Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

Wien HHStA, MEA RTA 8/Konv. 1, fol. 637r–640v (Kop.).

Rottweil1klagte bereits auf den Reichstagen 15412und 15423über die unerträgliche Last der Reichshilfen, die durch den Wormser Anschlag 1521 lediglich für einen Romzug von drei Monaten bewilligt worden waren. Bedingt durch verschiedene Unglücksfälle, Angriffe und innere Unruhen ist die Höhe der Anlagen für die Stadt nicht mehr leistbar. Nachdem Rottweil mit seinen Beschwerden bisher von einem Reichstag zum anderen vertröstet wurde, hofft die Stadt auf diesem Reichstag auf eine Erfüllung ihrer Bitten, wobei die Reichsstände Folgendes berücksichtigen sollen:

1. Rottweil ist im Wormser Anschlag von 1521 und in allen sich daraus ableitenden Reichshilfen zu hoch veranlagt, verglichen mit anderen geistlichen und weltlichen Fürsten und mit vermögenderen Reichsstädten. Darauß auch hier khain anders zu vermuthen, das aintweders beruerter statt onvermögen in nichten bedacht oder aber im einzaychnen mißverstandt gewest sein möchte.

2. In Speyer 1542 wurde die Stadt auf ihre Supplikation (fehlt) hin vertröstet, dass bei der beharrlichen Hilfe eine Gleichbehandlung aller Reichsstände durch die Einhebung des Gemeinen Pfennigs erfolgen werde.

3. Da sich Rottweil von einer Türkenhilfe zur anderen mit der Aufnahme von Krediten hoch verschuldete, hätte schon längst eine Reduzierung der Anlagen stattfinden müssen. Im vergangenen Türkenzug war die Rottweil auferlegte Anzahl der Reiter und Fußknechte abermals zu hoch, um aus dem Gemeinen Pfennig der verarmten Stadt finanziert zu werden. Deswegen nahm Rottweil wieder einen Kredit von 50 000 fl. auf, um drei Monate Besoldung für Reiter und Fußknechte zu bezahlen.

4. Zum Beweis der unverhältnismäßig hohen Belastung der Stadt durch die Reichsanlagen sollen die Gesandten den Reichsständen die Verzeichnisse und Register des letzten Türkenzugs mit Auflistung der Einnahmen und Ausgaben Rottweils vorlegen. Darauß sich nit allain unser hochträglich beschwernus, sonder gewißlich befinden wurdet, das wir nhun layder auß schickhung diser leuf dahin gerathen, das wir järlichs (one underhaltung gemainer statt gepeu) nit weniger außzugeben dann einzunemen haben; das auch khain standt under den uberigen allen sovil nachgezogen und dermassen so hoch uberlegt seye.

Letztlich soll Rottweil in Zukunft nicht mehr über seine Verhältnisse besteuert werden. Die Reichsstände sollen nach diesen Ausführungen selbst ermessen, wie unerträglich die Belastung für die Stadt sei.

Angesichts der drohenden Türkengefahr verzichtet Rottweil auf völlige Befreiung von den Anlagen und bittet: Wo ye nit möglich, unser dißmals gentzlich zu verschonen, uns gepeurende [!] ringerung widerfaren zu lassen und ainmal dermassen zu bedenckhen, damit wir uber unser vermögen weyther nit beschwert noch getriben, sonder allain bey uberflußigem unserm erbiethen, göttlicher billich und gleychait gehandthabt werden. Solt aber diser zeyten die gleychmäßigkhait,[be]sonder in so christenlichem furhaben, nit erhalten, sonder noch lenger verschoben und wir abermals an personen oder underhaltung, wie biß anher beschehen, beschwerdt und khain pillich einsehens gesucht werden, in sonderhait bey denjhenigen, alda die ongleychait so augenscheinlich vorhanden, hat yeder eherliebender leichtlich zu bewegen, das uns dem last, uns uber unser vermögen auferlegt, volnzihung zu thun nit allain nit möglich, sonder auch nit schuldig were[n], und also sollich ongleychmäßig auflag one erstattet abgeen zu lassen, Gott dem Almechtigen, dem rechten und aller pillichait uns underwerffende, wir wider unsern willen getrungen wurden.

Geruchen sich eure fstl. Gnn., Gnn. und Gg. in disem allem nicht anderst zu erweysen, dann wie sich das nach aller pillich und unser ongelegenhait zu thun gepure, damit wir zu onmoglichen dinsten nit gezwungen noch ain midtglidt (so das ander zu beschirmen schuldig) von dem andern zu entlichem verderben gericht werde.

Anmerkungen

1
Rottweil war, ebenso wie Mülhausen im Elsass und St. Gallen, ein zugewandter Ort der Eidgenossenschaft, d.h. die Stadt stand in vertraglicher Bindung mit einem Teil der eidgenössischen Orte, ohne selbst vollberechtigter Ort zu sein. Neben dieser Bindung an die Eidgenossenschaft, von der sich die zugewandten Orte Schutz erhofften, konnten und wollten sie aber auf die Legitimation ihrer Herrschaft durch das Reich nicht verzichten. Rottweil orientierte sich in diesem Dilemma in Richtung Reich, da sich für die katholisch gebliebene Stadt die Anlehnung an Habsburg anbot. Die Stadt anerkannte die grundsätzliche Berechtigung der Reichsanlagen, betonte aber die Notwendigkeit der Moderation der Anschläge. Zur Stellung der zugewandten Orte siehe: B. Braun/W. Dobras, St. Gallen: eine Stadtrepublik zwischen Reich und Eidgenossenschaft, S. 397–416, zu Rottweil S. 398.
2
Die in RTA JR Bd. XI, Nr. 365, abgedruckte Supplikation der Stadt Rottweil betrifft den Konflikt der Stadt mit Christoph von Landenberg. Die zweite Supplikation, welche die Gesandten Rottweils in Regensburg 1541 wegen Ringerung der Anlagen einreichten, ist anscheinend nicht erhalten.
3
Bgm. und Rat zu Rottweil entsandten zu den RTT von Speyer und Nürnberg 1542 den Stadtschreiber Konrad Spreter; Supplikationen der Stadt an die Reichsstände zur Ringerung der Anlagen wurden nicht gefunden.