Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

A Wien HHStA, RK RTA 10/Konv. 2, fol. 273r–278v (Kop.); ÜS fol. 273r: Der röm. kgl. Mt. und auch der röm. ksl. Mt., unsers allergnedigsten herrn, anher auf diesen reichstag verordenten comissarien ist sontags Quasimodogeniti [1543 April 1] von wegen des Kf. zu Sachssen [...] und des Lgf. zu Hessen [...] durch irer chur- und fstl. Gnn. anher verordente rethe auf sonderlichen entpfangenen bevelh und ubergebene credentzbrieve ungeverlich nachvolgende meinung angetzeigt worden.

B Weimar HStA, EGA, Reg. H pag. 421–434, Nr. 154/2, fol. 15r–21v (Reinkonz.); AS fol. 15r: Was an den konig des von irer kgl. Mt. zu gutlicher handlung wegen der braunschweigischen defension angesatzten tags halben mit Hg. Heinrichen durch meins gnädigsten herrn und des landgraven rethe getragen. 1543 Nurmberg. ÜS fol. 16r: Instruction, was von Gots gnaden unser Johans Friderichen [...] und Philipsen [...] rethe und lieben getreuen, Melchior von Ossa Dr., cantzler, Eberhard von der Than, amptman zu Wartburg und Hausbreitennbach, Mag. Frantz Burcharden, wolfenbuttelischer cantzler, Rudolph Schenck und Johann Walter Dr. an röm. kgl. Mt., unsern gnädigsten herren, von unserntwegen werben [sollen].

A und B differieren zum Teil in den Formulierungen, entsprechen sich aber inhaltlich. A resümiert die ablehnende Antwort der kursächsischen und hessischen Räte von kgl. Seite, während B die Instruktion Kf. Johann Friedrichs und Lgf. Philipps für die Räte darstellt1.

Kursachsen und Hessen bestätigen den Erhalt des Ausschreibens Kg. Ferdinands zur Tagsatzung am 1. April 1543 in der Causa Braunschweig (Nr. 250). Dass sie bereit sind, an den in Nürnberg unter bayerischer Vermittlung begonnen gütlichen Verhandlungen über die Restitution der Kinder Hg. Heinrichs teilzunehmen, haben sie bereits bewiesen. Das man aber hernach stracks uff Hg. Heinrichs person die handlung zu richten furgenohmen2, darob tragen ire chur- und fstl. Gnn. nicht wenig verwunderung, wissen auch nicht, woher sich diß also unversehenlich verursacht. Ire chur- und fstl. Gnn. hetten sich des auch sampt iren mitverwanten stenden nicht versehen, dieweil hochgemelte Hgg. zu Baiern etc. irer chur- und fstl. Gnn. gemueth vorbemelter handlung, und sonderlich auß denen derhalben ergangen schriften genugsam verstanden, das ire chur- und fstl. Gnn. aus ehrlichen, auch gemeinem nutz deutscher nation furtreglichen ursachen keiner gutlichen handlung des von Braunschwigs person, sondern allein gemelter seiner sohne halben wollten pflegen lassen3.

Wegen der Änderung in der bayerischen Verhandlungstaktik erstatteten die kursächsischen und hessischen Räte ihren Auftraggebern Bericht und baten um Bescheid, was aber kein Ende, sondern lediglich eine Unterbrechung der Gespräche mit Bayern bedeutete. Und sobald sie denselbigen [Bescheid] bekomen, wurden sich die gesanten gegen den baierischen rethen in diesem handel weiter vernemen lassen. Wegen der laufenden Verhandlungen mit Bayern lehnen Kursachsen und Hessen ihre Teilnahme an der vom König für 1. April 1543 ausgeschriebenen Tagsatzung in der Causa Braunschweig ab.

Ein weiterer Grund für die Ablehnung des Verhörtages in der Causa Braunschweig ist, dass die Bundeshauptleute das kgl. Ausschreiben zu spät erhielten, nämlich Kursachsen vor dreizehn und Hessen vor sieben Tagen. Diese Tatsache hinderte sie daran, ihre Mitverwandten rechtzeitig zu informieren und sich vor der Tagsatzung in Nürnberg untereinander zu besprechen. Vor allem die Städte Braunschweig und Goslar konnten nicht zeitgerecht verständigt werden, um ihre Gesandten abzufertigen. Dieweil der kgl. Mt. tagsatzung dahin verstanden worden ist, daß Kff. Ff. und stende der cristlichen verain mit Hg. Heinrichen selbst gutlicher verhor und handlung auf diesn termin gewarten [= pflegen] sollten, des aber ire chur- und fstl. Gnn., Gnn. und Gg. aus trefflichen, grossen und pillichen ursachen noch nit entschlossen gewest, als dan auch die baierischen rethe solchs von den gesanten dieser stende in der underhandlung wol vermerckt, und derwegen aus unvermeidlicher notturft sich erst hirvon vor diesem tag semptlich hetten underreden und, was ine hirinn zu thun, schliessen mussen. Die eilig erfolgte Vorladung verhinderte solche Vorberatungen, weshalb Kursachsen und Hessen an den vom König in Nürnberg anberaumten gütlichen Verhandlungen nicht teilnehmen werden. Sie und ihre Mitverwandten erklären aber nochmals ihre Bereitschaft, sich in einem öffentlichen Verhör vor Kaiser, König und Reichsständen zu verantworten. Die Ankunft des Kaisers im Reich ist abzuwarten. Er werde erkennen, dass der Herzog nicht nur den Schmalkaldenern, sondern auch Kaiser und Reich großen Schaden zufügte, wie bereits die Nachforschungen seines Kommissars 1541 ergeben hatten4.

