Deutsche Reichstagsakten, Reichsversammlungen 1556 – 1662 Der Reichstag zu Regensburg 1556/57 bearbeitet von Josef Leeb
4.2.1 Organisatorische Vorbereitungen. Kosten
Der Reichsabschied 1555 hatte Regensburg als Veranstaltungsort des für 1. 3. 1556 einberufenen Reichstags festgelegt104. Da die dortige Durchführbarkeit wegen der Gerüchte um eine Pestepidemie aber gefährdet schien, ließ König Ferdinand um die Jahreswende 1555/56 geheim erkunden, wie die Situation in Regensburg um die „sterbenden leuff“ geschaffen war. Nachdem die Auskünfte eine akute Epidemie nicht bestätigten105, konnte man mit der Organisation des Reichstags beginnen.
Für die Quartiervergabe war der Reichserbmarschall in Zusammenarbeit vorrangig mit der ausrichtenden Stadt106 zuständig. Entsprechend richteten die Reichsstände auch 1556 ihre Anfragen um Unterstützung bei der Quartiernahme sowohl an Reichserbmarschall Wolfgang von Pappenheim107 wie an die Stadt Regensburg108. Pappenheim kam zwar Anfang März 1556 nach Regensburg, nachdem ihn der dortige Rat über die Ankunft der ersten Gesandten unterrichtet hatte109, er weigerte sich aber, die Vergabe der Unterkünfte vorzunehmen, bevor der noch nicht anwesende Quartiermeister des Königs dessen Residenz und die Häuser für den königlichen Hofstaat eingenommen habe110. Die Weigerung Pappenheims bestätigt ein Bericht vom 5. 5. 1556, wonach bis dahin trotz dessen Anwesenheit noch niemand einfuriert war111. Der königliche Quartiermeister war kurz zuvor am 30. 4. 1556 angekommen. Er besichtigte die für Ferdinand und dessen Hofstaat vorgesehenen Häuser und überließ die noch übrigen Unterkünfte dem Reichserbmarschall zur Vergabe an die Reichsstände112.
Deren Gesandte verzichteten freilich zum Teil auf die Zuweisung einer regelrechten Unterkunft, da sich die Unterbringung in einem Wirtshaus gegenüber der Einlogierung bei einem Bürger als kostengünstiger erwies, so lange die Reichsstände aufgrund der wiederholten Eröffnungsaufschübe nur mit reduzierten Delegationen vertreten waren. Dies galt selbst für die Kurmainzer Gesandtschaft, die, so lange sie sich auf Kanzler Matthias und Sekretär Bagen mit ihrem Begleitpersonal beschränkte, von Anfang März bis Anfang Oktober 1556 im Wirtshaus „Zum Kreuz“ logierte, da dies günstiger war als der Mietzins von wöchentlich 20–22 fl. für das Haus, das die Mainzer Vertretung beim Reichstag 1546 bewohnt hatte. Erst als die Verhandlungen bereits begonnen hatten und die Mainzer befürchteten, aus der Unterbringung im Wirtshaus könnte „allerhandt gefhärlicher verwiß“ entstehen, bezogen sie am 9. 10. 1556 eine regelrechte, mit einer wöchentlichen Miete von 9 fl. aber günstigere Herberge, die nunmehr, nach der Ankunft weiterer Gesandter, aufgrund des Pauschalpreises billiger war als die Einzelkosten im Wirtshaus113. Auch die Verordneten anderer Stände bevorzugten die Unterkunft in Wirthäusern: Bis 17. 6. 1556 hatten lediglich Bayern, Jülich, Württemberg, Augsburg und Salzburg ihre Herbergen bezogen, alle anderen Deputierten logierten aufgrund der hohen Mietforderungen im Wirtshaus114.
Im Gegensatz zu anderen Reichstagen115 sind für 1556 kaum Differenzen um bevorzugte Quartiere überliefert, was wohl daran lag, dass keine Kurfürsten und nur wenige Fürsten persönlich teilnahmen. Belegt ist ein Streit Marx Zimmermanns, Gesandter der Stadt Augsburg, mit dem königlichen Quartiermeister, der sich trotz einer „ehrlichen verehrung“ gegen die Überlassung eines gewünschten Hauses sträubte. Nachdem Zasius dem Quartiermeister „uber das maul gefharen ist“, bot dieser Zimmermann eine anderweitige „luftige und bequeme herberg“ an116.
