A Wien HHStA, MEA RTA 8/Konv. 1, fol. 50r–64v (Kop. der 2. Fassung); AS fol. 50r (v.d.Hd. Jakob Jonas’): Der stend der augspurgischen confession verwant anbringen an kgl. Mt. und ksl. commissarien.AV fol. 50r (v.a.Hd.): Praes. et lectum in consilio die 3. mensis Februarii.
B Wien HHStA, RK RTA 11/Konv. 1, fol. 66r–80v (Kop. der 2. Fassung); DV fol. 80v: Der stende der augspurgischn confession ubergebn schrift auf hieob gemelte proposition.
C Weimar HStA, EGA, Reg. E 149, fol. 368r–385v (Kop. der 2. Fassung mit marg. Inhaltsbetreffen); DV fol. 385v: Supplication der Kff., Ff., graven, stett und stend der augspurgischen confession und religion, röm. kgl. Mt. und der ksl. Mt. commissarien, auch der Kff., Ff., graven, stett und stend des Hl. Reichs rethen, gesanten und pottschaften uff diesem itzigen reichstag zu Nurmberg zu erlangung bestendigs fridens und gleichmessigs rechtens ubergeben.
D Weimar HStA, EGA, Reg. E 150, fol. 125r–137v (Reinschr. der 1. Fassung = Entwurf Sturms); DV fol. 137v: a– Ungefehrliche notell–ader schrift, die zu des königs anherkunft an seine Mt. beschehen soll 1543.
E Frankfurt ISG, RTA 53, fol. 161r–188r (Konz. der 1. Fassung mit Korr. und Erg. v.d.Hd. Lambs = 2. Fassung).
Zusammenfassende Mitschrift v.d.Hd. Tetlebens: Hannover NLA, Hild. Br. 1, Nr. 80, fol. 673r–675v.
Liste der Beilagen A bis F am Ende des Aktenstücks.
Bereits am 10. Jan. 1543 beschlossen die Gesandten der Schmalkaldener, eine umfangreiche Eingabe zu Friede und Recht auszuarbeiten, die dem König und den ksl. Kommissaren als Antwort auf die Proposition überreicht werden sollte. Der Straßburger Gesandte Jakob Sturm erhielt den Auftrag, die Argumentation für eine solche Schrift zusammenzustellen und einen Entwurf zu verfassen. Der Entwurf Sturms (D) bildete die Beratungsgrundlage, die vom Ausschuss ergänzt und in manchen Passagen sowohl inhaltlich als auch stilistisch verändert wurde (E). Durch Korrekturen und Ergänzungen entstand eine zweite, endgültige Fassung; dieser wurden mehrere Aktenstücke früherer Reichstage als Beweis für die protestantische Argumentation beigefügt (Beilagen A bis F), um den Status quo zu dokumentieren. Die Abweichungen des ursprünglichen Entwurfs von der Endfassung sind den textkritischen Anmerkungen zu entnehmen. Die Unterschiede zwischen erster und zweiter Fassung erhellen vor allem aus der Frankfurter Überlieferung (E), in welcher der Frankfurter Gesandte Dr. Hieronymus zum Lamb die im Laufe der Beratungen entstandenen Korrekturen und Änderungen vermerkte. Am 31. Jan. legten die Schmalkaldener den nicht dem Bund angehörenden evangelischen Ständen die Eingabe vor und ersuchten sie, sich an der Übergabe der Supplikation zu beteiligen3. Diese wurde dem König und den ksl. Kommissaren am 2. Febr. überreicht, am 3. Febr. erfolgte die Übergabe des Aktenstücks an die Reichsstände und die Verlesung im Reichsrat. In den textkritischen Anmerkungen finden die rein stilistischen Abweichungen zwischen den beiden Fassungen keine Berücksichtigung. Die Supplikation wurde für den Druck aus Gründen der Übersichtlichkeit in Artikel untergliedert, um Querverweise zu inhaltlich ähnlichen Passagen nachfolgender Aktenstücke zu ermöglichen.
