Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XI. Band. Der Reichstag zu Regensburg 1541 bearbeitet von Albrecht P. Luttenberger, für den Druck vorbereitet von Christiane Neerfeld

Hannover NLA, Hild. 1 Nr. 783, fol. 197v–202v (Kop.); ÜS fol. 197v: Copey der supplication und berichts H. Valentins Bf. zu Hildeshem wider ein angezognen schutz Hg. Heinrichs uber die stat Hildesheim, ksl. Mt. ubergeben, auch entschuldigung des kayserlichen herolden.

Hat die ihm zugeleitete, an den Kaiser gerichtete Supplikation Hg. Heinrichs von Braunschweig samt dem beigefügten Brief der Stadt Hildesheim, der Klaus Berner und andere Gefangene betrifft 2, zur Kenntnis genommen und festgestellt, dass sich Hg. Heinrich als ein berüembter schutzverwandter meiner und meyns stiefts stat Hildeshem ausgibt. Bestreitet nachdrücklich die Behauptung Hg. Heinrichs, dass Hochstift und Stadt Hildesheim seinem Schutz unterstünden. Hg. Heinrich kann diesen Anspruch auch nicht als Vormund des jungen Hg. Erich von Braunschweig geltend machen, weil er, Valentin, dessen Anspruch auf Schutzrechte bestreitet, außerdem auch weil Hg. Heinrichs Kompetenz als Vormund von den anderen Vormündern in Frage gestellt wird. Es handelt sich vielmehr um eine lauthere, scheinbarliche zunöttigung Hg. Heinrichs. Erinnert an die Bestimmung des Augsburger Reichsabschiedes, das kein furst oder stand dem andern die seinen wider seinen willen in schutz, schirm und vertheidigung bey peenen euerer ksl. Mt. landfriedden nhemen solt. Aus der Supplikation Hg. Heinrichs kann der Kaiser entnehmen, wie dieser den auch von ihm bewilligten Augsburger Reichsabschied und das darin enthaltene Landfriedensgebot befolgt, on das euer ksl. Mt. dasselbig ungezweivelt auß allerhand handlung und klagen, euerer ksl. Mt. alhie auf diessem itzigen reichstag furbracht, gnugsam vernhomen haben,und wie er und seine Leute die Rechte und die Hoheit des Stifts Hildesheim durch allerlei Umtriebe zu unterminieren suchen, um die Stadt Hildesheim zum Aufstand gegen das Kapitel und den Bischof aufzuwiegeln und nach deren Vertreibung freie Hand zu haben.

Zu diesem Zweck begünstigt Hg. Heinrich die Feinde des Hochstifts, indem er sie in seinem Territorium und Einflussbereich duldet und die meynen von denselbigen aus und wider in sein fürstenthumb mercklichen mit mordt, brand und nhamen beschedigen, fahen, greiffen, schlagen, erwürgen, das ihr nehmen und in seinem fürstenthumb verschlemmen und verzeren lassen, gleychvhals jetzo letzlich Clausen Berner, meyns stiefts muthwilligen fheind, offentlich durch sein furstenthumb und gebiette uff die meynen etwa mit zehen, etwa 20, 40, 50 und mehren pferden strayffen, erwürgen, greiffen, hynwegschleuffen, item, das ihr nhemen, zu mehrmahln wagen uffgehauen, in und durch sein fürstenthumb on allen widerstand, nachjagt, glockenschlag, geschrey und dergleichen notwendigs geparen handlen und seines gefallens durchpassiren lässt3. Darauß ervolgt und er, Hg. Heinrich, durch solche beschedigung Berners zuwegen bracht, das gmelte meyne burgerschaft in etliche 100 starck sich erhaben, für mein capittel mit grossem sturm und geschrey gelauffen, geschrien: ‚Ihr pfaffen, schafft uns fridden, oder wellen euch zum ding außjagen!‘, welchs alles der vermeinthen, jetzigen seiner supplication sehr ungleich und doch die warheit, an euerer ksl. Mt. cammergericht erwiessen, landtrüchtig und offenbar ist. Und wiewoll Hg. Heinrich ein solchs in seiner supplication verneinet und zu vermeinther becreftigung die missiven des radths meiner stadt Hildeshem mit ingelegt und übergeben, welche doch, dweyl die allein auß seinen zuvor ihnen zugeschickten schrieften und hoffantwort sein erbietten narriren, dem er doch zum wenigsten teil nachkommen und Clauß Berner seinethalb noch viel jhar sicher gewest sein mogen,so hat er, Valentin, auf seine mit brief und sieggelnbeglaubigte Darstellung des wahren Sachverhaltes hin vom Kaiser die erbetenen Mandate erhalten, um sie durch einen ksl. Herold publizieren zu lassen.

