Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

A Frankfurt ISG, Reichssachen II 964, unfol. (Kop.); ÜS: An die personen, die sich dieser zeit das ksl. cammergericht zu verwesen anmassen. Lectum [Frankfurt], 23. Januarij 1543.

B Frankfurt ISG, Reichssachen II 964, unfol. (Konz. mit Korr. v.d.Hd. Lambs)2; AS: Protestatio, ratificatio et revocatio respective Bgm. und raths der stat Franckenfurt am Mayn. Lectum [Frankfurt], 23. Januarij 1543.

C Stettin AP, AKS I/10, S. 55–57 (Kop.).

D Ludwigsburg StA, B 189 II, Bü. 54, unfol. (Kop.).

E Stuttgart HStA, A 262, Bd. 24, unfol. (Kop.); ÜS wie in A.

Eß haben der churfursten, fursten, graven, stett und stendt der cristenlichen eynigung reth, gesanthen und botschaften von dem vergangen tag zu Schweinfurt, im Novembri des verschienen 42. jars gehalten, uff entpfangnen bevelch irer genedigsten und genedigen fursten, hern und obern auß iren grossen beschwerungen und rechtmessigen, gegrundten und bestendigen ursachen wider euch, die sich des ksl. cammergerichts zu verwesen anmassen, ein recusationslibell3, in welchem sie euch als verdechtige, partheyliche und sorgliche richter recusiert, durch ire verordenten gewalt- und bevelchhaber ubergeben lassen, inmassen dan solichs uf den 4. tag Decembris euch gerichtlich furpracht worden und sie euch vermog desselben libels kraft entpfangenen befelchs recusirt haben.

Wiewoll sich nhun dieselben und wir versehen, ir, die vorgemelten personen, solten gegen unsern zugewanthen und uns stilgehalten, verner nit procedirt, sunder die sachen, als ir dan von rechts wegen zu thun schuldig gewest, ad arbitros kumen lassen haben, so habt ir doch, wie unß glaublich angelangt, ungeacht solcher recusation vermeinlich gegen uns furgefaren und uff den 13. Decembris des verlaufnen 42. jars ein vermeint decret wider unß eroffnen lassen4.

Dieweil nhun ein solchs von euch vermeinlich und wider gemeyne beschriebene recht und billicheit beschehen, so protestirn wir hiemit von solchem euerm nichtigen proceß und decret und wollen wider dieselben alle unser vorige recusationlibell in allen und jeden seinen clauseln, puncten und meynungen, auch sunsten allen andern handlungen, so gemelte bevelchhaber vor euch derhalben gehandlet, hiemit ratificirt, beliebt, genem gehalten und widerholt habena, ratificirn, belieben und widerholen auch dasselbig recusationlibell hiemit gegenwertig in der allerbesten und bestendigsten form, wie solchs beschehen soll, kan oder mag etc.5

Und haben hieruff unsere constituirte procuratores N. und N.b, die wir biß doher zu verwaltung unser sachen und rechtvertigungen am cammergericht gehabt, sampt allen unsern inen derhalben gegeben mandaten und bevelhen in allen denselben sachen revocirt und widerruffen und revocirn die hiemit bester form rechtens wissentlich mit dieser protestacion, do sie sich uber diese unsere revocation weitter fur sich selbst oder sunst, wie das beschehen mecht, in unsern handlungen und sachen einlassen wurden, das wir darein keinswegs willigen, solchs auch fur genem nit halten wollen. Und haben euch solchs alles, des ein wissenschaft zu haben, nit bergen wollen.

