Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 12. Die Reichstage zu Worms 1513 und Mainz 1517 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Klage EB Albrechts von Mainz und der Wetterauer Gff. gegen den hessischen Weinzoll; [2.] Dessen Erhebung auch in den Hoheitsbereichen des EB und der Gff.; [3.] Widerrechtliche Durchsetzung des Zolls; [4.] Beschwerde der Betroffenen beim Ks.; [5.] Erlass und Bekanntgabe einer ksl. Deklaration zum Weinzoll; [6.] Behandlung der Streitsache auf dem Trierer Reichstag; [7.] Sequestrierung des Zolls auf dem Kölner Reichstag; Einberufung eines Anhörungstages in Frankfurt a. M. durch den Ks.; Fernbleiben der hessischen Partei; [8.] Aufhebung des Zolls an den strittigen Orten durch zwei ksl. Mandate; [9.] Fortgesetzte Verstöße dagegen; [10.] Einberufung eines Schiedstages; Beharren der hessischen Seite auf nicht öffentlicher Verhandlung; [11.] Scheitern der Vermittlung an dieser Forderung; [12.] Vorschlag EB Albrechts und der Wetterauer Gff. zu einer Behandlung der Streitsache auf dem Mainzer Reichstag; [13.] Ersuchen des EB und der Gff. um Anerkennung ihres Rechts auf Wahrung ihrer Ansprüche im Zollstreit; [14.] Zwei Vorschläge der Reichsstände zur Streitbeilegung.

Wien, HHStA, MEA, RTA 3b Bd. Reichshandlung zu Mainz Ao.1517, fol. 52a–57b, Kop.

[1.] /52a/ Uf mantag nach divisionis apostolorum Ao. 1517 [20.7.17] seind der hochwirdigst, durchleuchtigst, hochgeborn F., mein gnst. H. [EB Albrecht] von Menz und Magdeburg, Kf. etc., und die Gff., in und umb die Wederau gesessen, vor Kff., Ff. und andern stenden des Reichs erschienen und haben gegen und wider die hochgeborne F.in fraue Anna, Hg.in zu Meckelburg und Landgf.in zu Hessen, und ir zugeordnet rete des neuen ufgerichten wynzolles halber clagend furbracht1, gebeten und sich erpoten, wie in hernachgeschribner schrift:

[2.] Erstlich, wie das kurzverschiener jar wylant der hochgeborn F., H. Wilhelm, Landgf. zu Hessen der mitler gnant, loblicher gedechtnus, in zeit seins lebens ein neuen wynzoll ufgericht2, nemlich, von yeder fuder wyns, solichen zoll antreffend, ein fl. rh. zu geben, gefordert und denselbigen neuen zoll gelegt hab nicht allein in seinem Ft. Hessen, sonder in des stifts Menz ftl. recht, oberkeit, alt zolle, zolbenne, gleide und /52b/ gleidstrassen, desglychen an enden und orten, da die Gff. auch regalien, oberkeit, gleid, gleidstrassen, gemeinschaften und von alter her zoll haben.

[3.] Und in ufrichtung solichs vermeinten zolls seien etlich alt, gewonlich strassen durch die Landgrevischen nidergelegt, vergraben und die furleut von denselben alten landstrassen mit umbwegen an die neu gelegte zollstet gewaltiglich gedrungen, darzu der vermeint gulden zoll von geistlichen und weltlich[en] abgenomen worden, nit allein vom wein, sonder etwen von ungekelterten trauben und auch von der stift und des adels eigen gewechsen, alles wider gemein recht und nutzen, darzu wider des stifts Menz und der Gff. regalien, privilegien, herekommend gerechtigkeit, oberkait und alte fryheit, und hab sich bemelter Landgf. Wilhelm berombt, als ob er, des zu tun, von ksl. Mt. ein begnadigung und vergonnung haben solt.

[4.] Nachdem aber solich berurt ksl. begnadigung meim gnst. H. [EB Uriel]von Menz und den Gff. noch /53a/ den iren nit geoffenbart worden, verkündt, angezeigt, zu sehen oder zu horen zukommen sey, so haben Menz und die Gff. solich obgemelt gewaltsam furnemens als ein beschwerlich neuerung ermessen und daruf die röm. ksl. Mt., unsern allergnst. H., underteniglich ersucht und biten lassen, irer Mt. willen und gemüt zu erkleren, wie und welicher gestalt dem Landgf. solich berumbt begnadigung verliehen were.

