Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe. Reichstagsakten unter Kaiser Karl V., XIV. Band. Der Reichstag zu Nürnberg 1543 bearbeitet von Silvia Schweinzer-Burian, mit Vorarbeiten von Friedrich Edelmayer

A Weimar HStA, EGA, Reg. H pag. 536–541, Nr. 178, fol. 69r–74v (Kop.); DV fol. 74v: Antwort an röm. Kg. Ferdinandum.

B Wien HHStA, RK RA i.g. 13f/Konv. 2, fol. 98r–105v (Kop.); DV fol. 105v: Copia der anthwort unsers gnedigen herrn des landtgrafen, dem khonig gegeben, belangend die thurckenhulf, frid und gleichmessig recht etc.

Es haben mir mein rethe und geschickten, so itzo zu Nurmberg sein, geschrieben, was euer kgl. Mt. einig allein in beysein des H. Granvels selbst personlich mit inen geredt und was sie in underthenigkeit euer kgl. Mt. gewiderantwortet [Nr. 189]. Desgleichen ist mir ein schrieft, so euer kgl. Mt. darauf an mich gestellet1, von inen zugefertigt worden, wilch ich mit gepurlicher reverentz entpfangen, verlesen und inhalts verstanden. Und sollen euer kgl. Mt. das gewis glauben, was ich der ksl. Mt. und euer kgl. Mt., als meinen allergnedigsten hern, kann zu underthenigem gevallen thun, das ich desselbigen geneigt bin. Und weiß auch, das die andern meine religions- und zugeeinigte stende neben mir geneigt und willig sein, gegen dem erbfeind gemeiner christenheit, dem Turcken, zu helfen und der ksl. und euer kgl. Mtt. underthenige wilfarung zu ertzeigen, da sie daheimen eines bestendigen fridens und gleichmessigen rechtens mochten versichert und vergwissigt sein.

Dweil aber die itzige chammergerichtspersonen gegen uns, diese stendt, in vil weg, so ich hie all tzu ertzelen vor unnotig achte, dieweil euer kgl. Mt. dero albereit gnugsam von den stenden dieser vorein bericht sein etc., so gantz und ubermessig vordechtig gehandlet, auch unter disen personen gantz nimands befunden wirdet, der dieser stende glaubens und religion ist, und dartzu sich clar und unwiddersprechlich erscheinet, das sie keinen ksl. oder euer kgl. Mt. suspensionen, mandaten, gepotten oder gescheften, so sie disen stenden zu gnaden aus bewegenden, pillichen und gegrunten ursachen gethan, parirt oder gehorsamet hetten oder noch zu pariren und zu gehorsamen gedencken, so haben euer kgl.a Mt. als ein von Gott verordneter, mit vernunft hochbegabter konig und di ksl. commissarien, so itzo bey euer kgl. Mt. sein, anstat der ksl. Mt. gnediglich, wol und leidenlichb zu ermessen und zu erachten, wie doch mir geziemen wolt, meine religions ainungsverwanten stend dahin zu persuadiren, das sie tapferlich und stattlich, wie di hohe, unvermeidliche notturft thuet erfordern, gegen dem erbfeinde gemeiner christenheit, dem Turcken, ihr hohes und tapfers vermugens angreifen, das ksl. chammergericht unterhalten helfen, sich und ire unterthanen darin hart ersuchen und dargegen nit einen bestendigen friden und gleichmessig recht halten, sondern vor einem solichen parteischen, verdechtigen und aus erheblichen, gegrunten ursachen so viel maln recusirten chammergericht umb ir leib, hab und guter zu recht stehen sollten.

Und wann ich schon hirin mein gewissen nit bedencken und meine religions zugeeinigte stende hirtzu persuadiren und uberreden wollte, so wurden sie doch sagen, ich rithe inen untreulich, ich sucht mein selbst sachen mehr dann gemeiner stende eusserste und unvermeidliche notturft und wurde desfals bey inen kein volg haben. Und mag euer kgl. Mt. bey hochster warheit wol schreiben und antzeigen, das ich bey mir nicht finden kann, wi doch wir, dise stende, one furgeenden bestendigen friden und gleichmeßigs recht ein solichs mochten bewilligen. Glauben auch, wann euer kgl. Mt. di ding selbst bedechtiglich erwege, sie werden das selbst aus hohem kgl. vorstandt bey ihr gleicher gestalt auch nicht anderst ermessen mugen.