[Art. 1] Euer kgl. Mt., fstl. Gnn. und G. sein zu viln maln bericht worden, uß was stattlichen ursachen die Kff., Ff., stett und stend der christlichen religion und veraynigung, unser gnedigst, gnedig hern und obern, nach erkanterb göttlicher warheit c–gewissens halb–cbewegt worden, christenliche d–reformation der–dleer, ceremonien und kirchenubungen in irn furstenthumben, landen, stetten und gepietten uffzurichten, in wölchem sie sich auch vermittelst göttlicher gnaden also gehalten und ertzeigt, wie sie solchs vermög des speyrischen reichsabschiedts, im vergangnen 26. jar uffgericht [RTA JR Bd. V/VI, Nr. 221], gegen Gott dem Almechtigen, der ksl. Mt. und menniglichem mit gottlicher schrift und hulf zu verantworten hoffen und wissen. Nachdem aber dargegen etzliche e–von hohen und niddern stenden–edes Reichs bey irem glauben und hergebrachten ceremonien, auch bey demf wurmischen edict [1521] g–der religion halber–gverharren wöllen und darauf allerley mittel und weg gesucht, h–wie sie solch edict zu der execution bringen möchten–h, so ist darauß ervolgt, das beede theil in schwerem misvertrauen gegeneinander erwachsen sein. Aber unangesehen, das sich ire kfl., fstl. Gnn. und sie von wegen solchs mißverstandts in der religion uff ein gemeyn, frey, christenlich concilium, in teutscher nation zu halten, vermög des nurmbergischen abschiedts, im jar 23i ergangen [RTA JR Bd. III, Nr. 117, S. 736–759], guttwilliglich erbotten, in hoffnung, j–in solchem concilio–jdurch göttlich wort ußzufurn und zu erhalten, das sollich ir leer, ceremonien und kirchenubungen dem wort Gottes gemeß, sein etzlich auß vorgemelten stenden christlicher religion und vorein von wegen geenderterk ceremonien, auch der geistlichen gutter, die sie zu christenlichem brauch verwent haben, an die ksl. gericht der cammern und Rottweil citirt und mit geschwinden processen angefochten worden.
[Art. 2] l–Zudem so ist in dem augspurgischen abschidt, anno etc. 30 ergangen, die vorgemelt dieser stendt christliche leer, ceremonien und kirchenübung verdampt–lund die obgedachte stendt m–sampt irer religion und allen irn anhengern den beschwerlichen peenen–m, so im rechten widder die ketzer gesetzt, underworfen und also das wormisch edictn widderumb erneuerto, p–auch alle dieser stendt furgenomne reformation der leere, ceremonien und kirchenubung bey peenen des landtfridens verbotten, dem cammergericht auf solche peenen gegen inen zu volnfaren und berurtem abschied zu geleben und nachzukommen ernstlich bevohlen, auch durch die beede darauf gevolgte visitationen bey irn pflichten eingebunden und auferlegt worden. Dadurch dan–pdie vorgemelt unser gnedigst, gnedig herrn und obern auß dem gemeinen landtfrieden gesetzt und menniglichem erlaubt gewest, mit oder ohne recht gegen iren kfl., fstl. Gnn. und inen zu handeln, dardurch sie also im Reich recht- und fridtloß worden. Derhalben sie uß unvermeidtlicher notturft gedrungen worden, widder solchen augspurgischen abschidt zu protestirn und denselbigen nit antzunemen. Haben auch die datzumaln beradtschlagte hulf gegen dem Turcken nit bewilligen oder leisten mögen, es wurden dan ire kfl., fstl. Gnn. und sie eines bestendigen fridens und gleichmessigen rechtens neben andern stenden des Hl. Reichs versichert. Darauf ire kfl., fstl. Gnn. und sie die ksl. Mt. daselbst zu Augspurg [1530] und volgens auß Schmalkalden zweymal nacheinander in schriften undertheniglich ersucht und gebetten, inen zu frieden und rechten zu verhelfen, auch die proceß bey irem fiscal, cammer, rottweilischen und andern irer Mt. gerichten gnediglich abzuschaffen.