Aufwendiger als für die reichsständischen Gesandten gestaltete sich die standesgemäße Unterbringung des Königs und seines Hofes. Dafür hatte Ferdinand bereits Anfang Februar 1556 die Abordnung seines Kammerfuriers Veit Schärdinger angekündigt und die Stadt Regensburg aufgefordert, ihn zu unterstützen117. Wegen des Reichstagsaufschubs kam Schärdinger allerdings erst Ende April kurz vor dem königlichen Quartiermeister Hans Roggner an118. Der Furier machte sich wohl umgehend an die Um- und Anbauten im Predigerkloster (Dominikanerkloster), der Residenz des Königs während des Reichstags, um es mit seinem Umfeld den Erfordernissen Ferdinands auch im Hinblick bereits auf den Winter anzupassen: Mitte Juni wurde berichtet119, der königliche Kammerfurier bereite das Predigerkloster und drei angrenzende Häuser seit fast einem viertel Jahr „mit großen costen“ vor. Er habe „in die kirchen ain durchganng gemacht, oben gleich biß an den chor, daselbst zuvor ain orgel gestannden, die aber yetzt hienweg geprochen, unnd fuer die röm. kgl. Mt. ain winter stüeblein dahien aufgeschlagen würdet.“
Die Einzelquartiere der reichsständischen Delegationen insgesamt sind für 1556/57 nicht nachweisbar, da kein Furierlibell aufgefunden werden konnte. Auf Engpässe bei der Unterbringung, wie sie bei anderen Reichstagen zu beobachten sind120, verweist lediglich ein Bericht von J. U. Zasius. Demnach bestand „alhie grosse nott herberg halb“. Die Gesandten des Bischofs von Augsburg „bewerben sich hefftig umb herberg unnd haben noch khaine“. Belastender war die auf Reichstagen aufgrund steigender Nachfrage übliche Preissteigerung für Quartiere und Lebensmittel, gegen die einzuschreiten Zasius den König bat. „Dann sonnst were das ain sondere unnd über beschwerliche, vor nie erhörte schatzung; zu dem, das ausser holtz sonst inn allem nitt geringe theurung, böße ordnung und überschatzung alhie, unnd bey den fürnembsten inn der oberkheit am gemainsten ist“121.
Trotz dieser Klage wurde nach der Ankunft Ferdinands am 7. 12. 1556 die Reichstagsordnung122 zur Eindämmung der Preise erst mit dem Datum 10. 1. 1557 ausgefertigt. Sie enthielt die üblichen Vorschriften zur Sicherung von Ruhe und Ordnung zwischen den Reichstagsteilnehmern und mit Fremden, genaue Feuerschutzbestimmungen sowie Maßnahmen gegen die Ausbreitung von Seuchen, ordnete in der Taxordnung exakte Höchstpreise für Mahlzeiten in Wirtshäusern sowie für Stallmiete und Futter der Pferde an, regelte die Beilegung von Differenzen um die Mietpreise für die Unterkünfte, die aber nicht vorgegeben wurden, sowie die Zufuhr und den Verkauf von Lebensmitteln, Futter und Heizmaterial nach und in Regensburg.
Die von Zasius und zuvor bei der Quartiernahme angesprochenen Kosten der Reichstagsteilnahme lediglich von Gesandten, also ohne den repräsentativen Aufwand, den die persönliche Anwesenheit von Kurfürsten oder Fürsten nach sich zog, fallen 1556/57 in Verbindung mit der Preissteigerung aufgrund der langen Dauer der Reichsversammlung – manche Deputierte hielten sich etwa ein Jahr in Regensburg auf – besonders ins Gewicht. Veit Krummer, der Verordnete Herzog Heinrichs von Braunschweig, beklagte im Januar 1557, man verlange allein für eine Stube und Kammer ohne Verpflegung wöchentlich 7 Taler. Daneben führten Engpässe bei der Versorgung mit Hafer, Heu und Stroh für die Pferde zu ungewöhnlich hohen Kosten. Krummer ging davon aus, er werde monatlich trotz aller Sparsamkeit mit kaum weniger als 100 Talern auskommen123. Der Mecklenburger Drachstedt konstatierte einen wöchentlichen Finanzbedarf ohne Sonderausgaben von etwa 20 Talern124. Dies entspricht in etwa dem Aufwand der beiden hessischen Deputierten Kram und Lersner, die in den ersten 18 Wochen (5. 6.–9. 10. 1556) ca. 800 fl. benötigten125.
