Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 12. Die Reichstage zu Worms 1513 und Mainz 1517 bearbeitet von Reinhard Seyboth

[1.] Mängel im Rechtswesen und bei der Friedenswahrung als Hauptursachen der gegenwärtigen Probleme im Reich; [1a.] Qualitative Defizite beim Personal des Reichskammergerichts; [1b.] Probleme bei der Umsetzung von Bestimmungen der Reichskammergerichtsordnungen; [1c.] Abweisung von Parteien bei Gericht; [1d.] Blockade von Rechtsersuchen; [1e.] Überlange Dauer mancher Verfahren; [1f.] Mangelhafte Exekution von Gerichtsurteilen; [1g.] Gezielte Blockademaßnahmen gegen die Umsetzung von Urteilen; [1h.] Allgemeiner Ansehensverlust des Gerichts aufgrund der bestehenden Missstände; [1i.] Behinderung wichtiger Rechtsfälle durch geringwertige Appellationen; [1j.] Missbräuchlicher Gebrauch des Klagerechts armer Kläger; [1k.] Missstände in Fiskalsachen; [1l.] Ungleichmäßige Heranziehung der Reichsstände zu Unterhaltszahlungen für das Reichskammergericht; [1m.] Dessen Verbleib an konfliktbehafteten Tagungsorten; [1n.] Mangelhafte Besetzung von Ämtern mit geeigneten Personen; zu geringe Anzahl von Leibesstrafen; [1o.] Wünschenswerte Regeln für die Rechtsprechung an anderen Gerichten; [1p.] Geringe Wirkung der Reichsacht und der Aberacht; [1q.] Wunsch nach Wiederaufgreifen der ordnungspolizeilichen Initiativen früherer Reichstage; [2.] Vielfältige negative Folgen der aufgeführten Missstände für Frieden, innere Sicherheit, Handel und Gewerbe im Reich; [3.] Dringender Appell an Ks. und Reichsstände, sich der Mängelbeseitigung anzunehmen; derzeitige Schwäche der Deutschen Nation; mangelnde Gerechtigkeit und Unfriede als Ursachen des Niedergangs großer Weltreiche, [4.] Unverzichtbare Mitwirkung des Ks. an den notwendigen Reformmaßnahmen; [5.] Empfehlung zur Übersendung des Mängelkatalogs an den Ks. mit der Bitte um seine Mithilfe; [6.] Zwischenzeitliche Erstellung von Reformvorschlägen der in Mainz anwesenden Reichsstände.

Kop.: A) Bamberg, StA, Hst. Bamberg, Geheime Kanzlei Nr. 9, fol. 56a–67a (Vermerk fol. 67b: Ratslag des ausschus, wie nachvolgt, ksl. Mt. zugeschickt); B) München, HStA, Kasten blau 103/2c/1, fol. 82a–91b (Überschrift: Uf obgemelt anzeige [Nr.762] ist dies meynung geradslagt); Karlsruhe, GLA, Abt. 50 Nr. 12, fol. 24a–32b; Frankfurt a. M., IfStG, RTA Bd. 32, fol. 164a–169b (Vermerk: Ao. etc. 17 prima mensis Augusti in meinzischer canzelei verlesen worden); Köln, Historisches A., Best. 50A 45, fol. 69a–78a (Überschrift: Pronuntiatum uf vincula Petri Ao. XVII [1.8.17]; Vermerk fol. 69a von anderer Hand: Wie der usschuß uf befelhe der Kff. eynen rat begriffen hab, was ksl. Mt. solt oder mocht dem Riche zu gut friden und recht zu machen furgehalten oder geschriben wird. Uf solichen begriff ist beschlossen, daz der uf die stende und ksl. Mt. gestelt werde und ksl. Mt. zu ubersenden.).

Konz. Kop.: C) Wien, HHStA, MEA, RTA 3b Bd. Reichshandlung zu Mainz Ao. 1517, fol. 118a–129a (Überschrift: Camergericht belangend).

Druck: Janssen, Frankfurts Reichscorrespondenz, Nr. 1173; Harpprecht, Staatsarchiv, Nr. 236.