[Art. 3] Noch bevor der Kaiser die Bitten der Evangelischen um Friede und Recht erfüllt hatte, bedrohten die Türken im Jahr 1532 die Grenzen des Reiches, und der Herrscher musste erkennen, do unser gnedigst, gnedig herrn und obern also des gemeinen landtfridens und rechtens im Reich entsetzt solten sein und bleiben, das sie nit allein gegen solchem unserm gemeinen feindt der christenheit hulf nicht bewilligen und leisten konnen, sondern das daraus nichts anders dan gewisse zerruttung, unrhu und emporung im Reich zwischen den stenden desselben entstehen wurde. Deshalb beauftragte Karl V. die Kff. Albrecht von Mainz und Ludwig V. von der Pfalz 1532, mit den evangelischen Ständen zuerst in Schweinfurt und dann in Nürnberg einen Friedstand (Beilage B) auszuhandeln. Und sollichen gewirckten und betheidingten friden hadt die ksl. Mt. fur sich selbs und aus eigner bewegung auf dem reichstag zu Regenspurg nachvolgent allenthalben in das Hl. Reich ausgeschriben und verkundigt [Beilage A] und in rechtvertigung und processen in glaubens- und religionssachen stillzustehen bevohlenq[Beilage C].
[Art. 4] Es sein aber die beysitzer des ksl. cammergerichts, unangesehen des ksl. bewilligten anstandts und anstellung der gerichtlichen proceß, nichzitdesterweniger uff anruffen der partheyenr und sonst, in sachen die religion und angetzogne verenderung der s–ceremonien und–sgeistlichen gutter zu christlichem besserm brauch belangent, uff die peen des landtfridens vermog des augspurgischen abschidts furgefaren und inen ire rechtmessige vorgewante exception und protestation, das die handtlung religion- und glaubenssachen oder jhe zum wenigsten denselbigen anhengig und also in dem ksl. fridtstandt begriffen wern, abgeschnitten und verworfen. Das belastete Verhältnis zwischen dem Reichskammergericht und den evangelischen Ständen verschlechterte sich durch den Fortgang der Prozesse und die Achterklärung u.a. gegen die Stadt Minden, die trotz des Friedstandsgebots des Kaisers aus religiösen Gründen erfolgte, mit der vorgeschobenen Behauptung, dass es sich um einen Konflikt in weltlichen Angelegenheiten handle4.
[Art. 5] Da die Prozesse des Reichskammergerichts eine Bedrohung für den Frieden darstellten, entsandte der Kaiser 1539 den Ebf. von Lund als seinen Orator ins Reich, der mit Hilfe der Kff. Pfalz und Brandenburg als Unterhändlern den Frankfurter Anstand (1539 April 19) aushandelte, in welchem abermals der Stillstand der Kammergerichtsprozesse festgelegt wurde. Wie ungehorsamlich nun sich cammerrichter und beysitzer uber alle vorige stillständt, verträg, abschied, jussion und bevelch gehalten, also haben sie sich gleicher gestalt auch hierin uber diesen franckfurdischen abschiedt ertzeigt und demselben gleich als wenig gelept.
[Art. 6] Trotz des bedrohlichen Vorgehens des Reichskammergerichts schreckten die evangelischen Stände vor der Rekusation des Gerichts in weltlichen und geistlichen Angelegenheiten zurück. So haben doch ire kfl., fstl. Gnn. und sie, in ansehung, was vor unrichtigkeit im Reich daraus volgen möcht, dasselbig datzumaln underlassen und allein in religion- und deren anhengigen oder daruß fliesenden sachen bemelte cammerrichter und beysitzer recusirt5, die ursachen der suspition ertzelt und sich derhalben ad arbitros juris, die ire kfl., fstl. Gnn. und sie alsbaldt benandt, erbotten, in zuversicht, cammerrichter und beysitzer solten dieselben furgebrachten suspition und ursachen des verdachts, t–als offenpar der billicheit nach und wie–tsie in recht zu thun schuldig gewest, zu gemut gefurt und solche sachen, darin sie recusirt, angestalt oder u–die ursachen des verdachts–uzum wenigsten vor den ernenten arbitris oder ander unpartheyschen zu gepurlicher erörterung kommen lassen. Es ist aber solch rechtmessige recusation wie die vorgemelt stillstendt, abschidt, jussion und bevelch veracht und also widder Gott, kayser, konig noch auch die menschlichen und naturlichen recht, die da wollen, das sorglich und meidlich sey, vor verdechtigen richtern rechts zu gewarten, angesehen worden. In Folge der Rekusation wurde die Missgunst der Richter und Beisitzer gegen die evangelischen Stände noch größer und das Gericht ging nicht nur in Religionssachen, sondern auch in weltlichen Angelegenheiten gegen die Protestanten vor, was sich am Beispiel der Stadt Goslar zeigte und zu Unfrieden im Reich führte.