Da Hg. Heinrich vorgibt, als solt ich auß neyd, haß und abgunst, ohn grund, fueg und ursachen bey euerer ksl. Mt. solchs mandat außbracht haben etc.,ist er bereit, gegebenenfalls noch während des Reichstages weiteres Beweismaterial, u. a. mit kundtschafte euerer ksl. Mt. cammergericht gerichtlichen gefuerthen und eroffnethen kayserlichen achtbrieven gegen sein Hg. Heinrichs underthanen, edel und unedel, als meyns stiefts Hildeshem beschediger und landfridbrecher, erhaltnen und außbrachten urgichten, darzu mit euerer ksl. Mt. gedachten camergerichts geschwornen botten relationen,vorzulegen, um die Rechtmäßigkeit seines Handelns und die Schuld Hg. Heinrichs und seiner Dienstleute zu beweisen und sein Verhalten gegenüber der Stadt Hildesheim zu rechtfertigen. Bittet, den Antrag Hg. Heinrichs, ihm im Interesse der Stadt Hildesheim gegen die Hgg. Franz und Ernst von Braunschweig, vermöge euerer ksl. Mt. peinlichen halsgerichtsordnung rechts zu gestatten,abzulehnen. In dieser Angelegenheit hat der Kaiser bereits ihm selbst Mandate zugesagt, die allerdings von der Kanzlei noch nicht ausgefertigt werden konnten. Bittet um Zustellung dieser Mandate, derowegen, Hg. Heinrich weitter mandaten mitzutheillen, unnötig, wie ich dan auch, euer ksl. Mt., ihme dergestalt als beruembten und vermeinthen schutzhern meiner stat einichs mandat mitzeteilen, sich weigern, uffhalten und nit thuen wollen, zum underthenigsten thue bietten.Im Übrigen hat Hg. Heinrich die ksl. Halsgerichtsordnung, obwohl er sie mit bewilligt und angenommen hat, entgegen seiner reichsfürstlichen Pflicht nie befolgt, wie sein Verhalten gegenüber den in seinem Territorium ergriffenen Missetätern Kurt Vernekall(Vornkahl) und Henning Bittendüeffell(Bietendüwel), Feinden des Stifts Hildesheim, belegt, was auch dem Kammergericht bekannt ist.

Was den ksl. Herold betrifft, den er auf Wunsch der ksl. Räte meines hochsten vermügens mit knechten und pferden von hynnen auß abgefertigt und, in meinem stieft gleichermaß zu versehen, beschafft, in dem derselbig euer ksl. Mt. bevelh gelebt und den beschwerdten friedden zu schaffen zum getreulichsten gehandlet, durch Hg. Heinrichen bei euerer ksl. Mt. etc. unbillig angeben wirdet, kann er versichern, dass der Herold seinen Auftrag gewissenhaft ausgeführt hat, hat deßhalb auch von vieln fursten, graven, stetten und andern stattlich kundtschaft und zeugnus mit sich bracht, die euerer ksl. Mt. uff erfordern fürgelegt werden mögen.

Und demnach der gemelthe euerer ksl. Mt. herold mit berurthen mandaten auch in die stett Braunschweig und Goßlar, daselbs verkhundung zu thun etc., khomen und dieselbigen ab ihme und auß angeregten euerer ksl. Mt. mandaten so viel befunden, das euer ksl. Mt., dem orth landts zu sonderlichen gnaden friedden zu beschaffen, den gmelten herolden abgefertigt, haben sie ihnen euerer ksl. Mt. zu underthenigsten ehren ehrlich entpfangen und gehalten, ihme volgendts anstatt euerer ksl. Mt. clagweyß angezeigt, weß ihnen täglicher beschwerung von Hg. Heinrichen und den seinen uber die durch euer ksl. Mt. gethane suspension der achte und sonst mit verlegung der strassen, erwurgung und thettlicher beschedigung der ihren, die ihnen uff die zeit eben kurtz zugestanden, und in andere unliderliche wege begegne, daruff gebetten, er, sovil ihme gebüren, guttwillig befürdern und helfen wolt, sie solcher beschwerung verhaben und geübrigt werden möchten. Hieruff er solchs bey Hg. Heinrichs bevelhabern und andern, euerer Mt. a in seiner widerkunft–a desen underthenigsten bericht zu thun, sich erkundigen wolten, underfraget, aber daruff seyen ihme von denselben vast undienstliche antwort begegneth, also hab er darneben nit underlassen, ihnen zu sagen, sie wollten sich also halten, das sie deshalb, in euerer ksl. Mt. ungnad zu erwachsen, nit zu besorgen, und hierin nichts anders, als das ehrlich und euerer ksl. Mt. bevelh ihme uffgelegt, wie ich bericht, gehandlet.