Inhaltsangabe: May, Erzbischof Albrecht II., S. 103–105.

[1.] /56a/ Uf der Kff., Ff., prelaten, Gff., derselben und der stet potschaften jungst gegeben bevelg hat der verordent ausschus sein vorig underteniga anzeige iren kftl., ftl. Gn. und gunst getan, das einer oder zwen mengel, daraus alle irtumb, beschwerung etc., in dem hl. röm. Reich und teutscher nation swebend, entsteen, fliessen und zuwachsen seien, nemlich geprechlichkeyt des rechten und landfriedens, das die baide nit volzogen, gehalten noch gehanthabt, sonder zerrüt, versmehet, verachtet lange weil gewest sein und noch werden, die sie der zeit auch gemeynt, ytzt dermassen geteutscht und grunt davon, doch mit erleubnus zu reden, kürzlich angezogen wollen haben. Dan so dieselbigen ersehen und mit ernst, auch hohem vleis, wie bescheen, erwegen und ermessen werden, wiewol sie bede durch die röm. ksl. Mt. b, unsern allergnst. H.–b, auch des chl. röm.–c /56b/ Reichs stende hochlich bedacht und vernünftiglich aufgericht, geordent, declarirt und zu den reichstegen also oft ersetzt, das sie nit zu endern noch statlich zu pessern sein, so befindet man doch, das sich daneben des ersten stücks, nemlich des rechtens halben, etwan vil irrung, geprech und mengel, died sich soe gar offenbar und clerlich erzeigen, das ein yder, auch nit hoch verstendiger, warzu sie ursach geben, auch was guts di allethalben im Reich geberen, wol zu merken hat, wie die dan hernach volgen, an diejenige, so villeicht sein mogen und doch in solcher eil und cleiner zeit dem ausschus nit zu gedechtnus gewachsen.

[1a.] Zum ersten, so ist, als der ausschus bericht wirdet, das ksl. und des hl. Reichs camergericht mit personen, heuptern und gliedern nit so statlich, als desselben gerichts, der sachen und parteien nodturft erheischt, besetzt noch versehen, vil trefflicher abgezogen /57a/ und andere auch dahin gefurdert und angenomen worden, die nit alle zu solchen sachen geschickt sein mochten.

[1b.] Am andern, das, wiewol mancherhand ordenung derhalb furgenomen, hochlich bedacht, erclert und zu gehaltenen reichstegen oftmals aus ehaften ursachen, wie obstet, ersetzt worden, so wurd dem doch nit nachkomen noch gelebt, sonder dieselbige alle durcheinandergezogen, auch ytzt eins, dan das ander mit langwiriger rede und disputation widerfochten. Deshalben die sachen ufgehalten werden und im procedirn solch unordenung gepraucht, das die parteien irer sachen zu keinem ende komen mogen, besonderlich, diweil sich nun die hendel deglich meheren, heufen und uberhantnemen.

[1c.] Zum dritten, so werden (wie der ausschus aus etlichen supplication[en] und sonst vermerkt) bey der weile die parteien eigens furnemens mit gewalt oder auch gepotsbrieven bey inverleybten swerenf penen, die uf unbestendig /57b/ anpringen, als zu vermuten, ausbracht, abgewiesen und also vom rechten gedrungen, auch etlich ires angebens uncitirt, unverhort condemnirt und zum hochsten beswert werden.

[1d.] Zum vierden, so wirt dem obgemelten gericht sein lauf und gang nit frey gelassen noch gegen einem wi dem andern gehalten, sonder in etlichen sachen dasselbig recht gestümelt [= verstümmelt], gepoten, darin stielzusteen und nit weiter zu procediren noch handlung furzunemen zu gestaten oder zu uben, nit on unlust und nachrede, auch nit on geringe beswerung der parteien und meniglichs,[die] das beruret oder es auch horen und vernemen.

