Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 12. Die Reichstage zu Worms 1513 und Mainz 1517 bearbeitet von Reinhard Seyboth
Die Ende 1514 begonnene Fehde Franz von Sickingens gegen die Reichsstadt Worms stellte das Reich auf Jahre hinaus vor eine große Belastungsprobe. Sie machte deutlich, dass dem über erhebliche Ressourcen verfügenden, durch viele adelige Standesgenossen unterstützten und auch von fürstlicher Seite gedeckten Sickingen mit den im Reichslandfrieden von 1495 vorgesehenen Mitteln nicht beizukommen war. Nach dem Eintreffen von Sickingens Fehdebrief in Worms verhängte der Kaiser am 16. April 1515 die Reichsacht gegen ihn und erneuerte sie einige Wochen später, doch blieb dieses Vorgehen gänzlich wirkungslos. Maximilian griff deshalb zu einem Exekutionsinstrument, das zwar bereits der Augsburger Reichsabschied des Jahres 1500 zur Ahndung von Friedbrüchen eingeplant hatte, das aber seither noch nie konkret eingesetzt worden war: die Reichskreise. Durch Beschluss des Reichstags von 1512 waren die in Augsburg 1500 geschaffenen sechs Kreise um weitere vier ergänzt worden. Maximilian hielt es allerdings für ausreichend, zunächst nur den von dem Fehdegeschehen am unmittelbarsten betroffenen Oberrheinischen Kreis gegen Franz von Sickingen aufzubieten. Hierzu berief er die Kreisstände für den 8. Juli zu einer Zusammenkunft nach Landau in der Pfalz ein (Nr. 526) und ersuchte sie um Mithilfe bei der Bestrafung des Friedbrechers. Diesem selbst sprach er aufgrund seiner Taten die adlige Qualität ab, indem er ihn ab sofort in allen öffentlichen Verlautbarungen stets nur als „Franz, der sich nennt von Sickingen“ bezeichnete. Die allererste Kreisversammlung seit Schaffung der Reichskreise zeigte hingegen wenig Neigung, auf sich allein gestellt dem in der Region bestens vernetzten und auch in Landau von vielen Verwandten und Freunden nachdrücklich unterstützten Sickingen energisch entgegenzutreten. Sie empfahl vielmehr dem Kaiser, alle zehn Kreise zur Hilfeleistung aufzurufen (Nr. 527). Es sollte über ein Jahr dauern, bevor Maximilian dieser Aufforderung nachkam und so die Sanktionen gegen Sickingen auf eine wesentlich breitere Basis stellte.
Im Rahmen dieses Komplexes sind auch einige im vorliegenden Reichstagsaktenband enthaltene, bislang gänzlich unbekannte Belege für Sickingens Tätigkeit vor Beginn seiner Fehde gegen Worms von Interesse. Sie zeigen, dass er zu den vom Kölner Reichstag 1512 berufenen acht ständischen Reichsräten gehörte, deren Aufgabe laut Reichsabschied darin bestand, die Reichshilfe für den Geldernkrieg einzusammeln, bei der Beilegung der zahlreichen an den Kaiser herangetragenen Streitfälle mitzuwirken und ihn bei etwaigen Vertragsabschlüssen mit auswärtigen Mächten zu beraten.1 Dafür erhielt Sickingen Ende März 1513 zusammen mit einigen anderen Personen eine abschlagsweise Soldzahlung (Nr. 210; vgl. auch Nr. 219 [2.]). Außerdem beteiligte er sich auf dem Wormser Reichstag 1513 zusammen mit kaiserlichen und reichsständischen Räten an den Schiedsverhandlungen in der hessischen Streitsache (Nr. 156 [1.]). Angesichts der durchaus herausgehobenen und vor allem seriösen Ämter und Tätigkeiten, die Franz von Sickingen in den Jahren 1512 und 1513 ausübte, erscheint sein späterer Wandel zum berüchtigten Raubunternehmer umso bemerkenswerter.