ksl. Mt. us zufallenden gescheften ussenplieben und dan solichs in unser, der stende, one derselbigen personlich bysein, verordnet rete oder sondern bevelhe macht und tun nit ist, so haben wir aus erzelten ursachen, wiewol wir, die Kff. /
[6.] Und were unser gutbedünken, getreuer rat und undertenig bit uf euer ksl. Mt. verbesserung, wo dieselb ye us ehaften gescheften zu diesem tag sich nit fügenat, dasau euer ksl. Mt. etlich ire rete alhier verordnetav, von solichen sachen und beschwerdenaw obligenden handeln zu lassenax. So wollten wir denselben statlich zuordnen, diesay bevelhe, mit inen, wes euer ksl. Mt., dem hl. röm. Reich und teutscher nacion zu ufnemung, ehr und wolfart, auch zu undertruckung und usruttung itzgemelter az–der undertanen–az emporung reichen und dienen möchte, ba–zu bedenken und beratschlagen und helfen–ba zu handeln, der hoffnung, solich beschwerlich obligend sollen mit hilf des Almechtigen, euer ksl. Mt. zeitigembb rate und furbedrachtung der pillicheit hingelegt und vertragen, auch versehen und den künftigen weg und maß, dadurch /