Und darumb so ist mein unterthenig bitt und treuer wolmeinlicher rath, euer kgl. Mt. wolle gnedigst daran sein und befordern, das ein bestendiger frid uffgericht und di personen des itzigen chammergerichts von der ksl. und euer kgl. Mtt. gnedigst urlaubt und darnach one unterschied von bederseits religion mit fromen, erbarn, verstendigen und unparteischen mennern ein ander chammergericht verordnet und gesetzt werde. Wann das beschicht, so wonet bey mir kein zweivel, das meine religionsverwante stende imandts der rechten fur sein werden oder das sie ein ksl. gericht und gleichmessig chammergericht nicht wol leiden mochten, sondern es ist inen, wie auch sonst dem gemeinen Reich, eines solichen gleichen rechtens hoch vonnoten und konnen auch deß keinswegs entraten oder entperen.

Und sopaldt man solchen friden und gleichs recht erlangt, so ist zweifelsfrey, es werden alsdan diese stende an inen der turckenhilf halben nach irem vermogen nichts erwinden lassen, sondern das auß frolichem und freyem und willigem gemut gantz gern thun, wie dan euer kgl. Mt. meines gewissen erachtens befinden, das an uns, denen die man die luterischen nennet, in der expedition, so verlaufnes jars wider den Turcken furgenomen, kein oder der wenigst mangel gewesen ist.

Hirin beweisen und ertzaigen euer kgl. Mt. ein loblichs kgl. werck, wilchs euer kgl. Mt., zuvoran der ksl. Mt. und gantzer teutscher nation zugut gelangen wurdet, machen ir hirdurch diese stende gunstig und wol gewogen. Und ich werde dermassen bericht, das nit die geringste antzal der Kff., Ff. und stende, so jenes teils sein sollen, daran kein beschwerung haben oder tragen werden, es weren dan dero etwo wenig. Und glaub auch, das Kgn. Maria zu Ungern und Behmen etc., regentin der ksl. erbniderland, mein besonder liebe fraue und muhm, an solcher verenderung und absetzung itziger chamergerichtspersonen kein misfallens haben, sondern das gern sehen und wol leiden muge.

Dartzue so ist ye an disen personen des chamergerichts so treflich, merglich und vil nit gelegen, das man an ire stette nit mochte andere annemen und verordenen, dweil doch nit begert wirdet, sie an iren ehren zu schmitzen [= beflecken, beschmutzen]. Und wol eer ain gantz regiment durch euer kgl. Mt. und andere stende des Reichs abgesetzt worden2, darunter wol so viel und mehr ehrlicher und trefflicher leut als diese sein mugen gewesen, und ist inen dannost solich absetzung zu verletzung und entziehung irer ehren nicht gerathen. Und wer warlich hirin wol so hoch und mehr uff gemeine wolfart des Reichs als uff diese personen zu sehen.

Zudem so mag nicht widdersprochen werden, das der Kff., Ff., graven und stette und stende, so dieser religion sein, wol so viel und auch so vermugende als der andern, nemlich jensteils, im Reich teurscher nation ist und das der von adel und gemeinen manns viel und der grosser teil auch dieser religion ist. Solte man dann nun nicht dan di personen von jenem teil am chammergericht haben und von disem teil nimands daran gedulden, sondern gentzlich ausmustern wolln, dasselbig were ye, wie eur kgl. Mt. wol bey ihr selbst ermessen mugen, ungleichmessig. Und es lige disen stenden nicht allein an denen processen, di itzt am chammergericht hangen, sondern auch das noch viel sachen, di diese stende zu thun haben, ans chammergericht gelangen mochten. Sollten dan sie, diese stende, auch der zukunftigen sachen halben vor einem solichen gericht oder richter vorkomen, di nun zweimal, einmal in religion- und das ander mal in allen prophansachen recusirt sein, so haben euer kgl. Mt. leicht zu ermessen, was gleiche richter diese stende an inen haben wurden und wi doch disse stende sich einiges gleichen urteils zu inen versehen mochten etc.

Dem allen nach bitt ich gantz unterthenig, euer kgl. Mt. wollen mir diese meine antzeige und erinnderung, so in warheit aus guter, treuer meinung beschicht, zugut halten und in disem fall, da ich den sachen nicht anders thun noch erheben mag, kein ungnedigs misfallen tragen, sondern mich in dem aus ertzelten ursachen gnedigst entschuldigt nemen. Ansonsten ist der Lgf. von Hessen stets bereit, dem Kaiser und König zu Diensten zu sein.

Anmerkungen

1
Kg. Ferdinand an Lgf. Philipp, Nürnberg, 1543 März 11: siehe Nr. 189, Anm. 1.
a
In B: ksl.
b
In B: liderlich.
2
Entlassung des Reichsregiments auf dem Nürnberger RT 1524. Siehe dazu C. Roll, Das Zweite Reichsregiment 1521–1530, bes. S. 205–227.