[1e.] Zum fünften befind der ausschus aus allerley anzeig, das an dem oftgedachten ksl. camergericht uber die maß verzuglich gehandelt noch furgangen würdet, ye bis in das dritt goder viert–g jar ka[u]m eins ordentlich zu procedirn an einen /58a/ procurator kumpt. Dardurch die alten sachen vil jar hangen pleiben und, diweil deglichs mehr hendel und sachen zureysen, zu keinem austrag komen mogen.

[1f.] Zum sechsten, so beclagen sich etwa vil und, als zu besorgen, mit der warheit, das, wan sie gleich mit swerem costen und darlegen urteil mit recht behalten und erlangen, das ine weiter nit verholfen, auch kein execution, weder by hohen oder nidern stenden, die sie derhalb ersuchen, bekomen mogen. Das ye swere und erbermlich zu horen.

[1g.] Zum siebenden, so ereugt sich in meher wan in einer sach, das die bey yeder weil dieselbige erlangte urteil, auch execution- und andere brive durch mandat, gescheft und in ander wege verhindert, nydergelegt, auch dieselben zu gebrauchen oder sich dero zu behelfen bey hohen penen geweret wirt, alles zum merklichen nachteil, abpruche und schmehe des /58b/ gerichts, der personen und des hl. röm. Reichs ordenung.

[1h.] Zum achten, das aus der und andern ursachen das gericht also vercleinet und veracht, das auch hoher und nyder stende personen, der ende zu rechtvertigenh zu wachsen [wohl: Rechtfertigung zu erlangen], scheue oder beswerde tragen und darumb ander neben- und umwege erdenken, suchen, furnemen und die hendel ires gefallens untersteen auszufuren. Das alles des ausschus ermeßens sonst nit were oder vermiten pliebe.

[1i.] /121a/ Zum neunten, so werden appellationsachen in cleinen, dorichten, unach[t]parn hendeln, bey der weylen nit uber vier, fünf, sechs fl. oder dergleichen betreffend, angenomen, di eben wol als die grossen ire zeit und proces haben wollen. Dardurch die andern, sweren, dapfern sachen verhindert oder in verzug gestelt /59a/ werden. Das nit sein solt, sonder, wu die ye angenomen würden, denselben ein besondern proces zu machen were.

[1j.] Zum zehenden so wirt ein yglicher, der armut swehert [= schwört] oder behalten mag, der ende, wie billig, gehort, aber gemeinlich oder oftermals in bosen hendeln, die allein zu der andern umbtreyben furgenomen werden, so sich dasselb erfindet, hinlaufen, ungestraft pleiben und bey der weilen, das sie gelobt und gesworen haben, unterlassen und nit halten. Das nit zu gutem beyspiel noch nebenbielde [= Vorbild] reichen ist.

[1k.] Zum eilften, so fallen in den fiscalischen sachen mancherhant mißprauch zu, in dem, das sie bisweilen zu hove dan [= statt] am ksl. camergericht und nit nach irer ordnung geübt werden, zudem, das, diweil sie, die richter und bysitzer, daruf verwisen, selbst urteiler und geniesser [= Nutznießer] sein, nit cleinen verdacht, ungehorsam, arkwan /59b/ tun geperen und einfuren. Das zu versehen und auf ein unverdechtlich bane zu richten.

[1l.] Zum zwolften, so werden zu bezalung oder underhaltung des bemelten gerichts ungleich bürden getragen, ein teil stende ire gepüre entrichten, die andern sich des waigern, auch kein schrieft noch proces gegen inen furgenomen. Angeseheni oder achten also, daz umb 40000 fl. jungeverlicher achtung–j derhalb ausstendig worden. Dadurch die gehorsamen beswert, sie und die personen des gerichts der lanksamen bezalung halben zu unlust gefürt werden.

[1m.] Zum dreizehenden, so pleibt dasselbig ksl. camergericht uber die hohen bedenken und abschide, zu Costenz, Trier, Coln und andere reichstegen gemacht1, an orten, die selbst vil hendel am gericht und sunst /60a/ unvertragen haben. Dardurch die parteien und sachen beswert und dem gericht, auch seinen personen nachteil und vercleynung zuwechst.