[5.] Daruf hab ksl. Mt. in betrachtung gemeiner recht und obangezeigts der Landgrevischen unpillichen furnemen irer Mt. willen und gemüte erklert und dem berurten zoll zil und maß gesetzt, wie fere sich der erstrecken und an welchen enden und orten er gegeben und genomen werden soll und moge inhalt derselben ksl. declaracion, daruber ausgangen, mit A gezeichnet3, also lautend etc.: Wir Maximilian etc. Solich verlesne declaracion sy im funfzehenhundert und eilften jar nehstvergangen nach absterben Landgf. Wilhelms allen Hgg. von Sachsen als rechten vormunden Landgf. Philipps und ire ydes ftl. hofhaltung, darzu landhofmeister und regenten /53b/ derzeit des Ft. Hessen zu Cassel durch ein geschwornen camerboten offentlich verkündt und an ydem ort copyen davon gelassen worden.

[6.] Darnach im zwolften jar der mindern zal nechstverschinen sy von wegen der Hgg. von Sachsen, darzu landhofmeister und regenten des Ft. Hessen by ksl. Mt. erlangt, das ir Mt. diese sachen bis uf den reichstag gein Trier, der obgemelts jars gehalten ist, geschoben hat laut einer copien, mit B gezeichnet.4

[7.] Und nachdem uf den itzgemelten tag zu Trier der sachen halber nichts verfenglichs gehandelt, so sy diese sach furter uf den reichstag gein Collen geschoben, und daselbs hab ksl. Mt. den vermeinten zoll aus redlichen ursachen an den irrigen zollstetten sequestrirt5 und ein erbarn rate zu Frankfurt, den inzunemen, auch die heubtsach wylant H. Johann Adelmann, teutschenmeister, mitsampt etlichen andern darzu verordneten reten bis zu entlichem beschluß zu verhoren bevolhen.6 Daruf die itzgemelte ksl. commissarien ein tag gein /54a/ Frankfurt angesetzt. Uf welchem tag mein gnst. H. von Menz etc. und die Gff. vor denselben comissarien gehorsamlich erschienen, aber die vormünder und verwalter des Ft. Hessen ungehorsamlich aussenplyben syn.

[8.] Daraus gevolgt, das ksl. Mt. aus röm. ksl. machtvolnkommenheit, eigner bewegnus und rechter wissen den vermeinten zoll an den spennigen orten, usserhalb des lands und Ft. Hessen gelegen, genzlich ufgehebt, cassirt und abgetan hat inhalt irer Mt. mandats, derhalb ausgangen, mit C gezeichnet, also lautend etc. [Text fehlt].

Und zu becreftigung aller itz verlesen ksl. Mt. ausgangen declaracion, mandaten und ufhebung hab ir Mt. im nehstvergangem jar aus beweglichen ursachen abermals ein mandat lassen ausgeen, mit D gezeichnet, also lautend etc. [Text fehlt].

[9.] Aber unangesehen des und aller obangezeigten ksl. mandaten haben die Landgrevischen mit eigner tat /54b/ und gewalt den berurten vermeinten neuen zoll in des stifts Menz und der Gff. oberkeyt, herlicheit und gemeinschaft und ausserhalb des lands zu Hessen furo und furo ingenommen, die armen leut, den zu geben, genotigt und getrungen, alles zu verachtung ksl. Mt. und obangezeigter irer Mt. gegebnen declaracion und mandaten, auch zu merglichem nachteil, schaden und verletzigung des stifts Menz, der Gff. und irer undertanen an iren privilegien, fryheiten, rechten und herekommen. Derhalb mein gnst. H. von Menz und die Gff. gnugsam recht, fug und ursach gehabt, sich by ksl. Mt. ausgangen declaracion und mandaten und irem rechten selbs zu handhaben. Aber aus uberflüssigen glimpf ist solchs gegen Landgf. Philipsen als einem jungen, unmundigen F. bishere underlassen plieben und nichts anders dann gutlich wege und handlung gesucht.

