Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Augsburg StadtA, Lit. 1542 (!)1, unfol. (Kop.); DV: Der evangelischen stend gesandten usschuß bedencken der privatpersonen halb, ob gut sei, daß sie am chamergericht handlen.

Die verordneten herrn des engern außschutz cristlicher verstendtnus haben den gesanten der stat Augspurg uff ir furbrachte frag2 und begern nachvolgendt bedencken auf verbesserung angezaigt:

Nachdem sich die stat Augspurg west zu erinnern, das ain jeder stand cristlicher verein nit allein fur sich selbs, sonder auch von wegen irer gemeind und underthanen sich in die verstandtnuß eingelassen und verschriben, das auch ein rhat zu Augspurg die recusation des cammergerichts, in sachen die braunschweigische defension belangendt, nit allain fur sich, sonder auch von irer gemeindt wegen bewilligt, ratificiert und dem Kf. zu Sachssen gleicher gstalt zugeschriben het, so hielten die herren des außschutz fur unzweifelich, das nit allain ain rhat zu Augspurg oder anderer stetten, sonder auch die gemeyndt und ein jeder privatburger oder underthan derselbigen stett sich der obbestimpten recusation anhengig und theilhaftig gemacht hab.

Derwegen were egemelter herren des außschutz bedencken, das ein rhat zu Augspurg oder ein jeder anderer stand seine privatburger oder underthan, die auf den prefigierten termin cum exceptionibus dilatoriis oder in ander weg fur sich selbs zu erscheinen gedachten, het fordern, ermanen und warnen lassen, das sye sich von der ingeprachten recusation und darauf erfolgte ratification nit absondern, sonder derselbigen anhengig bleiben wollten aus nachvolgenden ursachen:

Erstlich, das zu besorgen, das der privatpersonen angemaßte dilatorie exceptiones nit zugelassen, sonder von beysitzern am cammergericht als partheyschen richtern mochten verworfen und aberkannt werden, und sonderlich von wegen das an allen orten comunis vox et fama wer, das die stett nit von wegen irs magistrats, sonder auch irer gemeindt halben das in der braunschweigkischen defension begriffen und das cammergericht recusiert hetten.

Furs ander, wo die privatpersonen von der bescheenen recusation abfallen sollten und inen nichts wenigers nachmals von wegen der braunschweigkischen defensionsach sollte einicher schaden an gelt oder iren guetern zusteen, so wird man sye auß obgehorten ursachen mit der hulf cristlicher verstantnus verlassen, der sie sonst gewertig sein mochten.

Die dritt ursach, das das cammergericht, wie es jetzt ist, nit besteen mog, sonder es mues in einer kurtz reformiert und die geschwinden proceß abgethan werden, wie dann die stend der cristlichen verwantnus solliches bey kgl. Mt. und den ksl. comissarien zu erlangen jetzt alhie in stetter ubung und handlung stuenden.

Die lest ursach, das on not were, das die angezognen privatpersonen auf den angesetzten tag, den 26. Februarij3, erschinen, sonder wol gar außbleiben mochten, dann so die assessores des cammergerichts in der braunschweigkischen defensionsach via ordinaria procediern wollten, so konnten egenannte personen auf disen und auch andere mer nachvolgendt termin propter contumatiam in die peen des landtfridens nit declariert werden. Mittlerweyl mocht das cammergericht reformiert oder aufs wenigist die proceß abgeschafft werden.

Es sollt auch ein rhat zu Augspurg und ein jeder anderer standt ire burger oder underthan ernstlich ermanen, das sye sich von inen in diser recusationsach nit absondern oder, des irer oberkeit am cammergericht zugegen [= entgegen] wer, handlen sollten. Wa sy aber sollichs uberschritten, das ime ein rhat oder ein jeder anderer standt wider solliche ungehorsame burger, was im von rechts wegen geburet, vorbehalten wollt4.