[1n.] Zum vierzehenden, so befind der ausschus, das vil unwesens, widerwertigkeit und ungehorsam im Reich und deutscher nation sich ereugt aus dem, das die empter nit alle mit verstendigen, friedsamen personen versehen, die gerechtigkeit auch an nydern gerichten gestymelt und besonderlich, das ubel-, auch mißtaten, wie sich solhs wol gepürt, ganz nit oder wenig und mehr an der narung dan am leibe gestraft werden. Das den andern zu manicherhand ubergreifung, auch bewegung macht oder ursach gibt.

[1o.] Zum fünfzehenden, so machen (des ausschus ermessens) die gerichtzwenge, geistlich und wertlich, auch westfelisch, rotweilisch und ander dergleichen, so mißpraucht und nit, wie sich gepürt und sein solt, geübt werden,/60b/ nit clein widerwertigkeit, zank und irrung allenthalben im hl. röm. Reich und teutscher nation. Were gut, das ir yedes nach seiner art gehalten oder denen ein kerbar, leidlich–k ordenung oder maß, desgleichl gezenk zu verhüten, gemacht und geben würde.

[1p.] Zum sechzehenden, das die allerhochste strafe und pene, so die röm. ksl. Mt., das hl. Reich und weltlich oberkeit hat, das ist acht und aberacht, bey vil stenden und des Reichs verwanten, so die gleich ordenlich und wie sich gepürt erlangt, wenig geacht oder angesehen würd. Die echter werden nit verfolgt noch verjagt, sonder an vilen orten gehaust, gehofet, geduldet, geetzt, gedrenkt, furgeschoben und bey der weylen vergleitet, auch geschutzt und geschirmt, alles zu mverachtung und–m nachteile dem Reich und besonderlich der gewynnenden partey.

[1q.] /61a/ Zum siebenzehenden, so ist der uberswenklich costlicheit mit cleidung, zerung, ubermessig zudrinkens, rüstung hochzeit und andern nydern und hohes stands, der gewerbenden geselschaften, auch spiels und zuvorab goteslesterung halben zu gehalten reichstegen oftermals bedacht, geratschlagt und derhalben ordnung furgenomen, aber wenig angesehen, geacht noch gehalten worden. Were gut, nochmals wider bedacht und denen erbere wege, ordenung und maß gegeben würden.

[2.] Aus welchem ersten stück ytzt gehorter mengel und das der lantfriede daneben nit gehandhabt, auch dem ubel zugesehen worden, das zweyt, das ist der unfride, vast entsprungen und gevolgt, also und dermas ingewurzelt und gepreitet, das die strassen zu wasser und /61b/ zu lande beynach nyndert im hl. röm. Reich gehegt werden, nit sicher sein, auch weder das heupt noch der glieder machte, gleid oder anders geachtet noch angesehen wurde, die untertanen und armen, geistlich und weltlich, derselbigen verwantn nit geschirmet noch bey recht oder dem irem pleiben mogen oder behalten werden, witwen und waysen verlassen, der ackerman an seinem bau und arbeit, der kauf- und gewerbsmann an irer hantyrung, dergleichen der Ff. und ander botschaften, auch die, so die strassen prauchen, pilgern und ander an irem vorhaben und guten werken verhindert, das nit allein wider Got, die natur, recht und alle billichkeit, sonder auch röm. ksl. Mt., dem hl. röm. Reich, Kff., Ff., prelatn, Gff. und allen stenden desselben zu smehe, schimpf, hon, verachtung und vercleynung, besunderlicher /62a/ by frembder nation, reicht. Der ausschus gesweigt der scheden, abpruch, nachteil, so an zollen, mautn, gleid und anders, die dadurch geswecht, geschmelert und eins teils ganz niedergelegt werden, aller oberkeit n, auch dero verwanten–n darus entsteen und zuwachsen. Das ye bey unsern zeiten gescheen zu lassen und mit warheit zu reden beswerlich und zu erbarmen ist und nit unbillig bedacht und beherzigt wurd.

