Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Marburg StA, PA 650, fol. 315r–321r (Ausf.).

Auf Befehl des Landgrafen suchten sie am 24. März Granvelle auf und gaben ihm zu verstehen, dass ihr Herr ohne vorherige Erledigung der Artikel zu Friede und Recht die Türkenhilfe nicht bewilligen werde.

Daruf dann er, der Granvella, im anfang vast [= sehr] beweglich und mit ernst geantwortet, er hett die schriftlich anthwort, so euer fstl. Gn. der kgl. Mt. uf die handlung, so ire Mt. in seiner gegenwertigkheit mit unß ad partem gepflegt, gegeben [Nr. 164], ires inhalts verlesen und khonte nochmals unser suchen und händel nit verstehn, dann dasjenig, das wir suchten und biß anher gesucht, des weren wir gnugsam versichert. Dann uber das, das wir die ksl. Mt. zum friden geneigt zu sein in viel wege biß anhero clerlichen befunden, so wusten wir unß ye wol zu berichten, das kgl. Mt., die ksl. commissarien und er, der Granvell, sich hetten vernehmen lassen, das die catholici sich erpotten, mit unß und menniglichen friden zu halten. Das sie auch bewilligen wolten, das alle proceß am chammergericht in glaubens- und prophansachen biß uff die reformation ingestelt und die reformation des chammergerichts uf das furderlichst vorgenommen werden solte.

Nuhn khönten wir ye nit sagen, das die catholici etwas thatlichs gegen unß vorgenohmen hetten und, da es sich etliche understanden, das dennoch die ksl. Mt. inen sollichs nit hab wollen nachgeben, also das wir unß des mangelß am friden und rechten mit keynem grundt zu beclagen haben. Hinwider were aber wahr, das wir uber alle abschiede und bewilligte friddestende Hg. Heinrichen gewaltiglichen uberzogen, das lande ingenohmen, den hertzogen veriagt und behielten uff disen tag das lande innen. Nu hetten ksl. und kgl. Mtt. die dinge hingehn lassen und biß anhero davor gewesen, das etlicher leuth vorhaben gegen unß in das werckh nit were pracht worden, wolten es auch noch nit gestatten. So hett der konnig ime, Hg. Heinrichen, alhier undersagt, das er stillstehn und mit der that nichts vornehmen, sondern die sach zu gutlicher verhore khommen lassen solt. Und da er uber solichs mit der that etwas furnehmen wolte, wurde ime solchs nit gestatt werden. Zudem, da wir in der defension zu vil gehandelt, so wurde man das passiren lassen. Er, Hg. Heinrich, must die iniurien leiden und nit allein mit der that, sondern auch dem rechten stillstehn, was sie doch mehr thun, ob sie ime ein strickh an halß solten legen.

So were die ksl. Mt., wie er oben angezeigt hett, in allwege zum friden geneigt und, da wir auch die thurckenhulf nit wurden leisten, so wurde er doch mit unß fride halten, dann es were gewiß, das der kheyser mehr uff unserm dann uff der catholicorum theil were; hett auch derhalben den bapst und viel seiner freunde und auch die catholicos zum theil uf sich geladen.

Dieweil nuh die catholici wolten fride halten und sich darzu erpotten und die ksl. Mt. darzu geneigt und der konnig und er, Granvella, in nahmen ksl. Mt. sich dergleichen auch darzu erpotten, so khonte unß an friden nichts mangeln. Dann da yemants mit der that etwaß gegen unß wurde vornehmen, so wurde der keyser unß wider den beistendig sein. Und das wir des alles nit wolten begnugig sein, das wurde khein ander ansehen bey menniglichen haben, dann das wir wolten thun, was wir wolten, auch in dem fall, da unß der fridde, wie wir den begerten, gegeben wurde.

Darzu so hetten alle stende von den catholicis, außgescheiden des munsterischen gesandten, den friden gnugsam geacht und das ohne noith, davon ferner zu handeln. Und solten derwegen euer fstl. Gn. pillich uß allerley ursachen der ksl. und kgl. Mtt., auch ime, dem Granvell, glauben und ferner in sie nit dringen. Ksl. Mt. hett unß die declaration [RTA JR Bd. XI, Nr. 949] gegeben, da wurde er unß bey handthaben.

