Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

A Marburg StA, Hanau 81 A, Nr. 181½ 2, fol. 221r–226v (Ausf.); DV fol. 226v: Des licentiaten schriften, mir [= Heinrich Steindecker] in Mentz uberantwurt uff Donnerstag nach Quasimodogeniti [April 5] 1543. Mentzs im wirtzhauß „Zur Kron“.

B Wiesbaden HStA, Abt. 150 IVa 1690, unfol. (Kop.); ÜS: Des Lic. Nallingers schriften, in Meinzt uberantwurt uff Donnerstag nach Quasimodogeniti anno etc. 43.

Er informierte den Sekretär der Wetterauer Grafen, Heinrich Steindecker, über alle Reichstagshandlungen und sandte ihm fünf Berichte aus Nürnberg. Da sich die Grafen auf dem für 5. April 1543 geplanten Grafentag in Mainz persönlich über weitere Instruktionen für den Reichstag beraten wollen, wendet er sich nun mit folgendem Bericht aus Nürnberg direkt an sie:

Die Beratungen der Reichsstände sind nach wie vor durch eine Trennung der beiden Konfessionsparteien gekennzeichnet. Deßweg ich auch sollicher beratschlagung bey aim oder dem andern thail intzugeen mich gemußigt, auch da ich zuvill von den catholicis zu radt beschickt werden wollen, mich etlich tag ausser Nurnperg gethan und mein schreyber in meim gemach gelaßen, wan ain gmainer conventus aller stende ungesondert werden solte, mir eylendt zu schreyben, das ich dan den nechsten da seye, wie dan beschehen.

Alß man uff Dinstag jetzvergangen [1543 März 20] der gulchischen kriegssachen halb zu gmainem rath sein sollen, bin ich den montags abendts widerkhomen und morgens in gmain rath gangen. Da man denselben Dinstag und Mitwoch [1543 März 20 und 21] sollich beschwerlich kriegssachen, daruff dem Hl. Reych und gantzer cristenhait hochst gevar stet, beratschlagt und in handlung bey kgl. Mt., ksl. Mt. orator und Kgn. Marie, auch den gulchischen gesanten, ob anstellung funden werden möcht, noch ist, wiewoll es vertrags ansehen noch gantz nit haben will.

Am 26. März wandten sich die altgläubigen Stände abermals an die Evangelischen wegen gemeinsamer Beratungen über die Türkenhilfe (Nr. 166). Diese antworteten nach längerem Bedenken am 29. März (Nr. 168) abschlägig, da ihre Bedingung vorheriger Verhandlungen zu Friede und Recht nicht erfüllt worden war. Daruber dan die catholici geratschlagt, darbey alß gespaltem radt ich meinem bevelch nach nit gewest. Und nachmittag umb drey horn alle stende wider beruffen und den augspurgischs confessionstenden muntlichen geantwurt [...], darwider gleich die augspurgischs confessionverwanten auch mundtlichen geredt [Nr. 169].

Seindt damit baider thail in dem grossen mißtrauen und widerwillen vonainander geschieden und bekhennen baiderseyts, das uff sollichen handlungen nit allein zertrennung, sonder gantz zerstörung des Reychs stande, und will doch der besser weg nit funden werden. Haben darober nun ain gantzs vierthail jars gestritten und nicht dan dises, wie euer Gnn. befinden, ußgericht, das woll zu erbarmen1. Ich wölt, das ich nit eben bey dise uberzwerche [= durcheinander geratene, gespaltene] handlungen geraten were, dan ich sovill anstöß von baiden thailn habe und vermain[en] ye die catholici, euer Gnn. bevelch seyn, das ich inen anhangen solle. So sprechen die augspurgischs confessionstende doch ad partem, es seyen etlich euer Gnn. inen zugethan und versehen sich zu den andern auch nit widerigs, dweyl sie doch nicht anders dan frid und recht begern. So dasselb versehen, alßdan mit gmainem radt gern die turckhenhilf alß hauptsach wolten helfen angreyffen.