[3.] So des obgedachten ersten stücks mengel sein wege funden, als der ausschuss achtet, wo röm. ksl. Mt. und die stende wollen, leichtlich zu gescheen sey, so würden der ytzt swebende irrung und zufell vil hingenomen, die andere des unfridens halben und dergleichen auch vast abgewendet. Wolt aber darüber einer oder mehr mutwill[ig]en ingrief tun, rauben, plackerey, hecken- und ungebürlich dienst oder reuterey pflegen, brauchen oder uben,/62b/ so sein röm. ksl. Mt., auch Kff., Ff., prelaten und andere stende in solchem ansehen und macht, das denselben, wie der ufgericht landfriede vermag, on sondern grossen costen und müe wol zu begegnen, auch auszureuten und zu verdilgen weren. Solt das aber ytzt auf diesem reichstag ubersehen werden, was kunt oder mocht dan entlichs anderst, wie hievor oft in ander orten, da dergleichen ingewurzelt, bescheen, als wol zu besorgen, auch clein oder gar kein andereo hofnung, wo nit schleunigs durch di röm. ksl. Mt., auch Kff., Ff., prelaten, Gff. und andere stende, als heupt- und furnemig glieder der cristenheit zusteet, und fur Got, der natur, recht und billigkeit, auch den wirden, stand und verpflichtung nach zu tun schuldig sein, insehen furgenomen werden solt, zu haben. Volgen dan abfal, zerstorung und verderben des hl. Reichs und /63a/ ganzer deutschen nation, di sich noch bis anher in irer freiheit beschirmet und gegen meniglichen derhalben den sig erhalten. Und wiewol es spät und lang gnug geschlafen, doch noch pmit Gotes hielf–p der geschicklichkeit und macht were, wu sie, die heupter und stende, wolten und sich in einigkeit fienden lyessen, unzweifel, qdas sie–q nit allein pleiben, sonder dem uberigen teil der welt zu erschreckung sein würd. Welchs land ist so reich, welcher Kg. so mechtig, welch Hft. so weys und geschickt, die da dorften gedenken, man wolte dits tun, geschweigen, sich gegen derselben edeln deutschen nation, die den Romern, kriegyischen [= griechischen] und andern reichen in irer eynigkeit wunderbarlich und erschrocklich gewest ist, zu emporen, inlegenr oder in streyt zu begeben? Solt der ausschus reden, so sie den willen darzu heten und eintrechtig weren, müsten sie sbey der warheit bekennent,/63b/ das der keins uf dem erdboden were oder erfunden wurd. Dieselb hochberümpt deutsch nation und das hl. Reich–sleyt ytzt in noten, schwach und krank, schreyt undu ruft umb hilf und rate zu Got, zu irem heupt und H., ksl. Mt., zu Kff., Ff. und ander stende und gliedern. Wurd sie erhort, ir auch rat und hilf mitgeteilt, so mag sie vund daz hl. Reich bey ir wol–v ruewiglich und in ewigkeit pleiben. Was ehre, nutz, lobs, glorie und wolfart ine alle darus entsteen wund zuwachsen–w würde, heten sie selbs zu bewegen. Sonst muß sie one hindersichsehen dahin, das ire vorlangst gedroet und geweissagt worden, wachsen, das doch durch andachtx, gut werk und menschlich vernunft ymit der hilf und gnad Gotes–y wol zu verkomen were. Das wolten ksl. Mt., Kff., Ff. und ander stende zu herzen fassen, auch ermessen und zu gedechtnus /64a/ ziehen, das ein yedes in sich zerteilt reich verlassen2, auch, wie durch eynigkeit und den frieden cleiner dieng ufwachsen, also die großmechtigen durch den unfriden, zertrennung der glieder und widerwertigkeit darniederfallen3 und zergehn, auch was reich, Kgg., land und communen und Hftt. durch mangel der gerechtigkeit, di bey inen erschienen und derselbigen glieder uneynigkeit vergangen. Was hat Babilonie niedergelegt, Carthagien zerstort, Athenis verdilget, das krichisch reich verwandelt, Constantinopel nit allein vercleinet, sonder den Dürken unterdenig gemacht? Was hat den Romern, di sich der ganzen werlt Hh. geschrieben und gewest, gewalt gemyndert und ander unzalbar, auch bey unsern zeiten mechtig Kgrr. und Hftt., denselben zu vergleichn sein, undertrückt, in ander hende gesetzt? Dero etlich ir Hh. /64b/ zum dritten oder vierten malen geendert und sich derhalben selbst ermundern und ufwecken, solich schwere obligen und trohe, auch was ytzt in den herzen und gemüden der gebaurn und gemeins mann steckt und, also zu sprechen, allethalben wütet, hochlich bedenken, ratn und helfen, das solchs, sovil mentschlich und muglich, furkomen oder zum wenigsten in das mynst bos [= geringste Übel] gewendz und unbetrechtiglich nit dahin wachsen lassen noch das man mit warheit reden und sagen moge, dits hochgepreyset deutsch nation, so allen reichen und Hftt., die nach sig und landen streben, sterk, volks und rats genug geben, sich durch ir selbs uneynigkeit, der sich ander reichen und nation oft erfreuet, di auch in das hl. röm. Reich zu irer enthaltung und wolfart gesehet, ingetragen und durch ire geschwind, gescheid listigkeit,/65a/ auch in ander wege practicirt haben, in abfal und vercleynung pracht, fur verderben nit verwaren noch weren oder bey unsern zeiten erhalten konnen. Das ye spotlich, auch swere zu horen sein würde.