Die mit dem Reichstag verbundenen Gesamtkosten sind für 1556/57 anhand einiger Schlussabrechnungen zu benennen. Die Abrechnung des Mecklenburger Gesandten Karl Drachstedt belief sich für den Zeitraum vom Aufbruch am 29. 8. 1556 bis zu seiner Rückkehr Anfang April 1557, also für etwa 31 Wochen, auf 1333 Taler126, allerdings einschließlich einer zwischenzeitlichen Reise von Regensburg nach Wien an den Königshof, deren hohe Kosten er ausdrücklich hervorhob127. Der kursächsische Sekretär Lorenz Ulmann bezifferte die Ausgaben128 der gesamten Delegation mit drei Gesandten und dem zugehörigen Personal im Zeitraum vom 10. 8. 1556 (Abreise in Dresden) bis zur Rückkehr um den 20. 3. 1557 auf 3880 fl., wovon 2159 fl. auf Küche und Keller sowie 480 fl. auf die Miete entfielen. Die wöchentlichen Kosten in Regensburg bewegten sich meist in einem Rahmen von ca. 90–120 fl. Die wechselnd mit bis zu vier Personen besetzte Gesandtschaft der Stadt Nürnberg gab in einem größeren Zeitraum von 47 Wochen insgesamt 5665 fl. aus. Auch hier bildeten Verpflegung (3247 fl.) und Miete (752 fl.) die größten Posten129.
4.2.2 Anreise und Ankunft der Teilnehmer
Der Reichsabschied 1555 legte mit der Prorogation der Religionsverhandlungen fest, dass beim künftigen Reichstag die Kurfürsten und Fürsten „in aignen personen erscheinen und ausserhalb khündtlicher leibßschwacheit und unvermöglichkeit, auch andern eehaften ursachen nit außbleiben sollen“130. Auf dem Hintergrund dieser Vorgabe sowie der wiederholten Werbungen König Ferdinands um den Reichstagsbesuch131 erscheint der Anwesenheitsstand der höheren Reichsstände, wie ihn die Subskription des Reichsabschieds ausweist, im Vergleich mit anderen Reichstagen eher niedrig: Kein Mitglied des Kurkollegs kam nach Regensburg, von den geistlichen Fürsten waren mit dem Erzbischof von Salzburg, dem Deutschmeister sowie den Bischöfen von Bamberg, Würzburg, Eichstätt, Augsburg, Regensburg und Merseburg immerhin acht persönlich anwesend, während von den weltlichen Fürsten mit Albrecht von Bayern, Wolfgang von Zweibrücken, Erich von Braunschweig, Christoph von Württemberg, Philibert von Baden, Ludwig Heinrich von Leuchtenberg und Burggraf Heinrich von Meißen nur sieben anreisten.
Doch gibt selbst diese geringe Quote noch ein geschöntes Bild wieder, wenn man berücksichtigt, dass Pfalzgraf Wolfgang erst im März 1557 wegen einer Privatsache nach Regensburg kam und Erich von Braunschweig nur vom 28. 11. bis 12. 12. 1556 sowie Christoph von Württemberg vom 14. bis 25. 1. 1557 anwesend waren132, Letzterer zunächst primär wegen der Teilnahme an der Vermählung Markgraf Philiberts von Baden mit Mechthild von Bayern133. Der Herzog war am 8. 1. 1557 in Stuttgart aufgebrochen und über Göppingen, Heidenheim, Donauwörth und Neuburg134 nach Regensburg angereist, das er am 14. 1. mit einem Begleittross von ca. 150 Pferden erreichte135 . Auch Bischof Georg von Bamberg hielt sich nur ganz kurzfristig vom 30. 12. 1556 bis 2. 1. 1557 am Reichstag auf, um seine Regalien zu empfangen136. Bischof Melchior von Würzburg kam ebenfalls am 30. 12., blieb aber ebenso länger in Regensburg wie die am 28. 11., 15. 12. und 21. 12. erschienenen Bischöfe von Augsburg, Eichstätt und Merseburg. Herzog Albrecht von Bayern eröffnete in seiner Funktion als königlicher Kommissar den Reichstag am 13. 7. und war im weiteren Verlauf mit Markgraf Philibert von Baden nur sporadisch präsent137.
Der Großteil der Fürsten blieb dem Reichstag demnach trotz der wiederholten Bitten Ferdinands fern. Ihre Entschuldigungen138 beriefen sich auf die unabdingbare Anwesenheit in ihren Territorien oder Kreisen wegen akuter Gefährdungen des Landfriedens139 oder wegen befürchteter Neuerungen im Religionsstatus140, auf gesundheitliche Probleme141, die hohen Kosten der Reichstagsteilsnahme im Hinblick auf die Verarmung des Territoriums142, anderweitige dringende Verrichtungen und allgemeine ‚ehafte‘ Ursachen143 oder auf eine Kombination der genannten Argumente.