Nun sindt heut [1543 März 30] zu 7 horn die stende, so sich die catholici nennen, [...] zusamenkhomen und die hauptsach fur handt gnomen und furgefarn. Damit dan, so ich verner aussen pleyb, sie euer Gnn. gegen kgl. Mt. und ksl. commissarien nit vermelden, alß ob euer Gnn. sich von den stenden Reychs sondern, dan sie sich die gehorsamen stende Reychs nennen und ain groß verhassung ains thails gegen dem andern ist, wer dem oder jhem thail anhangt, auch wissen mogen, warumb ich verner aussen pleyb, meins gemuths zu erclern, und dannocht also erlernen kundt, euer Gnn. gewiß zu machen, ob sie in der hauptsach furgingen oder nit, bin ich in mein session gangen. Und da die frag an mich khomen, dergestalt vernemen lassen, wie von euer Gnn. ich in der zuversicht abgevertigt, das man uff disem gemainen reychstag die hochwichtig des Hl. Reychs und gmainer cristenhait sachen aintrechtigklich durch gmaine stende nach vermög speyrischs reychsabschieds furnemen, beratschlagen und beschließen werde. Desweg euer Gnn. mir bevolhen, weß zu furderung, ere und wolfart des Hl. Reychs und gemainer cristenhait dienlich, neben und mit gemainen stenden des Hl. Reychs zu beratschlagen und schließen helfen, welliches ich dan in underthenigkait gewilt. Da sich aber jetzundt die sachen zu euer Gnn. unversehen dahin richten, das gesondert particular beratschlagung beschehen wolt, were mir obgelegen, sollichs an euer Gnn. zu gelangen und ires weyttern bevelchs zu begern. Darumb kundt ich mich in ainich gesondert handlung nit inlassen, sonder must euer Gnn. bevelchs erwarten, mit underthenigem, dinstlichen bitten, mir darinnen nicht zu beungnadigen oder in argem zu vermerckhen, dan ich alß ain diener thon must, weß mir bevolhen wurde. Das hett ich deßweg antzaigen wollen, damit ire fstl. Gnn., Gnn. und Gg. nit darfur hetten, da ich mich, zuvor und ehe mir weytter bevelch kheme, in gesundert handlung nit inlassen wurde, das euer Gnn. sich von stenden Reychs sondern oder ich nochmalen bevelch hette, mich den andern stenden antzuhengen, sonder allain verner beschaids zu erwarten. Sobald derselb mir kheme, wolt ich mich demnach aber aller gepur halten. Solte aber Got der Almechtig gnad geben, das nochmalen alle stende zusamensitzen und die sachen zu beratschlagen fur handt nemen wurden, wolte ich mich dan aber meinem habenden bevelch nach erzaigen und vernemen lassen, weß man mir und andern, so auch ungeverlich gleichmessiger maynung uff der weltlichen banckh gewest, nun darober uber die hauben gefarn2. Auch wie sich die beratschlagung gehalten und anders will euer Gnn. ich, ob Got will, in meyner kunftigen relation wol berichten, last sich nit alles schreyben. Aber sie wollen jetzs nachmittag umb drey hor schließen und kgl. Mt. ir schluß und antwurt uff die proposition ubersenden; darbey gedenckh ich nit zu sein, sonder euer Gnn. weytter bevelchs zu erwarten.

Weß sich dan die augspurgischs confessionverwanten stende halten, lenger hie vertziehen oder hineweg reytten werden, dan sie in embsiger beratschlagung auch seyen, will ich nechstdan euer Gnn. gen Hanaw meinem beschaidt nach gern zu wissen thun.

Und wollen dannocht under den dingen allen euer Gnn. wol bedacht sein, weß sie, da Got vor sey, sich in ainer unrug, die hochlich zu besorgen, zu jederman zu versehen, dann die augspurgischs confessionstende darfur haben wollen, so sie also abscheiden, das der fridstandt geringer wirckhung mer sein soll, und werde dan, wo ain thail uff das chamergericht geben und der ander dessen nicht achten wurdt, das faustrecht das best werden.

Dieweyl dann vermutlich, das die augspurgischs confessionstende nit lang mer hie vertziehen werden, achtet ich warlich von onnotten, das euer Gnn. den costen thetten, das ich auch lenger hie ligen solt, dan sich ye ainer nach dem andern hinwegschlaicht3 und andere substituirn, alß Hg. Othainrichs, baider marggraven, Bf. von Speyers [Gesandten]. So doch euer Gnn. am mainsten an erhaltung irer reputation, daran ir nunmehr mangelt, und dan an vergleichung der kreyßtruhen und ringerung der anschleg glegen, welche puncten durch sollich particular handlung nit erledigt werden mogen und, wie ich nechst geschrieben, uff ir handlung und abschied, wer will, geben wurdt, das warlich nit ain gutter radt ist, wer es also angericht hat, wiewoll sie darfur haben, das alle stende irem beschluß geleben sollen und musten. Dem allem nach ist nachmalen wie hievor mein underthenig bit, euer Gnn. wollen mich, irer gemutter verglichen, verstendigen. Soll an meinem möglichen vleyß nicht erwinden.