[4.] Darumb und aus andern mehrn beweglichn ursachen, die ytzo nit alle zu melden weren, der ausschus uf bescheen bevelg und in betrachtung, das aus mangel der obgemelten zweien stück rechts und friedens und infliessen der ungerechtigkeit, gewaltz, frevenlicher, geswinder handlung ist anders das ware, das Got selber und sein apostel gered, das ein volk oder ein land wider und uber die andern regiren, auch di reich und Hftt. derhalben von einem volk und nation in die ander gewachsen, dergestalt auch das röm. Reich zu uns komen.4 Dasselb der ausschus durch ir bedenken,/65b/ sovil an ine ires verstands helfen zu verkomen, wol willens gewest, einen yeden vorgemelten puncten in sonderheit zu beratschlahen und demselbigen seinen wege, ordnung und gesetz zu machen, aber sopald solchs furgenomen worden ist, bedacht und hochlich ermessen, das solchs in Kff., Ff. und anderer stende an [= ohne] ksl. Mt. sondern bevelg oder irer beyverordent rete, derselbigen wissen und willen bestendiglich nit zu geschehen noch furzunemen, dan alle gemeine recht, gesetz, ordenung und dergleichen furnemen, auch declaracion, erclerung und ersetzung derselbigen in irer Mt. gewalt als des heubts beruhen und daselbst herfliessen müssen. Derhalbenaa Kff., Ff. und andere stende nit ufgehalten, auch unserab zeit nit vergebenlich und unfruchtbar gearbeit würd, solchs ytzo unterlassen, das doch ine, den stenden, anzeig tun wollen.

[5.] /66a/ Und ist des ausschus demnach getreuer rat und gutbedunken uf verpesserung, daß Kff., Ff. und andere stende röm. ksl. Mt. solche mengel und geprechen heten in schrieften oder durch werbende potschaft eroffent und derhalb bericht getan, mit vleissiger, unterdeniger, angehengter bit, das ir ksl. Mt. wolt das beherzigen, die sweren lauf ansehen, sein Mt. selbst, auch das hl. Reich, alle Kff., Ff., stende desselbigen, auch ganz deutsch nation gnediglich bedenken, von solchen sachen handeln zu lassen, vergünstigen und bewilligen oder ir Mt. treffenlich rete in solchem den stenden zu verordnen. So wollten Kff., Ff. und andere stende dergleichen auch tun, zu Got hoffend, es solte[n] mit zeitigem rate und furbetrachtung die ytzt swebende swere hendel der billigkeit /66b/ hingelegt und vertragen, auch den künftigen wege und maß, dadurch des hl. Reichs beswerde und unfriede abgewend, gefunden und gegeben werden, und das Kff., Ff. und ander stende des seiner ksl. Mt. gn. antwort begeren, derselbigen auch hie etlich tag heten erwartet.