Bei den gesandtschaftlich vertretenen Reichsständen ist zu differenzieren zwischen Teilnehmern am Vergleichstag im Markgrafenkrieg, die teilweise, aber nicht durchgehend auch für den Reichstag bevollmächtigt waren, und den Deputierten nur für den Reichstag, die wegen dessen Aufschubs erst später kommen mussten, während der Vergleichstag unverändert am 1. 3. 1556 begann. Entsprechend waren die daran als Vermittler, Betroffene oder Beistände teilnehmenden Stände als erste in Regensburg repräsentiert, freilich in einer gegenüber dem Reichstag eingeschränkten Besetzung: Die reichsständischen Vermittler Kurmainz, Kurtrier, Kurköln, Kurpfalz, Salzburg, Konstanz, Bayern, Jülich, Reichsprälaten (vertreten durch den Abt von St. Emmeram), Wetterauer Grafen, Städte Straßburg und Regensburg sowie die königlichen Kommissare kamen zwischen 28. 2. und 14. 4. 1556 an144, Würzburg, Bamberg und Nürnberg als Mitglieder der Fränkischen Einung waren bis 2. 3. präsent, Brandenburg-Ansbach schickte seinen ersten Gesandten als Beistand für Markgraf Albrecht Alkibiades bis 20. 4. 1556145. Die ersten Abordnungen nur zum Reichstag erfolgten im Zusammenhang mit der Ankündigung des neuen Eröffnungstermins 1. 6. 1556 durch König Ferdinand: Im Zeitraum vom 1. 6. bis 12. 6. kamen die Gesandten der Bischöfe von Speyer und Straßburg, der Äbte von Fulda und Hersfeld sowie von Pfalz-Zweibrücken, Braunschweig (Erich), Württemberg, Sachsen, Hessen und Henneberg146. Die Kurbrandenburger Verordneten erschienen am 2. 7., also noch vor der neuerlich verzögerten Reichstagseröffnung am 13. 7. Daran nahmen neben Albrecht von Bayern, Philibert von Baden und dem Bischof von Regensburg die überwiegend noch immer unvollständig besetzten Gesandtschaften von fünf Kurfürsten (ohne Kursachsen), sieben geistlichen Fürsten, sechs weltlichen Fürsten, zwei Grafenkollegien und vier Reichsstädten teil147. Die Delegation Kursachsens traf nach einer individuellen Aufforderung König Ferdinands an Kurfürst August148 erst ab 12. 8. ein. Auch weitere Mitglieder des Fürstenrats schickten ihre Deputierten erst im Verlauf des Herbst 1556. Ungewöhnlich spät erfolgte der Reichstagsbesuch vieler Reichsstädte: Am Städterat waren bis Oktober nur Straßburg, Augsburg, Nürnberg und Regensburg beteiligt, bevor zunächst Ulm hinzukam. Der Großteil der Reichsstädte, darunter Kommunen wie Köln, Frankfurt oder Speyer, ordnete die Gesandten erst bis Anfang Januar 1557 zum Termin des für 1. 1. ausgeschriebenen Städtetags ab149, während sie die vorherigen Reichstagsverhandlungen trotz eines Mahnschreibens des Städterats vom 30. 9. 1556150 weitgehend ignorierten151.
Der Vertretungsstand insgesamt, wie ihn die Subskription des Reichsabschieds wiedergibt, erreichte 1556/57 im Vergleich mit den vorausgehenden Reichstagen des 16. Jahrhunderts152 bei allen reichsständischen Gruppierungen durchschnittliche Werte, wenn man die zahlreichen Mehrfachbevollmächtigungen mit einbezieht, wobei die geistlichen und weltlichen Fürsten etwa gleich stark repräsentiert waren. Etwas aus dem Rahmen fallen die niedrigen Quoten der Reichsgrafen (50%) und der eigenständig vertretenen Reichsstädte (40%). Von den wichtigeren Ständen fehlte auf der geistlichen Fürstenbank das Erzstift Magdeburg. Zwei seit 11. 6. 1556 in Regensburg anwesende Gesandte nahmen lediglich am Vergleichstag im Markgrafenkrieg als Beistände auf markgräflicher Seite teil, akkreditierten sich aber nicht für den Reichstag153. Auf der weltlichen Fürstenbank fehlte das Herzogtum Holstein, das wegen der strittigen Session im Fürstenrat auf die Teilnahme verzichtete154.
