Reichstagsakten Mittlere Reihe. Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 12. Die Reichstage zu Worms 1513 und Mainz 1517 bearbeitet von Reinhard Seyboth
Zu den wichtigen Leistungen des Mainzer Reichstags in Abwesenheit des Kaisers gehörte auch eine erneute intensive Schieds- und Vermittlungstätigkeit in einer ganzen Reihe interständischer Konflikte. Die Mehrzahl von ihnen bestanden schon seit etlichen Jahren, ohne dass entsprechende Ausgleichsbemühungen jemals zum Ziel führten. So hätte der Streit zwischen den Kurfürsten von Mainz, Trier und der Pfalz sowie den Wetterauer Grafen einerseits und den Landgrafen von Hessen andererseits über den hessischen Güldenweinzoll zuletzt auf dem Wormser Reichstag 1513 verhandelt werden sollen, doch war es dazu nicht gekommen. Für den 5. Juni 1517 war nun in dieser Angelegenheit ein erneuter Schiedstag nach Kitzingen anberaumt worden, doch einigte man sich schließlich darauf, ihn ab dem 15. Juli im Rahmen des Mainzer Reichstags abzuhalten (Nr. 852, 853). Zunächst übernahmen Wolfgang von Bibra und Karl von Heßberg im Auftrag Markgraf Kasimirs von Ansbach-Kulmbach die Leitung der Vermittlungsgespräche, scheiterten jedoch an verfahrenstechnischen Einwänden der hessischen Seite. Nachdem zwei Schiedsvorschläge der versammelten Reichsstände ebenfalls nicht akzeptiert worden waren (Nr. 854 [14.], 855, 856) und damit der Mainzer Ausgleichsversuch als Ganzes gescheitert war, beauftragte Kaiser Maximilian am 16. August Kurfürst Joachim von Brandenburg und Markgraf Kasimir von Ansbach-Kulmbach, die Parteien vorzuladen und eine gütliche Einigung herbeizuführen (Nr. 859).
Noch älter als der Streit um den Güldenweinzoll war der Konflikt zwischen dem Bischof von Worms und der Reichsstadt Worms, der die Reichsversammlungen bereits seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert beschäftigte. 1517 wurde er erneut akut, nachdem Bischof Reinhard von Rüppurr persönlich nach Mainz gekommen war und den versammelten Reichsständen eine umfangreiche Supplikation übergeben hatte. Darin stellte er die lange Geschichte des Wormser Konflikts nochmals ausführlich aus seiner Sicht dar, beklagte einmal mehr die anhaltende Verletzung seiner Rechte durch die Reichsstadt und bat darum, sein Ersuchen um ein Rechtsverfahren beim Kaiser zu unterstützen (Nr. 869). Die Reichsstände übersandten die Bittschrift an Maximilian, ohne selbst zu der Angelegenheit klar Stellung zu beziehen (Nr. 870). Drei Wochen später reichte auch der Wormser Klerus eine Bittschrift beim Reichstag ein, in der er die Verletzung der Rachtung von 1509 durch die Wormser Stadtregierung kritisierte und ebenfalls bat, seine Bemühungen um Abstellung der damit verbundenen Belastungen beim Kaiser mit zu tragen (Nr. 873). Dieser antwortete, wenn er, wie geplant, persönlich zum Reichstag komme, werde er sich der Wormser Konflikte annehmen und versuchen, einen Ausgleich herbeizuführen (Nr. 759 [15.], 763 [2.], 872 [1.]). Da Maximilian bekanntlich doch nicht in Mainz erschien, blieben die Differenzen ein weiteres Mal unverglichen.
Auch im Kampf um Erfurt standen sich mit Erzbischof Albrecht von Mainz und Kurfürst Friedrich von Sachsen noch immer zwei erbitterte Kontrahenten gegenüber. Der Mainzer wollte den Naumburger Vertrag vom 25. Oktober 1516, der ein Schirmbündnis zwischen Kursachsen und Erfurt beinhaltete (Nr. 573, Anm. 1), nicht akzeptieren, und auch Kaiser Maximilian war mit dieser ohne ihn zustande gekommenen Abmachung nicht einverstanden (Nr. 570, 571). Im November 1516 ordnete er deshalb zunächst an, dass in der Streitsache ein Rechtsverfahren durchzuführen sei, stimmte aber dann nach sächsischem Widerspruch erneuten Verhandlungen zu. Am 7. Februar 1517 fand im Antwerpener Kloster St. Michael, wo sich zu diesem Zeitpunkt der kaiserliche Hof aufhielt, eine Anhörung durch kaiserliche Räte statt, bei der die Kurmainzer Räte sich für, die Vertreter Friedrichs von Sachsen hingegen energisch gegen ein rechtliches Verfahren aussprachen (Nr. 860, 861). Fast sechs Wochen lang mussten die Abgesandten beider Seiten warten, bis Maximilian am 19. März im niederländischen Dendermonde verkündete, durch ein Rechtsverfahren würden beide Parteien „zu mererm unwillen und neytlichem und hesslichem handlungen gegeneinander beweget, auch durch die umbswaif und auszug, so im rechten zugelassen werden muessen, in menigfeltig merer costen und scheden gefurt.“ Um dies zu vermeiden, wolle er die Streitsache „von der strenge des rechtens in austreglich, gutlich mittel und wege“bringen. Wenn er in Kürze wieder ins Reich komme, werde er die Kontrahenten zu sich laden und alles daransetzen, einen Ausgleich zwischen ihnen zustande zu bringen (Nr. 862). Auch diese Zusage erfüllte er nicht, sodass der Streit um Erfurt bis Ende August weder auf dem Mainzer Reichstag noch am kaiserlichen Hof weiter verhandelt, geschweige denn endgültig beigelegt wurde.