Und ob schon solich mandaten und handlung des herolden ihme, Hg. Heinrichen, und den seinen zuwidder, in bedencken, das er und dieselbigen meines stiefts stat und underthanen friedden, ruhe, einigkeit und wolfardten nit allein nicht gehrne sehe, sonder vielmehr zu verhindern, unrhue, widerwillen, feindtschaft und dergleichen zu stieften, oder, so er und sie darzu nit khommen, meins stiefts muthwilligen vheinden, auch durch euerer ksl. Mt. und derselbigen loblichen cammergerichts erclerten ächtern offentliche durchschleuf, enthaltung, schutz und fürderung gennet, leistet und gibt, so bin ich doch ungezweyvelt, euer ksl. Mt. werden gedachten Hg. Heinrichen seines beschwerlichen, muthwilligen fürhabens wider mich und die meyne nit gut sein oder gestatten, sonder vielmehr bey ihme und den seinen, solcher handlung enthalten mueß, gnediglichst und ernstlich beschaffen lassen. Und ist daruff zu euerer ksl. Mt. mein underthenigst bietten, euer ksl. Mt. bei gedachtem Hg. Heinrichen, er des vermeinthen schutz, darin er mein statt Hildeshem wider meinen wiessen und willen gezogen, desselbigen sich gentzlich und bey peen des landfriedden, euerer ksl. Mt. acht und aberacht, dem berurthen euerer ksl. Mt. augspurgischen decret und abschied verleybt, enthalten mueß, zu beschaffen allergnedigst geruhen, sich auch gegen gedachten herold, welcher mit obgerürthen euerer ksl. Mt. mandaten in meinem stieft viel frieddens und guths beschafft, uff milthes angeben des hertzogen zu keinen ungnaden bewegen lassen wollen4.