[6.] So mochten in mitler zeit dieselben Kff., Ff. und stende, wie sie das fur gut ansehen wirdet, durch sich selbs oder einen verordenten ausschus dannacht solch obgemelt puncten, auch andern gepresten [=Missstände]und mengeln weiter beratschlagen und nachdenkens haben, auch wes ir ftl. Gn. wirden und gunst fur nutz und gut ansehen wirdet, zettel und ein schrift, diweil di stende noch /67a/ alhie, mit einer maß verfassen lassen, damit man nochmals, so die ksl. Mt. darzu verordnen oder bevelhen würd, dester furderlicher und schleuniger in handel komen und dem sein gebürlich end machen mocht. Das hat der ausschus unterdeniger meynung uf der Kff., Ff. und der andern stende bevelg bedacht und angezeigt.

Anmerkungen

a
 C am Rand hinzugefügt.
b
–b C am Rand hinzugefügt.
c
–c C am Rand hinzugefügt.
d
 C am Rand hinzugefügt.
e
 C am Rand hinzugefügt.
f
 C am Rand hinzugefügt.
g
–g C am Rand hinzugefügt.
h
 B, C rechtvertigung.
i
 B, C Ansehen.
j
–j C am Rand hinzugefügt.
1
 Was den Konstanzer Reichstag betrifft, sind hier folgende Aktenstücke einschlägig: Resolution der Reichsstände an Kg. Maximilian zu Reichskammergericht und Landfriede, 15. Juni 1507. Heil, Reichstagsakten 9, Nr.169 [3.]; Kgl. Resolution an die Reichsstände zu Reichskammergericht und Landfriede, nach 15. Juni 1507. Ebd., Nr.170 [2.]; Bedenken des Ständeausschusses zum Reichskammergericht, nach 15. Juni 1507. Ebd., Nr.171 [5.]; Auszug aus einer kgl. Resolution an die Reichsstände zum Reichskammergericht, 23. Juni 1507. Ebd., Nr.177 [1.]; Resolution der Reichsstände an Kg. Maximilian zum Reichskammergericht, 3. Juli 1507. Ebd., Nr.180 [4.]; Resolution der Reichsstände an Kg. Maximilian zum Reichskammergericht, wohl 15. Juli 1507. Ebd., Nr.195 [3.]; Kgl. Resolution an die Reichsstände zum Reichskammergericht, 17. Juli 1507. Ebd., Nr.197 [3.]; Reichsabschied, 26. Juli 1507. Ebd., Nr.268 [24.]. Auf dem Kölner Reichstag wurden zwar am 26. August 1512 etliche wichtige Maßnahmen für eine Reform des Reichskammergerichts beschlossen (Seyboth, Reichstagsakten 11, Nr.1561), die jedoch alle keinen Bezug auf dessen Sitz nehmen.
k
–k C über der Zeile hinzugefügt.
l
 B, C teglich.
m
–m C am Rand hinzugefügt.
n
–n C am Rand von anderer Hand hinzugefügt.
o
 C fehlt.
p
–p C am Rand hinzugefügt.
q
–q C über der Zeile hinzugefügt.
r
 C über der Zeile hinzugefügt.
s
–s C am Rand korrigiert aus: bekennen, die.
t
 B erkennen.
u
 C über der Zeile hinzugefügt.
v
–v C am Rand von anderer Hand hinzugefügt.
w
–w C über der Zeile von anderer Hand hinzugefügt.
x
 C über der Zeile von anderer Hand hinzugefügt.
y
–y C am Rand von anderer Hand hinzugefügt.
2
 Siehe Nr.267, Anm. 3.
3
 Sallust, Iugurtha 10: concordia res parvae crescunt, discordia maximae dilabuntur.
z
 B folgt: werde.
4
 Anspielung auf die auf Dan 2,21 zurückgeführte Translationstheorie. Vgl. dazu Thomas, Translatio Imperii.
aa
 B folgt: und damit.
ab
 B dieser.