[10.] Und nach vilfeltiger gehaltener handlung haben bede partyen uns gutlichen furkommens gewilligt fur den durchleuchtigen, hochgebornen F., H. Casimirn, Mgf. zu Brandenburg etc., also das sein ftl. Gn. itzo uf diesem reichstage ein /55a/ tag zwischen beiden partien bescheiden und sein treffentlichen rete [Wolfgang von Bibra und Karl von Heßberg] zur sachen verordnet. Als aber Menz und die Gff. zu solichem tag erschienen und hoffnung gehabt, die sach solt in bywesen der geschickten von Kff. und stenden offentlich furbracht und eins yden teils glimpf und unglimpf gehort syn worden, haben anfenglich der Landgf.in geschickten rete [Johann Feige und Peter von Treisbach] nit zulassen oder lyden wollen, das dieser handel offentlich oder in bywesen der geschickten rete von stenden gehort oder das die handlung ufgeschriben und dasselbig ufschryben den partyen mitgeteilt werde, sonder seind stracks daruf bestanden, wo diese sach nit in abwesen yder partyen furbracht wolt werden, so kunt oder wolt ir gn. fraue von Hessen mitnichts in einich handlung willigen.

[11.] Dieweil nun dye bescheen tagsatzung one gedinge fry ausgangen und keinem teil sein bystand, derglychen die offentlich verhore verboten oder abgeschniten gewest, so haben Menz und die Gff. den itzgehorten der Landgrevischen auszug nicht anders verstanden oder versteen konnen, dann das sie des /55b/ scheuen tragen, das ir unpillich, ungegründt, unrecht furnemens an tag und zu verhore kommen solt etc. Und nachdem dann diese sach und irrung nicht gering ist, hat man nicht zulassen mogen, das die im sagk und heimlich verhandelt werden solt. Und allein aus itz erzelten ursachen hat sich diese handlung dieß gutlichen tags zurschlagen.

[12.] Daruf ist den marggravischen reten und verhorern der sachen angezeigt, das Menz und die Gff. ire beschwerunge und clage des berurten zolls halber fur Kff., Ff. und gemein stenden dieser versamlung furtragen, auch gestalt und herekommen dieser sachen mit der lenge erzelen und anzeigen wollen, mit bit, das sie, die marggravischen rete, myner gn. frauen, der Landgf.in, und iren zugeordneten reten solichs verkunden und vergewissen, ob sy wollten dabysyn und ir antwort zugegen tun; das mochten Menz und die Gff. lyden. Das ist durch die marggravischen rete den landgrevischen geschickten reten am nechstvergangen /56a/ frytag [17.7.12] also angesagt worden, uf das sie irer gn. frauen von Hessen, die dann uf ein kleine meil wegs von der stat Menz, nemlich im schloß Rüselsheim, gelegen, solichs furter verkunden mochten.

[13.] Dieweil nun aus dem allem verstanden wird, das mein gn. fraue und die verordneten rete des Ft. Hessen verhorung der sachen unpillicherweise abschlagen und im furnemen und willen sein, solichen vermeinten zoll wider gegeben ksl. declaracion und daruf gevolgte mandata, auch gemeine recht und alle pillicheit eigens gewalts zu heben und sich daby also gewaltiglich selbs zu handhaben, ksl. Mt. und irer Mt. gegeben declaracion und mandaten zu verechtlicher ungehorsame, auch zu nachteyl, schaden und beschwerung Menz, der Gff., irer undertanen und gemeins nutzes, so ist meins gnst. H. von Menz und der Gff. fruntlich, undertenig, gutlich bit und beger, das die stende gestalt dieser sachen und das offentlich unrecht und gewalt des widerteils /56b/ gnediglich und gunstiglich betrachten und zu herzen fueren, und ob dieser handel anderer gestalt an sie semptlich oder sonderlich gelangt hett oder langen wurde, demselbigen nicht, sonder diesem bescheen furtrag glauben geben wollen, und wo mein gnst. H. und die Gff. zu hanthabung ksl. Mt. declaracion und ausgangen mandaten, auch ir selbs oberkeit, herlicheit und rechtens dagegen trachten würden, das sie aus erzelten ursachen merglichen darzu genotrengt und verursacht syen etc.