[Art. 7] Als der Kaiser erkannte, dass ein beständiger Friede ohne Einigung in der Religionsfrage nicht zu erlangen war, ließ er nach den Frankfurter Verhandlungen von 1539 ein Religionskolloquium in Hagenau und Worms (1540/1541) abhalten. Da es auch dort zu keinem Vergleich kam, begab sich der Herrscher persönlich in das Reich, um auf dem Regensburg Reichstag u.a. die Acht gegen Goslar und Minden zu suspendieren und den Reichsständen Frieden und Recht in Aussicht zu stellen. Damals wurde die Visitation und Reform des ksl. Kammergerichts beschlossen. Nachdem aber dem abschidt [RTA JR Bd. XI, Nr. 941] damaln ainverleibt wardt, das das cammergericht vermög der abschidt jungstgehaltener zweier reichstäg – das ist des augspurgischen anno etc. 30 und des regenspurgischen anno etc. 32 gehalten, in welchen versehen, das sich cammerrichter und beysitzer des augspurgischen abschiedts, und sonderlich im artickel die religion belangent, halten und dem geleben – visitirt und reformirt werden sollten, so ist von vorgemelten stenden der ksl. Mt. angetzeigt worden, das sie diesen articul, v–auf die visitation und reformation des cammergerichts gestellt–v, nit bewilligen oder annemen möchten, dan dardurch stunden sie des cammergerichts halben in vorigen beschwerungen, deren inen damit nit abgeholfen, sonder dieweil dasselbig cammergericht fur und fur uff den augspurgischen abschiedt mit allen denen personen, so irer religion zuwidder wern, besetzt und keiner, der irer kfl., fstl. Gnn. und irer religion geneigt, darzu angenomen, w–so möchten sie sich bey denselben ebensowenig als vor gleichmessigs rechten versehen–w.
[Art. 8] Auf Grund dieser Einwände entschloss sich der Kaiser, den Regensburger Abschied (RTA JR Bd. XI, Nr. 941) für die evangelischen Stände in einer Deklaration zu erläutern (RTA JR Bd. XI, Nr. 949: Beilage D), in wilcher sich ir ksl. Mt. ustruckenlich erclert, x–das der augspurgisch abschied, sovill die religion belangt, nit statthaben, sonder die beysitzer des cammergerichts uff den regenspurgischen abschidt und darauf gevolgte ksl. declaration sollen veraydigt–x, deßgleichen die personen, so presentirt wurden von deßwegen, das sie der augspurgischen confession wern, gar nit gewegert werden und also die visitation nit uff die alten abschied, sonder uff diese irer Mt. gegeben declaration geschehen und auf den 14. Jannuarij des damaln kunftigen 42. jars zu Speyr furgehen sollt. Unter diesen Bedingungen nahmen die evangelischen Stände den Regensburger Reichsabschied von 1541 an und bezeugten dies öffentlich vor der ganzen Reichsversammlung.
[Art. 9] In Folge der Eroberung Ofens durch die Türken (1541 Aug. 29) wurde für den 14. Jan. 1542 ein Reichstag nach Speyer ausgeschrieben, bei welchem die Protestanten vor der Bewilligung der Türkenhilfe auf der Erfüllung ihrer Forderungen zu Friede und Recht und auf der Visitation des Kammergerichts beharrten. Obwohl im Regensburger Abschied die Visitation für den 14. Jan. 1542 in Aussicht gestellt worden war, wurde diese verschoben. Und nachdemy sich ire kfl., fstl. Gnn. und sie desselben zum hochsten beschwert, so ist inen von euer kgl. Mt. sampt den ksl. commissarien durch briefliche urkunth und schein z–versicherung und zusag beschehen–z, das solche visitation und reformation gewisslich irn furgang gewinnen und vermög des regenspurgischen abschiedts und darauf gegebner ksl. declaration furgenomen und verrichtet, auch durch die ksl. Mt. bey den commissarienaa verschafft werden sollte, das solchs also geschehe und ervolge [RTA JR Bd. XII, Nr. 148: Beilage E]. Darauf dan dise Kff., Ff., graven, stett und stendt die hulf und anlag widder den Turcken, auch die underhaltungab des cammergerichts, daran sie dan das ziel des ersten halben jars ac–zum theil–betzalt, bewilligt, doch underschiedtlich. Und also wo solche visitation und reformation nit geschehen wurdt, das inen ire kfl., fstl. Gnn. und ire gesanten usstruckenlich furbehalten haben wöllten, das cammergericht wedder zu underhalten helfen noch vor demselbigen recht zu geben oder zu nemen, sonder es nit allein in religion-, sondern auch allen andern sachen zu recusirn.