Anmerkungen

1
 Vgl. die protokollarische Vorbemerkung zu diesem Stück, Hannover NLA, Hild. 1 Nr. 783, fol. 197r–197v: Und demnach die keyserlichen hoffräthe auß vormahls fürbrachten clagen des Bf. zu Hildeshem vernhomen, was beschwerung, practicken und dergleichen gevherliche handlung von Hg. Heinrichen ihme in seinem stieft zugefüegt und verhandlet würden, derowegen sie auf solche des herzogen supplication sich entschlossen, dieselbig zuvor dem Bf. zu Hildeshem zu uberantworten, sein bericht darauf zu geben, also haben die gedachte kayserliche, verordenthe hoffrethe die angeregte supplication des herzogen und auch die schrieft des raths von Hildeshem originaliter zugeschickt mit uffgezeichnetem decret, sein bericht darauf zu geben, und, ob er wolt, solcher schrieft und supplication copeien zu behalten, gegönneth. Derowegen gedachter H. Valentin Bf. sein und seines stiefts notturft nach nit umbgehen konnen, solche supplication Hg. Heinrichs und auch die schrieft der von Hildeshem, soviel die den angeregten schutz betreffen thett, antzufechten und darvor zu bietten, auf solche supplication ihme als angemasten schutzfursten die gebettene mandaten nit mitzutheyllen, inmassen des bieschoffen supplication und bericht hiernach volgend außweysseth.
2
 Vgl. die Supplikation Hg. Heinrichs von Braunschweig an den Kaiser, Regensburg, [1541 nach Juli 6], Hannover NLA, Hild. 1 Nr. 783, fol. 196r–197r (Kop.): Beiliegend das an ihn gerichtete Schreiben seiner schutzverwandten, des Rates von Hildesheim, 14 ihrer fheind halben, welche im land Luneburg zu Giffhorn gefenglich eingezogen worden. Daraus ist klerlich zu vermercken, wie der jetzig Bf. zu Hildeshem mich widder die hellen warheit on allen grund, fueg oder ursachen, allein auß lautteren neyd, haß und abgunst bey euerer ksl. Mt. seiner feind halben, als das dieselben in meynem furstenthumb ihr underschleyf haben und fürgeschoben werden sollen, angegeben, verunglympft und vermehret hat, wie dan onedas euer ksl. Mt. meiner unschuld in andere wege jederzeyt weytter können berichtet und darumb ernantem bieschoff hynfüro ungehört meiner antworth auf sein unerfindtlich anbringen keynen glauben geben, viel weniger so leichtlich, als in diesem vhall bescheen, einich mandat wider mich erkennen oder außgehen lassen werden. So haben auch hierauß euer ksl. Mt. nit schwerlich zu ermessen, das derselben heroldt, Lorentz Landtsperger, lauth meiner räthe schreyben, welchs ich euerer ksl. Mt. ich [sic!]wider ihne neben meiner hochverursachten beclagung hievor ubergeben, mich und die meynen der angezognen hildeshemischen vheindt halben erdiechtlich wider alle warheit bey meniglichen außzuschreyen, zu berüchtigen und zu beschmutzen, understanden und von des, auch andern seins getrieben unwesens schmehlicher, aufrürischer worth wegen, in berürter meyner räthe schreyben begrieffen, euerer ksl. Mt. ungnad und straff wol verdienet hat, wie ich dan hiemit nochmahls underthenigst will gebetten haben, das euer ksl. Mt. allergnedigst geruhen wollen, ihne der gebür und seinem verdienst nach straffen zu lassen. Und dweyl aber die obgenanten von Hildeshem, wie euer ksl. Mt. auß ihrem schreyben zu befinden, besorgung tragen, das ihnen das recht wider ihre gefangen fheynd möchte verzogen oder vielleicht darinnen verkürtzt werden, und dan ich vermöge der schutzverwandtnisse schuldig bin, sie in ihren sachen zu ihrem rechten zu fürdern,bittet er den Kaiser, seinen Vettern, Hg. Ernst und Hg. Franz von Braunschweig-Lüneburg unter Androhung schwerer Strafe zu befehlen, den mehrgedachten von Hildesheym auf ihr ansuchen peinlicher verhör, auch ordenlichs, gebürlichs rechtens vermöge euerer ksl. Mt. im reich ausgegangener halsgerichtsordenung wider die obgedachten offne landtfriedbrecher, ihre veyndt als Clausen Berner und die andern, fürderlichst zu gestatten und zu verhelfen, damit das übel nit ungestraft bleyben dorfe [...]. Vgl. außerdem Bgm. und Rat von Hildesheim an Hg. Heinrich von Braunschweig, Hildesheim, 1541 Juli 6, Hannover NLA, Hild. 1 Nr. 783, fol. 193v–195v und Bf. Valentin von Hildesheim an Bgm. und Rat von Hildesheim, Regensburg, o. Datum, ebd. fol. 203r–204r: Stellt klar, dass die Stadt Hildesheim in keinem Schutzverhältnis zu Hg. Heinrich von Braunschweig steht.
3
 Vgl. dazu im Einzelnen die als Eingabe an die Reichsstände konzipierte, detaillierte, undatierte Klagschrift Bf. Valentins von Hildesheim über feindselige Akte Hg. Heinrichs von Braunschweig gegenüber ihm und seinem Hochstift und über die Begünstigung im Stift Hildesheim verübter Gewalttaten durch die Amtleute des Herzogs, Hannover NLA, Hild. 1 Nr. 784, fol. 63r–77v.
a
–a Nachgetr.
4
 Auf diese Eingabe bezieht sich folgende protokollarische Notiz, Hannover NLA, Hild. 1 Nr. 783, fol. 204r–204v: Und demnach H. Valentin Bf. in jetzgesetzter supplication under andern, dweyl ihme Hg. Heinrich zulegt, als solt er, der bieschoff, auß neyd und haß das erste mandat wider Berner außbracht, darin vermelden lassen, als ob Hg. Heinrich ihme solche vheindtschaft vermüthlich zuschieben thete, dweyl er zuvor gleichmessig gegen ihme gehandelt, auch vermeldet und sich erbotten, was er zuvor der ksl. Mt. wider Hg. Heinrich geclagt und deshalb algereid ihrer Mt. statlichen schein und glauben mit brief und siggeln, gefürthen kundtschaften, urgichten und dergleichen gethan, nochmahls und uff werendem reichstag zu beweysen, und demnach volgendts zu etlichen mahln bei Pfgf. Friderichen, seinem cantzlern und, wer jederzeit antzutreffen gwest, ansuchen gethan und durch die seinen ansuchen lassen und gebetten, ihme einen nhemlichen tag zu bestymmen, sein angebottne beweysung uber Hg. Heinrichen von ihme aufzunemen, so ist letzlich von gedachts Pfgf. Fridrichen cantzler, Dr. Hartmundt, diese antwort gefallen und angezeigt, das viele, nehmlich Sachssen, Hessen, Northusen, Goßlar, Braunschweig und andere mehr sich zu gleichmessiger beweissung wider Hg. Heinrich von Braunschwig erbotten, aber da sey niemandt, der hören woll oder dem es zu herzen gehe. Darumb so gedencke er, das es mit des Bf. von Hildeshems clagen und erbottener beweyßung auf dasmahl auch darbei bleyben wird. Haec fuerunt verba formalia praefati domini doctoris cancellarii. Etliche tage darnach ist zum abschied des reichstags geschritten und derselbig reichstag sein endtschaft gewohnnen.