Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Straßburg AM, AA 504, fol. 10r–13v (Ausf. mit Siegel); DV fol. 13v: Kgn. Maria, witwe zu Hungern etc., contra Cleve. Praes. et lectum [Straßburg], 25. Junij anno etc. 43. Zettel: Maria bericht und uberschickt mein hern, daß der Hg. zu Gülich den nurrenbergischen ahnstand nit einwilligen, sonder verner krigen wolle. Bitt, ihme so wenig als dem Franzosen furschub, sondern abbruch zu thun. Meiner hern antwort darauf.

Druck: O. Winckelmann, Politische Correspondenz, Bd. 3, Nr. 370, S. 386f.

Durch die Gesandten auf dem Reichstag in Nürnberg wurde der Rat von Straßburg zweifelsohne über den auf Ersuchen der Reichsstände zustandegekommenen Waffenstillstand unterrichtet, damit friden und rhue im Reich teutscher nation gefurdert, dem erbfeindt unsers cristenlichen namen und gelauben dester baß widerstanden, auch der Rheinstramb gemeinem handelsman im Hl. Reich widerumben geoffnet und die kaufmanshantirung, wie von alter heer gebraucht und geubt werden mochte, gewilligt, wie dan sollichs die dernhalben aufgerichte und in des Reichs cantzlei verfertigte brieve, dern original wir bei unsern henden haben [Nr. 235], weitter vermogen und mit sich bringen.

Entgegen seinen Versprechungen, keinen Krieg gegen die Niederlande zu führen, fügte Hg. Wilhelm den ksl. Erblanden bereits im vergangenen Jahr durch seine Truppen schwere Schäden zu. Da Kgn. Maria militärischen Widerstand leistete, ersuchte der Herzog den Kf. von Köln und den Lgf. von Hessen um Vermittlung eines Waffenstillstands, den Maria bei Verhandlungen in Löwen unter bestimmten Bedingungen3zugestand, die Hg. Wilhelm jedoch nicht akzeptierte. Bei weiteren Verhandlungen zwischen den Kriegsparteien in Aachen bzw. Maastricht (Jan./Febr. 1543) verhielt sich Hg. Wilhelm nach angenomner frantzosischer art betruglich. Daher war Anlass zur Befürchtung, dass der Herzog auch die auf dem Reichstag in Nürnberg durch den Waffenstillstand getroffenen Vereinbarungen nicht einhalten würde.

Als wir aber daentgegen bedacht und erwegen, das gemelter stillstandt auf des von Cleve volmechtige bevelhaber hochvleißig bitten und ansuechen durch der mererthail chur- und fursten und gemainer des Reichs stende gesanten, so domalß zu Nuernberg vorhanden und von deniehnigen, so verritten, hierzue in sonderhait erbetten gewesen, erthedingt und besloßen, das auch vilgedachts des von Cleve bevelhaber, die dan, wie uns angelangt, die furnembsten seiner rett, iren in dem fal habenden volmacht furgetragen, dartzue ir gewondliche handzeichn auf die verhandlung gestellt und mit ires herren, des Hg. von Cleve, sigill, wie dan auch alle ander gemeiner des Röm. Reichs stende gesanten, sovill das ainen jeden belangen mogen, furnemblich aber des Kf. zu Sachsen etc. rett, denselben gleichsfalß mit iren handtzeichen und pedtschiren becreftigt, so haben wirs darfur gehalten und geacht, die clevischen wurden sich vileicht numehr der leer (vill zusagen und wenig halten), so sie auß der frantzosischen schuel geschopft, entslachen, und – damit ir fridbruchige handlung und offenbare rebellion wider ksl. Mt. bei gemeinen des Reichs stenden nit in merern abgunst khomme – demjhenigen, so also zu baider seit gewilligt und verhandlet, auf dietzmal volg und statt thun.

Und haben demselben nach, auf das menigclich spuren und abnemen mocht, das wir als ksl. Mt. nider erblande stathalterin in einichen billichen sachen nie khain beschwerung gemacht oder noch ungern in demiehnigen, so durch irer Mt. und unsere dienner und gewalthaber gewilligt und eingangen worden, einichen fell erscheinen laßen wollten, sonder – alsbaldt uns von besluß gemelts anstants zeitttunge zukhumen (unangesehen das der bestimbt tag, an welhem der anstandt angangen sein sollt, noch nit erschienen) – allen haubtleuten und andern uber ksl. Mt. kriegsvolckh bevelhabern mit ernst auferlegt, das sie in mitlerweil die ort, so vilberurts von Cleve gebiet underworfen, unbelestigt ließen, sich allain in gueter huet und wacht enthielten. Und im fall der von Cleve iemantz von den seinen mit verer ratification, wie dan in obgedachtem vertrag des stillstandts beiderseits zu beschehen versprochen, zu uns schicken wurde, daß sie dieselben on verhinderung durchziehen laßen und sicherlichen belaitten sollten. Dartzue hetten wir unsers thails die ratification, so wir hinwider geben haben sollten, aller maßen und gestalt, wie die durch obgedachter chur- und fursten und gemainer stende gesanten zu Nuernberg verfast und uns volgent zugeschickht, fertig und berait.