Bedingten die Aufschübe des Reichstags zunächst die dargestellten zeitlich gestaffelten Ankünfte, so veranlassten die folgenden Verhandlungsverzögerungen bis Ende November155, dass viele der im Sommer 1556 erschienenen Deputierten Regensburg zeitweilig verließen oder von ihren Herrschaften vorübergehend abgezogen wurden, um Kosten zu sparen156. Noch im Juni beriefen die Bischöfe von Würzburg und Bamberg ihre Delegationen bis auf jeweils einen Verordneten ab. Ebenso reisten die Gesandten des Bischofs von Straßburg und Pfalz-Zweibrückens ab157. Die kursächsische Delegation war infolge der Rückreise einzelner Deputierter bis Dezember fast durchgehend unvollständig besetzt: Könneritz war von Ende September bis Ende Oktober abwesend, Lindemann in der zweiten Oktoberhälfte158, anschließend hielt sich Kram von Anfang November bis Mitte Dezember in Sachsen auf159.
Selbst die königlichen Kommissare nutzten die Verhandlungsunterbrechung für Privatverrichtungen. Wilhelm von Waldburg und Zasius unterrichteten den König am 19. 7. darüber, dass aufgrund der eingestellten Beratungen fast alle Gesandten Regensburg verlassen hätten: Einige seien heimgereist, andere hätten „spatzier ritt fürgnomben, ains thaylls geen Saltzburg und weitter inn dasselbe gebürg hinein unnd zum thayl ann anndere ortt etc.“ Unter Berufung darauf reiste am 17. 7. Georg von Helfenstein vorübergehend ab, ebenso wollte Zasius in Augsburg eine dem König bekannte „verrichtung inn eyl und engg vollenden“160. Da danach auch der allein zurückgebliebene Truchsess von Waldburg Regensburg am 28. 7. verließ, war bis zu seiner Rückkehr am 7. 8.161 kein Vertreter des Königs am Reichstag präsent. Bei der von Zasius angesprochenen ‚Verrichtung‘ handelte es sich um seine Hochzeit mit Maria Uttinger, die er am 2./3. 8. 1556 in Augsburg feierte. Anwesend waren unter anderem Herzog Albrecht von Bayern und Markgraf Philibert von Baden sowie die Reichstagskommissare von Waldburg und von Helfenstein162. Letzterer kehrte am 18. 8. nach Regensburg zurück163. Wenngleich das königliche Kommissariat nur etwa eine Woche unbesetzt blieb, veranlasste dieser Umstand heftige Kritik der am Reichstag verbliebenen Gesandten. Jakob Plattenhardt, Verordneter der fränkischen Grafen, warf ihnen vor, sie seien „securi, ziehent spaciren und machent hochzitt, lassent uns oscitantes alhie sitzen“164. Die Herzöge von Sachsen kritisierten die Abreise der Kommissare ohne jeden Bescheid an die Ständedeputierten nur „nach irer gelegenheit unnd in aigenen privat sachen“ und folgerten daraus, die Türkennot in Ungarn könne nicht so groß sein, wie sie in der Proposition dargestellt worden war165.
Obwohl der Reichsabschied 1555 im Hinblick auf die Beratungen zum Religionsvergleich die Zuziehung von Theologen vorsah166, erschien zunächst lediglich Erhard Schnepf für die Herzöge von Sachsen167. Er verließ den Reichstag, bevor die Religionsverhandlungen aufgenommen wurden. Für Kurpfalz kam der bis dahin auf Abruf bereitstehende Dr. Johann Faber, Superintendent in Burglengenfeld, Anfang Dezember, um im Religionsausschuss mitzuwirken168. Er war in der ersten Ausschusssitzung am 9. 12. 1556 anwesend, nahm im weiteren Verlauf aber nur sporadisch daran teil, ohne zu votieren169. Für Kurmainz erschien am 20. 1. 1557 der Theologe Lic. Georg Böhm, um die Gesandten zu unterstützen170. Kurfürst Joachim von Brandenburg hielt die Zuordnung von Theologen für die Beratungen nur der Wege zum Religionsvergleich nicht für erforderlich171, während Kurfürst August von Sachsen sie in seiner Konzeption, Religionsverhandlungen möglichst zu umgehen, gezielt unterließ172.