Im Konflikt um die Neuvergabe der territorialen Hinterlassenschaft des 1511 verstorbenen Herzogs Wilhelm IV. von Jülich-Berg hatte Maximilian trotz ständigen Drängens der konkurrierenden Herzöge von Sachsen und von Kleve bzw. Jülich-Kleve die Belehnungsoption jahrelang als Druckmittel zum eigenen Vorteil in der Hand behalten. Als der Kaiser sich im März 1517 in den nahe gelegenen Niederlanden aufhielt, ließ Herzog Johann III. von Jülich-Kleve durch eine Gesandtschaft erneut um die Belehnung bitten (Nr. 863). Maximilian verlangte jedoch dafür, dass er zuvor seine Schwester Anna, die eigentlich mit Maximilians Feind Herzog Karl von Geldern hätte verheiratet werden sollen, an den burgundischen Hof überstelle und ihr zusätzlich 50000 fl. mitgebe. Johanns Bitte, angesichts seiner finanziellen Schwierigkeiten die Geldforderung zu reduzieren, wurde strikt zurückgewiesen (Nr. 864). Deshalb ließ der Herzog die Gelegenheit, dem rheinaufwärts reisenden Kaiser bei einem Zwischenstopp in Köln die Belehnungsbitte nochmals persönlich zu unterbreiten, verstreichen (Nr. 865). Auch seinem Abgesandten zum Mainzer Reichstag, Friedrich von Brambach, bot sich dort keine Gelegenheit, mit dem Kaiser in Kontakt zu treten (Nr. 947).
Der Ausgangspunkt der in Mainz zur Sprache gekommenen Differenzen zwischen den beiden Landgräfinnen Anna d. Ä. und Anna d. J. von Hessen lag ebenfalls schon mehrere Jahre zurück. Kaiser Maximilians Schiedsspruch vom Kölner Reichstag 1512, der den Konflikt zwischen Landgraf Wilhelm d. Ä. und seiner Gemahlin Anna d. Ä. einerseits und dem hessischen Regiment andererseits beendet hatte, enthielt auch eine Reihe von Bestimmungen, die die künftige materielle Existenz des Landgrafenpaares und ihrer Kinder absichern sollten. Sie wurden jedoch von Landgräfin Anna d. J., die zusammen mit einem Rätegremium die Regierung für ihren noch unmündigen Sohn Philipp ausübte, nur zum Teil umgesetzt, sodass Anna d. Ä., vor allem nach dem Tod ihres Ehemannes 1515, zunehmend in Schwierigkeiten geriet. Ein Ende 1516/Anfang 1517 unternommener Vermittlungsversuch Erzbischof Albrechts von Mainz und Herzog Erichs von Braunschweig-Calenberg scheiterte, eine Entscheidung des Reichskammergerichts kam ebenfalls nicht zustande (Nr. 866–868). In ihrer Not wandte sich Anna d. Ä., die schon in Köln 1512 unerschrocken ihre Interessen und die ihres Ehemannes vertreten hatte, erneut an den Reichstag. Am 29. Juli trat sie persönlich vor die versammelten Reichsstände und klagte, dass sie dem Kaiser, dem Reichskammergericht und anderen Instanzen wie ein „arm zegeuner“ nachziehen müsse, ohne zu ihrem Recht zu kommen. Dadurch sei sie gezwungen worden, „ire silber, kleynod, kleyder und was sie guts hab, under juden und cristen“ zu versetzen, mittlerweile sei sie völlig verarmt. Wenn man Landgräfin Anna d. J. weiterhin ihre Hinhaltetaktik gestatte, müsse sie bald „betteln gan“. Deshalb bitte sie die Reichsstände „als beschirmer witwen und weysen“, ihr zu helfen, das zu bekommen, was ihr „von recht und natur gebure“ (Nr. 993 [2.]). Leider gibt es keine Nachweise darüber, ob und gegebenenfalls in welcher Weise der Reichstag auf diese flehentliche Bitte reagierte und ob in Mainz eventuell doch Verhandlungen in der Angelegenheit stattfanden.
Ein weiterer in Mainz verhandelter Streitfall betraf die Reichsabtei Fulda. Dort war es bereits 1513 aufgrund der kostenträchtigen Bestrebungen des Abtes Hartmann von Kirchberg, das Stift Hersfeld in die Reichsabtei zu inkorporieren, zum Zerwürfnis mit dem Kapitel gekommen. Abt Hartmann musste flüchten, bemühte sich aber in den folgenden Jahren unter Ausnützung seiner guten Beziehungen zu Kaiser Maximilian mit allem Nachdruck, aber letztlich vergeblich um seine Wiedereinsetzung. In dieser Streitsache berief Erzbischof Albrecht von Mainz für Anfang August einen Schiedstag nach Mainz ein, auf dem die unterschiedlichen Standpunkte hart aufeinander prallten. Das Fuldaer Kapitel schlug vor, entweder einen Koadjutor oder ein Statthaltergremium im Stift einzusetzen, was Abt Hartmann jedoch beides strikt ablehnte (Nr. 878). Auch wegen Ansprüchen auf Hammelburg, Kloster Holzkirchen sowie Schloss und Amt Saaleck kam es zu unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten, an denen die Mainzer Schiedsverhandlungen letztlich scheiterten. Unmittelbar darauf reisten die Vertreter des Kapitels ab (Nr. 881). Kurz vor Ende des Reichstags bot Landgräfin Anna d. J. von Hessen nochmals einen Vermittlungsversuch an unter der Voraussetzung, dass überhaupt Bereitschaft zu einer Einigung bestehe (Nr. 880).