Und das die stende des hl. Reichs solich obangezeigte ksl. Mt. ausgangen declaracion und mandaten selbs hanthaben und volnstrecken wollen in betrachtung, was ungehorsams, nachteils und beschwerung ksl. Mt. und im hl. Reich daraus volgen mocht, das ein solicher offentlicher gewalt und verachtung wider ksl. Mt. gemüt und willen, darzu des hl. Reichs ufgerichten landfriden, gemein recht und alle pillicheit solt geliten und gestattet werden etc.

/57a/ Ob man sich umb merer glimpfs willen gegen den stenden uf diesem tag oder andern zu verhorung erbieten soll, und so dasselbig erbieten fur gut angesehen wirdet, das es daruf gestelt würde, soferr der gegenteil den ksl. declaracion und mandaten, als pillich ist, gehorsame bewise, alsdann, ob sie des zolls an den irrigen zollstetten vermeinten gerechtigkeit zu haben, wollen Menz und die Gff. inen furkommen.

[14.] Daruf haben die stende des Reichs nach gehabtem bedacht anfenglich die clage in der summa durch Dr. [Heinrich] Deunchin [= Dungin], trierischen canzler, repetiren und darnach dieser nachvolgender maynung antwort geben lassen: Sie hetten die irrung, zwischen inen und meiner gn. frauen, der Landgf.in zu Hessen, und iren zugeordneten reten schwebend, vernommen und das nit gern gehort, wollten, es were nit, und wo sie etwas guts dazwischen handeln mochten, solt an inen kein mangel syn.

Und hetten uf zwene wege gedacht, zu hinlegung solicher /57b/ zwitracht dienend: Der erst, nochdem dye Landgf.in itzo in der nehe were, wollten sie, wo es mein[em] gnst. H. und den Gff. gefallen, ire, der Landgf.in, und iren reten schryben und den handel zu solicher schrift etwas anziehen und daruf biten, inen herin verhore und handlung zu vergonnen. Wolten sie sich keiner mühe bevilhen lassen, sonder allen moglichen vleiß furwenden, solich gebrechen uf zimlich, leidlich wege zu bringen, damit weiter ufrur und unrate, so daraus erwachsen mocht, furkommen werde, oder, wo mein[em] gnst. H. und den Gff. solichs nit gefallen, so were ir bit, das solich furbringen in ein zimlich schrift gestalt werde. Die wollten sie furter ksl. Mt. zusenden und daby schryben und ufs undertenigst bitten, das sein ksl. Mt. gnediglich darinsehen und handeln wolt, damit solich irrunge zimlicher und lydlicher wege hingelegt und vertragen, damit ferrer emporung im Reich, so versehenlich darus, wo dem mit zeitlichem vorrate nit begegnet, erwachsen, furkommen wurde. Welcher under den zweien eins meinem gnst. H. und den Gff. gefallen, wolten sie allen moglichen vleiß furwenden und sich nichts bevilhen etc. lassen.

Anmerkungen

1
 Über den strittigen hessischen Güldenweinzoll wurde bereits auf den Reichstagen in Augsburg 1510, Trier 1512 und Worms 1513 verhandelt. Vgl. Seyboth, Reichstagsakten 11, Abschnitte I.4.7.10. und IV.5.3. sowie Abschnitt I.3.1 in diesem Band. Zu den Mainzer Verhandlungen über den Güldenweinzoll vgl. die knappen Angaben bei Kulenkampff, Einungen, S. 79.
2
 Urkunde Kg. Maximilians, Köln, 24. Juni 1505. Regest: Heil, Reichstagsakten 8, Nr. 517.
3
 Ksl. Deklaration zum hessischen Güldenweinprivileg zugunsten der Gff. in der Wetterau, Augsburg, 11. März 1510. Seyboth, Reichstagsakten 11, Nr.259.
4
 Ksl. Erklärung zum Streit um das hessische Güldenweinprivileg, Neustadt a. d. Aisch, 17. Februar 1512. Ebd., Nr.1202.
5
 Ksl. Mandat an das hessische Regiment, Trier, 30. April 1512. Ebd., Nr.1204.
6
 Ksl. Mandat an Frankfurt a. M., Köln, 4. Oktober 1512. Ebd., Nr.1210.