Im Gegensatz zu anderen Reichstagen sind 1556/57 kaum ausländische Gesandtschaften als Randteilnehmer oder Beobachter nachzuweisen. Gesichert ist die Anwesenheit des venezianischen Gesandten am Hof Ferdinands I., Paolo Tiepolo, der im September 1556 nach Regensburg kam und dort bis zum Ende des Reichstags blieb173.
Der Verzicht der Kurie in Rom auf die Sendung eines Legaten oder die Bestellung eines Nuntius wurde bereits erwähnt174. England175 war ebenso wenig vertreten wie Frankreich, das sich im Vorfeld um den Zugang bemüht hatte176, dann aber gegen die Erwartung auch König Ferdinands keine Gesandten schickte177. Vonseiten König Philipps II. von Spanien hielt sich lediglich der Söldnerführer Alvaro de MenDOZA im Dezember 1556 in Regensburg auf, um von König Ferdinand die Erlaubnis für Truppenwerbungen zu erbitten178. Eine spanische Gesandtschaft erschien nicht. Die von König Sigismund II. August von Polen geplante Abordnung des Kaspar von Lehndorff, Hauptmann zu Preußisch-Eylau, nach Regensburg im Zusammenhang mit der Krise in Livland unterblieb ebenfalls179. Daneben wird in der älteren Literatur anhand einer aus dem Nachlass des Sigmund von Herberstein stammenden Instruktion Zar Iwans IV. die Anwesenheit einer moskowitischen Gesandtschaft im Januar oder Februar 1557 konstatiert. Die nicht datierte Instruktion deutet inhaltlich auf das Jahr 1556 als Ausstellungsdatum hin und bietet im Wesentlichen die Unterstützung im Türkenkampf, den Versuch einer Union der griechischen und lateinischen Kirche sowie die Anbahnung einer engeren Verbindung des Zaren zum Reich an, für die ein ständiger Gesandter am kaiserlichen bzw. königlichen Hof oder sonst im Reich installiert werden sollte. Zu diesem Zweck erfolgte mit der Instruktion die Abordnung zweier Fürsten180. Ob die Instruktion, die Authentizität der Quelle vorausgesetzt, vollzogen, die Legation also durchgeführt wurde, scheint zumindest zweifelhaft. Jedenfalls fällt auf, dass sie weder in der umfangreichen Reichstagskorrespondenz noch in anderweitigen Akten der Reichsversammlung 1556/57 Erwähnung findet.
4.2.3 Vertretung des Königs. Verspätete Ankunft Ferdinands I.
König Ferdinand hatte Ende Februar 1556 für den Vergleichstag im Markgrafenkrieg Graf Georg von Helfenstein181, Erbtruchsess Wilhelm d. J. von Waldburg182 und Georg Illsung183 als Kommissare benannt184 und ihnen später daneben noch vor der Eröffnung des Reichstags dortige Aufgaben wie die Bekanntgabe des Verhandlungsaufschubs am 10. 6. 1556185 übertragen. Da sich die Anreise Ferdinands weiterhin verzögerte und er den Reichstag deshalb von Herzog Albrecht von Bayern eröffnen ließ, beauftragte er seine bisherigen Vertreter beim Vergleichstag am 30. 6. 1556 auch für die Reichsversammlung, um dort während seiner Abwesenheit als Kommissare und zugleich als Repräsentanten des Hauses Österreich im Fürstenrat zu wirken. Die Delegation wurde dafür um Dr. Johann Ulrich Zasius186 auf vier Mitglieder erweitert187 und am 3. 7. 1556 instruiert188. Die zu diesem Zeitpunkt in Regensburg anwesenden Kommissare von Helfenstein und von Waldburg forderten in Anbetracht der baldigen Eröffnung die sofortige Anreise von Zasius für die Teilnahme am Fürstenrat und die dortige Protokollführung an, „dann wier zue solcher sachenn mit taugenlichen leuthen mit nichten versehenn, noch vil weniger fur unnsere personen darzue geschickt sein“189.