Damit wir aber ye sehen, das sie unser begehr, sovil an inen, zu erstatten gantz geneigt, so wolte er unß vertreulich anzeigen, adas alhier mit aller stende wissen und ußdrucklicher bewilligung der fride und gleichmessig recht, auch die reformation des cammergerichts und das alle und jede proceß am cammergericht solten suspendirt sein, im abschiedt versichert werden solt, so wolten der konnig, die ksl. commissarien und er, der Grandvella, in nahmen der ksl. Mt. unß des versicherung geben, das alle beisitzer gewißlich abgeschafft und nimermehr in unsern sachen richter sein solten, das auch der fride und die reformation vermoge der ksl. declaration verstanden und vorgenohmen werden sollte–a, doch so musten etliche uß disen stenden allein von sollicher versicherung wissen, damit die vor ankhunft der ksl. Mt. nit ausgepreit werde, wie mit der vorigen declaration geschehen. Dann dieweil wir unß derselbigen gegen die catholicos beruhmet und inen die vorgeworfen, hetten wir inen ursach zu der verbitterung und zu anfechtung derselbigen gegeben. Es were unß ye gnug, das wir ksl. Mt. meynung und willen hetten, das sie der sachen, davon die declaration vermelten, mit unß zufriden1.

Solte nuhn euer fstl. Gn. solches hohes erpieten nit gesettigt sein und ferner in die ksl. und kgl. Mtt. dringen, so khont euer fstl. Gn. leichtlich erachten, das ire Mtt. es gewißlich davor halten musten, das euer fstl. Gn. inen nichts wolte vertrauen ader glauben und das euer fstl. Gn. under solchem schein die thurckenhulf gentzlichen abschlugen. Und eher die ksl. Mt. dermassen in sich wurde dringen lassen, eher wurde sie dem konnig 200 000 fl. geben und also diser stende hulfe damit erstatten. Zudem so liessen sich die ansehenlichste und treffenlichste uß den unseren offentlich vernehmen, das sie willig weren, die hulf zu leisten, wo euer fstl. Gn. und etzliche zu der hulf möchten beredt werden.

Die Räte antworteten Granvelle, dass die Bedingungen ihres Herrn für die Leistung der Türkenhilfe nicht erfüllt seien, worauf dieser sie unterbrach und seine Überredungsversuche fortsetzte. Bitte der Räte um Bedenkzeit, da sie sich mit etlichen vertrauten personen besprechen wollten..

Betr. die Unterstützung des Kaisers im Krieg gegen Frankreich wiederholten die hessischen Räte das frühere Angebot des Landgrafen. Abermalige Beteuerungen Granvelles betr. die freundliche Haltung des Kaisers gegenüber Lgf. Philipp. Bericht Granvelles über seine Bemühungen, Hg. Moritz für den ksl. Dienst gegen Frankreich zu gewinnen. Und da euer fstl. Gn. und Hg. Moritz sich also gutwillig erzeigten, so wurden die ksl. Mt. zulassen und gestatten, das Hg. Moritz mit rath und vorwissen euer fstl. Gn. oder euer beder fstl. Gnn. samptlich die geldrische sache gutlich hinlegen und vertragen, dann er, der Granvell, wust die mittel, das die sach uff gute und beiden theil treglich und annemlich wege khonte hingelegt werden. Und darumb solten euer fstl. Gn. die jetzige bequemlichkheit aller sachen, wie er oben angezeigt, nit verseumen, sondern seinem treuen rath in dem volgen.

Betr. die Friedensinitiative der Reichsstände in der Causa Jülich gaben die Räte Granvelle zu verstehen, dass Lgf. Philipp den Regensburger Vertrag mit dem Kaiser (1541 Juni 13: RTA JR Bd. XI, Nr. 400) nicht vergessen habe und sich dem Herrscher verbunden fühle.

Befürchtungen der hessischen Räte über ein Bündnis zwischen Bayern und Württemberg wurden von Granvelle zerstreut mit dem Hinweis auf den Kaiser als engen Verbündeten Hessens, der sich an den Regensburger Vertrag halten werde.

Und dieweil, gnediger furst und herr, disse dinge also vertreulich zwuschen dem Granvell und unß verhandelt und dennoch groiß und wichtig sein, so bedechten wir gantz undertheniger meynung, es solt nit ungut sein, das euer fstl. Gn. sollich und dergleichen dinge hinfuro dem H. Granvell in schriften angezeigt und umb schriftlich anthwort gepetten hetten, dann es hetten ye euer fstl. Gn. durch dissen weg sollicher dinge ein schein und nit allein wort, dero man gestendig sein khan ader nit. Doch stellen wir sollichs zu euer fstl. Gn. fernern und bessern bedencken.