Anmerkungen

1
Laut dem CA-Protokoll Lambs vom 13. Jan. 1543 (Nr. 86c, fol. 208rv) wurde über die Protestation an diesem Tag verhandelt und ein Textvorschlag fertiggestellt. Diesem Entwurf folgend, fertigten die einzelnen Bundesstände einige Wochen später ihre Gesandten zum RKG mit entsprechenden Schriftstücken ab. Über diesen Vorgang unterrichtet ein Schreiben Hg. Ernsts von Braunschweig-Lüneburg an seinen Gesandten Dr. Nikolaus Holstein, Celle, 1543 montags post Invocavit (Febr. 12), in: Hannover NLA, Celle Br. 3, Nr. 20I, fol. 51r–52v (Ausf.): [...] Es ist unß ein schreiben von unserm freuntlichen, lieben vettern, dem Kf. zu Sachssen, zukomen, wie ihr ab der copey mit A zu sehen habt [Nr. 271]. Daruff haben wir ein protestacion, ratificacion und revocation [Nr. 263], auch ein instruction und mandat [Nr. 262] uff euch stellen lassen, die wir euch hineben zuschicken. So haben wir auch an unsern procuratorn Dr. Christoff Hoßen geschrieben, wie ihr auch ab beiligender copey [Nr. 264, Anm. 3] vernehmen werdet. Und moget ihr nhun diejenigen, so von wegen der gemeinen stende in das camergericht geschickt werden, in kraft euers mandats substituiren, damit also an unß in nichten, das zu thun vor gut angesehen, mangel erscheine.
2
Das Konz. (B) ist im Namen von Bgm. und Rat von Frankfurt formuliert und weist einige Abweichungen zu den anderen Überlieferungen auf. Die von Dr. Hieronymus zum Lamb eighd. angebrachten Korrekturen und Ergänzungen enthalten Hinweise auf die am RKG anhängigen Prozesse der Stadt Frankfurt.
3
Kf. Johann Friedrich von Sachsen war bestrebt, das Rekusationslibell vom 4. Dez. 1542 möglichst vielen Reichsständen in Nürnberg zur Kenntnis zu bringen. So schrieb er am 5. Jan. 1543 aus Torgau an seine Räte: [...] Nachdeme wier aus etzlichen bewegenden ursachen bedacht und vor gut angesehen, das die recusation, so jungst gegen und wider das camergericht furgewant und in druck gegeben, sunderlich aber uff itzigem reichstage zu Nurmberg unter die reichsstende doselbst ausgeteilt wurde, so senden wier euch hirneben etzliche exemplaria solcher recusation. Und ist unser begern, ir wollet dieselben furder zu Nurmberg, wie ir dan werdet zu thun wissen, austeilen. Wyer wollen euch auch derselben furderlich mehr hinach schicken. So haben wier auch unserm vettern und brudern, dem Lgf. zu Hessen, deren auch etzliche zugefertigt. Vorsehen uns, es werde den stenden der christlichen vorein nit misfallen. [...]. In: Weimar HStA, EGA, Reg H Pag. 421–434 Nr. 154/3, fol. 7r–8v, hier fol. 7r (Ausf.).
4
Mit Urteil vom 13. Dez. 1542 verwarf das Kollegium des RKG die Rekusation und lud die Teilnehmer am braunschweigischen Feldzug vor das Gericht zur Verantwortung auf die Klage Hg. Heinrichs von Braunschweig wegen Landfriedensbruchs. Bei Nichtbefolgung dieser Ladung drohte auf Antrag des Klägers die Reichsacht. Siehe dazu: G. Schlütter-Schindler, Der Schmalkaldische Bund, S. 234.
a
In A marg.: Notum: Die stett sollen dieses orts solche protestation [und] ratification in namen irer und der gemeinen[stett] samenthaft thun.
5
Nicht alle Mitglieder des Schmalkaldischen Bundes schlossen sich der Rekusation des RKG an. Vor allem die Hgg. von Pommern, die sich am braunschweigischen Feldzug nicht beteiligt hatten, sprachen sich gegen die Rekusation des RKG aus. Hg. Barnim schrieb dazu an Hg. Philipp von Pommern, Stettin, 1543 sonnabens nach Estomihi (Febr. 10), in: Stettin AP, AKW Sign. 14, fol. 2rv (Ausf.): [...] Was der Kf. zu Sachsen etc. von wegen der recusation des camergerichts an euer L. und uns geschrieben [Nr. 271], desgleichen was sich die rethe, gesandten und potschaften der christlichen verein itzt zu Nurmberg deshalben ferner entschlossen, hat euer L. auß beiliegend abschriften und noteln zu erlesen, die wir euer L. hiemit ubersenden, unß derselben radt und gutbeduncken darauf zu eroffnen. Weil wir aber unß bedachter der braunschweigischen vheide nicht anhengig gemacht, können wir nicht vor guth oder gelegen ansehen, das wir uns itzt mit in die recusation des camergerichts, die zu mhern theil deshalben geschicht, einlassen, das dan nichts anders als ein ratification derselben vheide kont oder mocht angesehen und geachtet werden. So ist auch unser gelegenheit nicht, wissen auch ohn radt und furwissen unser furnehmisten landtrethe in die recusation nicht zu willigen oder aber unsern rethen, so itzt zu Nurmberg seint, daruber andern bevehl, dan als sie bereit deshalben, als sie von uns gescheiden, empfangen [Nr. 63], nicht zu thun. [...]. Zur Haltung Pommerns betr. die Rekusation des RKG siehe auch R. Heling, Pommerns Verhältnis zum Schmalkaldischen Bund, S. 47f.
b
In B ist Dr. Friedrich Reifsteck als Prokurator genannt. Es folgt danach die Auzfzählung aller Causen, welche die Stadt Frankfurt am RKG anhängig hat.