[Art. 10] Demnach haben diese stendt ire reth und pottschaften zu solcher visitation und reformation des cammergerichts uff den obgenanten 16. Junij gehn Speyr verordent und geschickt, der gentzlichen hoffnung und zuversicht, es sollte die nun so oft verabschiedt und versprochen visitation irn furgang erreichen. Die Visitation wurde jedoch vom Kaiser auf Betreiben der Gegner der evangelischen Stände abermals suspendiert und die zur Visitation Verordneten zogen unverrichteter Dinge wieder ab. Nichtsdestoweniger haben die personen des cammergerichts gegen diesen stenden so partheylich und beschwerlich furthgefaren, das menniglich ir partheylichkeit, ungleicheit, verdacht, abgunst und widderwertickeit klerlich spuren mögen, wie sie dan in sachen der genotträngten defension gegen Hg. Heinrichen von Braunschweig in stetter ubung sein, diese stendt mit peenen des landtfridens und der acht zu beschweren, dergleichen in sachen, die underhaltung des cammergerichts betreffent, da doch diese stendt dieselb underhaltung anderst nit bewilligt dan auf die ksl. regenspurgische declaration und sover das cammergericht nach derselben visitirt und reformirt werde. Deshalb legten die evangelischen Stände auf dem geplanten, jedoch wieder verschobenen Visitationstag in Speyer im Juni 1542 die ksl. Deklaration von Regensburg (Beilage D) und die Speyerer Deklaration Kg. Ferdinands und der ksl. Kommissare (Beilage E) öffentlich vor Zeugen vor.
[Art. 11] Da die Visitation und Reform des Kammergerichts trotz aller Zusagen nicht vorankam und das auf den Augsburger Reichsabschied von 1530 vereidigte, den evangelischen Ständen feindlich gesinnte Gerichtspersonal die Protestanten weiterhin mit Prozessen bedrohte, konnten sie weder in weltlichen noch in religiösen Angelegenheiten einer unparteiischen Rechtssprechung gewärtig sein. Deshalb entschlossen sie sich zur Rekusation des Reichskammergerichts in allen Belangen (Beilage F), doch alles allein so lang und viel, biß dis ksl. cammergericht nach rechter ordenung mit ad–dieser stendt–zuthun und bewilligung besatzt und furnemlich, biß es vermög ksl. und euer kgl. Mtt., auch der ksl. commissarien declaration, bewilligung und urkunth visitirt und reformirt, auch also aller verdacht und beschwerung irer personen halben gentzlich abgeschafft wurt, mit dieser ußtrucklichen protestation, das ire kfl., fstl. Gnn. und sie durch ire rechtmessige vorgewante recusation die rechte und wahre jurisdiction ae–der ksl. Mt. und des Hl. Reichs–aein keinen weg anfechten oder angefochten haben wöllen. Das auch irer kfl., fstl. Gnn. und ir gemut, meynung und will nicht were imants, was standts oder condition der sey, af–dem sie zu recht zu antworten schuldig–af, gebürlichs, gleichmessigs und unpartheysch rechtens vor zu sein, inmassen sie sich doch zu demselben alwegen erpotten und noch erpieten, sonder das sie solche recusation zu irer und irer mitverwanten stendt unvermeidlicher notturft und zu beschirmung irer rechtmesigen sachen haben furwenden mussen. Wissen und mögen also die Kff., Ff., graven, stett und stendt vor diesen partheylichen, verdechtigen und recusierten richtern weder recht zu geben noch zu nemen, were auch widder gemeinen verstandt, nattur und pillicheit gantz sorglich, sie wollten dan sich, ire underthanen und zugehörigen in gewiß abfalh und verterben setzen.