Hirumb weren ire chur- und fstl. Gnn. zu der kgl. Mt. der underthenigsten und verhofflichen zuversicht, kgl. Mt. wurden irer chur- und fstl. Gnn. und derselben ainungsverwanten aus ertzelten ursachen, auch groß wichtigckeit halb dieser sachen nit verdencken, sondern gnediglich entschuldigt haben, das ire chur- und fstl. Gnn. sampt iren ainungsverwanten vorberurten vorbeschied [= Vorladung] und tagsatzung dermassen und zuforderst vor ksl. Mt. personlichen ankunft ins Reich nicht mochten leisten noch solcher verhor und handlung gewertig sein. Kgl. Mt. wolt auch solche verhor und handlung biß zu ksl. Mt. personlichen ankunft, wie berurt, gnedigst anstellen und des aus berurten ursachen, wie sich ire chur- und fstl. Gnn. underthenigst versehen, kein misfallen tragen.

Und letzlich so betten ire chur- und fstl. Gnn. die kgl. Mt. underthenigst, sie wollten uff irer chur- und fstl. Gnn. erbietten bei den verdechtigen chammergerichtspersonnen die verschaffung thun, das sichs uber und wider irer chur- und fstl. Gnn. und derselben verwanten eingeworfene recusation zu procedirn gentzlich enthalte, inmassen es dann zu recht schuldig und one das ire chur- und fstl. Gnn. desselben vermeinte proceß vor gantz uncreftig und nichtig, auch was darauf understanden wurde, fur thettlich und landfridbruchig gehandelt halten musten. Bitte, dass sich der König gnädig erzeigen möge.

Anmerkungen

1
Zu den Erörterungen zwischen Kf. Johann Friedrich und Lgf. Philipp über die Formulierung der Antwort an den König siehe: G. Mentz, Johann Friedrich der Grossmütige, Teil 2, S. 364.
2
Siehe die bayerischen Vorschläge vom 23. und 27. Febr. und vom 1. März im Verhandlungsprotokoll (Nr. 244).
3
Kursachsen und Hessen fürchteten, dass die Hgg. von Bayern dem Braunschweiger Herzog zur Wiedergewinnung seines Fürstentums verhelfen könnten. Sie misstrauten Dr. Eck, da er entgegen vorheriger Abmachungen die Person Hg. Heinrichs bei den Verhandlungen ins Spiel brachte: [...] Nu het es, wie er [= Eck] selbst erachten kunte, bei uns ein seltzames ansehen, das seine hern uffgenommen [= auf sich genommen], zwuschen des von Braunschwigs kindern, uns und unsern verwanten gutlich zu handeln, aber hernachmals hetten ire Ll. solche handlung fallen lassen, dieweil wier uns beschwert, dieselbe mit des von Braunschwig selbst person pflegen zu lassen. Und wiewol wier uns zu gedachten unsern vettern [= Hgg. von Bayern], seinen hern, und irer personen halben nit versehgen, das der von Braunschweig solche practicken aus irer Ll. landen triebe, so hetten wier dannoch nit unterlassen mugen, ime, Dr. Eck, solchs antzuzeigen und seinen bericht dorumb zu horen lassen. Dann solt es die meynung und der von Braunschweig zu solchen practicken bei im auch furderung haben, so wurden wier unser und unser mitverwanten bestes dargegen auch betrachten mussen. [...]. Zitiert aus einem Schreiben Kf. Johann Friedrichs von Sachsen und Lgf. Philipps von Hessen an ihre Räte in Nürnberg, o.O., 1543 (Montag nach Quasimodogeniti (April 3), in: Weimar HStA, EGA, Reg E 150, fol. 371r–372v (Ausf.).
4
Mandat Karls V. an den ksl. Kommissar Christoph von Seiseneck, in Goslar und Braunschweig die steitenden Parteien zu verhören, 1541 April 12. Siehe dazu: G. Blume, Goslar und der Schmalkaldische Bund, S. 90f.