Es haben euer Gnn. auch ausser nechstem meinem schreyben verstanden, das ich die gwelt noch nit ubergeben. Das ist zuvor auch also und gantzs wol bedacht gewest, dan sie vill zu gmain stunden. Es wurdt auch nit not sein, allerdweyl man in sollicher particular handlung stet, das ichs einraich. Will mich auch, so lang immer muglich, dessen uffhalten.

Verhandlungen der oberrheinischen Kreisstände betr. die Bezahlung der Reiter und Knechte aus dem Türkenzug. Teilweise Erstattung der Kosten aus der in Frankfurt befindlichen Kreistruhe.

Erneuerung des Verbots fremden Kriegsdienstes durch Mandate Kg. Ferdinands (Nr. 137], von denen Nallingen 17 Stück zur Übersendung an die Grafen erhielt. [...].

Der Termin für den nächsten oberrheinischen Kreistag steht noch nicht fest; die Malstatt wird Speyer oder Worms sein.

Neue Zeitungen vom Vorrücken der Türken.

Anmerkungen

1
In einem Schreiben an Heinrich Steindecker, das ebenfalls vom 30. März 1543 stammt, beklagte sich Lic. Gregor von Nallingen noch bitterer über den unerfreulichen Verlauf des RT und die hohen Kosten des Aufenthalts in Nürnberg: [...] Und hapt mich warlich in ain unruwigen, ungeschlachten reychßtag, alß khainer gewest, wie ich von andern hör, dweyl die welt gestanden, gesteckt. Got vergeb euchs und helf mir mit fugen daruß. Und bedeucht mich warlich onnot, auch vergeblich sein, wo die augspurgischs confessionverwanten stende abritten, das meine hern verner costen litten und mich hie ligen liessen, auß ursach im nebenschreyben [siehe oben] gemelt, dan man unß auch weidlich schindt. Ich hab euch nechst geschriben, das ich nit mer gelt habe, daruber ir mir wider erbern beschaidt geben. Es ist aber ain sollich wuchergrub; wo ainer aim leyhen soll, vermaint er, wucher oder – wie sies nennen – interesse davon zu haben. Also das ich von meim wiert ain fl. oder 20 entlehenet, damit und zerung halb ain fl. 40 schuldig bin. Muß ain woch 15 oder 16 fl., auch minder oder mer haben, und speysen unß wie die hundt. Gedenckh, ich werdts noch woll erdarben mussen. [...]. In: Marburg StA, Hanau 81 A, Nr. 207/3 II, unfol. (Ausf.).
2
Im Sinne von: attackieren, angreifen.
3
Am 6. April 1543 berichtete Nallingen an Heinrich Steindecker, dass wegen der Differenzen zwischen Alt- und Neugläubigen ein abruptes Ende des RT jederzeit möglich sei: [...] Zum andern sten die sachen des reychstags heuttigs tags noch in der irrung, wie ich nechst nachainander meinen gnedigen hern und euch zugeschriben, das ich khain tag waiß, wie lang wir beyainander pleyben. Und farn die catholici fur, des wollen sich die protestirenden nit einlaßen. So halt ich mich biß uff vernern beschaidt alß ain neutralis. Wan gemaine stende durchauß, alß neben der hauptsach etwan in sondern fellen beschicht, zusamenkhomen, so bin ich auch zu rat. Sonst gesonderts radts enthalt ich mich und kondt euch noch unsers außrichtens nicht verstendigen, dan wir in sollicher irr durchainander, dergleichen nit erhört, und jeder des endts begert. Hör nieman, der lang hie zu sein ainich freudt hat. Got waist, wies endt nemen wurdt. Ich wölt, das mir frölich potschaft von euch kheme, das mir anhaim zu reytten erlaupt wurdt. Wir stehen in handlung, die gulchische kriegssachen zu fertigen. Ich sorg aber, wie michs ansicht, es wurdt nicht[s] darauß. Waß sie danider mitainander gehandelt und wollicher thail das feldt behalten, wist ir sonder zweyvel auch woll. [...] In: Marburg StA, Hanau 81 A 1/2 2, fol. 208r–209v, hier fol. 208v (Ausf.).