Nun haben aber die clevischen in sollichem mitlerweil nit allain khain gleicheit gehaltn, sonder fur und fur nicht weniger als zuvor mit irer veindlicher handlung gegen dieser landt underthonen verfaren und nachvolgent den zehenden tag ditz gegenwurtigen monets gegen abent, als man die porten sließen welln, ein trompetter mit ainem versloßnen brief an uns und in abwesen an ksl. Mt. bevelhaber zu Mastericht lautendt geschickt, des copei [fehlt] wir euch hirin verwart zusenden. In diesem Schreiben verweigert Hg. Wilhelm die Ratifikation des von seinen Gesandten ausgehandelten Waffenstillstands mit fadenscheinigen Gründen, wobei es ihm in Wahrheit nur um die Aufrechterhaltung seines Bündnisses mit Frankreich gehe.

Dieweil aber hiedurch gemeine des Hl. Reichs khaufmanßhandtierung gespert und, wie zu besorgen, dieser krieg, des der von Cleve ein anfenger und ursacher ist, gemeiner teutschen nation je lenger je beswerlicher sein mochte, und euch nit unbewust, das der von Cleve diß alles dem Frantzosen zu guetem angefangen und zu volziehen vorhat, auch ietz widerumben, des Hl. Röm. Reichs abschiden und ausgekundten mandaten zuwider, dem Frantzosen ainen gewaltigen haufen kriegsvolckh auß dem Reich teutscher nation zuzuefuegen, deßgeleichen er sich auch mit ainer tapfern antzal volcks zu sterckhen alberayt understanden, und also uber das er, [der] von Cleve, durch nithalten sollichs anstandts gemaine des Röm. Reichs stende großlich veracht noch all sein gedenckhen dahin wendt, damit dieselben geschwecht, zerthailt und letstlich in des Frantzosen, seines bundtsverwanten, gewalt gebracht werden mochten.

Kgn. Maria bittet, dass der Rat von Straßburg diesem sträflichen Verhalten des Hg. von Jülich keinen Vorschub leisten solle, da die Kriegsschuld einzig und allein bei Jülich liege. Straßburg möge zur Erhaltung des inneren Friedens im Reich die Interessen des Kaisers gegen Hg. Wilhelm und seine Verbündeten verteidigen. Die Stadt soll auch dafür Sorge tragen, dass sich ihre Untertanen weder in klevische noch in französische Kriegsdienste begeben. Sollte den ksl. Niederlanden durch den Herzog weiterer Schaden zugefügt werden, so habe das zur Folge, das dardurch des Hl. Reichs und derselben stende auctoritet, freiheit und wolfart nit allain hochlich geschmelert, sonder auch der Frantzos allen muglichen vleiß furwenden und dahin trachten, seinen fueß auch auf die anstoßende lender teutscher nation zu setzen und gegen denselbn, wie er mit allen seinen nachburen zu thun pflegt, handlen. Derowegen wellet die wichtigkhait dises handelß und was fur unratt teutscher nation darauß erfolgen mag, bei gueten zeiten und weilen bedenckhen und furkhommen helfen4.

Anmerkungen

1
Kgn. Maria bevollmächtigte Dr. Johann Keck, ksl. Rat zu Luxemburg, am 21. Mai 1543 zu einer Werbung bei Bgm. und Rat von Straßburg, bei der er das obige Schreiben übergeben sollte, in: Straßburg AM, AA 504, fol. 9rv (Ausf. mit Siegel).
2
Auch Ks. Karl V. bzw. Granvelle kritisierten die Ablehnung des Waffenstillstands durch Hg. Wilhelm auf das schärfste. Siehe dazu: Mémoire des griefs de l’empereur contre le duc de Clèves,o.D. (1543 Mai), in: C. Weiss, Papiers d’Etat du Cardinal de Granvelle, Bd. 2, Nr. 148, S. 664–668.
3
Kgn. Maria erklärte sich zu einem viermonatigen Waffenstillstand bereit, wobei jedoch der gegenwärtige Besitzstand beider Kriegsparteien aufrecht erhalten bleiben sollte. Dem Vertragsentwurf Kgn. Marias von Ende Okt. 1542 (siehe Nr. 204, Beilage 4) wurde von Wilhelm jedoch nicht zugestimmt. Siehe P. Heidrich, Der geldrische Erbfolgestreit, S. 71–73.
4
Das von Dr. Johann Keck übergebene Schreiben wurde von Bgm. und Rat von Straßburg am 25. Juni 1543 beantwortet; in: Straßburg AM, AA 504, fol. 15r–16v, (Konz.): Bedauern über die Fortsetzung des Krieges, Erlass von Mandaten zum Verbot fremden Kriegsdienstes. So hetten sie auch auf irer Reinpruken als an dem ainigen [= einzigen] paß, den sie hetten, zum oftermaln sonder hut thun und das kriegsvolck, so uberzeucht, angloben lassen, wider die ksl. Mt., das Reich und deren angehörigen nit ze dienen, also das sie je gern ihres vermögens verhelfen und furdern wölten alles, das zu frid und wolfart theutscher nation dienstlich und furnemblich, das der ksl. Mt. und der kgl. Wd.[= Kgn. Maria], den landen und leuthen zu gnedigem und gutem gefallen und nutz raichen thete etc. [...].