Was die Gesamtrepräsentanz betraf, empfahlen die Kommissare Ferdinand eine offizielle Aufteilung der Aufgabenfelder als Vertreter des Königs einerseits und als Repräsentanten Österreichs in den Kurien andererseits, um damit dem Vorwurf vorzubeugen, man würde sich mittels der Doppelfunktion „zwiefacher unnderschidlichen verrichtungen bey den Reichs tractäten“ unterstehen, um so die Absichten der Reichsstände in Erfahrung zu bringen190. Ferdinand bestätigte daraufhin seine zuvor zeitgleich mit der Empfehlung der Kommissare ergangene Weisung191 für die Aufgabenteilung nochmals: von Helfenstein und Illsung sollten mit Herzog Albrecht von Bayern das königliche Kommissariat übernehmen und daneben am Vergleichstag im Markgrafenkrieg mitwirken, während Zasius und von Waldburg Session und Stimme für das Haus Österreich im Reichsrat wahrzunehmen hatten. Die Kommissare sollten dies den Reichsständen bekannt geben, um den angesprochenen Verdacht auszuräumen, und Zasius und von Waldburg sich als Gesandte für das Haus Österreich bei der Mainzer Kanzlei anmelden192. Da sich die Anreise des Königs wegen des türkischen Vorstoßes in Ungarn und der Entwicklung in Siebenbürgen bis Dezember verzögerte193, wurde die Aufgabenteilung in dieser Form bis dahin beibehalten, sieht man vom vorübergehenden Abzug Illsungs vom Reichstag ab.
König Ferdinand brach zu seiner seit dem Frühjahr oftmals aufgeschobenen Reise zum Reichstag am 23. 11. 1556 in Wien auf. Die Anreisestationen nach der ersten Übernachtung in Tulln194 sind nicht überliefert, ebenso konnten keine anderweitigen Nachrichten über die Reichstagsfahrt bis zur Ankunft am 7. 12. aufgefunden werden. Währenddessen veranlasste seine Anreise weitere organisatorische Vorbereitungen in Regensburg. So ließen die Reichsfürsten, die ihr Kommen am König orientierten, die Quartiere für sich einnehmen und Stallungen für die mitgeführten Pferde bereitstellen195. Herzog Albrecht von Bayern sah sich in seiner Funktion als Prinzipalkommissar auch hier in besonderer Verantwortung. Er begab sich am 21. 11. 1556 von München nach Ingolstadt, forderte von dort aus Informationen zur Ankunft des Königs an196 und erschien am 28. 11. in Regensburg, wo man dessen Eintreffen bereits für 5. 12. erwartete197. Vielleicht aufgrund schlechter Wegverhältnisse198 verzögerte sich der Einzug des Königs und Erzherzog Karls jedoch bis zum Nachmittag des 7. 12. Beide wurden empfangen von Herzog Albrecht von Bayern, Erzbischof Michael von Salzburg, den Bischöfen Otto von Augsburg und Georg von Regensburg, Herzog Erich von Braunschweig, Markgraf Philibert von Baden und den Gesandten der übrigen Reichsstände199. Der König blieb sodann bis zum Abschluss des Reichstags in Regensburg. Er verließ die Stadt nach der Verlesung des Reichsabschieds am 16. 3. 1557 im 12 Uhr mittags200.
Als problematisch erweist sich die Beschreibung des Hofstaates Ferdinands beim Reichstag 1556/57, da kein spezielles Verzeichnis201 oder eine Auflistung des königlichen Gefolges aufgefunden werden konnte. Anhand der wenigen Hinweise in den Akten und Korrespondenzen, die sich auf die engsten Mitarbeiter des Königs beschränken, ist neben den genannten Kommissaren die Anwesenheit folgender Räte belegt: Mit Ferdinand202 kamen Hofvizekanzler Jakob Jonas203, Obersthofmarschall Johann Trautson204, der Geheime Rat Georg Gienger205 und Sekretär Leopold Kirchschlager206, dessen Mitwirkung zahlreiche von seiner Hand gefertigte Konzepte für königliche Resolutionen belegen. Seit 3. 1. 1557 hielt sich der ehemalige und zukünftige Reichsvizekanzler Georg Sigmund Seld im Dienst des Königs am Reichstag auf207. Er wurde von Ferdinand zu den Sitzungen des Geheimen Rates und des erweiterten Hofrates eingeladen208. Während der 1556/57 in den Geheimen Rat aufgestiegene Leonhard von Harrach209 nicht mit nach Regensburg kam, ist die Anwesenheit des böhmischen Kanzlers Joachim von Neuhaus210 gesichert.