Zweifeln demnach nit, euer kgl. Mt., fstl. Gnn. und G. oder imant ander unpartheysch, erbers gemuts werden irn kfl., fstl. Gnn. und inen nit verkeren oder verargen, das sie dieser leut, welche sich in allen obgeschriebnen handlungen so verdechtig und partheylich ag–gehalten, auch mit inen des glaubens und religion nit alleine nit aynig, sonder in demselben sich also ertzeigt und bewisen, auch offentlich haben vernemen lassen, das sie nichts liebers sehen und hören wöllten, dan das dieser stendt religion und sie, die stendt, von grundt ußgereutet [= ausgerottet] und zu boden gingen–, als irer widderwertigen vermög ires ustrucklichen vorbehalts erkanthnus fliehen. Dieser und keiner andern gestalt ist vorbemelte dieser stendt recusation beschehen.
[Art. 12] Und ist hierauf an euer kgl. Mt., fstl. Gnn. und G. unser underthenigst, underthenig, vleissig bitt, ob die sachen anderst an sie gelangt weren oder wurden, demselben keinen glauben zu geben, sonder gnediglich und gunstiglich zu bedenken, das solchs dieser stendt unvermeidliche notturft ervordert hat und das auch die natürliche billicheit uff ir tregt und diesen stenden zulässt, uff weg zu trachten, dardurch sie von solcher grosser, unerleidtlicher beschwerung uff erlaupte, gepurliche weg entledigt werden mochten.
[Art. 13] ahDan es konnen euer kgl. Mt., fstl. Gnn. und G. gnedigst und gunstig erachten, wo die oftgemelten personen an diesem cammergericht unverendert bleiben und sich, wie biß anher beschehen, gegen den vorgemelten unsern gnedigsten, gnedigen herrn und obern fur richter ferner anmassen, sie mit urtheilen, peenen des landtfridens und des Reichs achten und aberachten vermeinlich beschwern sollten, das solchs nit allein unsern gnedigsten, gnedigen hern und obern, derselben mitverwanten, angehorigen und underthanen unleidtlich und untreglich sein wöllt, sonder auch die gantze teutsche nation durch solche obgemelte personen unbedechtige und unrechtmesige handlung in grosse geverlicheit gesetzt wurde.
Solte nun die teutsche nation durch dieser leut handlung also ineinander wachsen, ir gelt, prophiant, vorrath, kriegsvolck und vermögen gegeneinander verprauchen und verlieren (welchs Gott gnedigclich verhutten wolle), so ist one nott, euer kgl. Mt., fstl. Gnn. und G. nach der leng zu ertzelen, zu was nachtheil und unwidderbringlichem schaden sollichs teutscher nation und gemeiner christenheit reichen, dargegen zu was frolockung, nutz und vortheil es dem erbfeindt unsers christlichen glaubens, dem Turcken, dienen, das es auch nit allein die hulf widder denselben verhindern, sondern ime ein gewisse und gewunschte vorbereithung, alle anstossende landt und nachmaln das gantz Reich teutscher nation under seinen tirannischen gewalt zu pringen, machen wurde. Dan solchs alles ist euer kgl. Mt., fstl. Gnn. und G. irem hochbegabtem verstandt nach unverporgen, als die uß viln zuvor ergangnen geschichten und exempeln gnedigst, gnedig und gut wissen tragen, was innerliche krieg biß hieher gemeiner christenheit fur schaden und diesem feindt fur vortheil bracht haben, wie schwerlich auch dieselben krieg, so sie einmal in schwanck komen, die parthey gegeneinander erhitzigen, zu verrichten und beyzulegen seyen. Welchs alles doch diese stendt irs theils mit hochstem vleiß und vermögen gern furkomen und viel lieber bestendigen friden, gleichmesig recht, rhu und einigkeit im Hl. Reich gefurdert sehen und an allem dem, das dartzu furtreglich sein möcht, an inen nichts erwinden lassen wollten.