Anmerkungen

1
Das Aktenstück wurde irrtümlich unter den Lit. 1542 abgelegt, obwohl es inhaltlich zweifelsohne zu den Verhandlungen der Schmalkaldener von Jan./Febr. 1543 gehört.
2
Die von den Augsburger Gesandten an die Schmalkaldener gerichtete Frage wurde einem Schreiben des Rates an die Gesandten Jörg von Stetten und Dr. Lukas Ulstett vom 19. Febr. 1543 beigelegt: Zedl im namen ains ersamen rats: Daneben fuegen wir euch zu vernemen, das sich bei uns ain frag erregt, ob die privatpersonen und underthanen der evangelischen fursten, stett und stende uff die ußgangen des chamergerichts citacion, ungeacht der recusacion, die von rats und gemein wegen zu thun entschlossen ist, sich mögen am chamergericht in sachen den brunschwigischen krieg belangend einlassen, fur ire personen durch exceptiones dilatorien und ander wege handlen und versuchen, sich vor der acht zu verwaren, obgleich sunst rat und gemain in die acht erclert wurden oder werden sollten etc. Welchs bei uns eines zweiffels waltet, ob es die maynung der sondern personen halb zu Nuremberg beschlossen also sei oder ob es der gemainen recusation abpruchig und widerwertig sei. Dann wir seien sunst wol resolvirt, das ain sondere person in iren sondern sachen sich des chamergerichts wol prauchen möge, aber in diesem fall, die hauptsach – das ist den brunschwigischen krieg als ain gemaine sach der verstentnus – belangend, nit. Darumb und dhweil dieses ain articul und frag, daran uns und gemainer stat viel gelegen, so ist unser befelch, ir wollend den evangelischen stenden oder usschuß solliche frag furderlich mit vleiß furlegen, beschaid doruff bitten und, was euch doruff zu antwurt gefallt, uns dasselb so bald möglich zukomen lassen. In: Augsburg StadtA, Lit. 1543, unfol. (Konz.).
3
Am 26. Febr. 1543 sollten sich die braunschweigischen Defensionsverwandten vor dem RKG in Speyer auf die Klage Hg. Heinrichs d. J. wegen Landfriedensbruchs verantworten.
4
Um die Position Augsburgs in der Frage des Zugangs von Privatpersonen zum RKG zu verdeutlichen, fertigten Bgmm. und Rat von Augsburg den Juristen Dr. Claudius Pius Peutinger abermals zu Verhandlungen mit den Schmalkaldenern in Nürnberg ab. Als Peutinger am 21. Febr. 1543 in Nürnberg ankam, erfuhr er, dass die Schmalkaldener das obige Ausschussgutachten (Nr. 274) bereits fertiggestellt und an den Rat von Augsburg geschickt hatten. Darüber berichtete er an die Bgmm. Hans Welser und Mang Seitz am 22. Febr. 1543: [...] Als ich nun allhie ankummen, hab ich bey den hern gesanten befunden, das euer Ft. des außschutz antwurt schon zugeschickt und darumb all mein handlung nach demselben beschlus vergebenlich. Es bedarf auch nit fragens, wie es mit den rhatspersonen gehalten werden soll. Demnach euer Ft. verstanden, das der außschutz nit fur geraten acht, das die privaten sich in Hg. Heinrichs sach fur ir interesse einlassen sollen. Und hab mich in den allegierten ursachen ersehen, beschicht mir gar nit gnug. Und wurdt furnemblich deren argument, so ein ersamer rhat von Dr. Hälen [= Dr. Konrad Hel] und mir gehort, kheins angeregt: Die ungelegenheiten, so der stat Augspurg fur andern stenden daher entsteen und das der recusation nichts damit benommen noch darwider gehandelt, also das dieselb minder wurckung dann den andern weg haben sollt, und lestlich, das euer Ft. als ein burgerliche oberkeit iren burgern das recht zusperren oder weren, ordenlicher weyß nit wol darzu kommen mag, und das ein ersamer rhat in sollichem val mer dann ain gedancken haben mueß etc. Darwider des außschutz argument gar nit schliessendt etc. Ob nun euer Ft. und ainen ersamen rhat fur gut ansehen wollt, aus denen jetz gehorten und andern mer argumenten, so hierzu dienlich, weytter mit den stenden zu handlen und auf sollichen weg, das, ob sye, die stendt, aus nochmaln gethanem bericht angesehen der stat Augspurg und der iren gelegenheit leiden mochten, das sich etliche der iren privatpersonen unabpruchlich der gemeinen recusation auf ir gewär in recht inlassen mochten etc., oder wie und was uber den gegebnen bescheid hierinn weyter zu handlen. Seint die andern gesanten, die ich diß schreiben lesen lassen, auch ich, bevelch gewertig und urbuttig, in dem und allem das best wir mugen zu handlen etc. In: Augsburg StadtA, Lit. 1543, unfol. (Ausf.). Bgm. und Rat erteilten den Gesandten in Nürnberg am 27. Febr. 1543 Weisung, den Artikel über die Privatpersonen durch alle Schmalkaldener beraten zu lassen und nähere Erläuterungen zu verlangen. In: Augsburg StadtA, Lit. 1543, unfol. (Konz.)