Daneben berief Ferdinand für die Verwendung im königlichen Dienst, dessen Einzelheiten vor Ort erläutert werden sollten, nach Regensburg: Graf Haug von Montfort, Graf Ludwig von Stolberg, Konrad von Rechberg, Georg Spät, Hauptmann in Konstanz, Dr. Balthasar Stumpf211, Dr. Raban Eisenhut, Tiroler Kammerprokurator, und Sigmund von Hornstein, Landkomtur der Ballei Elsass und Burgund212. Das von Zasius als Versammlung der vom König verordneten „hofreichsräthe“, von Seld als ein ‚Rat für allgemeine Angelegenheiten‘213 bezeichnete Gremium wurde bis 3. 1. 1557 konstituiert. Ihm gehörten neben den Genannten Herzog Albrecht von Bayern als Präsident, Markgraf Philibert von Baden, Graf Georg von Helfenstein, Vizekanzler Jonas sowie die Räte „Dr. Lucretius“, also Johann Albrecht Widmannstetter214, Dr. Gerhard [von Ach], Dr. Kaspar von Niedbruck215 und später Seld an.
Von den Söhnen des Königs zog Erzherzog Karl zusammen mit ihm am 7. 12. 1556 in Regensburg ein. Am 14. 1. 1557 erschien Erzherzog Ferdinand, den Herzog Albrecht von Bayern zur Hochzeit seiner Schwester mit Markgraf Philibert von Baden eingeladen hatte216. Der Erzherzog nahm an einigen Verhandlungen teil, verließ den Reichstag aber bereits am 22. 1. 1557 und reiste nach Prag217.
Noch kürzer gestaltete sich der zweimalige Aufenthalt König Maximilians von Böhmen in Regensburg im Zusammenhang mit seiner Reise nach Brüssel zu Kaiser Karl V. im Sommer 1556218. Auf der Hinreise kam er in Begleitung seiner Frau und von Hofprediger Johann Sebastian Pfauser, „vir doctus et verus theologus“219, am Morgen des 14. 6. mit etwa 500 Pferden an und verließ die Stadt am 15. 6. um 6 Uhr früh220. Auf der Rückreise erreichte er Regensburg aus Ingolstadt kommend mit 20 Schiffen am Abend des 11. 9. und fuhr am nächsten Morgen um 5 Uhr wieder ab221. Er nutzte diesen kurzen Aufenthalt, um der niederösterreichischen Gesandtschaft in ihren religionspolitischen Anliegen seine Unterstützung bei König Ferdinand zuzusagen222. Eine längere Teilnahme am Reichstag scheiterte an den Differenzen mit Ferdinand I. um den Umfang der Bevollmächtigung Maximilians: Er hatte während der Reise nach Brüssel dem Wunsch seines Vaters entsprechend bei den rheinischen Kurfürsten für die Beförderung der Türkenhilfe gewirkt, wollte dies auf dem Reichstag aber nur fortsetzen, falls er „auch in dem articl, die religion belangende, bephelch erlangen“ möge. Da Ferdinand dies ablehnte, habe Maximilian „kurtz, rundt und nicht ohne ungedult gesagt, sie [kgl. W.] wolten es nicht thun. Dann vertrauete man ihrer kgl. W. nicht in der religion, so wolten sie auff dem reichstage alhier mit dem andern auch nichts zu schaffen habenn“223. Als Maximilian später doch nach Regensburg kommen wollte, verhinderte Ferdinand dies, indem er ihn, begründet mit der Abwesenheit seiner Person sowie der Erzherzöge Karl und Ferdinand, mit der Hofhaltung in Wien und mit Kommissionsaufträgen band, wohl um einem Engagement seines Sohnes für die CA-Stände beim Reichstag vorzubeugen224, wie es dessen konfessionelle Haltung und die engen Kontakte vermuten ließen, die er seit Sommer 1556 vor allem mit Herzog Christoph von Württemberg geknüpft hatte225. Maximilian brachte seine Enttäuschung darüber gegenüber Herzog Christoph ebenso zum Ausdruck wie die Beweggründe seines Vaters: Er habe seine Reichstagsteilnahme bei diesem nicht durchsetzen können. „Was awer die ursach ist, hat E. l. laichtlich awzunemen, wiewol ich verhoft hette, ich nit unnutz gewest sein; dan ander mit ier mt. nit so frai reden als ich thue; dan ich aines bösen beschaids wol gewant bin und las mich sollichn nit iern“226. Später wiederholte er: „[...] wan ich als guet pfafisch war als fillaicht andere, so hette mier ier mt. wol hinauferlaubt; sonst sich ich kain ursach, de ir mt. darzu bewegen kunt“227. Mit dem Einspruch Ferdinands gegen die Teilnahme scheiterte auch das von Maximilian namentlich bei Kurfürst August von Sachsen betriebene Projekt228, im Zusammenhang mit dem Reichstag und dem Rücktritt Kaiser Karls V. seine eigene römische Königswahl voranzubringen.