[Art. 14] Nachdem auch, allergnedigster könig, gnedig und gunstig herrn, die zweyhelligkeit und zweyspaltung der religion ein ursprung ist aller ungleicheit, misverstandts und mistrauen im Reich, wie obgemelt, welche zweyhelligkeit aber daher entstehet, das der christenlichen leer des gottlichen worts, erkanter warheit, rechtgeschaffnen gottesdiensten und kirchenubung freyer, stracker lauf biß daher nit gelassen, dardurch rechtgeschaffne reformation und besserung der kirchen (wie dan dieselbig von diesen stenden nun uff vieln tägen zu mehrmaln mit allem vleiß begert und gesucht worden ist) verblieben und die offentparn, bekanthen mispreuch umb erhaltung willen menschlicher reputation und eigens gesuchs nit allein nit abgestellt und gebessert, sonder auch bey vielen noch vertheidingt, bey etzlichen aber uß hoffnung kunftiger reformation mit beschwerung irer gewissen und gefahr der seelenheil erhalten werden, derhalben dan Gott der Almechtig uns täglich – je lenger, je beschwerlicher – mit ferrerm zweyspalt, mißtrauen, kriegen und andern erschrecklichen straffen (wie leider nun zuviel hauffig allenthalben vor augen) heimsucht. So ist woll zu erachten, aller dieser unrath, so dergestalt auß zorn und straff Gottes uber uns kompt, werde anderst nicht zu vorkommen oder abzuwenden sein, dan das der wahren, christlichen lere des wort Gottes, erkanter warheit, rechtgeschaffnen gottesdiensten und kirchenubungen stattgegeben und inhalts derselbigen ware reformation und abschaffung der eingerissnen mißbräuch ernstlich furgenomen werde.
[Art. 15] Deshalb bitten die evangelischen Stände Kg. Ferdinand und die ksl. Kommissare, sie mögen die Lehre des göttlichen Worts und evangelische Gottesdienste ohne Verhinderung gestatten, weil nur auf diese Weise ein Vergleich aller strittigen Religionsartikel erfolgen könne und die Strafe Gottes abgewendet werde. Do aber sollichs dieser zeit je nicht zu erlangen, das doch euer kgl. Mt., fstl. Gnn. und G. in erwegung oberzelt alles, auch der grossen vorstehenden beschwerden und gevahr auf dißmal zum wenigsten die mittel fur die handt nemen und in das werck pringen helfen, dardurch der religion und derselbigen anhengigen oder darauß fliesenden sachen halb zwischen den stenden des Reichs einmal ein solcher gemeiner, bestendiger fridt mocht ervolgen, deß sich ermelte reichsstend desselben von allen theiln zugleich wurcklich hetten zu gebrauchen, damit das mißvertrauen, so sich nun ein lange zeit zwischen den reichsstenden erhalten, doch soviel möglich hingenomen werde und sich darauf menniglich widderumb eines gleichmesigen, unpartheyschen, ußtreglichen rechtens getrosten möchte, und furter zu gelegner zeit und zum furderlichsten zu einem gemeinen, freyen, christenlichen concilio, in teutscher nation zu halten, oder nationalversamlung helfen furdern, in welchem alle, und sonderlich die offenliche, bekante mißbreuch durch das gottlich wort reformirt, gebessert und anstatt derselben christenliche, reine leer gottlichs worts, rechtgeschaffner gotsdienst und kirchenubung aufgerichtet werde, dan dardurch konten die stendt des Reichs zur einhellickeit und entlicher vergleichung in der religion komen. Und wurde derhalben auch das schwer mißvertrauen gentzlich hingenomen, auch also entlicher volkomner friden, rhu und eynigkeit ervolgen.