Nachdem auch, gnediger furst und herr, die sachen fridens und gleichmessigen rechtens uff obgemelte wege, wie die oben understrichen seindt2, gepracht mochten werden und wir die sächsische und andere darzu nit ungeneigt befinden, so bitten wir underthenig, euer fstl. Gn. wollen sich uff sollich mittel und ob sie der versicherung deß khonnigs, der commissarien und des Granvels wolten begnugig sein, gnediglich resolviren und unß daruff ire endtliche meynung zuschreiben. Dann wir bedencken, wo solch erpieten nit wolt angenohmen und doch zuletzt die thurckenhulf geleist werden, das man wenig danckh und dasjenig, so man jetzo bekhommen mocht, nit erlangen werden, zuvor da die andern eynungsverwandten unß abgepracticirt und in die hulf bewilligen wurden. Dann man practicirt heftig mit den gesandten der stende, bildet inen ein und persuadirt inen, das die fursten disser eynung wol leiden mögen, das sie in die acht erclert wurden, dann dardurch musten sie allewege den fursten anhenig und in ewiger dinstparkheit sein und pleiben, dann ohne daß khonten sie sich gegen die acht nit uffhalten. Welchs dann ein argument ist, daß vil leuth ohne sonderlich muhe wol zu bereden sein, welchs alles euer fstl. Gn. wir undertheniger, treuer wolmeynung unangezeigt nit haben wollen lassen. Und wollen unß in alle weg unser instruction biß uff andern euer fstl. Gn. bevelch undertheniglich zu halten wissen.

[1. PS:] Es hat unß auch heut ein person des furstenraths, uff den euer fstl. Gn. vertrauen stellen, angetzeigt, das Eck mit seinen anschlegen den konig bey der naßen umbfure und ir Mt. vertroste, es sol und muß die thurckenhulf geleist werden. Und er wolt nun gern, das innen die stette in unserm rath vernemen liessen, solche hulf, wan die geschlossen wurde, zu weigern. Und ist das sein anschlag, mit den catholicis – wie er sie nent – zu schliessen, wie er dan gestern dieselben ervordert, mit inen von der thurckenhulf zu ratschlagen. Dan wiewol etliche guthertzige stimmen in dem furstenrath sein, so konten sie doch ohne unsere religionsverwanten fursten nichts erhalten. Darumb so hett Eck unß von den andern gesondert, der meinung, mit denselben das mehrer der thurckenhulf halb zu schliessen. Und wan nun der schlus gemacht, so hab er sich selbst beredt [= eingeredet], die uberigen mussen auch hernacher, sonderlich so sie eine execution daruf richten werden.

Zum andern, wann die hulf von dem andern theil geschlossen, so wurde erfordern, das von einer execution und hanthabung des landtfridens geratschlagt, darunder werde er Hg. Heinrichs handelung hofflich pringen und mit eintziehen und sich also mit verteckter prattic understeen, die catholicos alle in den nurnbergischen punt zu pringen, also das sich etliche under den catholicis desselben beclagt, nemlich sie sehen, das sie stilschweigende in die nurnbergisch buntnus gefuert werden. Und mussen entweder in derselben mit begriffen sein oder sich zu den protestirenden begeben. Datum ut in litteris.

[2. PS:] Was das Kommen Granvelles zu Lgf. Philipp von Hessen betrifft, so zeigt der Generalorator an, dass die kontroversen Verhandlungen des Reichstags seine Anwesenheit am Reichstagsort erfordern. Außerdem würde es ihm von den Katholiken übel genommen werden, wenn er sich zum Landgrafen begäbe. Die Bayernherzöge forderten Granvelle ebenfalls auf, sie zu besuchen, was er jedoch ablehnte. Bei Gelegenheit werde er auf ein Treffen mit Lgf. Philipp zurückkommen.

Der monsterischer gesandter3 hat sich uberaus wol uff unser seiten im rath erzeigt, also das er auch bey den andern ein grossen abgunst und widerwillen erlangt. Derhalben wollen euer fstl. Gn. mit dem bischoff schliessen, das er mocht ingenohmen werden, dan solt man inen verlassen, wurde ime zu nachteil reichen. Solchs solten euer fstl. Gn.[wir] in underthenigkheit auch nit verhalten. Datum ut in litteris etc.

Anmerkungen

a
–aUnterstr.Textpassage.
1
Um die hessischen Räte zur Mitbewilligung der Türkenhilfe zu überreden, bot Granvelle ihnen sogar die Absetzung der Beisitzer des RKG, einen Friedstand und die Reform des RKG auf Basis der ksl. Deklaration von 1541 an, allerdings sollten von der entsprechenden Zusicherung, wie schon in Regensburg 1541 und in Speyer 1542, nur wenige Stände in Kenntnis gesetzt werden, um nicht den Widerstand der Altgläubigen zu provozieren.
2
Siehe Anm. a–a.
3
Franz von Doy.