[Art. 16] Dieweil aber obangeregter fridt bey den itzigen partheylichen richtern und beysitzern des ksl. cammergerichts, die sich also in viel weg verdechtig und abgunstig ertzeigt, auch allererst durch die beeden gevolgten recusationen [1534 Jan. 30 und 1542 Dez. 4] noch mehr gegen diesen stenden bewegt und erhitzet worden sein, nit geschehen noch besteen kan oder mag, so ist gleicher gestalt unser underthenigst, underthenig und dienstlich bitt, euer kgl. Mt., fstl. Gnn. und G. wöllen gnedigst, gnedig und gunstiglich daran sein und verfügen, das dieselben furderlich abgeschafft (wie hiebevor in gleichem fall mit dem ksl. regiment allein uff anhalten zweyer churfursten und eines fursten uß geringern ursachen auch beschehen)6, das cammergericht zum furderlichsten von den stenden zu allen theiln vermög der alten cammergerichtsordenung, der ksl. Mt. declaration, deßgleichen euer kgl. Mt. und der ksl. Mt. commissarien gegeben urkunths mit andern personen von neuem besatzt, auch aller verner mängel halben nach notturft reformirt und dan derends rechthengige sachen dieser stende widderumb in den standt, darinnen sie vor beschehener recusation gewesen, restituirt und gestelt und darauf den beysitzern ernstlich bevohlen und eingebunden werde, solche reformation und ordenung, auch den verglichungen, still- und fridtstenden, so obbemelter sachen halben betheydingt und gewilligt worden, stracks zu geleben, nachzukommen und darwidder nit zu handeln noch zu erkennen, alles mit der maß, form und enderung, darmit auch diese stend gleich andern des fridens und rechtens vehig sein, auch desen gnugsame assecuration und versicherung erlangen, und also in dem Hl. Röm. Reich widderumb ein gemeiner, bestendiger frid und recht uffgericht und erhalten werden mög, wie dan das alles die vorstehende not gemeines vatterlandts teutscher nation, auch die gegenwertigen gantz geverlichen, geschwinden zeit und leuft hochlich ervordern. Und wir uns von wegen unser gnedigsten und gnedigen herrn und obern unsers theils zu aller muglichen befurderung solchs christenlichen wercks hiemit gegen euer kgl. Mt., fstl. Gnn. und G., auch gemeinen reichstenden erpotten haben wöllen, der underthenigsten, underthenigen und dienstlichen zuversicht, euer kgl. Mt., fstl. Gnn. und G., auch gemeine reichsstend werden zu solchem allem fridlichem wesen zuguttem und gemeiner teutscher nation zu bestendigem nutz und wollfarth nit weniger geneigt sein und in dem an inen nichts erwinden lassen.
[Art. 17] 7Dann do solche weg und mittel fridens und rechtens nit zufurderst beradtschlagt, gesucht und erlangt werden sollten, hetten euer kgl. Mt., fstl. Gnn. und G. uß hochbegabtem verstandt gnediglich und gunstiglich zu ermessen, das sich hochgemelte Kff., Ff. und stend, auch wir von derselben wegen uns in gar kein handlung der turckenhulf oder ander sachen wurden einlassen konnen oder mögen, do wir doch sonst unserer gnedigsten und gnedigen herrn und obern gemuth dahin gericht wusten, das sie in allem dem, das zu nutz und wollfarth des Reichs teutscher nation dienlich und ersprießlich, auch inen immer möglich und treglich wer, als gehorsame glider des Reichs keinen mangel erscheinen oder ichtzit erwinden lassen wurden. Solchs haben euer kgl. Mt., fstl. Gnn. und G. wir uß unser unvermeidlicher notturft craft entpfangens bevelchs in underthenigkeit nit sollen verhalten, dero wir uns undertheniglich und dinstlich thun bevehlen.
US: Euer kgl. Mt., fstl. Gnn. und G. underthenigste und willige der Kff., Ff., graven, stett und stend der augspurgischen confession und derselben religion reth, gesanten und pottschaften und verwanten.
Beilagen: in der Textvorlage mit A bis F bezeichnet.
A: Mandat Karls V. für einen allgemeinen Frieden im Reich – Regensburg, 1532 Aug. 3, gedr. in: RTA JR Bd. X, Nr. 559.
B: Nürnberger Anstand, Nürnberg, 1532 Juli 24; gedr. in: RTA JR Bd. X, Nr. 549.
C: Bestätigung des Nürnberger Anstandes durch Karl V., Regensburg, 1532 Juli 31/Aug. 2; gedr. in: RTA JR Bd. X, Nr. 557.
D: Deklaration Karls V. zum Reichsabschied für die protestantischen Stände, Regensburg, 1541 Juli 29; gedr. in: RTA JR Bd. XI, Nr. 949.
E: Deklaration Kg. Ferdinands und der ksl. Kommissare für die evangelischen Stände, Speyer, 1542 April 10; gedr. in: RTA JR Bd. XII, Nr. 148.
F: Rekusation des Reichskammergerichts in geistlichen und weltlichen Angelegenheiten durch die Schmalkaldener, verlesen Speyer, 1542 Dez. 4, in: Wien HHStA, RK RTA 11/Konv. 1, fol. 103r–113v (zeitgen. Druck).